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VII. Kapitel.

Ketzerei. – Konzil zu Verona. – Verfolgung der Ketzerei. – Die Inquisition. – Foltermaske. – Würgbirne. – Accusationsprozess. – Kanonisches Strafverfahren. – Die Folter. – Innocenz IV. – Die Tortur im Inquisitionsprozess. – Gegner der Inquisition. – Ermordung von Ketzerrichtern. – Die Inquisition in Frankreich. – Die Inquisition in Spanien. – Marranos. – Eymericus. – Ketzerschmecken. – Torquemada. – Peter Arbuies.

Auf dem Konzil zu Verona (1183) wurde auch die Ketzerei in Südfrankreich erörtert und beraten, welche Mittel dagegen in Anwendung gebracht werden sollten. Noch in demselben Jahr liess Papst Lucius III. durch den zum päpstlichen Legaten ernannten Erzbischof von Rheims zahlreiche der Ketzerei angeklagte Personen verbrennen, ein Vorgang, den wir als Einleitung zu der fluchwürdigen Institution der Inquisition betrachten können. »Dieses Jahr 1183,« schreibt Soldan a. a. O. I, 207 etc., »kann als ein verhängnisvoller Wendepunkt in der Geschichte der Kirche angesehen werden. Von diesem Jahre an wurde nämlich allmählich der Begriff der Ketzerei ein anderer, und das Strafverfahren der Kirche gegen dieselbe wurde auch ein anderes. Dieses wie jenes geschah aber dadurch, dass sich das Papsttum in ganz neuer Weise als Prinzip alles Glaubens und Lebens der Kirche geltend machte.

Die Auffassung der Ketzerei betreffend hatte man bisher in der Kirche den Gesichtspunkt festgehalten, von dem einst die römischen Kaiser in ihrer Strafgesetzgebung gegen Ketzerei ausgegangen waren; man hatte zwischen den Irrlehren unterschieden, und nur Ketzereien von grösserer Bedeutung mit Strafen belegt. Jetzt aber ward der Gedanke zur Geltung gebracht, dass jedes Dogma auf der Autorität der Kirche, des Papsttums beruhe und dass also auch die geringste Abweichung von der Kirchenlehre eine Verläugnung der Autorität der Kirche, des Papsttums sei, dass diese Verläugnung die eigentliche Ketzerei, dass also die Ketzerei, in welcher Form sie auch auftrete, immer sich selbst gleich, gleich fluchwürdig und gleich strafbar sei.

Als die der Grösse des Verbrechens der Ketzerei – des Abfalls von der Kirche, von Gott – allein entsprechende Strafe derselben betrachtete man den Tod durch Feuer.« Hinzugefügt kann hier werden, dass diese entsetzliche Verurteilung zum Verbrennen bei lebendigem Leibe auch von dem scheinheiligen Grundsatz ausging, die Kirche vergiesse, »trinke« kein Blut: ecclesia non sitit sanguinem.

»Allerdings wurden noch im elften und im Anfang des zwölften Jahrhunderts viele Stimmen in der Kirche laut, welche vor der Hinrichtung Irrgläubiger warnten. Ernste, fromme Kirchenmänner wie der Bischof Wazo von Lüttich, der Bischof Hildebert von Le Mans, Rupert von Deutz, der heilige Bernhard von Clairvaux und andere erinnerten daran, dass ein solches Verfahren mit Irrgläubigen gegen Christi Willen sei, dass man durch dasselbe nur die Heuchelei grossziehe, die Kirche verhasst mache u. s. w. Allein der vom Papsttum vertretene Gedanke, dass die Ketzerei vom Teufel stamme, dass darum die Bestrafung derselben Ausrottung der Ketzer sein müsse, gewann in der Kirche immer mehr Raum. Der altkirchliche Gedanke, dass Ketzerei mit Excommunikation zu bestrafen sei, war bald vergessen.

