Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Würzburger Hexenprozesse. – Balthasar Nuss. – Torturprotokoll aus Seligenstadt. – Köln. – Kurbrandenburg. – Tirol. – Dr. Volpert Mozel. – Baiern. – Rechtsgutachten der Mainzer Fakultät. – Torturprotokoll aus Marburg. – Torturprotokoll aus Tambach. – Johann Benedikt Leo. – Die Sachsen-Ursel. – Deservitenrechnung eines Scharfrichters. – Christine von Schweden. Professor Johann Brunnemann. – Schweiz. – Bern.
Kehren wir wieder zu den Prozessen zurück, die wider Personen, welche der Zauberei und der Hexerei beschuldigt, geführt wurden und durch Anwendung der scharfen Frage zumeist auch zu einem den Anklägern beliebigen Geständnis gebracht wurden. Von dem Wüten in den geistlichen und weltlichen Fürstentümern Deutschlands ist manches bereits dargelegt worden, und was im siebzehnten Jahrhundert noch folgte, der Zeit, in der der Hexenwahn seinen Siedepunkt erreicht, ist noch betrübender und schmählicher. Besonders arg ging es im Bistum Würzburg unter dem Bischof Philipp Adolf von Ehrenberg (1623-1631) zu, der selbst über einen ihm verwandten Knaben, Ernst von Ehrenberg, das Todesurteil wegen Teufelsbündelei aussprach, und dem erst die Augen aufgingen, als einige Beschuldigte unter der Folter ihn selbst und seinen Kanzler als Mitschuldige nannten. Die Totenfeier, die er nun zum Gedächtnis der vielen unschuldig Getöteten anordnete, konnte freilich an den Tatsachen nichts mehr ändern.
Im Fürtentum Fulda wurde vom Fürstabten Balthasar von Derebach einer seiner Diener, Balthasar Nuss, allgemein Balzer Noss genannt, 1603 zum Zentgrafen und Malefizmeister ernannt, der in der unerhörtesten Weise wütete und in drei Jahren etwa zweihundertundfünfzig Personen grausam foltern und hinrichten liess, sodass selbst die ihm beigeordneten Schöffen sein Vorgehen für unmenschlich erachteten und ihre Mitwirkung versagten. In einem Mandat des Reichskammergerichts vom 27. Juli 1603 wurde auch sein und der Schöffen Vorgehen scharf getadelt und mit Strafe bedroht. Es heisst da, nachdem von einer Frau bemerkt wird, dass ihre Lebensführung musterhaft war: »Das alles hintangesetzt habt Ihr, Zentgraf, Schöffen und Richter, sie ohne einigen Grund für eine Hexe unter dem Vorwand erklärt, weil drei derselben Untat beschuldigte Weiber sie dafür angesehen haben sollen; und ohne fernere Erkundigung habt Ihr sie gewalttätig angegriffen, in ein abscheuliches Gefängnis, in einen Hundestall am Backhause des Fuldaer Schlosses, einsperren, in grausamer Weise an Händen und Füssen fesseln lassen, und sie genötigt, durch ein niedriges Loch auf allen Vieren wie ein Hund zu kriechen, worin sie dann gekrümmt und gebückt, elendiglich hockend, sich weder regen, bewegen, aufrecht stehen, noch des leidigen Ungeziefers erwehren kann. – Obwohl nun ausser dem Zeugnisse der drei heillosen Weiber nicht die geringste Indicia der Zauberei gegen sie vorliegen, und deswegen ihr Ehewirt ihre Unschuld in Rechten darzutun, auch eine Kaution zu stellen sich erboten und um Erleichterung der Haft dieser ehrbaren, vermutlich schwangeren Person, und um Zeit zur Defension gebeten, so habt Ihr ihm diese Bitte nicht gewährt, und die Klägerin hat hienach nichts Gewisseres zu erwarten, als dass Ihr zur unerträglichen Tortur forteilen und ihr demnächst einen schmählichen Tod unzweifelhaft antun werdet.« Das Kammergericht wies daher an, »bei Pön von zehn Mark lötigen Geldes sofort der Klägerin ein mildes, leidliches Gefängnis zu geben, ohne erhebliche, in Rechten zugelassene Indizien sie nicht zu torquieren und den zu ihrer Defension und Verantwortung erforderlichen Zutritt zu gestatten. Auch habe sich das Gericht über die zur Klage gebrachten Nullitäten zu verantworten.« Ob dieses immerhin lobenswerte Mandat des Kammergerichts Erfolg hatte, wird nicht gemeldet. Malefizmeister Nuss pflegte in der Regel kurzen Prozess zu machen und schon wenige Tage nach Verhaftung und Tortur den Scheiterhaufen auflohen zu lassen. Gewöhnlich soll er auch, wenn er ein »Geständnis« heraustorquiert hatte, der Gemarterten noch zugerufen haben: »Besinne Dich, ob in der und der Gasse nicht noch etliche wohnen, die Zauberei treiben. Zeige mir sie an und schone sie nicht. Andere haben Dich auch nicht geschont. Die Reichen tanzen so gern wie die Armen!« und dgl. mehr. Er hatte zu dieser Aufmunterung, und besonders zu dem Hinweis auf die Reichen, seinen triftigen Grund, denn die Hexenprozesse waren für ihn unter allen Umständen eine ergiebige Geldquelle und brachten ihm in den drei Jahren seines unheilvollen Wirkens die für damalige Zeit riesige Summe von 5393 Gulden ein. Nach dem Tode seines Gönners liefen bei dessen Nachfolger, dem Fürstabt Johann Friedrich von Schwalbach, die Klagen über Nuss' Erpressungen und sonstige Missbräuche so zahlreich ein, dass dieser ihn verhaften und anklagen liess. Dieser Prozess währte nicht weniger als dreizehn Jahre und endete 1618 mit der Enthauptung des Angeklagten.
