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Heinrich IV. – Ludwig XIII. – Prozess Gaufridy. – Prozess Grandier. – Grandiers Feinde. Besessene Nonnen. – Exorcismus. – Des Teufels Latein. – Kardinal Richelieu. – Grandiers Urteil. – Tortur. – Verbrennung. – Ludwig XIV.
Wenn auch, wie schon früher bemerkt wurde, der Hexenwahn in Frankreich nicht so arg grassierte, wie in Deutschland, so trat er doch oft genug grausam in Erscheinung und die Tortur, die bei politischen und anderen Verbrechen reichlich Anwendung fand, fehlte auch hier nicht. Merkwürdigerweise hat auch die vielgerühmte Regierung Heinrichs IV. viel des Schreckens dieser Art aufzuweisen. Manche wollen den Grund dazu in dem Umstand suchen, dass der Vorgänger des Béarners, Heinrich III., selber als Verbündeter des Teufels gegolten und seine Ermordung durch Clement soll auch unter dem Einfluss dieser Annahme gestanden haben. Im Jahre 1609 wurde auf Befehl des Königs eine Untersuchung über Zauberei und Hexerei unter den Basken von Labourd vorgenommen, wobei mehr als sechshundert Personen nach angewandter Tortur zum Feuertod verurteilt wurden.
Unter Ludwig XIII. erregten zwei einander ähnliche Prozesse grosses Aufsehen, beide gegen Geistliche geführt und beide in Verbindung mit einem Ursulinerinnen-Kloster. Was den ersten betrifft, so berichtet Soldan (II, 164-65) darüber nach guten Quellen: » Louis Gaufridy, Benefiziatpriester an der Kirche des Accules zu Marseille, galt, wie eine aus der Feder seiner Feinde geflossene Geschichtserzählung sagt, für den frömmsten Mann auf Erden und sah seinen Beichtstuhl besonders vom weiblichen Geschlecht umdrängt. Plötzlich hörte man von Exorcismen, die der Dominikaner Michael, Prior von St. Maximin, an einigen Nonnen des Ursulinerinnenklosters vornimmt. Die Teufel Beelzebub, Asmodeus, Leviathan u. a. reden aus ihnen, weissagen vom Antichrist und vom jüngsten Tag und erzählen ganz besonders vom Priester Gaufridy schreckliche Dinge. Derselbe, sagen sie, habe sich mit Leib und Seele dem Teufel verschrieben, um Ansehen und Weibergunst zu erlangen. Er sei König der Zauberei in Hispanien, Frankreich, England, in der Türkei und in Deutschland und sein Hauch bezaubere die Frauen, wenn er dieselben missbrauchen wolle, unwiderstehlich. So habe er die jüngste unter den Nonnen, Magdalene de la Palud, verführt, zum Hexentanz mitgenommen und zum Abfall bewogen; als dieselbe aber reumütig ins Kloster zurückgekehrt, habe er ihr und ihren Gefährtinnen Plageteufel zugesandt, um sie zu besitzen und martern. Nun war zwar in Marseille die allgemeine Stimme, dass Gaufridy dessen unschuldig sei und nur aus Missgunst vom Pater Michael verschrieen werde. Doch kam die Sache vor das Parlament von Aix, wo Magdalene, nachdem der Präsident ihr das Leben zugesagt, ein umständliches Bekenntnis über die zauberischen Schändlichkeiten Gaufridys ablegte. Dieser ward verhaftet, von einigen Amtsärzten in Gegenwart des erzbischöflichen Vikars der Nadelprobe unterworfen und mit Magdalene, die sich, bei fortdauernden unkeuschen Angriffen der Teufel, des geistlichen Beistands der Dominikaner und Kapuziner erfreute, confrontiert. Gaufridy schwur bei Gott und den Heiligen, dass er falsch angeklagt sei. Magdalene bekam indessen neue, noch heftigere Anfälle, und die Teufel Beelzebub und Verrim bezeugten aus der Besessenen, dass Gaufridy als Fürst der Zauberer weit schlimmer gewesen sei, als der Teufel selbst. Hierin fand das Parlament genügsamen Grund, dem Angeklagten das Leben abzusprechen; er wurde, um Nennung seiner Complicen zu erpressen, die man als Hunde und Eulen scharenweise um das Gefängnis heulen hörte, gefoltert, dann degradiert und am 30. April 1611 auf dem Dominikanerplatze zu Aix lebendig verbrannt.«
