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Wettermachen. – Kanon Episcopi. – Mittelalter. – Gregor von Tours. – Theodorich. – Bayerisches Gesetzbuch. – Die Merovinger. – König Stefan von Ungarn. – Ladislaus der Heilige. – Koloman. – Geschlechtsverkehr mit dem Teufel. – Hexenprozesse. – Inquisition. – Hexenritt. – Diana und Herodias. – Todesurteile.
Der heute bei uns noch nicht ganz erstorbene Glaube an das Wettermachen, war in Griechenland wie in Rom zu jeder Zeit zu finden. Von seiner Fortdauer im Mittelalter geben, wie Soldan bemerkt, die sogenannten Leges barbarorum, namentlich die der Westgothen, mehrere Concilienbeschlüsse und die fränkischen Kapitularien den besten Beweis. Die Decemviral-Gesetze verboten das Herüberlocken fremder Ernten, ein Gedanke, der im neunten Jahrhundert in Frankreich so stark hervortrat, dass man von Zauberern träumte, die das Getreide durch die Luft massenhaft nach einem Fabelland Magonia entführten. Auch alle andern Arten von Zauberwesen und Aberglauben finden wir im Mittelalter allgemein geglaubt und gefürchtet, besonders die Nachtfahrten der Hexen, deren Ursprung Jakob Grimm (Deutsche Mythologie) zwar bei den alten Germanen zu finden glaubt, aber auch in früheren Ueberlieferungen erwähnt werden. »Eine besonders merkwürdige Stelle über den Glauben an die Nachtfahrten findet sich auch in der Sammlung des kanonischen Rechts. Es ist der vielfach besprochene und commentirte, bald als Beweisstelle angerufene, bald in seiner Authentie bestrittene und wieder verteidigte Kanon Episcopi, auf den wir weiter unten noch eingehender zurückkommen werden. Es wird darin den Bischöfen zur Pflicht gemacht, auf die Ausübung magischer Künste ein wachsames Auge zu haben und die Schuldigen aus der Kirchengemeinschaft auszuschliessen. Insbesondere habe man zu achten auf gewisse gottlose Weiber, welche, vom Teufel und seinen Dämonen verblendet, sich einbilden und behaupten, dass sie zur Nachtzeit mit der Heidengöttin Diana, mit Herodias und einer Schar anderer Weiber, auf gewissen Tieren reitend, grosse Länderstrecken durchfliegen und in bestimmten Nächten den Befehl ihrer Herrin gewärtig sein mussten. Dieses alles sei heidnischer Unsinn und werde vom bösen Geiste nur ihrer Phantasie vorgegaukelt. (Soldan I. 107.)« Diese und sonst noch vorkommenden Anspielungen auf die römische Mythologie weisen allerdings auf römischen Ursprung hin, doch ist damit keineswegs, wie Soldan meint, ausgeschlossen, dass sich der Gedanke von den Nachtfahrten der Hexen selbständig entwickelt hat. Die Anspielung auf Diana konnte aber erst später zur Geltung kommen, unter dem Einfluss des Römertums und mit Verdrängung irgendeiner nordischen Göttin, wie Holda, deren Namen auch Burkhardt von Worms anführt. Decret. XIX 5. Credidisti, ut aliqua femina sit, quae hoc facere possit, quod quaedamadi a bolo decaptae se affirmant necessario et ex praecepto facere debere, id est cum daemonum turba in similitudinem mulierum transformata, quam vulgaris stultitia Holdam (eine andere Lesart ist Unholdam.) vocat, certis noctibus equitare debere super quasdam bestias et in eorum se consortio annummeratam esse. Unter dem Einfluss des Christentums wieder dürfte an Dianas Stelle Herodias genannt worden sein, wie es bei den romanischen Völkern oft geschah.
Es ist begreiflich, dass mit der zunehmenden Macht des Christentums der Aberglaube und Wunderglaube sich immer kräftiger gestaltete, nicht nur weil »das Wunder ist des Glaubens liebstes Kind,« nicht nur weil »der Glaube versetzt Berge.« Es liegt auch im Wesen jeder Religion, dass deren Priester auch ohne Absicht zu täuschen eine gewisse übernatürliche Kraft zu besitzen behaupten, mittelst Gebet oder asketischen Uebungen, oder auch mittelst Schwindeleien Heilungen und noch manches andere vornehmen zu können angeben und einen Reliquienkultus entwickeln, neben dem auch Teufelstreiben, und Zauberwesen und Hexenunfug selbst unwillkürlich immer deutlicher und entschiedener hervortreten müssen.
