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III. Kapitel.

Die Tortur in Deutschland im 16. Jahrhundert. – Abraham Saur. – Urteilsvorschriften. – Verdächtige Anzeichen. – Vorschriften zur peinlichen Frage.

Wenden wir uns wieder der Betrachtung der Tortur-Verhältnisse Deutschlands zu und dem Ausgang des sechzehnten Jahrhunderts. Wenn hier auch die Carolina nur im beschränkten Masse zur Geltung kam, so diente sie doch zumeist als Norm für die zahlreichen Schriften, die in der nun literarisch und wissenschaftlich reger gewordenen Zeit erschienen, zumeist von Juristen verfasst, die es für nötig hielten, auch zu dem peinlichen Verfahren ihr Licht leuchten zu lassen. So manches, was uns da breitspurig mitgeteilt wird, ist allerdings überflüssige Wiederholung bereits bekannter und genügend erörterter Dinge, Flachheiten, die nicht verdient haben, künftigen Tagen überliefert zu werden, und ähnliches. Manches aber ist recht gut geeignet, Zeit und Verhältnisse in dieser Beziehung zu charakterisieren, uns Aufklärung über die Anwendung des peinlichen Verfahrens, besonders der damit verbundenen Tortur zu geben. Einige Schriften dieser Art besitzen wir von dem Rechtsgelehrten Abraham Saur, und es dürfte geeignet sein, hieraus etliche Stellen anzuführen. Der Verfasser glaubt auch gut zu tun, nur die Titel dieser Werke in ihrer ursprünglichen Schreibart wiederzugeben, die angeführten Stellen jedoch unserer heutigen Rechtschreibung anzupassen, ohne jedoch an dem Wortlaut nennenswerte Änderungen vorzunehmen. Der Titel der ersten dieser Schriften lautet:

»Peinlicher Process Das ist: Gründtliche vnd rechte Vnderweysung Wie man in Peinlichen Sachen heutiges tages nach allgemeinen Geistlichen vnd Weltlichen Rechten, Auch nach etlichen besonder verordneten Gewohnheiten, Opinionen, Reichs vnd Landtsordnungen, etliche Mündtliche vnd Schrifftliche Producta, vnd Recess halten, stellen, schreiben vnd procediren sol ... Durch den Ehrnhafften, Wohlgelehrten, vnd Rechts erfahrnen M. Abraham Sawrn, Hessischen verordneten Procuratorem &c. beschrieben, vnd zum Vierdten mal Correct an Tag geben 1593.«

Als Muster von Nebenurteilen finden wir angeführt:

Beiurteil.

»In der fiskalischen Sachen wider N. N. von N. den Beklagten, erkennen die Schöpffen dieses fürstlichen Halsgerichts, dass Beklagter nach Gestalt der Sachen argwöhnig und verdächtig, und deswegen mit peinlicher Frage anzugreifen sei, in Massen sie den B. mit diesem ihrem Urteil zur peinlichen Fragen weisen und erkennen.

Actum 3. September Anno &c. 74.«

Ein anderes Beiurteil.

»In der peinlichen Rechtfertigung zwischen dem Fürstlichen Hessischen Fiskal als Ankläger an einem, und Hans N. von Nordenstett, Beklagten anderteils, erkennen die Schöpffen des peinlichen Halsgerichts auf die bis anhero gepflogene Gerichtshandlung und geführte Beweisung, dass er der B. mit peinlicher scharfer Fragen um Erkundigung der Wahrheit anzugreifen, und vermittelst derselben auf die Klage zu fragen sei, wie ihn dann Richter und Schöpffen dazu hiermit schuldig erkennen.

Pronunc. 9. die May, Anno &c. 72.«

Ein Anderes, de repetitione torturae.

»In peinlicher Sachen Fürstlichen Hessischen Fiskals Anklägers in einem, entgegen und wider N. N. den Beklagten am andern Teil, erkennen die Schöpffen dieses hohen peinlichen Gerichts auf alles Vorbringen, auch heut getanen Rechtssatz zu Recht, dass Beklagter, weil er seine vorige Verzicht revocirt, auch wankelmütige und unbeständige Rede von sich gibt, abermals zur Erkundigung der Wahrheit, mit scharfer, strenger Frage anzugreifen sei, wie dann ermelte Schöpffen tuen den B. abermals hiermit zu scharfer peinlicher Frage verdammen, von Rechtswegen.

