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VI. Kapitel.

Die Kreuzzüge. – Papst Urban II. – Die verschiedenen Kreuzzüge nach dem Morgenlande. – Die Tempelritter. – Untergang des Tempelordens. – Philipp der Schöne. – Inquisitor Imbert. – Kreuzzüge gegen die Slaven. – Ketzer. – Kreuzzüge gegen die Katharer. – Albigenser. – Waldenser. – Stedinger.

Der erste der Kreuzzüge gegen den Osten – es lässt sich nicht gut sagen gegen die Anhänger des Islams, denn diese Kreuzzüge waren teilweise auch gegen das christliche oströmische Kaiserreich gerichtet – fand seinen Ursprung auf dem Konzil zu Clermont, 1095, wo Papst Urban II., von dem byzantischen Kaiser Alexios I. um Hilfe angerufen, zum Kampf gegen die Seldschucken und zur Befreiung des heiligen Grabes von der Herrschaft der Ungläubigen die Abendländer aufforderte. Einige schon vorhergegangene Versuche Kreuzheere zu bilden, können hier füglich unbeachtet bleiben. Urbans Aufruf erweckte begeisterte Zustimmung. »Deus lo volt!« (Gott will es!) war der allgemeine Ruf und jeder beeilte sich das rote Kreuz, das Abzeichen der Kreuzfahrer an sein Kleid zu heften. Noch gesteigert wurde diese Begeisterung durch die Predigten der umherziehenden Mönche, von denen besonders der Eremit Peter von Amiens zu erwähnen ist. Im Jahre 1096 gingen unter Führung Peters einige Scharen Kreuzfahrer ab, zumeist Gesindel aller Art, das plündernd und mordend die Landen durchzog und teils schon auf dem Wege von der erbitterten Bevölkerung, teils nach ihrem Anlangen in Asien von den Türken niedergemetzelt wurden.

Erst den nachfolgenden geordneten Haufen unter Führung von Gottfried von Bouillon gelang es Jerusalem zu erobern (1099) und zu einem christlichen Königreich zu machen, dessen Beherrscher Gottfried wurde, unter dem Titel »Beschützer des heiligen Grabes.« Der Königstitel dünkte ihm zu hoch; er wollte nicht dort eine goldene Krone tragen, wo Christus die Dornenkrone trug. Seine Nachfolger dachten minder bescheiden und schon sein Bruder Balduin I., unter dem freilich das Königreich Jerusalem eigentlich erst erstand, nahm den Königstitel an. Beiläufig sei bemerkt, dass diese Eroberung mit einer Fülle von Morden und anderen Grausamkeiten begleitet war. Auch äusserten sich dabei Feindseligkeiten gegen das oströmische Reich, das von dem Kreuzheer Beistand gegen ihre Bedränger die Seldschucken erwartet hatte. Ein im Jahre 1100 nachfolgendes Kreuzheer von angeblich 300 000 Köpfen zeigte sich dem griechischen Kaisertum gegenüber noch feindseliger und wurde in Asien von den Türken gänzlich aufgerieben. Ein neuer, vom Papst Eugen befohlener, von Kaiser Konrad III. und Ludwig VII. von Frankreich geführter Kreuzzug (1147-49), der in der Geschichte als zweiter bezeichnet wird, war erfolglos. Der sogenannte dritte Kreuzzug (1189-92) unter Führung von Kaiser Friedrich I., Philipp August und Richard Löwenherz ergab zwar die Eroberung Akkas, hatte aber sonst weiter keinen Erfolg gegen die Europa bedrängenden Mohammedaner aufzuweisen, zumal Friedrich 1190 in Cilicien starb und die Könige von Frankreich und England sich entzweiten. Der vierte Kreuzzug (1204) richtete sich eigentlich unter Führung Venedigs gegen das griechische Kaisertum. Auch dieser hatte nur wenig Erfolg aufzuweisen und konnte als vom Papst verboten und gegen Christen gerichtet, nicht als Kreuzzug gelten. Wenig Erfolg gegen die Moslim hatten auch die nachfolgenden Kreuzzüge aufzuweisen, der auf Papst Gregors Drängen 1228 von Kaiser Friedrich II. unternommene, trotzdem es ihm gelang sich in Jerusalem die Königskrone aufzusetzen, eine Tatsache, die auch die nachfolgenden deutschen Kaiser – wie heute noch den Kaiser von Oesterreich – veranlasste den Titel König von Jerusalem anzunehmen, der sechste (1248-50) und siebente Kreuzzug (1270), die Ludwig der Heilige unternahm und besonders die Eroberung Aegyptens bezweckte. Ludwig starb 1270 im Lager vor Tunis. Noch ein und der andere inzwischen ausgegangene Kreuzzug mag seiner völligen Bedeutungslosigkeit unerwähnt bleiben und es werde höchstens noch seiner Seltsamkeit wegen der lächerliche Kinderkreuzzug vom Jahre 1212 angeführt, der natürlich sein Ziel nicht erreichte und nur viele unschuldige, vom Wahn der Zeit erfasste Kinder ins Verderben brachte. Die mohammedanischen Bedränger setzten in Palästina ihren Kampf gegen die Christen fort und als am 18. Mai 1291 Akka (Ptolemais) fiel, war ganz Palästina und auch Aegypten wieder in ihren Händen. Von anderen »Kreuzzügen« die in Europa wider »Ketzer« geführt wurden und bei denen die Folter ganz besonders zur Geltung kam, soll später die Rede sein.