»Die abendländische Kirche,« wieder sei Freytag fortsetzungsweise das Wort gegeben, »stand in der ersten Zeit des Mittelalters diesem Wust unheimlicher Vorstellungen reiner gegenüber, sie verurteilte ihn als teuflisch, aber sie strafte ihn im ganzen, wo er nicht zum bürgerlichen Verbrechen führte, mild und human. Doch seit die Kirche selbst zum hierarchischen System erstarrte, seit die masslosen Ansprüche der Päpste starke Herzen in die Ketzerei trieben, seit vieles Volk unter die Herrschaft der Bettelmönche verdummte, entwickelte sich allmählich in der Kirche dieser Aberglauben zu einem bornirten System. In blutigen Verfolgungen ward vernichtet, was für teuflisch galt. Seit dem dreizehnten Jahrhundert, derselben Zeit in welchem grosse Volksmassen aus dem Innern Deutschlands in die Slavenländer flüchteten, bildete sich durch fanatische Mönche der widerliche Glaube aus, dass der Teufel als Herr der Hexen sich in nächtlichen Zusammenkünften mit ihnen vermische; ein förmlicher Ritus der Adoration Satans durch verfluchte Männer und Weiber, welche den christlichen Glauben abgeschworen hatten, ward erfunden und an zahlreichen Verdächtigen in Frankreich durch delegirte Inquisitoren mit Feuer und Folter verfolgt, am Rhein und im Stedingerland mit dem Tod bestraft.«
Wir haben diese Ketzerverfolgungen bereits geschildert und wollen nun die Zustände und Verhältnisse bis zum dreizehnten Jahrhundert in Betracht ziehen. Der Bischof Gregor von Tours erzählt uns von Wundern, die der Staub des heiligen Martins an ihm selbst in Krankheitsfällen vollbracht hatte, wo alle Kunst der Aerzte vergeblich waren. Er erzählt solches auch von Leonastas, Archidiakonus zu Bourges, und knüpft daran die Lehre, dass niemand, den der Himmel einmal gnädig geheilt, zum ärztlichen Wissen seine Zuflucht nehmen solle. Auch sonst finden wir bei Gregor zahlreiche Beispiele, die beweisen, dass der Aberglaube, der Glaube an Orakeln und andern Unwesen, von der Geistlichkeit gefördert wurde, so dass die Koncilien daran denken mussten, Einschränkungen vorzuschreiben.
Schon früher sehen wir die Synoden gegen Wahrsagerei und Zauberwesen auftreten, die als Götzendienerei betrachtet wurden. Die Synode zu Laodicea, anfangs der zweiten Hälfte des vierten Jahrhunderts, sah sich genötigt, unter Androhung der Exkommunikation anzuordnen, dass Kleriker keine Zauberer, Beschwörer, Astrologen und dgl. sein sollten, auch nicht Amulete anfertigen, die nur Fesseln für ihre eigene Seele wären. Das beweist immerhin, dass derlei Androhungen nötig waren. Auch die nachfolgenden Synoden sahen sich veranlasst, sowohl Klerikern wie Laien abergläubische Verrichtungen zu verbieten. Es fehlte dabei auch nicht an Stimmen, die das ganze Zauberwesen als nichtigen Teufelsspuk hinstellten und dem Höllenfürsten jene Allmacht absprachen, die er nach der Meinung vieler besitzen sollte. Die zweite spanische Synode vom Jahre 563, dekretierte im Kanon 6: »Wer da glaubt, dass der Teufel, weil er einige Dinge in der Welt hervorgebracht hat, auch aus eigener Macht, Donner und Blitz, Gewitter und Dürre mache, wie Priscillian Priscillian war Stifter einer gnostischen Seckte in Spanien, wurde 380 von der Synode zu Saragossa als Häretiker excommuniciert und 385 zu Trier hingerichtet. Seine Anhänger, die Priscillianisten, pflanzten seine Lehren im Geheimen fort. gelehrt, der sei verflucht.«
Die bürgerlichen Gesetze jener Zeit verfuhren ziemlich streng gegen Zauberei: Der Ostgote Theodorich verfügte dieselben Strafen, die in Rom für die Magier bestanden, wobei die Möglichkeit, Wetter zu machen und Krankheiten auf den Hals zu schicken angenommen und mit zweihundert Peitschenhieben, Abscheeren der Haare, Verbannung oder Gefängnis bestraft wurde (Lex Visigoth. lib. VI tit. III). Auch den Richtern wurde Strafe angedroht, wenn sie, wie es damals üblich gewesen war, mit Hilfe von Wahrsagern einen Rechtsfall feststellen würden.
Im bayrischen Gesetzbuch waren gegen die Zauberweihe der Waffen vor dem gerichtlichen Zweikampf (Wehadinc) und gegen die Verzauberung der Ernte auf fremden Acker (Aranscati) Strafen festgesetzt (Lex Bajuvar. Tit. XII, Cap. 8, Decreta Tassilonis IV). Noch strenger verfügt die Lex Salica, die von der Möglichkeit ausgeht, eine Hexe könnte einen Menschen innerlich aufzehren, ein Wahn von dem die Lex Rotharis wenigstens sich schon lossagt: Christianis mentibus nullatenus est credendum, nec possibile est, ut hominem mulier vivum intrinsecus possit comedere.«
»Was Gregor von Tours,« schreibt Soldan S. 124, »in zerstreuten Mitteilungen über den Zustand der Dinge unter den Franken berichtet, lässt eine ganz auffallende Milde und Mässigung erkennen. Zwar fehlte es nicht an Beschuldigungen der Zauberei, aber sie führen nur dann zu blutigem Ende, wenn das Pelopidenhaus der Merowinger unmittelbar dabei beteiligt ist. Es mögen einige Vorfälle kurz berührt werden.
Als die Königin Fredegund zwei Söhne, die Prinzen Chlodobert und Dagobert, an einer Epidemie verloren hatte, liess sie sich nicht ungern überreden, ihr verhasster Stiefsohn Chlodwig habe die Kinder durch die bösen Künste der Mutter seiner Buhlerin aus dem Wege geräumt. Das Weib wurde eingezogen und liess sich unter den Qualen einer langen Folter ein Geständnis abpressen. Fredegund erhob jetzt ein Rachegeschrei und brachte Chilperich, ihren Gemahl, dahin, dass er seinen Sohn der Wütenden preisgab. Der Prinz fiel unter den Messerstichen gedungener Mörder, das verhaftete Weib aber ward trotz ihres Widerrufs an einen Pfahl gebunden und lebendig verbrannt. (Hist. Fr. V 40).