Ähnliche Zustände finden wir auch in den andern geistlichen Fürstentümern, zu Münster, Mainz u. s. w., wobei mittelst der Tortur die tollsten Selbstbeschuldigungen und auch Beschuldigungen anderer herausgepresst wurden. Kam es doch nicht selten vor, dass die Beschuldigten angaben, Kinder oder Vieh ihrer Nachbarsleute mittelst Hexerei getötet oder krank gemacht zu haben, was geglaubt wurde und zu Verurteilungen führte, trotzdem es sich bei den Nachforschungen ergab, dass sich bei den Bezeichneten nicht der geringste Unfall eingestellt habe.
Ein Bild von der Anwendung der Tortur in jenen Tagen finden wir auch in einem Torturprotokoll vom 2. Oktober 1627 aus Seligenstadt: »Weil dieselbe nicht gestehen wollte, sondern auf dem Leugnen halsstarrig bestand, als ist sie auf dem einen Schenkel mit dem Krebs beschraubt worden. Sie hat aber immerdar gerufen, es geschehe ihr Unrecht etc. und sich erzeigt, gleichsam sie einigen Schmerz nicht empfinde. Und ob der Meister auf ein Holz schraubte, auch mit aufgesperrtem Mund in einen Schlaf geraten. Und als man ihr Weihwasser in den Mund geschüttet, hat sie dasselbe jedesmal wieder ausgespieen und abscheuliche Gebärden von sich gegeben. Derentwegen, nachdem sie wieder zu sich selbst gekommen, dieselbige ausgezogen, geschoren, mit dem Folterhemd angelegt und auf dem andern Hemd auch beschraubet worden, wobei sie sich mit Entschuldigungen, Rufen, Schreien, Schlafen wieder wie zuvor gebärdet, auch das Weihwasser abermals ausgespieen. Auf welche beharrliche Halsstarrigkeit und Verleugnen sie ungefähr ein zwei Vaterunser lang aufgezogen, und mit ihr ein grosser Stein an beide grosse Zehen gehängt worden. Sie hat aber wie zuvor einig empfindliches Zeichen nicht von sich gegeben, sondern gleichsam sie tot wäre sich gestellt, derhalben man sie herabgelassen und zur vorigen Custodia, nachdem sie sich wieder erholt, hinführen lassen.«
Arg gewütet wurde auch in der Erzdiözese Köln. In einem Schreiben des Pfarrers Düren zu Alfter an den Grafen Werner von Salm wird berichtet: »Solche sind aber mehrerteils Hexenmeister dieser Art. Es geht gewiss die halbe Stadt darauf. Denn allhier sind schon Professores, Candidati juris, Pastores Canonici und Vicarii, Religiosi eingelegt und verbrannt. Ihre Fürstliche Gnaden haben siebzig Alumnos (des Priesterseminars), welche folgends Pastores werden sollten, von welchen quidam insignis musicus, gestern eingelegt; zwei andere hat man aufgesucht, sind aber ausgerissen. Der Kanzler sammt der Kanzlerin und des geheimen Secretarii Hausfrau sind schon fort und gerichtet. Am Abend unserer lieben Frauen (7. September) ist eine Tochter allhier, so den Namen gehabt, dass sie die schönste und züchtigste gewesen von der ganzen Stadt, von neunzehn Jahren, hingerichtet, welche von dem Bischofe selbst von Kind an auferzogen. Einen Domherrn mit Namen Rotenhahn habe ich sehen enthaupten und folgends verbrennen sehen. Kinder von drei bis vier Jahren haben ihren Buhlen (d. h. Buhlteufel), Studenten und Edelknaben von neun, zehn, von elf, zwölf, dreizehn, vierzehn Jahren sind hier verbrannt. Summa, es ist ein solcher Jammer, dass man nicht weiss, mit was Leuten man conversiren und umgehen soll.«
So beklagenswert auch diese Zustände waren, aus deren Einzelheiten sowie auch noch aus so manchen andern Tatsachen ergiebt sich der Beweis, dass die von mancher Seite erhobene Behauptung, die Hexenverfolgungen in den katholischen Stiften seien damals einzig nur aus dem Bestreben hervorgegangen, das reformatorische Bekenntnis auszurotten, wenigstens nicht völlig auf Wahrheit beruht, mag auch manche böse Nebenabsicht dabei im Spiel gewesen sein. So z. B. wurde 1627 eine junge schöne Dame, Katharina von Henoth, die das Hauswesen ihres Bruders, der Probst und Domherr war, leitete, von einer hysterischen Nonne als Hexe bezeichnet und demgemäss ins Gefängnis geworfen. Bald wurden die schlimmsten Beschuldigungen gegen sie laut und auch geglaubt. Zwei Pfarrer, die an einer sehr »unkirchlichen« Krankheit litten, mit der Beschuldigten übrigens nie im Verkehr gestanden hatten, behaupteten, durch eine Hexe zu diesem Leiden an den geheimsten Stellen ihres Körpers gekommen zu sein, und diese Hexe keine andere als die Beschuldigte sein könnte. Sie wurde dreimal durch alle Grade hindurch gefoltert, dass, wie der technische Ausdruck jener Zeit lautete, die »Sonne sie durchscheinen konnte«, ohne jedoch zu gestehen. Nichtsdestoweniger wurde sie zum Feuertode verurteilt. Übrigens muss gesagt werden, dass es auch Kirchenfürsten gab, die diesem entsetzlichen Wüten abgeneigt waren und es zu verhindern oder doch zu mässigen strebten.