Henne am Rhyn bemerkt in seiner »Kulturgeschichte der Kreuzzüge« S. 227: »Es ist wahrscheinlich die auf den Kreuzzügen zu Tage getretene Grausamkeit und Rücksichtslosigkeit gegenüber den Nichtchristen, welche zur Folge hatte, dass man diese Charakterzüge gegenüber allen Aeusserungen und Handlungen anwenden zu sollen glaubte, in welchen eine Verletzung der damals herrschenden Begriffe vom christlichen Glauben lag. Denn während der Kreuzzüge und der Blüte des Rittertums begann die gerichtliche Barbarei ihre Schrecken zu entfalten, und zwar in zwei Richtungen, in der entsetzlichen Folter der Angeklagten und in der ausgesucht grässlichen Hinrichtung der Verurteilten.«

Es dürfte, wiederholt sei es bemerkt, kaum zutreffen, den Kreuzzügen alle Wandlungen zuzuschreiben, die um jene Zeit im Tun und Denken der europäischen Völker vor sich gingen, wenn auch zugegeben werden muss, dass der Einfluss des Orients sehr stark war. »Ein fanatischer Eifer,« schreibt Friedrich Schiller in seinem Aufsatz »Ueber Völkerwanderung, Kreuzzüge und Mittelalter«, »sprengt den verschlossenen Westen wieder auf und der erwachsene Sohn tritt aus dem väterlichen Hause. Erstaunt sieht er die neuen Völker sich an, freut sich am thracischen Bosporus seiner Freiheit, und seines Muts, errötet in Byzanz über seinen rohen Geschmack, seine Unwissenheit, seine Wildheit, und erschrickt in Asien über seine Armut. Was er sich dort nahm und heimbrachte, bezeugen Europas Annalen, die Geschichte des Orients, wenn wir eine hätten, würde uns sagen, was er dafür gab und zurückliess ... Hinter dem Kreuzfahrer schlägt der Kaufmann seine Brücke und das wieder gefundene Band zwischen dem Abend und Morgen, durch einen kriegerischen Schwindel flüchtig geknüpft, befestigt und verewigt der überlegene Handel, das levantische Schiff begrüsst seine wohlbekannten Gewässer wieder, und seine reiche Ladung ruft das lüsterne Europa zum Fleiss.«

Wie überhaupt gegen die Geschichtsschreibung unseres grossen Dichters, lässt sich auch gegen diese Stelle ein Einwand erheben. Nicht die Kreuzzüge schufen eine neue Zeit, sondern sie wurden von einer neuen Zeit geschaffen, deren Flügelschlag schon aus dem Raunen und Rauschen der vorhergegangenen Tage vernehmbar war, jener Tag voll chiliastischen Wahns im Glauben vom Untergang der Welt um das Jahr Tausend. Zweifellos hat das Papsttum, das damals auf der Höhe seiner Macht stand, die Kreuzzüge geschaffen, die fast zwei Jahrhunderte währten, Millionen von Menschenleben kosteten und erfolglos waren. Aber es war nicht der religiöse Fanatismus allein, der viele veranlasste, das Kreuz auf ihre Schultern zu heften. Auch Naturereignisse wirkten darauf ein: eine grosse Hungersnot in Frankreich, häufiges Nordlicht und die das »heilige Feuer« genannte mysteriöse Seuche, wobei irgend ein Glied des Köpers von einer heftigen und peinigenden Rose befallen wurde, das betreffende Glied sich schwärzte und abgeschnitten werden musste, wenn der hiervon Befallene nicht eines qualvollen Todes sterben sollte. Ferner verstanden es die Päpste auch durch übertriebene Vorrechte und Begünstigungen zur Teilnahme an den Kreuzzügen zu veranlassen. Die Pflicht der Schuldenbezahlung wurde bis zur Rückkehr aufgehoben, ebenso die Zahlung aller Zinsen und Abgaben. Die Teilnehmer konnten ihre Lehensgüter ohne Anfrage bei ihren Lehensherren veräussern, freilich nur an Kirchen und Geistliche. Alle ihre Habe, ihre Person, ihre Familienglieder standen unter unmittelbarem Schutz des Papstes und die fürchterlichsten Bannflüche drohten jenen, die ihre Abwesenheit benutzen wollten, um sie zu schädigen. Auch waren die Kreuzfahrer von jeder bürgerlichen Gerichtsbarkeit ausgenommen und konnten nur von Geistlichen Urteilssprüche erhalten. Dass die Kreuzfahrer Grausamkeit nicht erst im Orient lernen mussten, bewiesen sie schon auf ihren Zügen durch die christlichen Länder Europas und schon ihre ersten Eroberungen im Orient waren mit einem Morden und Wüten verbunden, die eine vollendete Meisterschaft dabei bekundeten.