Bald darauf raffte die Ruhr einen dritten Sohn Fredegundens hin. Nach diesem Todesfall äusserte der Majordomus Mummolus gelegentlich bei Tische, als er Gäste hatte, er habe ein Kraut, dessen Absud auch den hoffnungslosesten Ruhrkranken in kurzer Zeit wiederherstellen könne. Fredegund erfährt das, greift etliche Weiber auf und zwingt sie durch die Folter zu dem Geständnisse, dass sie den Prinzen durch Zauberkünste für das Wohlergehen des Majordomus hingeopfert haben. Sie wurden teils verbrannt, teils gerädert; die Reihe der Tortur kommt nun an Mummolus. Doch dieser bekennt nichts, ausgenommen, dass er von jenen zwei Weibern zuweilen Salben und Getränke erhalten habe, die dazu dienen sollten, ihm die Gnade des Königs und der Königin zu erwerben. Von der Folter gespannt, sagte er zum Büttel: ›Melde dem König, meinem Herrn, dass ich nichts Uebles empfinde von dem, was man mir zugefügt hat.‹ Da sprach Chilperich: ›Muss denn nicht dieser Mensch ein Zauberer sein, wenn ihm alle diese Strafen nicht wehe getan haben?‹ Und Mummolus wird von neuem gegeisselt und soll, nachdem man ihm Pflöcke unter die Nägel getrieben hat, enthauptet werden. Doch die Königin verfügt endlich seine Begnadigung und verweist ihn nach Bordeaux. Mummolus aber starb auf der Reise an den Folgen der erlittenen Peinigung (Hist. Fr. VI. 35).«
Merkwürdig an diesen Erzählungen ist besonders noch, dass hier, bei den Merowingern, die Folter bereits ebenso zur Anwendung kam, wie in späteren Jahrhunderten bei den Hexenprozessen, und dass man dieselben Folgerungen wie hier, damals schon zog. Gestand der Gepeinigte unter den ihm auferlegten Qualen, das, was man von ihm hören wollte, so war er selbstverständlich schuldig und durch eigenes Geständnis seiner Schuld überführt. Hielt er tapfer die Qualen aus, ohne den ihm zugemuteten Unsinn anerkennen zu wollen, so war er ebenfalls schuldig und seine Widerstandsfähigkeit eine Gabe des mit ihm verbündeten Satans. Diese Regel bildet den springenden Punkt fast aller Hexenprozesse. Wer unter der Beschuldigung der Ketzerei oder Zauberei angeklagt war, konnte demnach nur ausnahmsweise darauf rechnen, frei zu kommen, wenn auch mit zerbrochenen Gliedern und siechem Leib. Dieses Bewusstsein mag daher, noch mehr als die zugefügten Torturqualen, die Bezichtigten zu den sogenannten Geständnissen veranlasst haben. Gregor von Tours erzählt uns auch noch von anderen der Zauberei Angeklagten, die vor das geistliche Gericht kamen, das milder verfuhr als das fränkische und sich zumeist damit begnügte, den für schuldig Erkannten auszuweisen.
Strenger noch als unter den Merowingern wurde unter den Karolingern gegen das Zauberwesen vorgegangen und mit ihnen sehen wir auch die geistlichen Behörden strenger auftreten. Das 742 unter Karlomann versammelte Concilium Germanicum befahl den Bischöfen in ihrem Sprengel mit Beihilfe der Grafen, die Beschützer ihrer Kirchen wären, darauf bedacht zu sein, dass das Volk keine heidnischen Totenopfer, Loosdeuterei, Wahrsagerei u. dgl. mehr beobachtete. Das Konzil zu Paderborn (785) bestimmte die Todesstrafe sogar für die, die an Zauberei glaubten, was von Karl dem Grossen bestätigt wurde. »Zur Kennzeichnung der Stellung,« schreibt Soldan I. 130, »welche die Kirche in der nachkarolischen Zeit, im zehnten, elften und zwölften Jahrhundert, zur Hexerei und zum Glauben an dieselbe einnahm, kommt vor allem der berühmte sogenannte Ancyranische Kanon Episcopi in Betracht, den wir mit Sicherheit zuerst um das Jahr 9oo in der Kirche hervortreten sehen. Der Kanon ist allerdings nicht von der Synode zu Ancyra (314) aufgestellt ... sondern er ist späteren Ursprungs; aber er ist der klassische Kanon über die eigentliche Stellung der Kirche jener Jahrhunderte zum Hexenglauben.