Aber auch der altkirchliche Gedanke, dass die Verfolgung der Ketzerei den Bischöfen zustehe, wurde bald vergessen gemacht. Indem nämlich das Papsttum das eigentliche Wesen der Ketzerei in der Verläugnung seiner Autorität sah, so lag es nahe, dass derselbe die Verfolgung und Bestrafung der Ketzer als eine ihm ausschliesslich zugehörige Sache ansah. Daher erhob sich jetzt das Papsttum, um auf Kosten der kanonischen Diöcesangewalt der Bischöfe durch seine Legaten, die von ihm mit den ausgedehntesten Befugnissen ausgestattet waren, das Strafrecht der Kirche gegen die Ketzer selbst auszuüben.«

Anfangs freilich wurde das Recht der Bischöfe noch einigermassen berücksichtigt. Auf dem vierten Laterankonzil liess Innocenz III. den Beschluss fassen, dass jeder Bischof seine Diöcese selbst bereisen oder durch einen geeigneten Vertreter bereisen lassen müsste und an allen verdächtig scheinenden Orten einige Vertrauensleute oder auch die ganze Einwohnerschaft in Eid zu nehmen, dass sie ihm alle ihnen bekannte Leute von ketzerischer Gesinnung bekannt machen. Eine Verweigerung des Eides käme selbst der Ketzerei gleich. Sollte ein Bischof sich bei diesen Untersuchungen lässig zeigen, so wäre er seines Amtes zu entsetzen. Beaufsichtigt wurden die Bischöfe hierbei durch päpstliche Legaten.

Diese Massregeln hatten aber weniger Erfolg als angenommen wurde, denn die Völker der verschiedenen Länder waren trotzdem zu Denunciationen nicht sehr geneigt. Um nun die Sache mehr in Gang zu bringen, beschloss Papst Gregor IX., der heftige Gegner der Hohenstaufen, der über Friedrich II. fünfmal den Bann aussprach und 1241 als fast Hundertjähriger starb, die Inquisition oder das heilige Offizium zu einer selbstständigen Institution zu erheben, dem auch die Bischöfe und Fürsten unterworfen sein sollten. Die Ausführung wurde dem 1215 von dem Spanier Dominicus de Guzman zu Toulouse gegründeten Dominikaner-Orden überwiesen, der in der Folge auch, eine Zeit lang unterstützt von den Franziskanern, mit grausamer Härte sein Henkeramt ausübte. Südfrankreich, die Lombardei, Aragonien, Oesterreich und Deutschland wurden zuerst (1232) mit der »Inquisitio haereticae pravitatis« beglückt, bald folgten andere Länder nach. Portugal erhielt sie merkwürdiger Weise erst 1557 und in England konnte sie überhaupt nicht eindringen, denn hier bildete die Magna Charta einen starken Schutzwall gegen obrigkeitliche und klerikale Willkür und die Tortur, das Hauptwerkzeug der Inquisition kam auf diesem Gebiete nur ausnahmsweise zur Anwendung und – bei den Hexenverfolgungen. Zu den eifrigen Verteidigern der Inquisition gehörte unter anderen auch der Doktor angelicus und fünfzig Jahre nach seinem Tode heilig gesprochene Scholastiker Thomas von Aquino (1225-1274).

Banner der Inquisition. (Aus »Myst. de l' Inquis.« von Féréal)

Die Dominikaner versahen ihr Amt mit einer schauderhaften Grausamkeit und die Zahl ihrer Opfer überschreitet fast alle Vorstellungen, die man sich hiervon machen kann. Die von der Inquisition Verurteilten wurden, nachdem gewöhnlich eine peinvolle Tortur vorausging, zum Feuertod verurteilt. Dieser »Glaubensakt« (actus fidei) spanisch Auto de fé, portugiesisch Auto da fé fand gewöhnlich an einem Sonntag oder anderm Feiertag mit festlichen Aufzügen statt. Zuweilen waren die frommen Patres milde und gestatteten, dass Verurteilte, die sich mit der Kirche ausgesöhnt hatten, d. h. die gestanden was man von ihnen hören wollte, vor dem Verbrennen erwürgt wurden, doch war dies nur eine ausnahmsweise gewährte Begünstigung. Um sonst das Jammergeschrei des zum Feuertode Verurteilten zu verhindern, kam häufig die Würgbirne und die Foltermaske zur Anwendung, die, wie schon der Namen besagt, hauptsächlich bei der Folterung zur Anwendung gelangten. Die Würgbirne war von Stahl oder Bronze. Dem Gemarterten in den Mund gesteckt, sprang sie durch Federkraft oder durch Schraubung in vier Teile auseinander, sperrte die Mundhöhle auf und verhinderte so das Schreien. Die Foltermaske bestand aus einem eisernen Reifen, der um das Gesicht gelegt im Genick geschlossen wurde. Ein zungenförmiger Teil an demselben wurde, indem das Kinn in einer muschelartigen Höhlung lag, in den Mund gesteckt und somit gleichfalls das Schreien verhindert.