Siegel und Fahnen der Templer.

Was die Kreuzzüge noch besonders bemerkenswert machte, war die Gründung von geistlichen Ritterorden, von denen der der Tempelritter in der Geschichte der Tortur eine gewisse Rolle spielte, indem seine Mitglieder selbst bei der Auflösung des Ordens dieser qualvollen Marter unterworfen wurden. Wir können daher der Geschichte dieses Ordens eine kurze Schilderung hier widmen.

Im Jahre 1118 verbanden sich in Jerusalem die Ritter Hugo de Pagus und Geoffroy de Saint Omer mit sieben anderen Rittern zur Stiftung eines Ordens, der unter dem Namen »die armen Ritter Christi«, neben den drei Mönchsgelübden nach der Regel des heiligen Benedikt sich auch noch verpflichtete, stets die Ungläubigen zu bekämpfen und christliche Pilger zu schützen. König Balduin II. räumte ihnen in seinem neben den Ruinen des salomonischen Tempels belegenem Palast eine Wohnung ein, wovon sie später den Namen Ritter des Tempels, Templer, Tempelherrn erhielten. Die Domherren des heiligen Grabes schenkten ihnen dann ein Grundstück, das sie in der Nähe des Palastes besassen, worauf sie Kirche und Häuser bauten. Die ersten zehn Jahre lebten sie still und bescheiden und zeichneten sich auch durch Sanftmut aus. Die Synode von Troyes bestätigte 1128 den Orden und erteilte ihm eine Ordensregel und das weisse Ordenskleid der Cistercienser, dem Papst Eugen III. 1146 ein rotes Kreuz auf der Brust zufügte.

»Die Templer,« schreibt Henne am Rhyn in seiner »Geschichte des Rittertums« S. 191 etc., »welche in ihrer Stiftungsurkunde die »armen Genossen des Tempels in der heiligen Stadt« hiessen, hatten schon nach einem halben Jahrhundert ihres Bestehens ausgedehnte Besitzungen in Asien und Europa, die ihnen Könige und Fürsten aller christlichen Länder zu verleihen wetteiferten. In der ersten Zeit ihrer Gründung lebten sie noch bescheiden und mässig, kleideten sich schlicht, vermieden allen Aufwand und Schmuck, jagten nur nach schädlichen Raubtieren und enthielten sich aller Unkeuschheit. Mit der Zeit jedoch, als sie reich wurden, nahmen Hochmut, Aufwand, Müssiggang, Lüderlichkeit u. s. w. unter ihnen überhand, ja sie wurden vielfach ihrer Bestimmung untreu, gestatteten sich Gewalttaten und übten sogar während der Kreuzzüge oft Verrat an ihren Waffengefährten. Auch waren sie nicht mehr gewissenhaft in der Aufnahme neuer Mitglieder und liessen unter diese eine Menge Leute von unlauterem Charakter und dunkler Vergangenheit zu.

Ursprünglich hatte der Orden nur weltliche Ritter, wenn auch mit geistlicher Regel gehabt, das Streben nach Unabhängigkeit, das ihn mehr und mehr beseelte, führte ihn jedoch mit der Zeit dahin, auch wirkliche Geistliche aufzunehmen, die dann eine besondere Klasse, die der Kleriker bildeten, den Gottesdienst und die Seelsorge innerhalb des Ordens zu versehen hatten und von jeder geistlichen Gewalt ausserhalb derselben unabhängig, allerdings auch von jeder Bekleidung geistlicher Stellen in der Aussenwelt ausgeschlossen waren. Innerhalb des Ordens aber hatten sie keinen Einfluss und mussten in allem den Willen der Ritter tun.«