In diesem für die Kirchengeschichte so bedeutungsvollen (von den Kirchenhistorikern jedoch bis jetzt wenig beachteten) Kanon wird den Bischöfen zur Pflicht gemacht, den Glauben an die Möglichkeit dämonischer Zauberei und an eine Möglichkeit von Nachtfahrten zu und mit Dämonen als bare Illusionen in ihren Diöcesen und Gemeinden energisch zu bekämpfen und die demselben Ergebenen als Frevler am Glauben aus der Kirchengemeinschaft auszuschliessen. – Die Hauptstelle des Kanons lautet nämlich: ›Es giebt verbrecherische Weibsleute, welche durch die Vorspiegelungen und Einflüsterungen des Satans verführt, glauben und bekennen, dass sie zur Nachtzeit mit der heidnischen Göttin Diana oder der Herodias und einer unzählbaren Menge von Frauen auf gewissen Tieren reiten (equitare super quasdam bestias), über vieler Herren Länder heimlich und in aller Stille hinwegeilen, der Diana als ihrer Herrin gehorchen und in bestimmten Nächten zu ihrem Dienste sich aufbieten lassen. Leider haben nun diese Weibsleute ihre Unheil bringende Verkehrtheit nicht für sich behalten; vielmehr hat eine zahllose Menge, getäuscht durch die falsche Meinung, dass diese Dinge wahr seien, vom rechten Glauben sich abgewandt und der heidnischen Irrlehre sich hingegeben, indem sie annahmen, dass es ausser Gott noch eine übermenschliche Macht gebe. Daher sind die Priester verpflichtet, den ihnen anvertrauten Gemeinden von der Kanzel herab nachdrücklichst einzuschärfen, dass alles dieses durchaus falsch und ein Blendwerk sei, welches nicht vom Geiste Gottes, sondern von dem des Bösen herrühre (haec omnino falsa esse, et non a divino sed a maligno spiritu talia phantasmata mentibus fidelium irrogavi). Der Satan nämlich, der sich in die Gestalt eines Engels verkleiden könne, wenn er sich irgend eines Weibleins bemächtige, so unterjoche er sie, indem er sie zum Abfall vom Glauben bringe, nehme dann sofort die Gestalt verschiedener Personen an und treibe mit ihnen im Schlaf sein Spiel, indem er ihnen hernach bald heitere, bald traurige Dinge, bald bekannte, bald unbekannte Personen vorführe. Dabei bilde sich dann der ungläubige Sinn des Menschen ein, während der Geist dieses erleide, dass dieses doch nicht in der Vorstellung, sondern in Wirklichkeit geschehe. Wer aber (heisst es weiter) ist nicht im Traume so aus sich herausgefahren, dass er vieles zu sehen geglaubt hat, was er im wachen Zustand niemals gesehen hat? Und wer sollte so borniert und töricht sein, dass er glaube, alles das, was nur subjektives Erlebnis ist, habe auch objektive Wirklichkeit? Ezechiel hat Gott nur im Geiste und nicht mit dem Körper geschaut. Es ist daher allen Leuten laut zu verkündigen, dass derjenige, der dergleichen Dinge glaubt, den Glauben verloren habe. Wer aber den wahren Glauben nicht hat, der gehört nicht Gott, sondern dem Teufel an.«
Wir ersehen aus dieser sinngetreuen, wenn auch nicht ganz wortgetreuen Verdeutschung der Hauptstellen des Kanons, dass die Kirche damals das Hexenwesen für Wahngebilde betrachtete und es sind immerhin für jene Zeit – mag dafür das vierte oder das achte Jahrhundert gelten – vorgeschrittene Anschauungen, die hierbei zum Ausdruck gelangen, so dass es verwunderlich erscheint, dass das Kanon Episcopi als Grundlage des späteren Hexenwahns betrachtet werden konnte. Es gelangte zu hohem Ansehen in der Kirche und wurde später in dem Corpus iuris canonici aufgenommen. Eine strenge Bestrafung abergläubischer Vorgänge war der Kirche des frühen Mittelalters fremd. Als strengste Synodalverfügung jener Zeit wird die der Synode von Riesbach und Freisingen (799) betrachtet, wo in Kanon 15 geboten wird Zauberer und Zauberinnen einzukerkern und durch den Archipresbyter wo möglich zum Geständnis zu bringen, doch dürfe ihnen am Leben nichts geschehen. Es kam sogar vor, dass Synoden und Päpste Einwände machten gegen die allzustrenge Bestrafung der Zauberei seitens des weltlichen Gerichts. Papst Gregor VII. z. B. forderte den König von Dänemark auf zu verhindern, dass bei Seuchen und Wetterschaden unschuldige Frauen als Zauberinnen und Urheberinnen dieser Uebel verfolgt würden. Uebrigens kam ein blutiges Einschreiten gegen Zauberei auch seitens der weltlichen Behörden nur selten vor und so manche dem widersprechende Angaben sind nicht erwiesen worden.
Zuweilen, wie in der Gesetzgebung König Stefans I. von Ungarn (997-1038), sehen wir Unterschiede gemacht zwischen harmloser Hexerei und Wahrsagerei und bösartiger Zauberei. Letzteres war ein bürgerliches Verbrechen und der Missetäter sollte dem Geschädigten oder seinen Angehörigen zur beliebigen Vergeltung ausgeliefert werden. Hexerei aber galt als ein kirchliches Vergehen. Das Decretum Sancti Stephani (L. II. c. 31) führt an wie die Geistlichkeit Hexen bei der ersten und bei wiederholter Ergreifung zu behandeln hätte. Erst im dritten Falle sollten sie den weltlichen Gerichten überwiesen werden. Wahrsager sollten vom Bischof mit Geisselhieben auf den rechten Weg zurückgebracht werden. Im wesentlichen hielten diesen Standpunkt auch Ladislaus der Heilige (1077-1095) und Koloman (1095-1114) ein, wobei letzterer die merkwürdigen Worte gebraucht: De stigis vero, quae non sunt, nullia quaestio fiat,« (Ueber die Hexen, die es nicht giebt, soll keine Untersuchung vorgenommen werden), was allerdings etwas dunkel deutsam klingt. In ähnlicher Weise sprachen sich übrigens viele Kirchengrössen des Mittelalters aus, Johannes von Salisbury († 1181) Thomas von Aquino († 1274) und andere, wobei allerdings zumeist der Teufel mit seinen Vorführungen und Vorspiegelungen als Urheber dieses Trugs und dieser Täuschungen bezeichnet wird.