Was die weltlichen Fürstentümer Deutschlands aus jener Zeit betrifft, so berichtet Soldan (II, 89): »In Kurbrandenburg sehen wir die Hexenverfolgung bis zur Regierung des grossen Kurfürsten ihren ungestörten Fortgang nehmen. Unter diesem staatsklugen Fürsten tritt jedoch eine Wendung zum Bessern ein. Allerdings dauerten die Prozesse noch immer fort. Aufsehen machte hier namentlich ein Prozess, der drei Jahre lang gegen ein 1662 im Dorfe Jagow in der Uckermark verhaftetes Weib geführt wurde. Die ganze uckermärkische Ritterschaft hatte auf den Prozess gedrungen. Endlich erkannte der brandenburgische Schöffenstuhl auf Tortur. Das Weib überstand jedoch dieselbe, ohne sich ein Geständnis abmartern zu lassen. Daher urteilte ein weiteres Erkenntnis des Schöffenstuhls, bei der Tortur müsse ihr der Teufel Hilfe geleistet haben. Und da sich inzwischen in Jagow allerlei seltsame Dinge zugetragen hatten, so erging ein Endurteil der Juristenfakultät zu Frankfurt auf Landesverweisung, welches der Kurfürst bestätigte. Das Weib musste Urphede schwören und wurde dann durch den Nachrichter unter Zuziehung des uckermärkischen Hof- und Landrichters des Landes verwiesen. – Seitdem endeten die Hexenprozesse gewöhnlich mit Verweisung in das Spinnhaus oder mit Verbannung aus dem Lande. Doch hatte der einsichtsvolle Monarch viel mit den Vorurteilen seiner Patrimonialgerichtsherren zu kämpfen, welche noch immer der Hexerei durch Verbrennung der Hexen ein Ende machen zu müssen glaubten. Daher sah er sich zum öfteren genötigt, gegen deren Verfahren Untersuchung einzuleiten oder die Urteile der Gerichte zu kassieren.« Bemerkt sei hierzu, dass diese Milderung der Urteile nur im geringen Grade auch mit einer Milderung in der Anwendung der Folter verbunden war.
Denselben Fanatismus in der Hexenverfolgung finden wir auch in allen andern Ländern Deutschlands und nur selten gemildert durch die Einsicht der Höherstehenden oder Höchststehenden. Der Glaube an dergleichen Prozeduren, an Zauberwesen und Teufelsbündelei hatte so tiefe Wurzeln geschlagen, dass er nicht nur in der Anschauung des Volkes, bis zu den höchsten Gesellschaftsschichten hinauf, unausrodbar festsass, dass sogar selbst die Beschuldigten – auch in Wirklichkeit und nicht nur, um der Folter zu entgehen – schliesslich oft überzeugt zu sein schienen, die wider sie erhobenen Anklagen wären nicht völlig aus der Luft gegriffen, und sie hätten sich tatsächlich mit dem Teufel verbunden.
»In ›Tirol‹ berichtet Soldan (II, 92), »fasste die Regierung zu Innsbruck im Anfang des Septembers 1637 den Entschluss, gegen das Hexenwesen ernstlicher einzuschreiten. Indessen war man sich über die Gesichtspunkte, von denen man dabei auszugehen, und über die Grundsätze, nach denen man zu verfahren habe, nicht recht klar, weshalb die Innsbrucker Regierung damals den erzfürstlichen Vormundschaftsrat und Kammerprokurator zu Innsbruck, Dr. Volpert Mozel, aufforderte, ein Gutachten über das Zauberwesen und über die Frage zu verfassen, wie es mit Constituierung der in Kriminal- und Hexereisachen gefangenen Personen und ihrer Complices gehalten werden solle. Infolgedessen arbeitete Mozel seine neun Abschnitte umfassende Schrift ›Instruktion und Conclusiones, mit was Umbständen die Hexen-Persohnen konstituiert werden khinnen,‹ aus. Dieselbe bewegt sich allerdings ganz und gar auf dem Boden des Hexenhammers, enthält aber dabei doch mancherlei, wodurch sie sich von der bei den meisten Gerichten üblichen Praxis und von den Anschauungen vieler Rechtslehrer zu ihrem Vorteil unterscheidet. Mozel will z. B., dass der Untersuchungsrichter es nie versuchen soll, die Angeklagten mit Vertröstung einer Begnadigung zum Geständnis zu bringen. Haben Inquisiten die Tortur überstanden ohne ein Geständnis abzulegen, so sind sie freizugeben. Die Tortur soll nicht zu lange, wenigstens nicht leicht eine Stunde lang dauern, und niemand soll öfters als dreimal gemartert werden. Ferner soll der Untersuchungsrichter nur die nach der Marter, nicht aber die auf der Folter gemachten Aussagen protokollieren. Nach den Complicen soll der Richter erst fragen, wenn der Inquisit ein Geständnis abgelegt hat. Weil aber auf die Aussage einer der Hexerei überführten Person wenig zu geben ist, so soll der Richter dieselbe nach gemachter Denunciation noch mit einer ›geringen Marter angreifen‹ und sie dabei erinnern, dass sie durch falsche Angaben sich unzweifelhaft die ewige Verdammnis zuziehen würde. Sollte dann die gefangene Person auf der Folter ihre Aussage widerrufen, so hat man derselben keinen erheblichen Wert beizulegen. Man sieht, dass Mozel doch einigermassen bestrebt gewesen ist, den Forderungen der Vernunft und Humanität wenigstens hin und wieder zu ihrem Rechte zu verhelfen.« Nach diesen Vorschriften wurde nun eine stattliche Anzahl von Hexenprozessen geführt, die zumeist mit Todesurteilen endigten.