»Wie nun die Einsetzung der Inquisition als solche die willkürlichste Durchbrechung der bestehenden hierarchischen Ordnung der Kirche seitens des Papsttums war, so beruhte auch das Prozessverfahren, welches die Inquisitoren zur Anwendung brachten – der Inquisitionsprozess Was man bis dahin kanonische Inquisition genannt hatte, unterschied sich wesentlich von dem Verfahren der jetzt aufgekommenen Inquisitio delegata. S. Biener, Beiträge zur Geschichte der Inquisitionsproz. S. 60 ff. – auf dem vollständigsten Bruche mit dem bisherigen Prozess- und auf vollständiger Niedertretung des kanonischen Rechts.

Die Kirche hatte sich von Anfang an das von ihr vorgefundene römische Recht angeeignet, sowohl zur Normierung ihrer mannigfachen inneren und äusseren Verhältnisse, als auch für die Form ihres Strafverfahrens, insbesondere bei der Ausübung des Strafrechts H. A. Zachariä, Handbuch des deutschen Strafprozesses B. 1 (Gött. 1861) S. 106.. Daher kannte das alte kanonische Recht bis etwa zum Jahre 1200 ebenso wie das römische Recht keinen andern Prozess als den auf wirklicher Anklage beruhenden, – den Accusationsprozess Ebda S. 101.. Wie im römischen, so war auch im kanonischen Strafverfahren die Inscriptio et in crimen subscriptio d. h. die vom Ankläger zu unterzeichnende schriftliche Aufstellung der Anklage im gerichtlichen Protokoll oder in einem vom Ankläger eingereichten libellus accusationis als die eigentliche Basis des ganzen Prozessverfahrens, indem durch sie dem Prozess seine bestimmte, nicht zu überschreitende Grundlage gegeben und zugleich die Verantwortlichkeit des Anklägers dem Angeklagten und dem Staate gegenüber geführt wurde.

Allerdings war in der Kirche aus dem Bedürfnisse der kirchlichen Disciplin schon frühzeitig ein anderes Strafverfahren, das der inquisitio erwachsen, was später insbesondere durch Innocenz III. und durch die Beschlüsse des Laterankonzils von 1215 bestimmter geregelt ward. Es kam nämlich insbesondere in Betracht, dass der Accusationsprozess zur Handhabung des Strafrechts den Geistlichen gegenüber darum nicht genügen konnte, weil im kanonischen Recht die Erhebung einer förmlichen Anklage gegen einen Geistlichen durch einen Laien oder gegen einen höher stehenden Geistlichen durch einen niederen ausgeschlossen war. Daher waren die geistlichen Gerichte ermächtigt, namentlich in Bezug auf Kleriker, bei delictis manifestis s. notoriis, von Amtswegen einzuschreiten, auch wenn kein Ankläger aufgetreten war. Doch konnte der Beschuldigte, wenn er sich schuldfrei wusste, sich eidlich reinigen. Weitere Bestimmungen über den Gang und die Formen des Strafverfahrens ex officio finden sich im Corpus iur can. nicht vor. Ebda S. 107-109, 114.