Public. 19. May, Anno &c. 86.«

Als Generalia quaedam indicia werden angeführt:

»1. Als wenn einer begangener Missetat halber angeredet wird, und er mit seiner Rede in der Antwort erzittert, erbleicht und die Augen niederschlägt.

2. Item, wenn einer an gefährlichen Orten zu der Tat verdächtig gefunden und betreten wird.

3. Item, wenn die verdächtigte Person in der Nacht gleich dem Täter gesehen und geredet hätte.

4. Item, wenn die verdächtigte Person auf die beschädigte Person Drohworte geführt, dieselbe auch habe vollbringen können etc.

5. Item, wenn die verletzte Person jemand der Missetat selbst geziehen, darauf gestorben oder bei dem Eid beteuert hätte.

6. Item, wenn sich einer der Missetat gerühmt hätte.

7. Item, wenn einer der Tat bekenntlich gewesen und flugs wieder geleugnet hätte.

8. Item, wenn einer auf Aufforderung der Obrigkeit ungehorsam ist.

9. Item, wenn sich einer verbirgt und in die Flucht begiebt.

10. Item, wenn die Tat durch einen glaubwürdigen Zeugen bewiesen wird.

11. Item, wenn die verdächtigte oder besagte Person also argwöhnig sei, dass man sich der besagten Missetat wohl zu ihr versehen möge, so mag man dieselbe (wo dagegen nicht redliche Entschuldigung vorgewandt werden) gefänglich annehmen und peinlich fragen. Doch merke, dass dieser XI jetzt erzählten argwöhnigen Stücke, keins allein zur Tortur genügsam sei, wo ihrer nicht etliche zusammen concurriren, iuxta versiculum: Et si non prosunt singula, multa iuuant ...

Apud nos in Hassia talis observatus consuetudo: Wenn B. auf vorgehende redliche Anzeigung per sententiam iudicis wirklich ist ad torturam condemnirt worden, so unterstehen doch die Indices ante torturam im Beisein des Scharfrichters, den B. mit Drohung der Tortur erstlich gütlich zu fragen, ob vielleicht er also zu gewinnen wäre etc. und man der peinlichen Frage nicht bedürfe ... Wo er aber nicht wäre zu gewinnen, so wird er nach ausgesprochenem Beiurteil aufgezogen, peinlich verhört und seine Aussage wird auch damals beid gütlich und peinlich geschehen, eigentlich notirt und aufgeschrieben, in Verfassung des Urteils sich haben danach zu richten.«

Ferner erfahren wir: »Die peinliche Frage soll nach Gelegenheit des Argwohnes der Person viel, oft, oder wenig hart oder linder, nach Ermessen eines vernünftigen Richters gebraucht werden. Und soll die Aussage des Gefragten nicht angenommen oder aufgeschrieben werden, so er in der Marter, sondern soll seine Aussage tun, so er von der Marter gelassen wird. – Wenn der Gefangenen viel sind, so soll man an dem Jüngsten und Furchtsamsten anfangen. So man Vater und Sohn fragen soll, mag der Richter am Sohn anfangen und den Vater zusehen lassen, damit er desto besser bekenne. Item, ein Weib pflegt auch eher zu bekennen und kann so fest nicht halten als ein Mann. – Der Richter soll dem Gefangenen, welchen er peinlich fragen will, nicht vorsagen, ob er die Tat also, nämlich auf dem oder dem Weg etc. habe ausgerichtet, da solches mehr instruirt denn gefragt heisst, sondern soll in genere fragen, wie die Sache geschaffen, wie es zugegangen. Die peinliche Frage hat nicht allein in peinlichen; sondern auch etwan in bürgerlichen Fällen und Händeln, wo man die Wahrheit sonst nicht erkünden kann, statt und Platz, e Diuus & Lex libero. ff. De quaestion. Das ist, wenn einer um eine peinliche Sache bürgerlich beklagt und vorgenommen wird, doch in bürgerlichen Fällen anders nicht, denn so ein peinliches Verbrechen vorhanden ist, secund. Bald, in 1. Sicut, C. ad 1. Cor. de fals. Et in c. dilectus, ectr. De Appell. Et vide pract. forens. Hartm. aber Epp. tit. De poen. num. I lib. 2 fol. 381. Doch soll man sich aller Peinigung enthalten, bis Kläger sein Fürgeben beweist und darbringt. 1. 1 & 1. vnius facinoris § in ea causa, ff. De quaest. Et 1. 1 & 1. Milites, § oportet autem. ff. cod. &c.