Noch schlimmer stellt sich der Prozess Grandier (1634-1637) dar, der Willibald Alexis Stoff zu einem Roman gab und dessen Inhalt er auch ausführlich in dem von ihm und Hitzig herausgegebenen »Der neue Pitaval«, VI, darlegt. Wir lassen diese interessante Darstellung auszugsweise hier folgen:
Zu den Zeiten Richelieus lebte in der Stadt Loudun ein Geistlicher von ebenso ausgezeichneten Eigenschaften, als er, zu seinem Unglück, sich derselben bewusst war. Urban Grandier, aus Niedermaine gebürtig, war ein Zögling der Jesuiten in Bordeaux gewesen. Seine Lehrer hatten ihrem wohlgeratenen Schüler, zur Ehre des Ordens und ihm selbst zum Lohne, die einträgliche Pfarrei zu St. Peter in jener Stadt und noch ausserdem eine Pfründe an der dortigen Collegiatkirche zum heiligen Kreuz verschafft. Diese Bevorzugung eines Fremden in einer Stadt, wo er gar keine Verwandtschaften hatte, seine Talente, sein Stolz und sein Lebenswandel erweckten den Neid gegen ihn. Er selbst, im Vollgefühl seiner Kraft und seines Ansehens, nährte ihn durch die Verachtung, mit welcher er auf seine Neider herabsah. Aus dem Neide wurde Todfeindschaft, die sich in unvermeidlichen Verfolgungen aussprach, welche endlich gegen die Mitte des siebzehnten Jahrhunderts einen Prozess hervorriefen, der an Gehässigkeit, Aberwitz und Grausamkeit an die Zeiten des finstersten Fanatismus erinnert, um so furchtbarer und ruchloser aber erscheint, als er in einem Zeitalter spielt, wo die Franzosen bereits auf den Ruhm der unterrichtetsten, feinsten und aufgeklärtesten Nation Anspruch machten.
Urban Grandier war ein schöner, grosser Mann, von edler, würdevoller Haltung, mit lebhaften, durchdringenden Augen. Er trug und kleidete sich ausgesucht, ohne etwas Gezwungenes merken zu lassen. Im Umgange war er unterhaltend und gern zu Mitteilungen geneigt. Er liess den feinen Denker und gelehrten Mann durchblicken. Sein Ruf als Kanzelredner war gross; die Leichenrede, die er beim Tode eines geachteten Schriftstellers jener Tage gehalten, ist im Druck aufbewahrt und rechtfertigt den Ruhm, welchen seine Zeitgenossen ihm zollten.
Die Bettelmönche hatten bis da in Loudun und der umliegenden Gegend für die besten Prediger gegolten, ihr Ruhm war einträglich für ihre Kasse gewesen. Urban entriss ihnen jenen und diese Vorteile zugleich. Er bemühte sich, ihnen auch die Seelsorge zu entreissen, predigte wider diese Brüderschaften und ermahnte die Leute, sich in allen Herzensbedrängnissen lieber an ihre Pfarrer zu wenden, welche es aufrichtiger mit ihnen meinten. Auch die Waffen des Witzes brauchte er gegen die Mönche mit doppeltem Erfolge. Die Karmeliter wurden lächerlich und seine erbitterten Feinde.
Urban hatte Schwächen, die seinen Feinden die Waffen in die Hand gaben. Mit einem Stolz, der an Übermut grenzte, betrug er sich gegen sie; zum Verzeihen fühlte er sich nicht geneigt, und wenn er einen Rechtssieg erstritten, verfolgte er ihn mit unerbitterlicher Härte. Auf diese Weise hatte er sich zwei Todfeinde erworben: den Priester Mounier und den Kanonikus Mignon. In einem Wortwechsel behandelte er eines Tages den Präsidenten des Steueramtes in Loudun, Barot, mit soviel Stolz und Verachtung, dass auch die Gelassenheit selbst nicht unempfindlich hätte bleiben können. Barot war sehr reich, er war Mignons Oheim und hatte Vettern und Basen in grosser Anzahl in der Stadt, die alle vor dem gnädigen Oheim und seiner reichen Erbschaft auf den Knieen lagen. Durch diese Sippschaft war die halbe Stadt im Bunde gegen Urban; er stand fast allein, und bewarb sich in seinem Stolze um keine Verbündeten.