Besonders arg wütete der Hexenwahn im Gebiet des heutigen Baierns. Hormayr bemerkt in seinem historischen Taschenbuch für 1831: »Wie weit dieser Wahnsinn überhaupt in Baiern gegangen sei, mögen auch die Consilia des berühmten Ingolstädter Lehrers Eberhard bewähren, da sogar fürstliche und herzogliche Personen als Zauberer und Hexen verdächtigt wurden und die Frage wegen ihrer Verhaftung, Tortur und Hinrichtung sehr ernsthaft beraten wird.« In Offenburg, Breisgau, war man im Hexenfang so eifrig, dass 1628 sogar eine »Fanggebühr« von zwei Schilling für jede eingebrachte Hexe ausgesetzt wurde, eine Zusage, die allerdings schon nach vierzehn Tagen zurückgezogen werden musste, weil sich zuviel Leute fanden, die darauf Anspruch machen wollten. Mehr oder minder wütende Verfolgungen fanden zu jener Zeit in allen Gauen Deutschlands statt, zumeist unter Mitwirkung von Rechtsgelehrten und juristischen Fakultäten. Eine rühmliche Ausnahme machte in einem bekannten Falle die Mainzer Fakultät, die unter dem 15. Juni 1674 an das Gericht zu Burkhardfelden, in Hessen-Darmstadt, schrieb: »Wir Senior und übrige Professores etc. befinden – – – die Acta – – – nicht also beschaffen, dass mit der vom Herrn Fiscal begehrten zweiten, und zwar völligen Tortur gegen die peinlich Beklagtin prozedirt werden könne: und hätte ihrer auch mit der ersten harten Tortur verschonet und dero Defensional-Articuln keineswegs verworfen werden sollen, aus folgenden Ursachen – – –. Und tut im übrigen wenig zur Sache, dass die löbliche Juristenfakultät zu Giessen die Beklagtin Elisabeth zu der ersten Tortur condemnirt habe; dero rationes decidendi sind nicht apud acta. Und ist daran Unrecht geschehen, dass dieses arme alte Weib, nach Ausweis des Protokolls, zwei ganze Stunden lang mit den Beinschrauben und an der Folter so überaus hart gepeinigt worden. Noch unrechter aber ist darin beschehen, dass der Herr Fiscal, ohnerachtet, dass die verba finalia illius protocolli so viel geben, dass sie Elisabeth nach ausgestandener so erschrecklicher Tortur absolvirt worden sei (nimirum ab ulteriore tortura), nichts desto weniger in seiner also intitulirten Confutation und Gegensubmissionsschrift, wie auch endlichen Gegenschlussschrift die reiterationem torturae contra istam miserimam decrepitam mulierem so stark urgirt hat, gleichsam dieses alte Weib propter suspicionem hominum quovis modo hingerichtet und verbrannt werden müsse, sie sei gleich eine Zauberin oder nicht ...
Gut wäre es, wenn die unschuldig beklagte Elisabeth durch glimpfliche Mittel dahin bewogen werden könnte, dass sie den Ort ihrer jetzigen Wohnung verändern und sich anderswohin begeben täte, angesehen sie ohne Ärgernis, Widerwillen und continuirliche Unruhe des Orts Untertanen nicht wird wohnen können. Dafern das von ihro, wie zu besorgen, in Güte nicht zu erhalten, so ist nötig, dass die Obrigkeit öffentlich verbiete, dass niemand, bei Vermeidung wohlempfindlicher Geld- und anderer Strafen sich gelüsten lassen solle, sie, Elisabeth, und die ihrigen an ihren Ehren mit Worten oder Werken anzugreifen oder auch von dem wider sie bisher geführten peinlichen Hexenprozess mit andern Personen etwas zu reden ... Und damit sie, Elisabeth, desto leichter bewogen werden möge, ihro gegen den Herrn Fiscal habende schwere Actionem injuriarum, item ad expensas litis, damna et interesse fallen und schwinden zu lassen, so ist ratsam, dass die Obrigkeit sie, Elisabeth, alsbald ihrer Haft erlasse, mit der Vertröstung, dass man den Herrn Fiscal zur Zahlung der Prozesskosten anhalten, auch an allen Orten der Buseckischen Obrigkeit bei hohen Geld- und anderen harten Strafen ernstlich verbieten wolle, dass niemand sie, Elisabeth, oder auch ihre Kinder an ihren Ehren angreifen soll ... Im Fall nun die oftgenannte Elisabeth mit diesem Temperament, wie zu vermuten, sich befriedigen lassen wird, so ist der Herr Fiscal einer grossen Gefahr überhoben, im Widrigen aber secundum jura in periculo durae sententiae, der Ursachen halben wir diesem unserm Responso keine sententiam beifügen. Und dass aller obiger Inhalt den kaiserlichen Rechten gemäss sei, wird mit unserer Fakultät zu Ende aufgedrucktem gewöhnlichen Insigel beurkundet.«
Ein im Stadtarchiv zu Marburg aufbewahrtes Torturprotokoll aus dem Jahre 1672, betreffend eine Frau Lips zu Betziesdorf in Oberhessen, giebt ein erschütterndes Bild von den damaligen Zuständen. Es lautet wortgenau, doch in heutiger Schreibweise: »Hierauf ist ihr nochmals das Urteil vorgelesen worden und erinnert worden, die Wahrheit zu sagen. Sie ist aber beständig bei dem Leugnen geblieben, hat sich selber herzhaft und willig ausgezogen, worauf sie der Scharfrichter mit den Händen angeseilt, hat wieder abgeseilt, peinlich Beklagtin hat gerufen: ›O wehe! O wehe!‹ Ist wieder angeseilt, hat laut gerufen: ›O wehe! O wehe! Herr im Himmel! Komme zu Hilfe!