Das dreizehnte Jahrhundert mit seinen Verfolgungen der Ketzer, die, wie schon früher bemerkt wurde, hauptsächlich der Zauberei und des Teufelsbündnisses bezichtigt wurden, bildete einen Wendepunkt in der Geschichte des Zauberwesens und Hexentums, nicht zum Besten, wie gesagt und zugegeben werden muss.
»In den Gräueln« – Soldan a. a. O. I. 172 – »welche man von den Katharern und von den Ketzern in Deutschland erzählte, hatte sich die Phantasie der Feinde derselben noch keineswegs erschöpft; das Jahrhundert war im Fortschreiten. Der Vorwurf gemeiner Unzucht war bereits an den älteren Ketzern verbraucht worden. Den deutschen Ketzern hatte man dann schon das Verbrechen der Sodomie aufzubürden gewagt. Was blieb daher noch übrig, als den Vorwurf des Geschlechtsverkehrs mit dem Teufel selbst? Von diesem giebt das grosse Auto da Fé, welches 1275 zu Toulouse unter dem Inquisitor Hugo von Beniols gehalten wurde, so viel man weiss, das erste Beispiel. Unter den lebendig Verbrannten war auch die sechsundfünfzigjährige Angela, Herrin von Labarethe. Man hatte sie gestehen lassen, allmählich fleischlichen Umgang mit dem Satan gepflogen zu haben; die Frucht derselben sei ein Ungeheuer mit Wolfskopf und Schlangenschwanz gewesen, zu dessen Ernährung sie in jeder Nacht kleine Kinder habe stehlen müssen. Lamothe-Langon, Hist. de l'Inquis. en France, Paris 1829 T. II. p. 614. – Hist. de Languedoc. T. IV. p. 17
Mit der Beschuldigung der fleischlichen Vermischung mit den Dämonen war ein entscheidender Schritt weiter getan; sie erscheint bald darauf wieder im Gefolge der Anklagen, unter welchen der Templerorden erlag, und wiederholte sich in allen folgenden Hexenprozessen. Die Vorstellung von einem solchen Umgang war weit älter, als ihre Anwendung.«
Der Glaube an einer geschlechtlichen Vermischung des Teufels mit Menschen, der besonders im dreizehnten Jahrhundert hervortrat, wird auf die mythologischen Erzählungen der Griechen und Römer zurückgeführt, deren Götter von dem Theologen des Christentums als Dämonen dargestellt wurden. So nahe liegend auch diese Erklärung scheint, so wenig richtig dürfte sie näher betrachtet erscheinen. Es dürfte sich hier vielmehr, so wie bei der Tortur selbst, um einen jener ursprünglichen Gedanken handeln, die die Kulturentwicklung aller Völker aufweist. Im Gedankengang aller Völker hat der Geschlechtsverkehr jederzeit eine bedeutende, vielleicht die bedeutendste Rolle gespielt und es ist recht gut begreiflich, dass dort, wo einmal die Existenz übermenschlicher guter oder böser Geister angenommen wird, deren Vermischung mit den Erdenkindern angenommen wurde. Es ist nicht nur die Mythologie der genannten alten Völker, die ähnliches zum Ausdruck bringt. Ist doch selbst die Seite 143 dieses Werkes angeführte Bibelstelle von Genesis 6, schon früher von frommen Kirchenvätern ähnlich ausgelegt worden. Das dreizehnte Jahrhundert nun bot derartigen, wohl nie ganz in Vergessenheit geratenen Fabeln einen um so günstigeren Boden, weil die Eindrücke, welche die Kreuzfahrer aus dem Orient heimbrachten, sowie die eingerissene Sittenlosigkeit solchen Anschauungen nur förderlich sein konnten. Thomas von Aquino hat die Lehre von der Teufelsbuhlschaft ausgebildet und viele andere sind ihm darin gefolgt und haben mit Ernst und Gründlichkeit diese Sache erörtert.