Der Verfasser zählt dann ferner auf als Zugehörige: Servienten oder dienende Brüder, die Knechte und Soldaten der stolz gewordenen Ritter, Affiliierte, Männer und Frauen, die ausserhalb im Interesse des Ordens wirkten und ihn oft als Erben einsetzten, Donaten, die sich freiwillig verpflichteten, dem Orden Dienste zu leisten und Oblaten, die schon als Kinder von ihren Eltern zum Eintritt in den Orden bestimmt waren und demgemäss erzogen wurden. Die Klassen hatten unterschiedliche Kleidung, doch nannten sich alle »Brüder«, was auch auf dem Ordenssiegel zum Ausdruck kommen soll, wo zwei auf einem Ross sitzende Ritter abgebildet sind. Der Verfasser fährt fort:

Grossmeister der Templer.

»Ein Staatsgebiet hatten sie sich nicht zu verschaffen gewusst, denn das Königreich Aragon mit Navarra, welches ihnen 1131 König Alfonso I. vermachte, konnten sie, mit Ausnahme einiger fester Plätze nicht gewinnen, da das Testament nicht vollzogen wurde, und die Insel Cypern, die sie 1191 dem König Richard Löwenherz, der sie erobert hatte, um 100 000 Goldbyzantiner Der Byzantiner, auch oft schlechtweg als Goldstück bezeichnet, hatte einen Metallwert von etwa acht, einen heutigen Goldwert aber von wohl 64 Reichsmark. abkauften, verloren sie infolge ihrer Gewalttätigkeit gegen die Bevölkerung durch einen Aufstand derselben. Besser verstanden sie das Geld zusammenzuhalten; im Jahre 1307 bezog der Orden, der damals 20 000 Ritter zählte, sechzig Millionen Mark heutigen Geldes (der König von Frankreich nicht ganz zwei Millionen!). Die Templer trieben Handels- und Wechselgeschäfte, liehen den Fürsten grosse Summen, vermieteten ihre Flotten und wagten Spekulationen aller Art. Aber weder für wohltätige Zwecke verwendeten sie ihre Kapitalien, noch für Gastfreundschaft, ausgenommen gegen hohe Personen, die ihnen von Nutzen sein konnten, ja nicht einmal, wenn sie nicht dazu gezwungen wurden, zu Gunsten des heiligen Landes. Das Gold war ihr Gott! Im Besitze solcher Macht strebten die Templer nach keinem geringeren Ziele, als nach einer Art von Weltherrschaft, die sie mit Hilfe des Papstes zu erreichen hofften, dessen Garde sie zu bilden, den sie aber in Wahrheit nur als ihr Werkzeug zu betrachten dachten.

Durch diese Tendenzen wurde der Orden eine Gefahr für die Staaten; er wurde aber auch eine solche für die Kirche, mit deren Hilfe er emporsteigen wollte, denn er war, wenigstens in seinen Hauptteilen, besonders in Frankreich, wo er mächtiger war als anderswo, nicht nur nicht kirchlich gesinnt, sondern geradezu kirchenfeindlich. Die Misserfolge der Kreuzzüge trugen vorzugsweise dazu bei, dass er diese aufgeben und sich in das Abendland zurückzuziehen wünschte, um hier seine Reichtümer zu geniessen. War schon dies dem päpstlichen System zuwider, so war es noch bedenklicher, dass in manchen Teilen des Ordens eine mit dem kirchlichen Christentum durchaus unvereinbare, unfromme, ja frivole Gesinnung Platz griff, die in einer geheimen Lehre und einem geheimen Kultus Ausdruck fand.«

Die Vergehen, die den Templern vorgeworfen wurden und die sie teilweise auch eingestanden haben, unter dem zarten Zwangsmittel der Folter natürlich, mit der man, wie viele Beispiele beweisen, jedes gewünschte Geständnis zuwege bringen konnte, diese Vergehen also stellen in der Tat die Templer als Ketzer, Gotteslästerer und sonst noch alles mögliche Sündhafte und Schlechte hin. Indes, wenn man aber in Betracht zieht, dass diese Beschuldigungen von Gegnern ausgingen, die sich die Güter der Templer aneignen wollten, dass diese Geständnisse, die in manchen Fällen nach der Tortur wieder zurückgenommen wurden, durch die Art und Weise, wie sie zu stande gebracht wurden, völlig wertlos waren, so geht man wohl nicht fehl, wenn man annimmt, dass die grösste Schuld der Templer ihr Reichtum war, mag ihr Gebahren auch in manchen Fällen wirklich auch unsittlich und verächtlich gewesen sein. – Doch geben wir wieder unserem Autor das Wort:

»Nachdem die Erfolge der Kreuzzüge vollständig zu nichte geworden waren und die Europäer auf dem Festlande Asiens keinen Fussbreit Boden mehr ihr Eigen nannten, am Ende des dreizehnten Jahrhunderts, beschäftigten sich die Päpste mit der Frage nach der künftigen Aufgabe der geistlichen Ritterorden. Es waren aber ... nur noch die Tempelritter ohne eine andere Betätigung als die der Verwaltung ihrer weitausgedehnten Güter. Die meisten Ordensglieder ergaben sich einem müssigen Leben in ihren europäischen Besitzungen; nur der letzte Grossmeister Jakob von Molay residierte mit seinen Beamten und dem Konvente zu Simissol auf der Insel Cypern.

Der einstige Temple zu Paris.

Nun dachte damals (um 1305) der in Frankreich gewählte und in Avignon wohnende Papst Clemens V. an eine Vereinigung der bedeutendsten Ritterorden zu einem einzigen und an Wiederaufnahme der Kreuzzüge mit dessen Hilfe. Seine Anordnung traf bei den Orden auf Widerspruch. Zugleich war König Philipp IV., der »Schöne«, von Frankreich dem Tempelorden gegenüber, dessen Pläne er ahnte (der Autor könnte statt dessen wohl sagen: dessen Reichtümer er gerne haben mochte) höchst ungnädig gesinnt, und so vernahm er nicht ungern, dass bei der französischen Inquisition Klagen über die Ketzerei der Templer einliefen, infolge welcher der Inquisitor Imbert ihn zum Einschreiten gegen die ungläubigen Ritter aufforderte. Derselbe richtete seine Klage auch an den Papst, der nun, ob deshalb oder nicht, ist unklar, die beiden Ordensmeister der Johanniter und der Templer zu einer Besprechung über den von ihm geplanten neuen Kreuzzug einlud. Da aber der Johanniter, welcher eben Rhodos belagerte, verhindert war zu erscheinen, so folgte nur Molay der Einladung, aber gegen den Wunsch des Papstes mit seinem ganzen Konvente, dem Archiv und dem Schatz des Ordens, welcher 150 000 Goldgulden und zwölf Pferdeladungen Silbergeld betrug, – und rannte damit in sein Verderben. Es ist nicht bekannt, ob Clemens damit einverstanden war, dass Philipp in der Nacht vom 12. zum 13. Oktober 1307 alle Templer in ganz Frankreich verhaften und ihre Güter mit Beschlag belegen liess. Dass er dabei vor allem den Reichtum des Ordens im Auge hatte, beweist der Umstand, dass er sofort im Ordenshause, dem sogenannten Temple, welches damals noch ausserhalb der Mauern von Paris lag und den nach Frankreich gebrachten reichen Ordensschatz barg, seine Wohnung aufschlug. Er ahnte nicht, dass nicht ganz ein halbes Jahrtausend später einer seiner Nachkommen in demselben Gebäude ein Gefangener sein werde. Der Verfasser spielt hier auf Ludwig XVI. an, der bekanntlich vor seiner Hinrichtung im Temple gefangen sass.

Hier begann der Prozess gegen den Orden, welchem man verschiedene Arten von Ketzerei und ausschweifendes Leben zur Last legte, wobei die Folter nicht gespart wurde. Dem Papst jedoch lag die Sache nicht recht, da er den Prozess als in seine Kompetenz gehörend betrachtete. Endlich verständigten sich aber beide Potentaten und der Papst ordnete die Verhaftung der Templer auch in den übrigen Ländern an, die aber in Portugal nicht vollzogen wurde. Seitdem war der Prozess Sache des Papstes, welcher mit anerkennenswerter Milde verfuhr und die vom König verlangte Todesstrafe ablehnte. Aber je weiter die Untersuchung ging, desto mehr verflüchtete sich diese Milde und die Bischöfe, denen der Papst die Sache übertragen, handhabten die Folter scharf. Die Haltung der Angeklagten sprach nicht sehr zu ihren Gunsten. Sie verwickelten sich in viele Widersprüche, namentlich benahm sich Molay sehr schwankend, und er wie andere legten bald Geständnisse ab, bald widerriefen sie solche.