‹ Die Zehen sind angeseilt worden, hat um Rache gerufen und ihre Arme brechen ihr. Die spanischen Stiefel sind ihr aufgesetzt, die Schraube auf dem rechten Bein ist zugeschraubt, ihr ist zugeredet worden, die Wahrheit zu sagen. Sie hat aber darauf nicht geantwortet. Die Schraube auf dem linken Bein auch zugeschraubt. Sie hat gerufen, sie kenne und wüsste nichts, hat gerufen, sie wüsste nichts, hat um das Jüngste Gericht gebeten, sie wüsste ja nichts, hat sacht in sich geredet, sie wüsste und kenne nichts. Die linke Schraube gewendet. Peinlich Befragte ist aufgezogen, sie hat gerufen: ›Du lieber Herr Christ, komme mir zu Hilfe!‹ Sie kenne und wüsste nichts, wenn man sie schon ganz tot arbeitete. Ist höher aufgezogen, ist still worden und hat gesagt, sie wäre keine Hexe. Die Schraube auf dem rechten Bein zugeschraubt, worauf sie ›O wehe!‹ gerufen. Es ist ihr zugeredet worden, die Wahrheit zu sagen. Sie ist aber dabei blieben, dass sie nichts wüsste, ist wieder niedergesetzt worden, die Schrauben sind wieder zugeschraubt, hat geschrieen: ›O wehe! O wehe!‹ Wieder zugeschraubt auf dem rechten Bein, ist stille worden und hat nichts antworten wollen, zugeschraubt, hat laut gerufen, wieder stille worden und gesagt, sie kenne und wüsste nichts. Nochmals aufgezogen, sie gerufen: ›O wehe! O wehe!‹ ist aber bald ganz stille worden. Ist wieder niedergesetzt und ganz stille blieben, die Schrauben aufgeschraubt. Es ist ihr vielseitig zugeredet worden, sie ist dabei blieben, dass sie nichts kenne und wüsste. Die Schrauben höher und zugeschraubt, sie laut gerufen und geschrieen, ihre Mutter unter der Erde sollte ihr zu Hilfe kommen. Ist bald ganz still worden und hat nichts reden wollen. Härter zugeschraubt, worauf sie angefangen zu kreischen und gerufen, sie wüsste nichts. An beiden Beinen die Schrauben höher gesetzt, daran geklopft, sie gerufen: ›Meine liebe Mutter unter der Erde, o Jesu, komm mir zu Hilfe!‹ Am linken Bein zugeschraubt, sie gerufen und gesagt, sie wäre keine Hexe, das wüsste der liebe Gott, es wären lauter Lügen, die von ihr geredet worden. Die Schraube am rechten Bein härter zugeschraubt, sie anfangen zu rufen, aber stracks wieder ganz stille worden. Hierauf ist sie hinausgeführt worden von dem Meister, um ihr die Haare vom Kopf zu machen. Darauf er, der Meister, kommen und referiert, dass er das Stigma gefunden, in welches er eine Nadel übers Glied tief gestochen, welches sie nicht gefühlt, auch kein Blut herausgegangen. Nachdem ihr die Haare abgeschoren, ist sie wieder angeseilt worden an Händen und Füssen, abermals aufgezogen, da sie geklagt und gesagt, sie müsste nun ihr liebes Brot heischen, hat laut gerufen, ist wieder ganz stille worden, gleich als wenn sie schliefe. Indem fing sie hart wieder an zu reden. Die Schraube am rechten Bein wieder zugeschraubt, da sie laut gerufen, die linke Schraube auch zugeschraubt, wieder gerufen und stracks ganz stille worden und ihr das Maul zugegangen. Am linken Bein zugeschraubt, worauf sie gesagt, sie wüsste von nichts, wenn man sie schon tot machte. Besser zugeschraubt am rechten Bein, sie gekreischt, endlich gesagt, sie könne nichts sagen, man sollte sie auf die Erde legen und totschlagen. Am linken Bein zugeschraubt, auf die Schrauben geklopft, härter zugeschraubt, nochmals aufgezogen, endlich ganz wieder losgelassen worden, (gez) J. Jacob Blanckenheim. (gez.) Friedrich Bauod. (gez.) J. Hirschfeld, (gez.) M.F. Rang.
Meister Christoffel, der Scharfrichter, berichtet, als sie peinlich Beklagtin die Haare abgeschnitten, habe sie an seinen Sohn begehrt, dass man sie doch nicht so lange hängen lassen möge, wenn sie aufgezogen wäre.«
Das arme Weib, das so tapfer all diese entsetzlichen Qualen ausgestanden hatte, musste entlassen werden. Doch das »Auge des Gesetzes« wachte. Nach Verlauf von etwa einem Jahre glaubte man neue Beweise wider sie erlangt zu haben, wieder wurde sie gefangen genommen und in noch ärgerer Weise gemartert – viermal aufgezogen, sechzehnmal geschraubt –, aber dieses Weib bewies eine unglaubliche Seelenstärke und war nicht dahin zu bringen, das ihren Peinigern gefällige »Geständnis« zu machen. Die fürstlichen Räte zu Marburg, die an die Landgräfin über diesen Fall Bericht zu erstatten hatten, glaubten allerdings, dass die Standhaftigkeit der Gemarterten nur ein Werk der Zauberei sein könnte. Einen besseren Eindruck scheint jedoch dieser Fall auf die Landgräfin selbst gemacht zu haben, denn sie befahl, »das Gericht ernstlich dahin anzuweisen, dass dasselbe in dergleichen Hexenprozessen mit sonderbarer Zirkumspektion und Behutsamkeit verfahre, insbesondere auf blosse Denunziation und andern geringen Argwohn, wenn nicht das Corpus delicti notorie und andere starke und triftige Umstände vorhanden, nicht so leicht jemanden zu Haften zu bringen, weniger denselben ohne vorhergehende Kommunikation mit den Räten peinlich vorstelle.« Dieser Befehl scheint auch von wohltuender Wirkung gewesen zu sein. Die Hexenprozesse nahmen ab, ohne jedoch vorerst ganz aufzuhören. Der letzte Hexenprozess in Hessen fand 1711 statt, jedoch wurde der Fiscal mit seinem Antrage, die Tortur vornehmen zu lassen, abgewiesen und die beschuldigte Anna Elisabeth Ham aus Geismar von der Instanz entbunden. In Hamburg, wo das Übel der Hexenprozesse überhaupt keine besondere Ausdehnung gefunden hatte, soll die letzte Hinrichtung einer »Hexe« im Jahre 1643 stattgefunden haben.