Nach dem damaligen kanonischen Recht galt es daher als Regel, 1) dass der Anklageprozess, der auf der inscriptio eines fähigen Anklägers beruhte, das ordentliche Prozessverfahren war Can. 4. caus 2 qu. 1: Nihil absque legitimo et idoneo accusatore fiat. Nam et Dominus noster J. Ch. Judam furem esse sciebat; sed quia non est accusatus non est eiectus. – Can. 5. caus. II., qu. 3: Si quis iratus crimen aliquod cuilibet temere obiecerit, convitium non est pro accusatione habendum. Das fünfte Buch der Dekretialen Gregors beginnt mit den Worten: Si legitimus non fuerit accusator, non fatigetur accusatus.; 2) dass das Prozessverfahren (wie das römisch-rechtliche) öffentlich und mündlich und streng an die Accusationsschrift des Anklägers gebunden war, und 3), dass das Geständnis, welches der Richter von dem Angeklagten zu gewinnen bemüht sein müsse, nur dann Wert habe, wenn dasselbe ein durchaus freiwillig abgelegtes und in keiner Weise mit Gewalt erpresstes war. – In diesem Punkte wich also das Strafrecht der Kirche von dem römischen Recht, welches bei Majestäts- und anderen Kapitalverbrechen die Anwendung der Folter zuliess, ab Vgl. die von Zachariä S. 114-115 aus dem Corp. iur can. zusammengetragenen Stellen. Can. I caus XV qu. 5: Si negaverit, ventiletur causa canonice; et si vel sponte confessus, vel legitimis testibus fuerit approbatus canonica feriatur sententia. – Can. I, caus XV, qu. 6: Confessio vero in talibus non compulsa sed spontanea esse debet. – Omnis enim confessio, quae fit ex necessitate, fides non est. – Confessio ergo in talibus non extorqueri debet, sed potius sponte profiteri. Pessimim enim est de suspicione aut extorta confessione quempiam iudicare (!).. (Soldan a. a. O. 1, 213.)«

Diese Normen konnten dem Papsttum bei den Ketzerverfolgungen nicht genügen; der Accusationsprozess wurde daher durch den Inquisitionsprozess ersetzt, alle Erwachsenen eidlich zur Denunciation von Ketzern verpflichtet, Geheimhaltung der Namen der Zeugen angeordnet und unter Innocenz IV., dem Deutschland auch die Aufstellung des Gegenkönigs Heinrich Raspe zu verdanken hatte, die Folter als Mittel zum Geständniszwang eingeführt, endlich auch die Verurteilung zum Feuertod.

Die Inquisitoren hatten somit völlig freie Hand anzuklagen, zu verhaften und zu verurteilen, und sie machten von diesen Befugnissen Jahrhunderte hindurch den grausamsten Gebrauch, im Verfolgungseifer, der, wie schon erwähnt, neben einem wahnsinnigen Fanatismus auch der gemeinsten Habgier entsprang. Das konfiszierte Vermögen der Verurteilten fiel anfangs teilweise, später aber gänzlich der Inquisition zu. Einen Verteidiger durfte der Angeklagte nicht wählen und auch keiner freiwillig für ihn auftreten, was übrigens den Wagemutigen sehr teuer zu stehen gekommen wäre. Indes hatte die Inquisition, wenigstens in späterer Zeit, eine Zeugenbank aufzuweisen, auf die sich jeder setzen konnte, der bei der öffentlichen Verhandlung für die Unschuld des Angeklagten eintreten wollte, sofern dieser unter der Tortur nicht schon das ausgesagt hatte, dessen er angeklagt war. Aber abgesehen davon, dass wenigstens zwölf Zeugen für die Unschuld eintreten mussten, fand der Inquisitor auch Mittel und Wege genug, die Glaubwürdigkeit eines Zeugen in Abrede zu stellen und der Kühne büsste seine Absicht mit Verhaftung und Anklage der Ketzerei. Féréal schreibt in seinem »Mystères de l'Inquisition« S. 371: »Lorsqu' un accusé était déclaré innocent par douze témoins de pur sang catholique, l'inquisition était bien forcée, d'après ses statuts, de la rendre immédiatement à la liberté. Cette déliverence, obtenue par la déclaration de douze témoins, s'appelait l'absolution définitive; mais il arrivait rarement que douze personnes de pur sang catholique osassent se présenter pour defendre un accusé, car ... toute personne qui osait défendre un accusé, etait poursuivie par le saint office et considérée comme entachée du meme crime que l'accusé qu'elle avait défendu. Puis a quoi aurait servi à un accusé d'obtenir l'absolution définitive lorqu'une fois l'inquisition s'était emparée de lui? A rien, car l'inquisition savait bien trouver de nouvelles raisons pour le poursuivre de nouveau, et finissait toujours par le perdre ou du moins par le ruiner.« Die Zulassung von zwanzig Zeugen, was eine Aehnlichkeit mit den altdeutschen Eideshelfern aufweist, beruhte auf einer Regel des kanonischen Rechts.