Während der Untersuchung starben 36 Templer im Kerker zu Paris. Am 12. Mai 1210 wurden ihrer 54, später noch 8 und in Reims 9, welche ihre Geständnisse zurückgenommen hatten und alle ihre Unschuld beteuerten, verbrannt. Clemens war es nun, der auf die äusserste Härte drang und 1312 auf Andringen des Königs den Orden aufhob, ohne das in Vienne versammelte Concil zu beraten, vor welchem Abgesandte der Ritter um Gnade baten. Das Trauerspiel endete damit, dass der in letzter Zeit standhafte Grossmeister und einer seiner Beamten ohne gerichtliches Urteil auf Befehl des Königs am 11. März 1313 auf einer Insel der Seine bei langsamem Feuer verbrannt wurde. Acht Monate nach ihm starb der König, nach fünf weiteren Monaten auch der Papst.

Merkwürdig ist nur, dass in Spanien, Deutschland und England und sogar in der päpstlichen Stadt Avignon die Templer schuldlos befunden worden und auch in Italien wenigstens kein Todesurteil gegen sie erfolgte. Viele Templer wurden lebenslänglich eingekerkert; viele aber, die der Verhaftung entgangen waren, irrten in Gebirgen und Wäldern umher oder traten zu den Johannitern über, denen der Papst die Güter des Tempels geschenkt hatte, während der König das Ordenshaus und den Schatz behielt. In Portugal aber waren die Ritter nicht nur nicht verhaftet worden, sondern dort allein wurde die Auflösung des Ordens nicht vollzogen; er nahm dort unter König Dionys den Namen des »Ordens Jesu Christi« an, blieb aber, wie übrigens schon bisher von der Krone abhängig, und einer seiner Grossmeister, Prinz Heinrich, der Seefahrer, nahm hundert Jahre später die Güter des Ordens zu seinen wichtigen Entdeckungsfahrten in Anspruch, durch welche die Auffindung des Seeweges nach Ostindien vorbereitet wurde. Jetzt ist er auch ein päpstlicher Orden. Im übrigen haben sich mehrere Herren, Orden, Kirchen und Klöster kleinerer Hinterlassenschaften des Tempelordens bemächtigt, welcher, so schuldig auch viele seiner Glieder sein mochten, durch einen Gewaltakt unterdrückt wurde, der nur als Justizmord bezeichnet werden kann.«

Von der Macht des Tempelordens giebt am besten einen Begriff die Tatsache, dass der Orden zur Zeit seines Untergangs nicht weniger als 10 500 Ordenshäuser und Burgen besass. Der Versuch, das Freimaurertum mit dem Tempelorden in Verbindung zu bringen, ersteres von diesem abstammen zu lassen, verdient eben so wenig eine Erörterung wie andere Verbindungen die mit der Behauptung einer gleichartigen Herkunft später auftauchten, um bald aber im Zeitenstrom unterzugehen.

Den Kreuzzügen nach Osten waren noch andere Kreuzzüge in Europa selbst zugesellt und sie hatten deren auch als Nachfolger. Zum Teil galt es hierbei gleichfalls den Kampf gegen Ungläubige, zum Teil auch gegen Abtrünnige, Ketzer. Was erstere betrifft, so galt es die Bekehrung oder Ausrottung heidnischer Slaven, wie Wenden, Littauer und Preussen, zu deren Bekämpfung bekanntlich auch der dem Tempelorden ähnliche deutsche Orden nach Preussen gerufen wurde, wo er zur Macht gelangte, zu Reichtum, aber gleichfalls auch zu einem ungünstigen Ruf. Ein schwedisches Kreuzheer unter König Erich dem Heiligen zog 1157 gegen die heidnischen Finnen, die nach langen Kämpfen zurückgedrängt wurden.

Bei all diesen Kreuzzügen fehlte es nicht an Grausamkeiten, doch scheint dabei kaum etwas vorgekommen zu sein, was als Anwendung der Tortur gelten könnte. In grossem Umfange war letzteres aber der Fall bei der andern Art von Kreuzzügen, die gegen die sogenannten Ketzer geführt wurden, gegen Albigenser, Waldenser, Stedinger und andere. »Das Vorbild der Anklagen, die man gegen die Ketzer erhob,« schreibt Soldan in seiner »Geschichte der Hexenprozesse«, 1880, I. 145, »können wir nämlich im Wesentlichen in dem finden, was einst Minucius Felix seinen Caecilius als Repräsentanten der heidnischen Volksmeinung, gegen die christlichen Urgemeinden sagen liess. Die Christen erscheinen dort als eine verworfene, verzweifelte und lichtscheue Faktion, zusammengesetzt aus verdorbenem Gesindel und leichtgläubigen Weibern, die gegen das Göttliche wütet, gegen das Wohl der Menschen sich verschwört und der Welt Verderben droht.«