Urban verband mit diesem unbeugsamen und stolzen Charakter einen entschiedenen Geschmack zu Liebeshändeln. Ein Mann von feiner Gestalt, feinen Gaben, und dazu die priesterliche Würde, war den Frauen gefährlich. Er galt für unwiderstehlich. Die Eifersucht minder glücklicher Nebenbuhler, der Hass von Ehemännern und Vätern gegen ihn, der, kraft seines Amtes, in den Häusern Zutritt hatte, die Weiber bezauberte, und die er bezauberte, ins Gerede brachte, vermehrte die Zahl seiner Feinde. Es hiess, dass auch die schöne Tochter des königlichen Prokurators Trinquant sich ihm ergeben und ein Kind von ihm gehabt. Der Vater, vom Zorn verblendet, strengte deshalb einen Prozess an, der ihm zu nichts half und weder Urbans noch seiner Tochter Schuld herausstellte, aber auf ihn selbst das ganze Gewicht des Lächerlichen warf. Den Fehltritt der Tochter hätte Trinquant vielleicht, diese Folge konnte er Urban nicht vergeben.
Der stolze Priester bewahrte aber, neben diesen Versündigungen gegen seinen Stand, eine Tugend, die in dem galanten Frankreich sehr hoch angeschlagen wurde. Er rühmte sich nicht seiner Eroberungen, er sprach nie von ihnen, und hielt das unverbrüchliche Stillschweigen, selbst unter den Qualen der Tortur, über die Damen, mit denen man ihn des unerlaubten Umganges bezichtigte. Man vermutete, dass er, unbeschadet seiner vielfachen Liebschaften, eine Geliebte hatte, die sein ganzes Herz besass, mit der er sogar, zu ihrer Beruhigung, eine Gewissensehe geschlossen haben sollte. Nie aber ist der Name dieser Dame bekannt geworden. Er sündigte übrigens in diesem Punkte weniger aus Leichtsinn, als aus Grundsatz, indem man unter seinen Papieren eine geistvoll geschriebene Abhandlung » gegen das ehelose Leben« der Priester fand.
Das Komplott seiner Feinde versammelte sich bei Barot. Verstärkt durch den königlichen Advokaten Menuau, der gleichfalls Urban im Verdacht des Umganges mit seiner Gattin hatte, beschlossen sie, alles anzuwenden, den gemeinschaftlichen Feind zu verderben, oder ihn wenigstens aus Loudun ganz fortzutreiben.
Zwei schlechte Kerle mussten eine Klage gegen den sittenlosen Priester bei den Gerichten erheben, mit der Beschuldigung, dass er mit Weibern und Mädchen Unzucht getrieben, keine Religion besitze, niemals sein Brevier bete und sogar in seiner eigenen Pfarrkirche eine Frau gemissbraucht habe. Während dieser Prozess gegen Urban vor dem Civilleutnant Chauvet verhandelt wurde, erlaubte sich einer der Verschworenen, ein reicher Edelmann, Duthibaut, den Priester, als er, mit dem Chorhemd bekleidet, in seine Kirche ging, um das Hochamt zu halten, auf offener Strasse zu insultieren. Urban hatte ihm, gewiss sehr unpassend für den Moment, mit seiner gewöhnlichen hohen Art die Verunglimpfungen vorgeworfen, die Duthibaut gegen ihn ausgestossen habe. Dieser, statt einer Antwort, schlug ihm mit dem Rohre mehrmals über den Kopf.