Aus einem Torturprotokoll vom Jahre 1674 aus dem thüringischen Tambach, wo der Amtsschöffer Benedikt Leo ein fanatischer Hexenverfolger war, erfahren wir folgendes: Die erste Tortur brachte nicht das erwünschte Geständnis. »Hierauf ist sie wieder auf die Leiter gestellt und sind die Riemen angezogen, ihr auch die Beinschrauben angelegt worden. Aber hat alles nichts gefruchtet bis nach zehn Uhr, da sie den Kopf hängen lassen, die Augen sperrweit aufgemacht, dieselben verdreht, sich gebäumt, das Maul verdreht, geschäumt und so abscheulich ausgesehen, dass man sich nicht genug zu entsetzen und fürchten gehabt; worauf, wie sonst öfters wechselweise geschehen, der Nachrichter sie herunter gelassen, ihr zugerufen und gebetet: ›Christe, du Lamm Gottes etc.‹ und andere Passionsgesänge: ›O Lamm Gottes etc.‹, ihr auch Wein in den Mund gegeben und auf allerlei Weise gesucht, sie zum Geständnis zu bringen; aber alles vergebens. Denn sie dagestanden wie ein Stock. Gegen elf Uhr, da sie ganz wieder zurecht, ist nach treufleissiger Erinnerung wieder ein Versuch mit ihr gemacht worden; da sie dann, ehe der Nachrichter sie recht angegriffen, abermals die Augen verkehrt, das Maul gerümpft und sich so schrecklich gestellt, dass man augenscheinlich spüren und merken müssen, es gehe mit ihr von rechten Dingen nicht zu, sondern Satanas habe sein Werk mit ihr. – Weil man nun bei dieser ihrer Verzückung nicht anders gemeint, als Satanas habe ihr, weil Kopf und alles geschlottert, den Hals gebrochen, oder was noch nicht geschehen, würde noch geschehen, also hat man sie aus der Stube an ihren Ort gebracht, ob Gott auf andere Weise und Wege ihre Bekehrung suchen werde, und also ist sie ohne Geständnis fernerer Tortur entkommen. – – Notitur: Als ungefähr eine Stunde nach der Tortur ich mit der andern Inquisitin zu tun gehabt im Nebenstüblein, und man nicht anders gemeint, Wiegandin täte kein Auge auf und läge gleichsam in ecstasi, hat sich auf einmal in ihrem Gefängnis gross Gepolter erregt. Da man nun zugelaufen, hat sich befunden, dass sie von ihrem Ort, allwo sie ausgestreckt gelegen, hinweg und ausserhalb dem Türlein des Gatters, welches doch ziemlich niedrig und schmal, vorm Ofen auf einem Klumpen gelegen, da man sie dann mit vieler Mühe wieder an ihren Ort bringen müssen; alsdann jedermann davon gehalten, es ginge von rechten Dingen nicht zu, der Satan müsse sie hinausgerissen, und ihr seinen Dank, dass sie sich so wohl gehalten, gegeben haben. – Johann Benedikt Leo.« Diese Schriftstücke lauten in einer zu deutlichen Sprache, als dass noch nötig sein sollte, Bemerkungen daran zu knüpfen.