Als Belastungszeuge konnte jedoch jeder gelten, mochte Herkunft, Stand und manches andere auch noch so anrüchig sein und die Namen dieser wurden dem Beschuldigten nicht genannt, noch weniger bekam er sie zu Gesicht. Die Anwendung des Inquisitionsverfahrens statt der früher üblichen Accusation, Tortur und Feuertod, sind die besonderen Kennzeichen des Inquisitionsprozesses, der fortan in der europäischen Rechtspflege zur Anwendung gelangte.

Die Tortur, obgleich bisher schon allerorten im Brauch, trat jedoch als Inquisitionsmittel erst unter Innocenz IV. hervor. In seiner Bulle »Ad exstirpanda« vom Jahre 1252, erneuert 1259 von Alexander IV. und 1265 von Clemens IV., wird der Gebrauch der Tortur kanonisch geregelt. Nur wenn andere Beweismittel vorhanden, war sie ausgeschlossen (Regulariter non devenitur ad torturam nisi in defectum aliarum probationum) und ihre Anwendung nicht bis zur Körperverstümmlung und Lebensgefahr erhöht worden. Der Zweck der Tortur war das Geständnis der Schuld sowie die Angabe der Mitschuldigen zu erzwingen (Teneatur rector omnes haereticos, quos captos habuerit cogere (citra membri diminutionem et mortis periculum) – errores suo expresse fateri et accusare alios haereticos, – sicut coguntur fures et latrones – accusare suos complices et fateri maleficia que fecerunt). Das päpstliche Wohlwollen ging sogar so weit, über die Inquisitoren bei Verstümmlung und Gefährdung des Torturierten die Excommunication und die Irregularität zu verhängen. Um jedoch die frommen Herren bei der Ausübung der Peinigungen nicht zu stören, verordnete 1261 Papst Urban IV., dass im Falle Derartiges dennoch eintreten sollte, die Inquisitoren berechtigt wären einander zu absolvieren. Es ist begreiflich, dass unter solchen Umständen, unter herzlosester Anwendung der raffiniertest erdachten Foltermittel, in den meisten Fällen von dem Beschuldigten alles, was seine Peiniger wollten, zur Aussage gebracht wurde. Geschah es trotz alledem nicht, so galt er nur als verstockter Ketzer, seiner Schuld überwiesen, und wurde in dem einen, wie in dem andern Falle zum Feuertod verurteilt.