Begreiflicher Weise mussten die dem Teufel ergebenen Zauberer und Hexen der Kirche als Ketzer gelten, so wie diese wieder als Zauberer verschrieen wurden, in vielen Fällen vielleicht nur, um deren Gottlosigkeit und die Notwendigkeit ihrer Ausrottung dem Volke klarer darzulegen, als dies durch Erörterung theologischer Streitigkeiten hätte geschehen können. Mit Ausnahme Spaniens, wo die Ueberreste des Maurentums der neuerrichteten Inquisition genügend Material und Vorwand zu eigentlichen Ketzerprozessen bot, sehen wir im übrigen Teil Europas, nachdem die Verfolgung der Ketzerei sich abschwächte, die Hexenprozesse systematisch betrieben werden. »In dem Hexenprozesse gewann jetzt der Inquisitor einen geschmeidigen und unerschöpflichen Stoff, weil, wo die Natur des im Reiche der Einbildung einheimischen Verbrechens dem Richter den Vorwand leiht, sich von der Erhebung des objektiven Tatbestandes zu dispensieren, nirgends eine Grenze gezogen ist. Nicht minder gewann er an Popularität; denn er rechtfertigte die Grausamkeit seines Verfahrens durch die Grösse der zu unterdrückenden Gräuel und vertauschte die gehässige Rolle eines Verfolgers seiner Religionsansichten mit der dankenswerten eines Wohltäters, der die menschliche Gesellschaft von einer Reihe gemeingefährlicher Bösewichte befreite und dem Furchtsamen schon auf blosse Denunziation hin Schutz bietet, wo der weltliche Richter die förmliche Anklage mit allen Gefahren derselben auferlegt hätte. In dem Hexenprozesse siegte endlich die Inquisition über alle Anfechtungen ihrer Competenz im Zauberwesen. Als Sünde hätte die Zauberei vor den Bischof, als Verbrechen – z. B. Tötungen – vor die Obrigkeit gehört; als Ketzerei aber war sie, mit Hintenansetzung des ordentlichen Richters, der Inquisition verfallen. Alexanders IV. beschränkende Verordnung (Seati Decret Libri B. V T. II. c. 8)ist in der Tat zur priviligierenden geworden, in dem sie den Scharfsinn der Inquisitoren darauf hinwies, in der Zauberei häretische Elemente geltend zu machen. Diese Geltendmachung beginnt unmittelbar nach dem päpstlichen Erlasse, kämpft sich durch alle Einwände der Gerichte und der gesunden Vernunft hin und endigt damit, dass sie die Zauberer geradezu zur geschlossenen Sekte erhebt. Nur durch die Aufdrückung eines häretischen Charakters war es möglich, dass magische Vergehen, für welche die Kirche von jeher nur disciplinäre Bestrafung gehabt und solche selbst noch im dreizehnten Jahrhundert bestätigt hatte, von nun an zum Scheiterhaufen führten. Nur hierdurch wird es erklärlich, wie in den Prozessen der Inquisitionsgerichte auch Mord, Ehebruch und andere der bürgerlichen Justiz unterworfene Verbrechen eine Stelle gefunden haben. Es wird aber auch bei dieser Ineinanderziehung der Magie und Ketzerei weiter begreiflich, dass, wenn die Inquisitoren den ordentlichen Gerichten gegenüber das Häretische der Magie hervorheben, es auch ebenso leicht wie geraten war, in solchen Zeiten, wo die Ketzereien mehr Sympathie zu finden anfingen, das Volk mit dem Magismus der Häresie zu schrecken. Im Schosse der Inquisition ist der Hexenprozess erzeugt und grossgezogen worden. Die Männer, die ihn durch ihre Schriften theoretisch begründet und im Einzelnen weiter geführt haben, Eymoricus, Nider, Bernhard von Como, Jaquier, Sprenger, Institor und andere sind sämmtlich Dominikaner und Inquisitionsrichter gewesen. Ueber zweihundert Jahre hat sich die Inquisition in fast ausschliesslichem Besitze des Hexenprozesses behauptet, und als sie in den meisten Ländern zu Grabe getragen wurde, hat sie ihn den weltlichen Gerichten als ein trauriges Erbteil hinterlassen (Soldan, I. 221).« Im Grunde genommen, war es nichts anderes als eine Machtfrage, die hier zum Austrag gelangte. Das erstarkte Papsttum, das bereits zum Herren der Fürsten geworden war, wollte auch die Völker sich völlig unterjocht wissen und benützte dazu auch, in richtiger Erkenntnis die Rechtspflege, wobei ihm zu statten kam, dass die Kirche – aber nicht das Papsttum – auch bisher schon einen Teil der Rechtspflege durch die Bischöfe und andere Geistlichkeit ausübte. Diese geistliche Gerichtsbarkeit indes dürfte dem päpstlichen Absolutismus mit Recht nicht verlässlich genug geschienen haben und so wurde der Dominikaner-Orden für diese Zwecke geschaffen.
Schon zu Beginn des vierzehnten Jahrhunderts sehen wir Hexenprozesse eifrig im Gang; im vorhergegangenen Jahrhundert waren sie erst noch vereinzelte Erscheinungen. Manches zu dieser Zunahme dürfte der persönlichen Furcht zuzuschreiben sein, die Papst Johann XXII. (1316-1334) vor der Magie hegte. Möglich mochte es schon gewesen sein, dass ihm, wie er glaubte, mehrere Kardinäle nach dem Leben trachteten, aber immerhin war seine Furcht, vergiftet zu werden, berechtigter als sein Wahn durch Zaubermittel zu verderben. An Massregeln gegen das vermeintliche Zauberwesen und an Aneiferung der Inquisition liess er es nicht fehlen. Auch der französische König Philipp von Valois schloss sich dem an. In Carcassonne wurden 1320-1350 mehr als vierhundert Zauberer verurteilt, von denen über die Hälfte die Todesstrafe erlitten. Zu Toulouse wurden in derselben Zeit etwa sechshundert Urteile gefällt. Die nachfolgende Zeit hatte allerorten noch mehr Todesurteile wegen Zauberei aufzuweisen. Der Hexentanz findet bei einem Auto da fé im Jahre 1353 zum ersten mal Erwähnung.