Es würde zu weit führen und von dem Gegenstand unserer Abhandlung zu sehr ablenken, wollten wir aufzählen und näher erörtern, was da in den ersten christlichen Jahrhunderten und auch noch später alles für Ketzer und Ketzergenossenschaften gegolten hat. Es genügt wohl mit der im elften Jahrhundert entstandenen Sekte der Reinen, den Katharern zu beginnen. Sie ging in dieser besonders unsittlichen Epoche von verschiedenen Punkten aus, verbreitete sich rasch über alle romanischen Länder und drang auch in Deutschland ein. Die Katharer, die ein ganz neues »Reich Gottes« herstellen wollten, in dem auch Satan eine bedeutsame Rolle spielte, gewannen nicht nur viele aus dem Volke für ihre Lehren, sondern auch Männer vom Adel und selbst Geistliche. Die Italiener nannten sie gazzari, woraus wahrscheinlich unser Wort Ketzer entstanden ist. Die Franzosen nannten sie u. a. Bougres, Bulgaren, d. h. Bogumilen, liederliche Menschen, Albigenser, von dem katharischen Bistum Alby in Südfrankreich. Am häufigsten aber wurde zu ihrer Bezeichnung der Name Manichäer gebraucht, nach der alten gnostischen Sekte. Die Katharer wurden schon frühzeitig verfolgt, hingerichtet oder lebendig verbrannt, besonders vom Erzbischof Heribert von Mailand um das Jahr 1035; es wurden ihnen die ärgsten Schändlichkeiten zugesprochen. Trotzalledem gewannen sie immer mehr Anhänger und wurden vom Volke, nebst den Anhängern der verwandten, von Petrus Waldus um 1170 gegründeten Sekte der Waldenser, allgemein die guten Leute (bons hommes) genannt. Zu Beginn des 13. Jahrhunderts zählte fasst der ganze südfranzösische Adel zu den bons hommes.

Im Jahre 1198 wurde Innocens III. Papst, einer der eifrigsten Kämpfer für die Macht des Papsttums, das er durch die Katharer-Sekten bedroht sah. Er forderte zum Kreuzzug gegen diese auf, wobei er den Teilnehmer dieselben Begünstigungen verhiess, die den Kreuzfahrern nach dem Morgenland zu teil geworden waren. Der ketzerische Adel sollte seine Güter verlieren, wer sie eroberte als sein eigen betrachten können. Im Jahre 1209 begann dieser Verfolgungskrieg, der bis 1229 währte, auf das grausamste geführt wurde und fast mit der gänzlichen Vernichtung der Abigenser endete. Ebenso erging es den Waldensern, von denen sich nur ein geringer Rest in das Gebirge von Savoyen und Piemont rettete, wo sie, trotz aller späteren Verfolgungen, bis heute sich noch erhalten haben. Nikolaus Lenau hat diesen Kampf in seiner Dichtung »Die Albigenser« behandelt, die mit den Worten schliesst:

Das Licht vom Himmel lässt sich nicht versprengen,
Noch lässt der Sonnenaufgang sich verhängen
Mit Purpurmänteln oder dunkeln Kutten;
Den Albigensern folgen die Hussiten
Und zahlten blutig heim, was jene litten;
Nach Huss und Ziska kamen Luther, Hutten,
Die dreissig Jahre, die Cevennenstreiter,
Die Stürmer der Bastille, und so weiter.

Indes den Albigensern folgte auch etwas anderes: zu ihrer gänzlichen Vernichtung und zur Ausrottung aller antipäpstlichen Bestrebungen wurden nach Abschluss dieses Kreuzzuges erst zu Toulouse, dann noch an andern Orten ständige Inquisitionsgerichte gebildet. Die Inquisition selbst bestand schon früher, doch lag deren Ausführung in den Händen der Bischöfe, die nur selten es gar zu arg damit trieben. Die ständige Inquisition, mit der wir uns noch ausführlich beschäftigen werden, machte die Tortur zu ihrem Hauptmittel. »Zwei Monarchen,« schreibt Soldan a. a. O. I. 159., »von übrigens erhabenen Eigenschaften, Ludwig IX. von Frankreich und Kaiser Friedrich II., erniedrigten, durch die Macht des Vorurteils und der äusseren Umstände verleitet, in einer Reihe von Edikten die weltliche Macht zur Schergin des geistlichen Despotismus. Die Ketzerei galt von jetzt an als eines der ärgsten öffentlichen Verbrechen, das bürgerliche Gesetz bestrafte sie mit Ehrlosigkeit, Kerker, Tod und Konfiscation der Güter. Die Obrigkeit verfolgte und verhaftete, das geistliche Gericht entschied über Schuld und Unschuld, und der weltliche Arm ging blindlings zur Vollstreckung vor.