Zu Ehren der Menschheit kann gesagt werden, dass das Treiben dieser geweihten Henker überall verhasst war, und dass sich selbst Bischöfe und fromme Fürsten, Päpste sogar, über deren Treiben entrüsteten, allerdings erfolglos, denn die Inquisition war bald zu einer Macht herangewachsen, der selbst die Päpste heimlich unterworfen waren. Kennzeichnend ist es, dass in der sozusagen Handwerksprache der Genossen der spanischen Inquisition der Grossinquisitor »Gott« (Dios) genannt wurde. In seinem trefflichen hier wiederholt schon angeführten Werk bemerkt Soldan I, 218, Fussnote 2: »Die Sorbonne führte Beschwerde über Anmassungen der unwissenden Mönche. Parlamentsbeschlüsse schritten gegen das bisher unerhörte Rechtsverfahren ein (Lamothe-Langon, Hist. de l'Inquis. en France, II, p. LXXXVIII). Königliche Edikte haben wir von Ludwig d. h., Philipp dem Schönen und Ludwig XI. Von Philipp z. B. folgendes vom Jahre 1291: Philippus Rex etc. – Certiorati, quod Inquisitores Carcassonae male processerunt in officio inquisitionis eis commisso, quod innocentes puniant, incarcerent et multa gravimina eis inferant et per quaedam tormenta de novo exquisita multus falsitates de personis legitimis vivis et mortuis fide dignis extorqueant, – mandamus – etc. (Hist. de Languedoc, III, Preuves p. 97). Ein anderes Rescript von 1301 s. ebda. p. 118. Ludwig XI. traf Bestimmungen »pour obvier aux fraudes et abus faits par lesdits inquisiteurs de la foi.« – Schon 1243 hatte sich das Konzil zu Narbonne veranlasst gefunden, die Ketzerrichter von der Auflegung von Geldstrafen um der Ehre ihres Ordens willen abzumahnen. (Lamoth-Langon T. II. p. 530). Hinsichtlich der Erpressungen traten sie in die Fusstapfen der für die Sendgerichte tätigen sogenannten Exploratores criminum oder Promotores, über welche Nikolaus von Clemanges Klage führt. – Ueber die arglistige Inquisitionsweise, womit man ganz Unschuldige zu Ketzern machte und ihrer Güter beraubte, s. Lettre des Consuls du bourg de Narbonne à ceux de Nîmes (1238) bei Ménard, Hist. de la ville de Nîmes, Tom. I, Preuves p. 73. Item ut homines simplices et illiteratos caperent in sermone, eis quaestiones hujusmodi faciebant, dicentes: Credis, quod quando mulier concipit, quod illa missio fiat per Deum, vel per hominem? Et sic laicus responderet, quod per hominem credebat fieri illam missionem: Ergo, dicebant ipsi, tu es haereticus; nam haeretici dicunt, quod malignus spiritus et homo faciunt hominem, et non Deus. Et si illam simplex laicus timens responsionem mutaret, dicens, quod per Deum fiebat dicta missio: Ergo tu dicis, quod Deus cognoscit mulierem, et es haereticus manifestus. – Item (interrogabant) si hostia, quam consecrat sacerdos, erat totus Deus, vel pars ejus? Et tunc si laicus, quod totus Deus est responderet, dicebant: Responde ergo mihi, credis, quod si quatuor sunt in ecclesia sacerdotes et quilibet consecret hostiam suam, sicut decet, quod in qualibet hostia sit totus Deus? Et si laicus responderet, quod sic: Ergo tu credis, quod quatuor sunt Dii? Et tunc laicus tremens aliquando contrarium respondebat etc. – Ebenso versichert Perrin in seiner Hist. de Vaudois, noch aus späterer Zeit Akten gesehen zu haben, in welche man durch arglistige Verdrehung Dinge gebracht hatte, die dem Verhörten nie eingefallen waren. Z. B. Item, enquis, s'il faut pas invoquer les Saints, si le Vaudois répondait que non, il couchait par écrit, qu'il avait mesdits et mal parlé des Saints. Enquis, s'il faut saluer la vierge Marie et la prier en nos nécessités, s'il répondait que non, ils écrivaient, quil avait blasphêmé contre la Vierge Marie.« Fragestellungen dieser Art erinnern an den Ausspruch eines alten Staatsmannes, er wolle, mit einer Zeile geschriebenes in Händen den Schreiber auf's Schaffot bringen. Als sein Zuhörer dies als unbedingte Möglichkeit bezweifelte und zum Beweis lächelnd die ewige Wahrheit niederschrieb: Eins und eins ist zwei, antwortete der Staatsmann, nachdem er es gelesen hatte: »Was! Sie läugnen die Dreieinigkeit? In's Gefängnis mit Ihnen!«

Wiederholt kam es auch vor, besonders in Frankreich, Italien und Belgien, dass das Volk durch Ermordung der Ketzerrichter oder durch Aufstände seinem Groll gegen diese Henker Luft machte. Ausser dem schon erwähnten Konrad von Marburg (1233) wurden 1208 Peter von Castelnau, 1242 vier Inquisitoren zu Toulouse und noch andere erschlagen, 1234 fanden Aufstände gegen die Inquisition zu Narbonne und Albi statt, 1235 Vertreibung der Inquisitoren aus Toulouse und Narbonne, 1285 Aufstand zu Parma u. s. f. Im Jahre 1243 baten die Dominikaner in Languedoe um die Enthebung von dem Amte der Inquisition, was jedoch Innocenz IV. abschlug und damit nur das Ansehen dieser Ketzerrichter steigerte. So sehr diese aber sich bemühten Opfer herbeizuschaffen, das Ketzerwesen war bald ziemlich ausgerottet, und bot den zahlreichen und eifrigen Dienern des »heiligen Dienstes« nicht mehr genügende Beschäftigung. Dem war aber leicht abzuhelfen, indem der Begriff Ketzerei erweitert wurde, trotzdem schon die geringste Abweichung von der Kirchenregel dafür galt, und trotzdem es mit dem Beweis nicht genau genommen wurde, besonders dort, wo es Befriedigung einer Privatrache oder Aneignung des Besitzes galt. Die Inquisition zog bald nach ihrer Errichtung das ganze Zauberwesen und Hexentum und noch anderes als ketzerisch in ihren Wirkungskreis, der sich dadurch ungeheuerlich erweiterte, so dass schon Papst Alexander IV. (1254-1261) sich genötigt sah, die Inquisitoren zu ermahnen ihre Tätigkeit einzuschränken und Dinge, die nicht deutlich auf Ketzerei hinwiesen, den weltlichen Gerichten zu überlassen (Sexti Decretalium Libri, Lib. V. Tit. II. cap. 8). Die Inquisitoren glaubten jedoch aus dieser päpstlichen Anordnung die Berechtigung zu entnehmen, die eigentliche Hexenverfolgung betreiben zu können, was von diesem Zeitpunkt an auch immer eifriger erfolgte. Allmählich verwandelte sich die Ketzerverfolgung in eine Hexenverfolgung, von der später noch ausführlich die Rede sein soll.