Welche Personen nicht sollen torquirt werden: Erstlich werden die Minderjährigen ausgenommen, welche die Rechte nicht wollen peinlich gefragt haben, wenn sie unter vierzehn Jahren sind. Doch mag man sie wohl bedrohen, auch wohl mit Ruten bestreichen. Damhoud. in fin. suae pract. crim. inquit.: Ja, ich wollte, dass man diese Plage mit Ruten, als die dem Leib weniger Schaden tut und welche, ich weiss durch Erfahrenheit, dass sie gemeiniglich zu Bekenntnisse mehr als andere gütliche Peinigung ausgerichtet, vor andern Dingen versucht, so es von Nöten ist und man sonst die Wahrheit nicht erfahren kann.

Fürs andere werden alte abgelebte Leute bedacht und mit der peinlichen Frage verschont. Und heissen solche Alte decrepiti, die »auff der Gruben gehen« und des letzten Alters sind.

Zum dritten, die in hohen Ämtern sitzen, als die Landrichter, Ritter, Ratsherren, Schöppen und dergleichen und ihre Kinder. Doch werden diese in etlichen Fällen, als in crimen laesae Majestatis, und wenn sie Verräter sind des Vaterlandes etc. nicht verschont, sondern müssen auch herhalten.

Zum vierten soll man auch schwangere Weiber mit peinlichen Fragen verschonen, so lang, bis sie der Frucht entledigt werden.

Zum fünften soll man die peinliche Frage nicht vornehmen in notoriis et mani festis delictis. Et torqueri non debet, contra quem sunt plenae probationes. Sondern es mag der Richter ohne Solennitäten des Prozesses et sine Indicii strepito wider den Täter mit der Strafe fortfahren. Und der Sachs spricht: »Wen man in handhafter Tat ergreift, über den soll man also bald richten.«

Wie wenig dergleichen immerhin human zu nennende Regeln beachtet wurden, ist aus den überlieferten Akten und Berichten zur Genüge zu ersehen.

Der Titel eines anderen Werkes desselben Autors lautet:

Fascicolus de poenis, vulgo Straffbuch | Gründtliche vnd rechte Vnderweysung | wie heutiges | Tags nach allgemeynen beschriebenen Geistlichen vnnd Weltlichen Rechten | Reichs auch Lands Ordnungen | Statuten, Opinionen der Rechtsgelehrten | vnd wolhergebrachten Gewonheiten | etliche grobe eusserliche Sünde | Freuvel | vnd begangene Missethaten | Bürgerlich vnd Peinlich zu straffen | gepflogen werden. Allen vnd jeden | so an peinlichen Gerichten zu handeln haben | fast dienstlich | förderlich vnd behülfflich | Mit angehengten Allegationibus vnnd Rechtsgründen | Durch M. Abraham Sawr | jetzund zum sibenden mal | dabay es auch endlich bleiben sol | widerumb ersehen | gewehret | und mit schönen Figuren gezieret Eme Lege Judica. Mit Röm. Key. May. Freyheit auff zehen Jar nicht nach zu trucken | begnadet. Getruckt zu Frankfurt am Mayn | durch Nicolaum Basseum M.D.XC.«

Von den einleitenden lateinischen und deutschen Epigrammen und poetischen Episteln, die der Autor nach dem Brauch früherer Zeit seinem Werke voransetzt, können wir hier füglich absehen, ebenso von dem Hauptinhalt dieses »Straffbuchs«, so interessante kriminalistische Stellen es auch bietet. Dagegen gegen Schluss dieses Werkes »folget ein nützlicher Tractat von den scharpffen Fragen, wie darinn sich ein Richter halten sol, auff dass er jar in der Sach nicht zu viel oder zu wenig thue, etc. Auss den Doctoribus gezogen.« Die Vorrede schliesst: »Actum Marjury, den 1. Augusti Anno 1579.«

Der Verfasser stellt zwölf Fragen auf, die er in folgender Weise auch beantwortet:

»Zu der ersten Frage, wie der Anfang der scharfen Frage sein soll, und ob die ohne Vermutung geschehen mag, ist nach Ordnung der Rechten zu antworten: Auf dass ein Richter zu der scharfen Frage greifen mag, ist von Nöten, dass zweierlei vorhanden sei: Zu dem ersten, dass die Wahrheit der Tat, darum einer befragt wird, sonst ohne Bezwang des Leibes durch Beweisung oder andere Wege nicht möge an Tag geführt werden. Denn die scharfen Fragen sind allein zu einer Hilfe und Steuer in Mangel der Wahrheit erfunden, und darum, wo die durch andere Wege mögen erkundet werden, hat diese Frage kein statt. Zu dem andern, auf dass ein Richter zu der scharfen Frage greifen mag, ist von Nöten, dass vor dieser Tat, darum der Gefangene soll gefragt werden, genügsame Anzeigungen und Vermutungen wider ihn gehen, die den Richter zu der Frage Ursachen mögen. Denn das Recht ordnet, dass kein Richter einen zu der scharfen Frage ziehen mag, es ziehen ihn denn die Vermutung dazu. Ita dicit Cyn. in 1. fin. in i Colum. C. de quaest. Hieraus folgt, dass sich ein Richter wohl vorsehe, dass er keinen peinigen lasse, wo die Tat beweislich ist, oder wo genügsame Vermutungen nicht vorhanden sind, denn sonst wird er straflich, wie hier unten in der letzten Frage zu sehen steht.

Zu der anderen Frage, was und wie viel Vermutungen sich zu der scharfen Frage gebührt und wie die geschickt sein sollen zu antworten: Die Rechte und Doctores sagen, dass zweierlei Vermutungen sind. Einesteils sind sie gewiss und unzweifelhaftig, andernteils ungewiss und zweifelhaftig. Von den ersten Vermutungen zu sagen, als den ungezweifelten und gewissen, die derselben also genannt werden. Nachdem die Rechte bewähren und approbiren, die da wollen, dass durch diese Vermutung nicht allein ein Richter mag zu dieser scharfen Frage greifen, sondern auch den Beklagten dadurch endlich verurteilen, das dann mehr ist. Also saget Bald, in 1. final. Cod. de probation. Et ita refert Thom. de Papari, in suo tractat. de fama. Gand. in suo tractat malefic. Et Paris. de Puteo, in suo tractat. de synd. in 32 colum ...

Zu der dritten Frage, wie die scharfe Frage geschehen und der Richter für eine Ordnung darin halten soll, wenn er ihrer viel zu fragen hat: Hierauf ist zu antworten, dass die scharfe Frage soll geschehen mit Mass und Vernunft. Welche Mass und Vernunft ein jeglicher Richter bei dreien Dingen und Sachen halten und betrachten soll. Erstlich soll ein jeder Richter bedenken, ob die Sache, darum gefragt werden soll, gross oder klein ist, denn die Frage wird härter in einer peinlichen grossen, schweren Sache, als in einer kleinen, leichten. Und schwerer wird gefragt vom Todschlag, als von Dieberei, und schwerer in der Lästerung kaiserlicher Majestät, als in einem Falsch, und schwerer wider einen Räuber, als wider einen Dieb etc. Zum andern soll in der scharfen Frage der Richter ansehen die Eigenschaft der Person, die gefragt werden soll. Denn härter zu fragen sind die eigen Knechte und harte Leute, als die, die freien und subtilen Leibes sind. Und härter ist zu fragen eine schnöde Person, als ein ehrlicher Mann. Und das wird mit Recht eine leichtfertige Person genannt, die eine merkliche Übertretung und Missetat vollbracht hat. Zum dritten soll ein Richter in der scharfen Frage auf die Schärfe an ihr selbst Achtung haben. Also wo er merkt, dass eine geringe, kleine Frage genug ist, soll er der schwinden und harten nicht gebrauchen. Denn als das Recht sagt, dass eine kleine Frage sei keine Frage, also ist auch ein klein Fieber kein Fieber. Also dass ein Richter bei den Fragen ein subtiles und fleissiges Aufsehen haben soll, und also auch einen Unmündigen ehe nur mit einer Rute stäupen, denn dass er die Schärfe an ihm gebrauchen lasse, und wird also in des Richters Erkenntnis die Mässigung der scharfen Frage gänzlich gesagt.

