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Die Tortur oder Folter als Rechtsmittel, die peinliche oder harte Frage, wie sie in Deutschland früher gewöhnlich genannt wurde, bildet eines der grauenhaftesten und betrübendsten Kapitel in dem Buche der Geschichte der Menschheit. Wann und wo die Tortur derart zuerst zur Anwendung gelangte, wird sich wohl nie genau bestimmen lassen. Wir sehen sie überall und zu allen Zeiten zur Anwendung gelangen, bei unkultivierten, wie bei hochkultivierten Völkern; bei diesen zumeist sogar mit einer systematischen und raffinierten Grausamkeit, – in den grauen Tagen der Vorzeit, im Altertum, im fanatischen Mittelalter, wie in den helleren Tagen der Neuzeit. Selbst die unmittelbare Gegenwart, die so gern mit ihrer Humanität prunkt und prahlt, weist nicht selten die Anwendung der Tortur auf, wie durch Angaben in diesem Werke noch erwiesen werden soll. Aus unseren Gesetzbüchern ist zwar die »peinliche Frage« entschwunden, wenn auch erst seit verhältnismässig kurzer Zeit; aber abgesehen davon, dass sie, wie erwähnt, heute noch hier und dort mit der ganzen Grausamkeit von einst zur Anwendung gelangt, kann noch so manches, was sich sonst in der Untersuchungshaft abspielt, mit gutem Recht als Folter gelten, wenn auch Daumschrauben, spanischer Stiefel u. s. w. dabei nicht zur Anwendung gelangen.
So allgemein die Tortur auch im Brauch war, die Mitteilungen darüber aus alter Zeit sind uns nur spärlich überliefert worden. Wenn wir das Unwahrscheinliche nicht annehmen wollten, dass just diese Berichte in Schrift und Bild grösstenteils der Vernichtung anheimgefallen sind, so müssen wir uns der Ansicht zuneigen, dass das Bessere im Menschengeist einer ausführlichen Darstellung dieser Grausamkeiten abgeneigt war und sie selbst dort vermieden oder stark eingeschränkt hat, wo es sich um Schilderungen von Praktiken und Gepflogenheiten feindlicher oder sonst verhasster Völker galt. Ausführlichere Mitteilungen über die Folter besitzen wir erst aus dem späteren Mittelalter und der nachfolgenden Zeit, wozu auch manches Johannes Gutenbergs Erfindung der »schwarzen Kunst« beigetragen haben mag.
Die Erweiterung der Anwendung der Folter in Europa hängt allerdings mit der veränderten Rechtspraxis zusammen, mit der Einführung des römischen Rechts, sowie auch mit der Machtentfaltung der katholischen Kirche, die sich bei den Ketzerverfolgungen und in den Hexenprozessen dieses fürchterlichen Mittels mit grausamer Härte bediente. Allerdings muss aber auch zugegeben werden, dass auch der Protestantismus mit den vermeintlichen Hexen nicht glimpflicher verfuhr, wenn es auch hier wie dort später nicht an Stimmen fehlte, die diese fanatischen Verfolgungen bekämpften.
Die Inquisition und die Hexenprozesse werden daher in diesem Werke ausführlich erörtert werden, daneben auch die Anwendung der Tortur bei den alten Völkern, bei Griechen und Römern, bei den Naturvölkern. Wir werden auch manches von der alten Gesetzgebung und Rechtspraxis in Betracht ziehen, die Ordalien und noch einiges andere. Wir werden auf einige Prozesse näher eingehen, bei denen die Folter angewandt wurde. Wir werden auch einiges über Selbstfolterung mitteilen, wo der religiöse Fanatismus den Menschen gegen sich selbst wüten lässt. Selbstverständlich soll es hier auch nicht an der Anführung der wichtigsten gesetzlichen Bestimmungen über das peinliche Verfahren fehlen, und zahlreiche sorgfältig gewählte Illustrationen sollen den Text erklärend unterstützen. Auch sonst noch enthält dieses Werk manches, was für die Beurteilung von Zeit und Rechtsverhältnissen von Bedeutung ist und dabei auch den Zweck erfüllt, einige Abwechslung in den von Qual und Schrecken erfüllten Stoff der Abhandlung zu bringen.
Die Tortur hat bisher keine ausführliche, umfassende Schilderung gefunden. Wenn hiermit der Versuch gemacht wird, diese Lücke in der Kulturgeschichtsschreibung auszufüllen, so geschieht es in der Hoffnung, dass dieses Unternehmen nicht nur in Fachkreisen, sondern auch in allen gebildeten Kreisen, für die dieses Werk hauptsächlich bestimmt ist, mit Beifall aufgenommen werden wird. So sehr der Verfasser auch bemüht war, die Materie vollständig und in befriedigender Form zu geben, glaubt er doch auch die Nachsicht der Kenner für etwa vorhandene Mängel erbitten zu müssen und erwarten zu dürfen. Es ist nicht leicht, fest und sicher auf einem nur spärlich betretenen Boden dahinzuschreiten, und nur zu leicht, bei der Fülle der vorhandenen Einzelheiten das eine oder das andere nicht festzuhalten und zweckmässig anzuwenden.
Die Quellenwerke sind im Text an den geeigneten Stellen angegeben worden. Selbstverständlich fand für die Geschichte der Hexenprozesse Soldans bekanntes, vortreffliches Werk hierüber geziemende Anwendung. Die Illustrationen sind, wie überall auch angegeben wurde, zumeist älteren Fachwerken entnommen, einige nach den Reproduktionen in Franz Heinemanns Monographie »Der Richter und die Rechtspflege in der deutschen Vergangenheit«, unter freundlicher Zustimmung der Verlagsfirma Eugen Diederichs in Leipzig.
Somit sei dieses Werk allen empfohlen, die für die Geschichte der menschlichen Kulturentwicklung, in der, genau genommen, jedermann seine eigene Familiengeschichte findet, das gebührende Interesse empfinden.