Durch Beschluss des pariser Parlaments vom zweiten Mai 1331 wurde die Inquisition in Frankreich zu einem königlichen Gerichtshof (Cour royal) erklärt, was die Machtfülle dieser fürchterlichen Einrichtung nur vermehren mochte. Zu noch grösserer Macht, der grössten von allen Ländern, gelangte die geistliche Inquisition in Spanien. Im Jahre 1232 richtete Gregor IX. an den Erzbischof von Tarragone, in Catalonien, eine Bulle, in der er ihm die Errichtung der Inquisition zur Unterdrückung der Ketzerei auftrug. Es geschah und bald seufzte ein Teil von ganz Spanien unter dem Joch der von den Dominikanern mit fürchterlicher Grausamkeit ausgeübten Einrichtung. Als Hauptmotiv der Ketzerei galt die Zugehörigkeit zu den Mauren und Juden. In der Tat gab es auch viele Abkömmlinge dieser Volksstämme in Spanien, die nach deren Vertreibung zurückgeblieben waren, weil sie oder ihre Vorfahren schon das Christentum angenommen hatten. Sie waren sehr zahlreich und wurden Marranos, Moriscos genannt, eine Bezeichnung, die eigentlich nur den Maurenabkömmlingen galt, welche selbst unter dem hohen Adel Spaniens zu finden waren. Viele der Moriscos und der getauften Juden waren aber nur zum Schein zum Christentum übergetreten, um nicht gezwungen zu sein, die heimatliche Scholle verlassen zu müssen, heimlich aber hielten sie zu dem Glauben ihrer Väter. Gegen diese also richtete sich in erster Linie der Eifer der Ketzerrichter, wobei es aber die geistlichen Machthaber bald nicht mehr genau nahmen und überall Zugriffen, wo ihr Fanatismus Ketzerei zu finden wähnte, wo ihr Privathass, ihre Gier nach dem Reichtum anderer, Ketzerei zu erfinden strebte.

Gefängnis der Inquisition zu Sevilla (Aus Mystères de l'Inquisition von M. V. de Féréal)

Im Jahre 1484 führte der fanatische Dominikaner Thomas de Torquemada, Günstling Ferdinands von Aragonien, die Inquisition in Aragonien und Castilien ein, wohin sie bis zu jener Zeit nicht eingedrungen war. Er wurde General-Inquisator und nun begann ein Wüten, ein Morden, das alles Vorhergegangene auf diesem Felde übertraf, durch Jahrhunderte fortwährte und erst 1808 mit dem Einmarsch der Franzosen ein Ende fand. Zwar wird letzteres von manchen jetzt noch einigermassen widersprochen, behauptet, dass heute noch in spanischen Klöstern Folterkammern vorhanden wären, deren grausige Instrumente gegen irgendwie schuldig befundene oder zur Untersuchung gelangende Kleriker zur Anwendung kämen. Aber wäre es auch dem so – von klerikaler Seite wird es entschieden in Abrede gestellt – es liesse sich trotzdem nicht mit Recht behaupten, dass die geistliche Inquisition mit all ihren Schrecken auf der Iberischen Halbinsel gegenwärtig noch bestände. Es muss gelten gelassen werden, dass der Sturmwind, der von der grossen französischen Revolution ausging und auch noch in den Tagen Napoleons machtvoll durch die europäischen Landen zog unter den vielen Scheusslichkeiten und Erbärmlichkeiten, die er fortfegte, auch der geistlichen Inquisition in Spanien ein Ende gemacht hat. Bemerkensnötig ist auch, dass diese sich auch über das einstige so riesige Kolonialgebiet dieses Landes erstreckte und somit ihr Verderben nach mehreren Weltteilen trug. Während aber in anderen europäischen Ländern diese päpstlichen Ketzergerichte zum Teil aus wohlerwogenen Gründen sich grösstenteils zu Hexengerichten umformten, allerdings indem sie das vorgebliche Zauberwesen und Hexentum gleichfalls als Heräsie betrachteten, blieben sie in Spanien die ganze Zeit ihrer ursprünglichen Tendenz getreu, obgleich sie es auch hier nicht unterliessen Anklagen auf Nekromantie und andern dergleichen Plunder in ihre Kreise zu ziehen. War doch die Beschuldigung der Ketzerei fast überall auch mit der Beschuldigung von Teufelsbündnissen und höllischem Zauber verknüpft. Dass diese formelle Umwandlung, dieser Frontwechsel sozusagen, in Spanien nicht eintrat, dürfte seinen Hauptgrund in dem Umstände haben, dass hier das Ketzerwesen mehr Material als anderwärts bot, und dass das Volk den Ketzerrichtern weniger Widerstand entgegen setzte, obgleich es auch hier nicht, besonders in späterer Zeit, an Aufständen wider diese herzlosen Peiniger fehlte.