Urban eilte nach Paris, warf sich dem Könige zu Füssen und flehte für diese einem Priester zugefügte Beleidigung um Genugtuung, die ihm auch der entrüstete Monarch versprach. Die doppelte Anklage und der doppelte Prozess kreuzten sich; wir können aber in Kürze darüber weggehen, da beide Untersuchungen nur Vorgänge der schreckenvollen Verfolgung sind, welcher Urban später erlag. Seine Feinde waren stärker als der gute Wille des Königs, dem beleidigten Priester Recht zu verschaffen. Der Bischof von Poitiers, Urbans nächster geistlicher Oberer und von seinen Feinden durch falsche Mitteilungen gegen ihn gewonnen, gesellte sich den letzteren zu, und es fehlte schon bei dieser Untersuchung nicht an den empörenden Willkürlichkeiten der späteren. Urban musste zwei Monate in einem traurigen, feuchten Gefängnisse, in das ihn der Bischof werfen liess, schmachten, während die Zeugen vor dem geistlichen Gerichte furchtbare Dinge gegen ihn aussagten, und so sicher waren die Verbündeten ihres Erfolges, dass sie schon einen der Barotschen Vettern, unter Begünstigung des Bischofs, in den Besitz seiner Pfründe setzten.
Inzwischen kam, auf Anrufung des Verklagten an das Pariser Parlament, die Untersuchung an die weltlichen Richter. Als der Zivilleutnant von Loudun in kommissarischem Auftrag die Untersuchung führte, gaben die Zeugen ganz andere Antworten, als die geistlichen Richter zu Protokoll genommen hatten, einige widerriefen geradezu und legten das freiwillige Bekenntnis ab, sie wären verführt und bestochen worden, besonders vom Prokurator Trinquant. Ja, es fanden sich unleugbare Beweise, dass man bei dem geistlichen Gerichte Umstände zu Protokoll gebracht, die den Zeugen nicht in den Sinn gekommen waren. Zwei Priester protestierten deutlich und feierlich, dass man ihre Aussagen durch und durch verfälscht hätte.
Den Anklägern hatte der Prozess viel Geld gekostet und versprach, wie die Sachen standen, wenig Erfolg. Keiner der vielen Ehemänner und Liebhaber der des Umgangs bezichtigten Frauen war zu einer Aussage gegen Urban Grandier zu bewegen. Obgleich der Bischof, von der Kanzel herab, die um seine Frevel Wissenden ermahnte, sich vor Gericht zu stellen, erschien niemand. Das Gericht zu Poitiers musste am 25. Mai 1631 Urban Grandier von der gegen ihn erhobenen Anklage vorläufig freisprechen.
Der Mut seiner Feinde war gebrochen, gleich wie ihr Geld ausgegangen war. Sie sollten noch mehr beschämt werden. Der Erzbischof von Bordeaux, dem der Bischof von Poitiers untergeben war, kam in die Nähe von Loudun. Er untersuchte, auf die an ihn gerichtete Appellation, den Prozess selbst, und sprach (am 22. November 1631) Urban Grandier von allen ihm zur Last gelegten Verbrechen völlig frei, setzte ihn wieder in sein Amt ein und überliess es ihm, auf Schadenersatz zu klagen.
Der Erzbischof war ein umsichtiger Mann. Er erkannte die Gefahr, welche dem vereinzelten Priester mitten in einer Stadt unter so erbitterten Feinden drohte. Er gab ihm den freundlichen Rat, seine Pfründe zu vertauschen und versprach ihm, in Anerkennung seiner ausgezeichneten Gaben, ihm anderswo eine angemessene Stellung zu verschaffen. Urban Grandier lehnte das Anerbieten aus Stolz ab. Er wollte seinen unwürdigen Feinden trotzen. Möglich auch, dass eine zärtliche Verbindung es ihm schwer oder unmöglich machte, von Loudun fort zu gehen.
Urban Grandier aber tat noch mehr. Recht um seine Gegner zu reizen, hielt er bei seiner Rückkehr nach Loudun einen förmlichen Triumphzug, und trug dabei einen Palmenzweig in der Hand. Seine Freunde bedauerten diese Überhebung, seine Feinde freueten sich und sannen auf neue Mittel, ihre Rache zu kühlen. Das Parlament hatte den Prozess Urbans gegen Duthibaut ausgesetzt, bis nach Entscheidung der Untersuchung gegen den ersteren. Jetzt setzte er diesen Prozess mit allem Eifer fort und gewann ein günstiges Urteil, das er in aller Strenge ausführen liess. Duthibaut musste einen öffentlichen schimpflichen Verweis mit entblösstem Kopfe anhören, und ward in verschiedene Geldbussen und die Erstattung aller Kosten verurteilt. Auch damit nicht zufrieden, schickte der vielfach gereizte Mann sich an, seine geheimen Angeber und Widersacher beim Parlament zu verfolgen und stellte dazu Entschädigungsklagen gegen Alle an. Vergebens warnten ihn seine Freunde, vergebens malten sie ihm seine wahre Lage aus, dass er in einem Lager lauernder, aufs äusserste erbitterter Feinde sich schutzlos befinde; er solle sie nicht noch mehr reizen. Er wollte sich rächen und zeigen, dass er auf sein Recht und seine Unschuld baue, und selbst schleuderte er die Fackel in den Scheiterhaufen, der ihn verzehren sollte.