Aber auf dem andern Punkt dieser Fragen, was für eine Ordnung der Richter halten soll, wenn ihrer zu viel zu fragen sind, an welchem er anheben soll etc. Darauf ist zu antworten: wenn ein Richter viel Übertreter in einer Misshandlung sitzen hat, soll der Richter an dem Übertreter am ersten mit der Frage anfangen, von welchem er sich vermutet, am ersten die Wahrheit zu erkunden. Hat aber der Richter diese Vermutung nicht, und weiss von ihrer einen nicht mehr als vom andern die Wahrheit zu erfahren, so soll er am ersten den Anfang machen an dem, der in der Übertretung am grössten verdächtig ist. Wo aber die Gefangenen einer nicht mehr noch weniger als der andere dem Richter verdächtig, so soll er anheben bei dem Schwächsten. Und so Vater und Sohn zugleich sitzen, soll er am Sohn anheben, in Gegenwart des Vaters, der da mehr für den Sohn fürchtet, als für sich selbst. Wo Mann und Weibsbild zugleich sitzen, soll ein Richter erstlich am Weib lassen anfangen. Das Weib ist schwächer zu tragen die Schärfe als der Mann.

Und wiewohl zu Zeiten Weiber gefunden werden, stärkerer Natur als die Männer, zur Zeit, da Nero regierte, ist ein Weib, Epiteris genannt, gewesen, die hat der Richter mit keiner Marter überwinden können. Aber dies geschieht selten, und die Rechte appliciren sich auf die Fälle, die gemeiniglich und nicht selten geschehen. Und bei der Auflegung der scharfen Frage sagt Baldus in einem Ratschlag, den er über diesen Fall die Zeit einem Herzog von Mailand gemacht hat, dass es gut und nützlich wäre, so der Richter ein Arzt auch wäre, oder Ärzte bei sich hätte, die der Leute Complexion erkennen, damit der Richter wüsste, wenn er hart oder lind fragen lassen sollte.

Zu der vierten Frage, ob der Richter die scharfe Frage möge erneuern lassen, also, wo er einen hat gefragt, der da nicht bekennet, ob er ihn um dieser Tat willen von neuem möge fragen lassen: hierzu ist zu antworten, dass die Doctores halten, so einer einmal genugsam gefragt wurde, soll er ohne neue Vermutung und Anzeige nicht weiter gefragt werden.

Das ist zu merken wider die ernste Richter, die täglich peinigen und die Fragen erneuern und haben dazu keine neue Indicien noch Vermutungen. Also sagt Ang. in suo tractat. de malefic. vers. Tertio quaero. Denn um jegliche scharfe Frage, die ein Richter aus Betrug und ohne Ursach vornimmt, hat er sein Haupt verloren. Also saget Bald. in 1. decuriones Cod. de quaestion. und ermahnt einen jeden Richter, hierin vorsichtig zu sein.

Und wiewohl etliche Lehrer sagen, dass die Richter solches in Ordnung nicht halten, sondern sie pflegen die Fragen nach ihrem Gefallen zu erneuern. Dawider sagt Angelus an der Genannten statt: dass die Richter übel daran tun und mögen der Strafe hierin nicht entgehen. Und vermahnt einen jeden Richter, dass er ja sorgfältig sei und die Frage ohne neue Vermutung nicht vornehme. Welches aber in diesem Falle eine Vermutung genannt wird, sagen die, die mit den ersten Vermutungen, auf welchen der Richter gefragt, nicht übereinkommen, sondern von denselben ganz gesondert sind. Also wo einer auf einen Todschlag, den er sollte begangen haben, darum befragt und der Richter hätte dazu die Vermutung gehabt, dass der diese Zeit des Mordes im Hause entgegen gewesen, oder dass wider ihn ein Gerücht gegangen, dass er den Mord sollte getan haben, dass dann der Übeltäter auf diese Vermutung in der Frage nichts bekannt, weshalb der Richter mit der Frage abgelassen, und hernach dem Richter dieses Todschlags halben neue Vermutungen kommen, also dass er Feindschaft mit dem Ermordeten gehabt und sei mit einer mörderlichen Wehre gesehen worden, welche Vermutung mit dem ersten nicht übereinkommen, und möchte also ein Richter aus Kraft dieser neuen Vermutung von neuem um den Todschlag fragen, secundam Ang. ind. vers. Tertio quaero.