Im Jahre 1390 erliess das Parlament zu Paris einen Beschluss, wonach die Hexenprozesse fortan nicht mehr von geistlichen, sondern von weltlichen Richtern abgeurteilt werden sollten, was immerhin eine Herabminderung dieser Prozesse zu folge hatte. In Deutschland fanden sie um diese Zeit erst umfangreichere Anwendung, um später, unter weltlicher Justiz, zu einer schrecklichen Plage anzuwachsen. Dass es aber schon damals auch unter den Geistlichen an Männern nicht fehlte, die das ganze Zauberwesen und Hexentreiben für heidnischen Aberglauben erklärten, ersehen wir aus den Beschlüssen des Provinzialkonzils zu Trier (1310) und zu Prag (1349). Ersterer, unter Leitung des Erzbischofs Balduin stellte eine Reihe von Kanons auf, in denen Wahrsagerei, Sortilegien, Liebeszauber und dgl. verboten werden, besonders auch die sortes sanctorum, apostolorum vel psalterii, wobei mit der Bibel zur Erforschung der Zukunft Missbrauch getrieben wurde. Auch sollte kein Weib vorgeben dürfen Nachts »mit der heidnischen Göttin Diana oder mit Herodias« ausgeritten zu sein. Aehnlich äusserte sich auch die Versammlung zu Prag und bestimmte, dass all diese Zauberkünste als Aberglaube mit Excommunikation zu bestrafen seien, was übrigens schon 1296 ein italienisches Provinzialkonzil zu Gradno, und 1335 eine spanische Synode zu Salamanka angeordnet. Beweis genug, dass es für die Verfasser der Hexenprozesse sehr erwünscht war, die geistliche Jurisdiktion den Bischöfen zu entziehen.
Hinrichtungen wegen Zauberei in Deutschland werden erst aus der Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts berichtet. Im Jahre 1446 wurden einige Frauen zu Heidelberg unter Mitwirkung des Ketzermeisters, und natürlich unter Anwendung der Tortur zu Erpressung von Geständnissen, verbrannt. Im folgenden Jahre gleichfalls ein Weib, das als die Lehrmeisterin der früher Hingerichteten galt. In Hamburg wurden 1444 zwei Frauen und 1458 eine verbrannt. Dann erfolgte dort eine längere Pause bis 1482, wo im Dorfe Eggendorf ein Weib unter den üblichen Beschuldigungen mit einer Hostie Unfug getrieben zu haben, den Feuertod erleiden musste. Frankfurt a.M. scheint von der Seuche der Hexenverfolgung ziemlich frei geblieben zu sein. Es wird nur gemeldet, dass 1486 ein Messe-Gaukler als der Zauberei schuldig im Main ertränkt wurde.
In den Niederlanden gab es nach der dort vorherrschenden Meinung viel Zauberer und Hexen, doch scheinen die als schuldig Befundenen bis 1472 nur mit zeitweiliger Verbannung bestraft worden zu sein. Erst aus dem genannten Jahre wird ein Todesurteil wider eine der Hexerei beschuldigte Dienstmagd erwähnt (Scheltema, Geschiedenis des Heksenprozessen, S. 120). Später, unter spanischer Zwingherrschaft, gestalteten sich die Verhältnisse allerdings viel trübseliger.
Auch in der Schweiz kamen im vierzehnten und fünfzehnten Jahrhundert viel Beschuldigungen der Zauberei vor, doch wurden diese gewöhnlich nur gelinde bestraft, zumeist nur mit zeitweiliger oder dauernder Landesverweisung. Aus Basel wird die Hexe erst aus dem Jahre 1451 erwähnt. Mehr dergleichen wird aus dem französischen Teil der Schweiz berichtet. Diese sind, wie Soldan (I. S. 263) bemerkt, »wesentlich Ketzerprozesse, zeigen aber, dass der ganze Wahnsinn, der aus den Hexen im siebzehnten Jahrhundert herausgefoltert wurde, auch den Ketzern im fünfzehnten Jahrhundert untergeschoben wurde, und dass die Hexerei als wesentliches Moment der Ketzerei galt. Die Inquisition lag hier in den Händen des bischöflichen Offizialats zu Lausanne, welches dieselbe durch Predigermönche im Waadtland und in den Landen von Freiburg und Neuchatel ausüben liess ... Der erste Prozess, über welchen wir Nachricht haben, gehörte dem Jahre 1430 an; im Jahre 1431 folgten demselben sechs andere nach. Seitdem scheinen dieselben in den genannten drei Landen in immer mehr anwachsender Zahl vorgekommen zu sein. Von der Anwendung der Folter ist in der vorliegenden Berichterstattung keine Rede, doch ist ohne dieselbe Expressung der (den Geständnissen der Hexen im siebzehnten Jahrhundert ganz gleichartigen) Aussagen der »Ketzer« absolut unerklärlich. Die Urteile lauteten auf Tod durch Feuer, Tod mit Verstümmelung der Glieder u. s. w. – das Vermögen der Hingerichteten wurde regelmässig konfisziert. Zwei Drittel desselben fielen dem Fiscus zu, ein Drittel dem Offizium der Inquisition.«
Hier wie überall finden wir also, dass die Ketzerprozesse unter dem Namen Hexenprozesse weiter geführt wurden, und dass die Anwendung der Tortur bei diesen Untersuchungen so selbstverständlich und allgemein war, dass man es in vielen Fällen in den Berichten darüber gar nicht für nötig hielt, Erwähnung davon zu machen. Wir finden ferner, dass dort, wo der Zauberwahn vor bürgerlichen Richtern gestellt wurde, zumeist noch gelinde Strafen in Anwendung kamen, was auch von andern Ländern gesagt werden kann. In Ungarn gab es im fünfzehnten Jahrhundert noch keine Hexenverfolgungen. Das Ofener Stadtrecht vom Jahre 1421 bestimmt, dass Hexen und Zauberer, die zum ersten mal ergriffen wurden, an einem Freitag öffentlich auf einer Leiter von Morgen bis Mittag ausgestellt werden mögen, einen Judenhut auf dem Kopfe, worauf ein Engel abgebildet war. Dann sollten sie beschwören von ihrem Irrtum abzulassen und freigelassen werden. Man könnte hierbei eigentlich nur eine Bestrafung des Aberglaubens ersehen, wenn weiter nicht bestimmt wäre, dass die beschuldigte Person bei wiederholter Ergreifung wie ein Ketzer verbrannt werden sollte. Verordnungen des Erzbischofs von Gran aus dem Jahre 1447 und 1450 ergeben, dass in der Zusammenstellung der der Geistlichkeit unterworfenen Rechtsangelegenheiten wohl die Ketzerei aber nicht die Zauberei erwähnt wird. Man könnte daraus schliessen, dass beides für eins gegolten, aber auch, was allerdings weniger Wahrscheinlichkeit für sich hat, dass jener ungarische Kirchenfürst überhaupt nichts von der Zauberei hielt. Streng gegen vermeintliche Hexen wurde in Schottland vorgegangen, wo, wie in England auch, diese Verfolgungen zu einem grausamen Wahnsinn ausarteten.