Von einer Seite her, wo er und niemand es erwarten durfte, sollte der neue Angriff gegen ihn ausgehen; eine kunstvoll und doch albern angelegte Miene. Mehrmals trat er sie unerschrocken aus; die Vernunft, der französische Witz waren auf seiner Seite. Aber die Mönche, seine Feinde, zündeten sie immer wieder von neuem an und fachten das Feuer heller und heller an; sie bearbeiteten die Gemüter des Volks, bis die Atmosphäre selbst von dem Feuerstoff geschwängert war, und der allgemeine Wahn auch die Vernünftigen und Beherzten so erschreckte, dass sie verschüchtert schwiegen ...
Einige Jahre vor dieser Geschichte hatte sich ein Ursulinerinnenkonvent in der alten Stadt Loudun gebildet. Das Kloster war noch arm, obwohl Fräuleins aus den ersten französischen Familien sich als Nonnen darin aufnehmen lassen. Die Priorin, ein schönes junges Mädchen, war die Tochter eines Marquis von Cose und nahe verwandt mit dem Staatsrat von Loubardemont. Es befanden sich darunter Basen des allmächtigen Richelieu, des Erzbischofs von Bordeaux und anderer vornehmer Staatsmänner. Dennoch waren die Mittel der neuen Konventualen so beschränkt, dass sie in einem Privathause zur Miete wohnten und ihren eigentlichen Lebensunterhalt durch Unterricht und Aufnehmen von Pensionärinnen sich gewinnen mussten.
Ihr erster Beichtvater, Moussaut, ein kluger, aufgeklärter Geistlicher, war etwa um die Zeit unserer Geschichte gestorben. Bald darauf hiess es, in dem Hause, wo sie wohnten, ginge es um, es sei der abgeschiedene Geist des Beichtvaters; vielleicht, weil er im Leben zu aufgeklärt gewesen. Einige der jüngeren Nonnen und Kostgängerinnen belustigte das Gerücht und sie beschlossen, es zu ihrem Spass zu benutzen. Sie standen heimlich des nachts auf und liessen Türen und Fensterladen klappen, Stühle rutschen und Fässer rollen. Die Wirkung auf die Furchtsamkeit ihrer Mitschwestern war so aufmunternd für sie, dass sie in dem Spiele nur noch dreister fortfuhren. Sie stiegen bis aufs Dach, vom Dach in die Oberböden, gingen von da in die Schlafkammern der Kostgängerinnen und zogen ihnen die Unterröcke von den Betten weg, und trieben allerhand tollen Spuk, dass der Glaube unter den geängsteten Nonnen feste Wurzel fasste, der Geist dringe durch fest verschlossene Türen. Der Geist aber hatte einen Bundesgenossen in der 15jährigen Pensionärin Maria Aubin, welche Nachts, wenn die anderen schnarchten, heimlich den Riegel zurückzog, um den Gespensterbesuch einzulassen. Nachher vermehrte sie den Schrecken ihrer Mitschwestern, indem sie unter entsetzlichen Gebärdungen und Angstgewimmer sich unter ihre Betten begrub, wenn der Geist eingetreten war.
Diesen unschuldigen Anfang hatte die historisch gewordene Erscheinung der Besessenen von Loudun. Zur Zeit ihrer Blüte daran zu erinnern, oder gar zu behaupten, dass dies die erste Ursache gewesen, wäre zur Lästerung, wo nicht zum Verbrechen geworden, das zum Scheiterhaufen führen konnte. Marie Aubin beteuerte aber noch im Alter von 65 Jahren, dass die Geschichte sich so, und nicht anders verhalten.