Und auf den Fall, wo ein Richter einen um Missetat auf etliche Vermutung genugsam befragt, der nichts bekannt und ihn der Richter nicht weiter fragen darf, nachdem er neue Vermutung nicht hat, lässt aber den im Gefängnis liegen, giebt ihm weder Essen noch Trinken und will ihn also verderben, ob das nicht für eine Marter und scharfe Frage erachtet werde. Also wo er etwa darin bekennt, dass es ihn möchte schaden: Dazu sagen die D. D., dass ihn solches Bekenntnis nicht schädigt, es sei denn, dass er darinn verharret nach der Quälung des Hungers und Durstes. Und tun übel diese Richter, die den Gefangenen gesalzenes Fleisch zu essen und dabei nichts zu trinken geben, denn damit peinigen sie den Beklagten und wird nicht anders erachtet, als ob sie von neuem und ohne Vermutung die Frage erneuerten. Und sind also dieselben Richter verpflichtet und sollen gestraft werden. Also sagt Ange. in suo tract. de malefic. ver. Quaero quod si. Dies ist zu vernehmen von der Erneuerung der scharfen Frage, wenn einer allzeit vor und nach der Frage Nein sagt.

Aber wenn einer in der Frage sich zu der Übertretung bekennt und nach der Frage Nein sagt, er habe das in der Marter bekennen müssen – ob in diesem Fall die scharfe Frage zu erneuern: Hierauf ist zu antworten, dass ein Richter in diesem Fall mag die Frage erneuern, denn das Bekenntnis, das in der Marter geschieht, giebt eine Vermutung, die eine halbe Beweisung wider den, der da bekennt, welche halbe Beweisung genugsam ist zu einer scharfen Frage, und mag also wieder aufs Neue befragt werden. Also sagt Bald, in 1. bonae fidei. C. de iudicur. Es wäre denn, dass Beklagter in seinem Bekenntnis geirrt hatte und diesen Irrtum bewiese, dann sollte er von neuem ohne neue Vermutung nicht gefragt werden. Und wenn er diesen Irrtum nicht bewiese und würde also aus Kraft des ersten Bekenntnisses abermals gefragt, und er abermals nach der Marter Nein sagte, er hätte es in der Marter bekennen müssen, dann halten etliche, dass ihn der Richter zum Dritten mal ohne andere neue Vermutung nicht soll fragen, secundum de Paris. an suo tract. de synd. in 36,3 Col. in fin.

Und soll also der Beklagte mit Gelübden oder Bürgen losgegeben werden, als ob die Vermutung, worauf er befragt würde, aufgehoben und purificirt worden, oder soll von der Übertretung an ihr selbst durch ein Erkenntnis nicht losgegeben werden, denn es müsste sich mit der Zeit begeben, dass neue Vermutungen vorkämen, derenthalben er von neuem möchte befragt werden, prout. not. per Sal. in 1. si quis adulterij. Cod. de adult.

Zu der fünften Frage, ob ein Richter in einer Frage, zu der er Vermutung gehabt, mag nach anderen Übertretungen auch fragen, wozu er keine Vermutung hat? Hiezu sagen die Doctores und sonderlich Albert, de Gand. in suo tractat. de malefic. in versicu. Sed quid de quaestione, dass dieser Fall täglich vorkomme, dass einer aus Vermutung wird befragt und in der Marter die Übertretung der Dieberei oder anderes bekennt, und würde doch um andere Dieberei und Übertretung, die sich begeben auch gefragt, dazu der Richter keine Vermutung wider diesen hat, das soll nach Bewährung des genannten und anderer Lehrer nicht geschehen. Denn wie oben angezeigt ist, soll der Richter ohne Vermutung zu der scharfen Frage nicht greifen, denn sonst wäre er sträflich. Und darum schliesst der genannte Doktor, dass nach Ordnung der Rechten einem Richter nicht gezieme, den Gefangenen in der Marter um andere Übertretungen, wozu er nicht genügsame Vermutung hat, dass er diese auch sollte begangen haben, zu fragen, dass solches in der Übung anders gehalten werde, und sonderlich in der Übertretung der Dieberei, die mehr als andere Missetaten geübt wird, welche Gewohnheit möge etlichermassen in Rechten als in 1. omnes § a barbaris. ff. de re militari eine Entschuldigung haben.«

Ferner wird bemerkt, dass auch die Frage, ob gegen den die Tortur zur Anwendung gelangen darf, der von einem Torturierten beschuldigt wurde, dass solches nicht zu geschehen hätte, auch wenn der nunmehr Beschuldigte von übelm Lebenswandel oder sonstwie im bösen Gerücht wäre. Allerdings folgt dann noch, es wäre denn, dass noch andere Vermutung vorhanden wäre, die die Beschuldigung ergänzte. Es wird überhaupt der Rat gegeben, bei der Folterung nicht nach Mitschuldigen zu fragen, ausgenommen in einigen Fällen, wie Strassenraub, im Auftrag andrer verübte Misshandlung u. dergl. Zu der sechsten Frage, ob ein Richter alle Personen befragen lassen dürfe, werden die bereits erwähnten Ausnahmen angeführt.