Auch Deutschland war, indem die katharische Bewegung in seinen Gauen Eingang gefunden hatte, alsbald zum Schauplatz der rohesten Verfolgungen derselben geworden. Schon 1052 wurden zu Goslar Katharer zum Tode verurteilt. Im Jahre 1146 disputierte Evervin, Propst von Steinfelden, mit mehreren Häuptern der Sekte zu Köln, konnte sich jedoch nicht vor der Wut des Pöbels retten. Auch 1163 kamen in Köln Verbrennungen vor. Im Jahre 1212 liess der Bischof von Strassburg an einem Tage gegen hundert Personen verbrennen. Mutii, Germ. Chron. Lib. XIX bei Pistor. Germ. Script. T. II. p. 809. Im Jahre 1232 erfolgte endlich die Reichsacht gegen die Ketzer im Reiche. Schon vorher hatte Konrad von Marburg als Generalinquisitor (inquisitor generalis haereticae pravitatis) für ganz Deutschland seine Blutarbeit begonnen. Unter den Zeitgenossen herrschte über ihn nur eine Stimme. »Wer ihm in die Hände fiel,« so berichtet der Erzbischof von Mainz an den Papst, Alberici Monachi Chronicon ad. ann. 1233. dem blieb nur die Wahl entweder freiwillig zu bekennen und dadurch sich das Leben zu retten, oder seine Unschuld zu beschwören und unmittelbar darauf verbrannt zu werden ...« Dass Konrad ganz gegen die kirchlichen Gesetze die Probe des heissen Eisens vorzunehmen pflegt, erzählt Trettenheim Chron. Hirsaug. ad. ann. 1215 und 1233.. Kondrads Gewalttaten, die ihm bekanntlich selbst ein gewaltsames Ende zuzogen, hatten besonders im Elsass, im Mainzischen und Trierschen ihren Schauplatz. Das merkwürdigste Ereignis jedoch, in welchem er als mitwirkende Person auftritt, ist der Kreuzzug gegen die Stedinger Schminckius, de expeditione cruciata in Stedingos Marb. 1722, Ritter, de pago Steding etc. Viteb. 1751.:

Die Stedinger, im heutigen Oldenburg und Delmenhorst, lebten in Zwist mit dem Erzbischof Hartwig von Bremen und misshandelten einige Geistliche, die den Zehnten einholen kamen, was die Stedinger nicht für berechtigt hielten. Der Erzbischof betrachtete diese Tat als Ketzerei und holte sich von Rom Erlaubnis zu einem Kreuzzug gegen die Stedinger. Anfangs wurde der Kampf im Kleinen und mit wechselndem Glück geführt. Im Jahre 1219 starb Hartwig und Gerhard II. wurde sein Nachfolger. Zu dieser Zeit geschah es nun, dass eine vornehme Stedingerin einem Geistlichen einen Beichtpfennig gab, den jener als zu gering betrachtete und daher beim Abendmahl der Frau statt der Hostie den Beichtpfennig in den Mund schob. Der Gatte dieser Frau, ärgerlich über den ihm angetanen Schimpf schlug den Geistlichen und wurde deshalb mit dem Bann belegt, worüber sich aber weder der Betroffene noch die andern Stedinger kümmerten. Damit erneuten sich die Feindseligkeiten. Bald fiel der Erzbischof mit verbündeten Herren in das Gebiet der Stedinger, wurde aber zurückgeschlagen. Nun wandte auch er sich an den Papst und stellte die Stedinger als arge Ketzer hin. Papst Gregor IX. erliess nun (1232) an die Bischöfe von Minden, Lübeck und Ratzeburg eine Bulle, die den Kreuzzug gegen diese Ketzer anordnet. Im nachfolgenden Jahre brach denn auch ein Kreuzheer in das Ländchen ein. Ein Teil der Bewohner fiel tapfer im Kampfe und die andern unterwarfen sich dem Erzbischof, der sie vom Banne lossprach.

Dies in aller Kürze der Kreuzzug gegen die Stedinger. Viel zum Vernichtungsbefehl des Papstes soll der Bericht des Generalinquisitors Konrad von Marburg beigetragen haben, den jedoch bald die gerechte Strafe für seine Missetaten traf. Auf dem Wege von Mainz nach Paderborn wurde er nämlich am 30. Juli 1233 auf der Haide bei Marburg von einigen wider ihn erzürnten Edelleuten erschlagen. Dieser Gewaltakt hatte zur Folge, dass die Inquisition in Deutschland erlosch, zumal sich niemand fand, der die Stelle des ermordeten Wüterichs Konrad einnehmen wollte.


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