Der Generalinquisitor von Aragonien Nikolaus Eymericus verfasste um die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts ein Directorium Inquisitorium das in der Folge allgemein als Inquisitions-Prozessordnung zur Geltung kam. Soldan (II, S. 235) schreibt von ihm und seinem Werke: »Er hat sein Amt als Generalmenschenquäler 44 Jahre verwaltet und ist während dieser Zeit, wie sein Biograph von ihm rühmt, ein acer haereticae pravitatis inquisitor gewesen. Was damals irgend möglich war, das hat er getan, um seinen Kollegen die Blutarbeit zu erleichtern. Er führte, was kein Instruktor vor ihm getan hatte, die Belegstellen ausführlich an. Der Mühe, eine Bibliothek mit sich herum zu schleppen, waren die Inquisitoren nun überhoben. Ein Brevier, ein Kruzifix und dieses Buch in der Tasche – und der Mann Gottes war fertig und für seine Menschenjagd vollkommen ausgerüstet. Eymericus hatte sich aber auch dadurch vor seinen Vorgängern hervorgetan, dass er seinen Amtsgenossen ein alphabetisch geordnetes Verzeichnis von Ketzereien, auf welche sie inquirieren konnten, vorgelegt. Dieses Verzeichnis ist zwölf enggedruckte Seiten stark; allein der Buchstabe A umfasst vierundfünfzig Ketzereien! ...

In diesem Codex finden wir nun die Theorie schon so weit vorgeschritten, dass es, die Chiromantie etwa ausgenommen, fast nicht eine einzige magische Uebung giebt, von welcher der Verfasser nicht nachwiese, dass sie ketzerisch sei, oder wenigstens nach Ketzerei schmecke, Ueber das Schmecken der Ketzerei s. die nähere Bestimmung bei Limborch (Hist. Inqu. p. 113), wo es nach Simaneas heisst: Prospositio est haeretica, quae contraria est scripturae, aut ecclesiae, am decretis concilii generalis etc. – Propositio sapit haeresim, quae prima verborum significatione et prima facie sensum habet haereticum, quamvis pie intellecta possit habere sensum catholicum. und mithin vor das Forum des Inquisitors gehöre. Merkwürdig ist insbesondere die Klassifikation derjenigen, welche den Teufel anrufen.«

Noch grausamer und blutgieriger als Torquemada zeigte sich der Grossinquisitor Peter Arbues (1441-1485), der auch das Opfer einer Verschwörung wurde und am Altar bei der Messe unter dem Mordstahl fiel. Papst Alexander VII. sprach ihn 1661 selig und Pius IX., kurz vor der Zeit, wo die weltliche Macht des Papsttums ein Ende nahm – heilig. Er erhob die Inquisition in Spanien zu einer alles beherrschenden Institution; sie war mit einer Gewalt ausgerüstet, wie sie bis dahin das Ketzergericht in keinem Lande besessen hatte, eine Gewalt, die, trotz seines verhältnismässig kurzen Wirkens noch lange der spanischen Inquisition zu eigen blieb und diese zum Fluch und Verderben dieses Reiches machte.


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