Der Kanonikus Mignon, den wir schon als Urban Grandiers erbittertsten Feind kennen, ward nach Moussauts Tode zum Gewissensrat der jungen Ursulinerinnen erwählt. Ein Mann von heftigen Leidenschaften, hochmütig, rachsüchtig, von nicht unbedeutenden Gaben, die er aber nur zu seinem Hange für die Intrigue verwandte und dabei alles aufbot, einen Heiligenschein der Frömmigkeit um seinen Scheitel zu breiten. Er wusste das Herz der alten, wie der jungen Nonnen zu gewinnen, und das der letzteren in einem Grade, dass, während jene ihm die Schreckenskunde von dem Poltergeiste vertrauten, diese ihn schon zum Vertrauten ihres Mutwillens machten. Mignon verbot ihnen weder dieses Spiel, noch verriet er es den armen Erschreckten. Als ein kluger Mann liess er einer Sache ihren Lauf, die ihn vorläufig nicht berührte, die ihm aber nützlich werden konnte. Der Augenblick schien jetzt da, wo der lange gehegte Racheplan gegen Urban Grandier ins Werk gesetzt werden könnte.
Der Schreck hatte wirklich auf die Nerven einiger unter den älteren Nonnen eingewirkt. Diese mochten Visionen haben; andere waren physisch krank, d. h. sie litten unter den beängstigenden Symptomen, denen unverheiratete und in strenger Keuschheit lebende Frauen oft unterworfen sind. Ihr Gewissensrat erklärte ihnen, das seien untrügliche Merkmale des Teufels, der in ihnen seinen Wohnsitz aufgeschlagen habe. Er nahm Beschwörungen mit ihnen vor, und da ihnen bekannt war, welche Schmerzen der böse Geist bei Anrufung des Namens Gottes oder bei Annäherung heiliger und geweihter Dinge empfinde, und es natürlich war, dass, was ihn verletze, er dem Körper, in dem er wohnte, mitteile, so fühlten sie bei den Beschwörungen ein Drücken, Stossen und Reissen, was notwendigerweise Verzückungen zur Folge haben musste.
Dieses Besessensein ward ansteckend. Die Priorin war für den Ruf ihres Klosters besorgt; denn Mignon machte ihr begreiflich, dass die Heiligen demselben kein besseres Geschenk hätten senden können; fromme und mitleidige Herzen würden, gerührt durch das Unglück der armen Mädchen, sie mit milden Gaben überschütten und das ganze Kloster dadurch in Ruf kommen. Seine Weissagung ging buchstäblich später in Erfüllung, nachdem die Priorin auch ihrerseits alles getan, dem Segen des Himmels den Weg zu bahnen.
Der Beichtvater stellte ihr das vorteilhafte Werk nebenbei noch als ein gutes vor, um das ein kluger Betrug sich nicht allein verwinden lasse, sondern im Grunde genommen auch gottgefällig sei. In Loudun lebten damals viele Protestanten. Wenn der Teufel nun mehrere Nonnen besässe und katholische Priester, kraft des Geheimnisses, an welches die Calvinisten nicht glaubten, die unsauberen Geister austrieben, so könne das nur zum Ruhm der heiligen Kirche ausschlagen und möglicher Weise auch einige verirrte Seelen in den Schoss derselben zurückführen. Ausser der Priorin wurden auf diese Weise noch zwei oder drei Nonnen für das Gott wohlgefällige Werk des Besessenseins gewonnen.