»Wie man von dem Schreibertum des Polizeistaates sagen kann,« schreibt Scherr kräftig und drastisch wie immer in seiner »Deutschen Kultur- und Sittengeschichte«, III. Aufl. S. 350, »dass es, weil einmal da, immer neue Schreibereien und Tabellen erfinden müsse, so machte man an der Inquisition die Erfahrung, dass sie immer neue Verbrechen gegen das alleinseligmachende Dogma erfinden musste, um sich im Gang zu erhalten. Die Inquisitoren wollten leben, sie bedurften daher der Objekte für ihre Tätigkeit. Die Scheiterhaufen der Albigenser, Katharer, Lollharden und anderer Ketzer waren verraucht, man brauchte Opfer zu neuen und dieses Bedürfnis hat sicherlich auf die lange Fortdauer der geistigen Epidemie des Zauberglaubens und der Scheusslichkeit des Hexenprozesses sehr kräftig eingewirkt. Diese ganze Pest war ursprünglich ein logischer Ausfluss der heiligen Dummheit, der krassen Unkenntnis der Natur und ihrer ewigen Gesetze, ein ganz notwendiges Zubehör des religiösen Wahns. Hat doch der grausame Afterwitz noch spät im sechszehnten Jahrhundert selbst hellste Geister verdunkelt, wie schon der eine Umstand klarmacht, dass ein Mann wie Fischart im Jahre 1591 sich herbeiliess, des Franzosen Bodin damals berühmtes Buch »De magorum daimonomania«, diese Bibliothek des Unsinns, unter dem Titel »Vom ausgelassenen wütigen Teuffelsheer« ins Deutsche zu übertragen. Es untersteht demnach gar keinem Zweifel, dass viele, sehr viele, sogar weitaus die meisten Priester und Juristen gläubig, d. h. dumm und unwissend genug gewesen sind, aus voller Ueberzeugung Zauberer und Hexen anzuklagen und zu verurteilen. Ebenso ist auch nicht zu bezweifeln, dass es häufig genug hysterische Weiber gegeben, welche von der fixen Idee besessen waren, hexen zu können und mit dem grossen Bock gebuhlt zu haben, obzwar in letzterer Beziehung nicht selten natürliche Narkotika und Stimulantia, wie ja beim sogenannten »Liebeszauber« überhaupt, ihre Dienste getan haben mögen. Auf der andern Seite aber wird kein wissender Mann, welcher diesem schrecklichen Kapitel im Buch der Geschichte menschlicher Narrheit ein umfassendes Studium zugewandt hat, leugnen wollen, dass dem grausamen Wahn sehr frühzeitig schon die berechnende Absicht des Geschäftemachens sich beigemischt habe. Gerade herausgesagt: der Hexenprozess war in der Zeit seiner Giftblüte und bis zuletzt sehr häufig eine auf die fromme Dummheit des Volkes basierte theologisch-juristische Spekulation. Sagt doch der alte ehrliche Hauber, selbst ein Theolog, geradezu, die Einführung des Hexenprozesses sei ein päpstlicher Staatsstreich gewesen, um die Macht der Inquisition und dadurch die päpstliche Gewalt je länger je mehr aufrecht zu erhalten. Ausserdem, wie zahllose hübsche Privatgeschäfte liessen sich dabei machen! Die Güter der Verbrannten wurden ja konfisziert und man trug Sorge, nicht bloss Arme, sondern auch Wohlhabende und Reiche anzuklagen. Und endlich, was musste da für Beichtväter, Denunzianten und Richter im Geheimen abfallen, wenn sie diesem oder jenem, der zahlen konnte, einen Wink gaben, sie hätten ihn auf der Liste, seien aber unter gewissen Bedingungen zur Streichung seines Namens bereit?«
So arg auch die bisherigen Zustände in dieser Beziehung waren, so viel Unrecht und Grausamkeit dabei in Erscheinung trat: es war dies alles nur der schreckliche Beginn einer geistigen Seuche, die sich verderberisch noch durch Jahrhunderte fortpflanzen sollte, ganz besonders arg in Deutschland wütete und, in die Hände der Laien geraten, derartige entsetzliche Ergebnisse zeitigte, dass man fast bedauern möchte, dieses Richteramt der Geistlichkeit entzogen zu sehen, so sehr auch Fanatismus, Hass und andere niedrige Empfindungen letztere dazu brachte, sich dabei jeder Menschlichkeit zu entschlagen.
Der Verfasser dieses Werkes glaubt sich in die Geschichte der Ketzer- und Hexenverfolgungen etwas ausführlicher ergehen zu müssen, weil diese die Hauptgrundlage für die Geschichte der Tortur bilden, die hierbei mehr als bei allen andern zur Anwendung und zur Ausbildung gelangte.