»Zum siebenten, ob das Bekenntnis, das einer in der scharfen Frage tut, genugsam sei zu urteilen, dass darauf ein Richter urteilen möge? Hierzu ist zu antworten: dass das Bekenntnis, das in der scharfen Frage geschieht, wird in allem verglichen mit dem Bekenntnis, das da aus Furcht der scharfen Frage geschieht. Also wo der, der da gefragt werden soll, würde an die Leiter geführt und seine Hände auf den Rücken gebunden, und der Richter sagt es ihm, es sei denn, dass du bekennest, will ich von Stunde an den Scharfrichter über dich lassen. So einer in dieser Weise oder anderen, die der scharfen Frage nahe ist, befragt wurde und er also etwas bekennet, wäre solches Bekenntnis aus Furcht vor Pein geschehen und vergleichet sich mit dem Bekenntnis der scharfen Frage ...

»Zum achten, was für ein Recht und Wirkung das Bekenntnis der scharfen Frage hat und ob es andere beschädige? Hierauf ist zu antworten: wo einer sich zu einer Missetat bekennt, die da peinlich ist, tut er solches Bekenntnis ausserhalb der scharfen Frage oder Furcht vor dieser, soll er aus Kraft solchen Bekenntnisses von dem Richter nicht bald verurteilt werden. Sondern der Richter soll ihn nach einigen Tagen von Neuem fragen, ob er noch bei seinem Bekenntnis bleiben will und wenn er Ja sagt, so wäre solches Bekenntnis genugsam zum Urteil. Ita dicit Albert, de Gand. in suo tractat. de malefic. in titul. de quaestion. in vers. de vno restat.

Und darum sagen etliche, dass das Bekenntnis ausserhalb der Marter in peinlichen Sachen unterschiedlich mit dem, das da geschieht in bürgerlichen Sachen, da es bald angenommen und darüber geurteilt wird. Und wiewohl der benannte Doktor an der genannten statt mehr diesen Weg hält, wo einer in peinlichen Sachen ausserhalb der scharfen Frage bekennt, dass er ohne weitere Frage möge verurteilt werden. Dennoch ist dem Richter nicht unbequem den ersten Weg zu halten, weil der der sicherste ist. Aber so einer in der scharfen Frage oder aus Furcht davor in peinlichen Sachen bekennt, dem würde solch Bekenntnis wo stund zu dem Urteil nicht genugsam, der Beklagte bliebe denn in solchem Bekenntnis beharren. Davon ist in der nächsten Frage hieroben gesagt. Ob aber solches Bekenntnis auch andere möge schädigen? Oben in der fünften Frage wird von dem Bekenntnis gesagt, das da geschieht aus der Frage, die ein Richter nicht hätte stellen sollen, allhie von dem wozu der Richter Vermutung gehabt. Hierzu ist zu sagen: So einer nicht um ein Tun, dass er selbst soll begangen haben, auch sonst von seinen Gesellen, sondern sonst von andern befragt würde, wo nun bei diesem Bekenntnis andere Vermutungen sind, so mag der Richter den, auf den bekannt ist, fragen lassen. Denn das endliche Bekenntnis ohne andere Vermutung ist nicht genug zu der Frage. Wenn aber einer um sein Eigentum und Misshandlung, wovon er wissen müsste, befragt würde, der soll über anderes, besonders über seine Mithelfer nicht befragt werden. Denn so das also mit der Tat geschähe, oder auf einen andern nicht befraget würde, und gleichwohl auf einen andern bekennet, dann hätte dieses Bekenntnis nicht auf ihm, ausgeschlossen in etlichen Fällen, wovon hier oben in der fünften Frag gesagt ist, secundum Alb. de Gend d. tit. de quaestion. in vers. Nunc autem restat formare.«

Frage neun erörtert, in welchen Sachen ein Richter peinlich fragen darf. Es werden die bereits bekannten Ausnahmen und Zulässigkeiten angeführt. Merkwürdig ist die Erörterung »ob diese Frage auch zu einer Peen und nicht allein zur Erforschung der Wahrheit geschehen mag? Dass, wiewohl die scharfe Frage am meisten um Erforschung der Wahrheit erfunden ist: Doch dennoch dieselbe auch zu einer Peen geschehen mag. Also wo dem Richter die Übertretung offenbar ist, lässt er den Übertreter darum an einer Leiter oder sonst bei den Corden aufziehen. Von solcher Peen sagt der Text L. I Cod. de munerariis et actuariis, lib. 12 et ibidem Bald.