Wie man mit der Folter Geständnisse erpresste, zeigt auch ein zu derselben Zeit und an demselben Ort gegen die achtzigjährige »Sachsen-Ursel« geführter Prozess. Soldan berichtet hierüber in seiner Fussnote (II 128): »Dieselbe wird mit Daumenstöcken, spanischen Stiefeln und Aufziehen an die Leiter ›ein baar Stunden‹ gefoltert, leugnet aber hartnäckig eine Hexe zu sein. Man foltert daher in grässlicher Weise weiter und redet der Gefolterten beweglich zu. ›Hat sie endlich gewehklagt und gesagt: Der Nachrichter soll sie doch herunterlassen, dem wir aber widersprachen und begehrten, sie sollte zuvor sagen, wann, wie und wo sie zur Hexerei gekommen. – Ad quod illa: Man sollte sie herunterlassen, sie wollte sterben als eine Hexe und sich verbrennen lassen. Nos: ob sie denn eine Hexe sei? Illa: Nein, so wahr, als sie da stünde, wäre sie keine Hexe. Sie wüsste nichts und könnte nichts, man möchte mit ihr machen, was man wollte. – Nos: Sie möchte sagen, was sie wollte, es wären so schwere Anzeigen wider sie da, welche machten, dass man ihr sogleich nicht glauben könnte. – Haec begehrt nochmals, man möge sie heruntertun, die Arme täten ihr wehe, man sollte ihr zu trinken geben. – Nos: Wenn sie gleich zu bekennte, so soll sie gleich heruntergelassen und ihr, was sie begehre, gegeben werden. Ob nicht wahr, dass sie eine Hexe sei? – Haec: Sie müsste etwa vom Teufel heimlich sein verführt worden. – Nos: Ob sie denn verführt worden? wann und wo? – Haec: Ja, nu, nu, ich mich erst besinnen. Er müsste in Kohlholz zu ihr gekommen sein, da sie vielleicht nicht gebetet oder sich Gott nicht befohlen haben würde. – Nos: Wann es geschehen? – Haec: Als ihr Mann noch gelebet, musste er (der Satan) etwa am Nesselberg zu ihr gekommen sein, als der Amtsverweser noch da gewesen, müsste er sie am Nesselberge mit Listen so bekommen und sie in Essen und Trinken verführt haben. – Nos: Es gelte und heisse hier nicht ›es musste, es müsste u. s. w.‹, sondern sie sollte pure antworten, entweder Ja oder Nein. Sie sollte sagen, ob sie nicht das Hexen gelernt, wo, wie und wann? – Nota: Weil man an ihr gemerkt, dass sie auf gutem Wege sei, hat man sie von der Leiter gelassen, sie von allem ledig gemacht, sie auf einen Stuhl niedergesetzt und sie zum Geständnis beweglich und umständlich ermahnt. – Haec: Sie wolle es sagen, ja, sie sei eine Hexe u.s.w. ... Die Unglückliche wurde verbrannt, doch vorher wahrscheinlich stranguliert.«
Der Hexenwahn schonte weder achtjährige Kinder noch achtzigjährige Greise, wo es ihm galt, sein Genügen zu finden. In Neisse hatte der Magistrat zum Verbrennen einen Ofen erbauen lassen, in dem 1651 nicht weniger als zweiundvierzig weibliche Personen verbrannt wurden. Wie es damals im Städtchen Coesfeld zuging, erfahren wir aus der Deservitenrechnung des dortigen Scharfrichters. Es heisst hier unter andern:
Gertruth Niebers viermal verhört worden baven uff den Süstern Tornt, von jeder Tortur drey Rthlr., machet 12 Rthlr.
Den 16. Julii Gertruth Niebers des Morgens twischen 3 und 4 Slegen das Haupt abgeslagen, davon mich zukumpt viff Rthlr. Darnach verbrandt worden, daervon mich ooch zukumpt viff Rthlr.
Den 18. Julii Johan Specht, anders Dotgrever, uff der Valkenbruggen porten verhört, davon mich zukumpt drey Rthlr.
Den 19. Julii Johan Specht uff der Valkenbrugger porten verhort worden, davon mich zukumpt drey Rthlr.
Demselbigen dito Greite Pipers uff den Wachtorn verhort worden, davon mich zukumpt drey Rthlr.
Den 23. Julii Johan Specht under im Süster Torn verhort, davon mich zukumpt drey Rthlr.
Den 2. Augusti Johan Specht erstlich gestrangulerth uff ein Ledder (Leiter), davon mich zukumpt viff Rthlr. Darnach verbrandt worden, davon mich och zukumpt viff Rthlr.
Und so weiter! Der Scharfrichter hatte in der Regel von jedem Inquisiten 15 Rthlr. bezogen.
Ein Beispiel von dem Wüten der kleinen Herren lieferte Christof von Rantzow im Holsteinischen, der 1686 auf einem seiner Güter an einem Tage achtzehn Hexen verbrennen liess. Allerdings wurde er deswegen zu einer Geldstrafe von 2000 Rthlr. verurteilt. Ob er die in der Tat auch bezahlte?
Als besonders bemerkenswert verdient hervorgehoben zu werden, dass es inmitten der grässlichen Hexenverfolgungen, denen auch beinahe des grossen Kepplers Mutter 1621 zu Wyl im Württembergischen zum Opfer gefallen wäre, eine schwedische Königin den Versuch machte, ihre deutschen Besitzungen von diesem Schrecken zu befreien. Christine, die Tochter und Nachfolgerin Gustav Adolfs, erlies 1649 ein Reskript, wonach »alle fernere Inquisition und Prozess in dem Hexenwesen aufzuhören habe, die diesfalls allbereits Captivirten wieder relaxirt und in integrum zu restituiren seien, weil diese und dergleichen weitaussehende Prozesse allerlei Gefährlichkeiten und schädliche Consequentien mit sich führen, und aus denen an anderen Orten fürgelaufenen Exempeln kundbar und am Tage ist, dass man sich in dergleichen Sachen je länger je mehr vertieft und in einem inextricablen Labyrinth gesetzet.« So lobenswert diese Massregel auch war, so sehr aus ihr bereits der Geist einer neuen Zeit leuchtete, eine Zeit, die trotz alledem und alledem mit dem Namen des französischen »Sonnenkönigs« unlöslich verknüpft ist, viel nützte diese Massregel doch nicht, und nach dem baldigen Regierungsrücktritt der Königin geriet diese Mahnung gar bald in Vergessenheit. Besser erging es auch nicht mit ähnlichen Bestrebungen kleiner deutscher Herren. Ein Menschenalter später, 1683, erschien zu Mecklenburg ein herzogliches Reskript, das, von ähnlichem Geist beseelt, streng befiehlt, es möge »hinfüro in den peinlichen Gerichten bei angestelltem scharfen Verhör der wegen Zauberei inhaftirten und der Tortur untergebenen Delinquenten so wenig von den zu der peinlichen Befragung abhibirten Richtern und Beisitzern gefragt werden sollte, ob reus oder rea auf dem Blocksberg gewesen und daselbst gegessen, getrunken, getanzt oder anderes teuflisches Gaukelwerk getrieben und diese oder jene Person mitgesehen und erkannt habe, noch auch, so der Gepeinigte von selbst alles erzählen und für Wahrheit berichten sollte, desselben Bekenntnis einigen Glauben beilegen, noch zu Protokoll bringen und des Beklagten Namen verzeichnen lassen sollen, zumal alle dergleichen denunciationes ex fonte malo herfliessen und also billig zu abominiren und zu keinem Grunde rechtschaffener Beweisung zu legen seien.«
Zumeist finden wir am Ende des siebzehnten Jahrhunderts den traditionellen Hexenwahn bereits im Widerspruch mit einer aufgeklärteren neuen Zeit, wenn auch jener noch lange nicht verdrängt werden konnte und, die Tortur im Gefolge, noch so manchen Schrecken entfaltete. In der auf Befehl des Grossen Kurfürsten vom Professor Johann Brunnemann zu Frankfurt a. O. ausgearbeiteten »Anleitung zu vorsichtiger Anstellung des Inquisitionsprozesses« finden wir als einen zu beseitigenden Missbrauch hingestellt, »dass die Leute so lange torquirt werden, bis sie etwas bekennen, welches absonderlich bei denen, so der Hexerei beschuldigt worden, gebräuchlich ist.« Für die vorzunehmende Tortur wird angeordnet, dass sie nicht länger als eine Stunde währen soll, einen Zeitraum, den der Richter mit einer vor ihm stehenden Sanduhr abzumessen habe. Sie soll wenigstens fünf Stunden nach dem Essen oder Frühmorgens, noch besser Nachts vorgenommen werden. Zu vermeiden wäre auch, wenn der Beschuldigte mit einer Krankheit behaftet, die Tortur bei einer »Mondverwechslung« vorzunehmen, weil da Krankheiten kräftiger in Erscheinung träten. Ferner soll dem nicht ganz gesunden Inquisiten vor der peinlichen Frage von dem Arzt ein Präservativ gegeben werden, um seine Krankheit möglichst zurückzuhalten. Der Richter sollte auch im Protokoll die angewendeten Torturmittel verzeichnen, damit die Rechtsgelehrten, denen die Akten dann zur Prüfung vorgelegt würden, erkennen mögen, ob die Folterung ordnungsgemäss vorgenommen worden sei. Geständen Hexen, einen Schaden angerichtet zu haben, so sollten sie auch gefragt werden, woher sie wüssten, dass sie diesen Schaden verübt hatten. Und wenn sie andere Personen als Mitschuldige angäben, so wäre nachzuforschen, ob diese Denunziation begründet sei und nicht teuflische Verblendung.
Im Gebiet der heutigen Schweiz wurde auch im siebzehnten Jahrhundert die Hexenverfolgung eifrig betrieben. Die Tortur soll dabei in jedem Prozess nur einmal angewendet worden sein, wobei es jedoch, wie Soldan bemerkt, an Grausamkeiten aller Arten nicht fehlte. In der Grafschaft Valangin kam der Fall vor, dass ein Richter eine auch unter den furchtbarsten Martern ihre Unschuld behauptende Inquisitin, über diese »Hartnäckigkeit« aufgebracht, in ihrem Kerkerloch einmauern liess. Aufgeklärter als manche andere zeigte sich der Rat von Bern, der wiederholt Gerichtsbeamte wegen ungebührliche Anwendung der Folter zu Geldstrafen verurteilte. Auch liess er 1651 bei Juristen und Geistlichen Gutachten über das Hexenwesen einholen und die eingelaufenen Antworten lauteten ziemlich aufgeklärt. Die Berner Geistlichkeit meinte u. a., »dass die verdächtigen Personen und Beklagten mit mitleidigem Ernst erforscht werden, nicht alsbald mit der peinlichen Tortur durch die Scharfrichter, welche zu Zeiten blutdürstige Leute sind und mit Künsten umgehen, dadurch sie einen Teufel mit dem andern sich unterstehen zu fahen; sondern durch gelehrte und erfahrene Männer, die aus Gottes Wort mit ihnen nach einem eifrigen Gebet reden, ob sie zum freien Bekenntnis ihrer Missetat und herzlicher Begierde aus den Klauen des höllischen Löwen erledigt und hingegen des himmlischen und seligen Lebens teilhaftig zu werden mögen bewegt werden!« Wie den hochwürdigen Herren Theologen fehlte auch nicht den gelehrten Herrn Juristen und Medizinern der Glaube an das Hexenwesen, doch sprachen auch sie sich gegen die missbräuchliche Anwendung der Tortur aus und der Rat wies auch die Amtsleute an, bei Verhafteten, die der Hexerei verdächtig wären, die Folter nicht mehr anzuwenden, sondern vom Rat Bescheid einzuholen. Eine neue Prozessordnung, die am 29. Dezember 1651 erlassen wurde, ordnete an, dass nur in Fällen besonderer Wahrscheinlichkeit, wo grosser Verdacht vorläge und der Beschuldigte dennoch nicht gestehen wolle, die Folter massvoll angewendet werden dürfe. Dabei wird das Aufziehen auf dreimal und das anzuhängende Gewicht auf höchstens hundert Pfund beschränkt. So wenig Wert im Grunde genommen diesen Bestimmungen beizumessen war – zumeist war es doch der Willkür des Richters überlassen, zu beurteilen, ob ein genügender Verdacht vorhanden sei –, sie übten doch eine wohltätige Wirkung aus, indem die Tortur nunmehr seltener und bedächtiger in Hexenprozessen zur Anwendung gelangte. In ähnlicher Weise verhielt sich die Sache auch in den andern Kantonen der Schweiz.