Zum Zehnten, ob auch einem Richter zieme besondere Erforschung und Experiment bei dem B. oder Befragten zu haben, so auch zu fürchten sei, dass der Tod daraus erfolgen möchte? Hierauf ist zu antworten: Wo ein Richter wider den Übertreter genugsam Erforschung hat des Todes, ob er nun mit ihm eine weitere Erforschung in derselben Übertretung wider andre haben will und derselbe, der sonst des Todes schuldig, ehe er rechtlich verurteilt wird, stirbt, ist der Richter des ohne Wandel. Also wo der Richter bei dem Befragten findet, dass er des Todes würdig, der in fernerer Frage auf etliche tapfere Leute bekennet, und doch der Richter nicht gewiss ist. Auf dass er auf die Wahrheit käme lässt er den Befragten zum Schein zu Tod verurteilen und an das Gericht führen und fragt ihn ob er, da er nun sterben muss, die rechte Wahrheit sagen wolle? Wo nun der B. aus Furcht des Todes stürbe, als zu Zeiten erfahren wird, ob er gleich zum Tod rechtlich nicht verurteilt, sondern nur, dass er in letzten Nöten die lautere Wahrheit sage, wäre darum ein Richter nicht zu strafen. Also saget dom. Pari., de Puteo in capitul. sequent. mod. in versicu i ...

Zum elften, ob ein Richter auf Bewilligung des B. ihn möge fragen lassen, dieweil der bewilligt dem Kläger erstlich und ihn darnach zu fragen? Hier ist zu antworten, dass diese Frage darauf steht, ob einer kann durch Pakt oder Kontrakt sich verpflichten er möge scharf befragt werden. Die gloss. in I. interdum. § contra furem. ff. de fur. sagt, dass sich einer mag einem andern so hoch verpflichten, dass er zur Erforschung der Wahrheit peinlich gefragt werde Aber die Doctores und besonders Bartol an der bemerkten Stelle, sprechen dawider. Denn die Gewalt und Macht der scharfen Frage fliesst aus den obersten und höchsten Gerichtszwang, welche Gewalt die Verpflichtung sonderlichen Person nicht gebieten und binden mag. Und darum ist solcher Pakt und solche Vereinigung kraftlos und bindet nicht den, der sich dazu verpflichtet. Also sagt auch Paris. de Puteo, in C. Quaero de unrationali quaestion, versi. i. Und darum mag sich der Teil, der sich zu der scharfen Frage verpflichtet, wider diese Frage mit Recht schützen.

Also auch aus diesem Grund mag sich niemand zum Tod oder zur Verletzung seiner Glieder verpflichten, denn niemand ist Herr seiner Glieder. Also dergleichen mag sich niemand mit Willen verbinden zu einer verletzlichen Pein des Leibes. Denn die Auferlegung der Pein ist nicht in der Macht des Parts, sondern des Rechts. Vide in Authen. in medio litis non fit sacra iussio, collat. 8. Und darum weil diese Bewilligung dem Richter nicht die Macht giebt den Part zu fragen, wo sonst nicht Vermutung zu der Frage genügend vorhanden ist, so kann er auch den Part darauf nicht fragen. Also sagt genannter Doktor an bemerkter Stelle.«

Die zwölfte und letzte Frage beschäftigt sich mit den Strafen, die den Richter treffen, der ohne Ursache oder zu hart fragen lässt.« Die Beantwortung entspricht den in der Carolina, Artikel 61 und 99, gegebenen Vorschriften.

Wie aus all diesen klugen und geklügelten Vorschriften zu ersehen ist, war der richterlichen Willkür genügender Spielraum gelassen. Trotzdem aber wurden die meisten dieser und anderer dem Gesetze entsprechenden Regeln nur gehalten, wenn es der Richter just für gut fand.


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