Mignon erteilte ihnen nun Unterricht in der Wissenschaft des Besessenseins, und machte sie auf alle Bedenklichkeiten und Schwierigkeiten aufmerksam. Ausgemacht sei es, dass der Teufel niemals in den Leib eines Menschen fahre, wenn er nicht ausdrücklich durch einen Zauberer hineingeschickt worden. Dies geschähe kraft eines Bundes (Pact), den der gottlose Mensch zuvor mit dem Teufel geschlossen. Man müsse also zunächst denjenigen ermitteln, von dem es wahrscheinlich sei, dass er diese teuflischen Neigungen hege, dermassen, dass man auch mit einiger Sicherheit auf ihn los inquirieren könne. – Wie im Nachdenken versunken, fuhr der Kanonikus im Gespräch mit der Priorin plötzlich auf, und hatte den Menschen gefunden. – Urban Grandier, der ruchloseste Bösewicht, der verabscheuungswürdigste Priester, der durch seine Ausschweifungen die vornehmsten Familien der Stadt entehre, die Stadt in Uneinigkeit und Unruhe bringe und dem ganzen Lande das grösste Ärgernis sei! Offenbar durch Zauberkünste habe er jetzt eben erst die Augen der Oberrichter verblendet, dass sie ihn, trotz der klaren Beweise seiner Schuld, freigesprochen. Wer also könne die Nonnen behext haben, als dieser wollüstige Priester? Doppelt Preis dem Herrn, wenn die Behexung und deren Austreibung die Wirkung habe, dass dieser Schändlichste aller Schändlichen entlarvt, das Land von ihm befreit und er vielleicht selbst zur Busse und zur Rückkehr zu Gott vermocht werde. Mignon stellte diese letztere Ansicht absichtlich der frommen Priorin, um ihren Glaubenseifer noch mehr zum Betruge anzufeuern. Dass Urbans Überführung oder Geständnis zum Scheiterhaufen führe, verschwieg er weislich dem schwachen Weibe.
Die Priorin und die vertrauten Nonnen gingen auf alles im besten Glauben und in der besten Absicht ein. Sie leisteten dem Beichtvater einen Eid der Verschwiegenheit; aber er bediente sich, als das Werk des Betruges im Gange war, noch ganz anderer Mittel, die armen Geschöpfe zu fortwährender Tätigkeit zu zwingen. Er stellte ihnen vor, dass, wenn sie widerriefen, sie sich selbst als falsche Anklägerinnen denunzierten, und jetzt wies er ihnen mit den lebendigsten Farben den Scheiterhaufen, der ihrer als Strafe harre; er wies auf Urbans unversöhnliche Gemütsart, der Himmel und Hölle in Bewegung setzen werde, sich an ihnen zu rächen.
Während das Gerücht von den besessenen Mädchen sich durch die Stadt verbreitete, wurden im Innern des Klosters die nötigen Vorbereitungen gemacht, um mit der Erscheinung vor die Augen der Welt zu treten. Mignon nahm nun im Innern des Klosters regelmässige Beschwörungen vor, bei welchen schon einzelne Einwohner von Loudun zugezogen wurden, um den bezweckten Schrecken über die Stadt zu verbreiten. Plötzlich erschien auch ein Kanonikus Barre aus Chinon in feierlicher Prozession an der Spitze seiner Parochialen vor den Toren zu Loudun. Fünf Meilen war er zu Fuss gereist, um seinem Konfrater in dem heiligen Werke der Beschwörung der Unglücklichen beizustehen, eine Vorbereitung, welche der Sache erst den gewünschten Eclat gab.
Barre war in Sinnesart und Neigungen Mignon nahe verwandt; nur dass er mit noch düsterer Glut und unersättlichem Ehrgeiz dem Namen eines Heiligen nachstrebte. Gegen 12 Tage bearbeiteten Beide insgeheim die Besessenen, um mit ihnen vor den Augen des Publikums erscheinen zu können. Dazu gehörte aber die Einwilligung, wenigstens die Zustimmung des auf seine Rechte sehr eifersüchtigen Bischofs von Poitiers. Dieser ward durch seinen Günstling, den Pfarrer Granger von Venier, ein übelwollender harter Charakter, von den Verbündeten aber nur deshalb miterwählt, weil er mit Urban in nicht unfreundschaftlichen Verhältnissen stand, also kein Verdacht der Parteilichkeit auf ihn fiel, um so leichter bearbeitet, als Urban seiner Sentenz getrotzt hatte, was er ihm nicht vergeben konnte.
Durch Granger ward am 11. Oktober 1632 dem Bailli der Landschaft, Guillaume von Cerisey, und dem Zivilleutnant Chauvet die offizielle Anzeige von zwei im Ursulinerkloster ohne allen Zweifel vom Teufel besessenen Nonnen gemacht. Beide wurden aufgefordert, von Amtswegen eine Sache zu untersuchen, welche in ihrem Fortgange das grösste Aufsehen erregen müsse.
Die beiden obrigkeitlichen Personen begaben sich ins Kloster, an dessen Türe sie Mignon, mit dem Chorhemde und der Stola angetan, empfing. Nach seinem Berichte wären die armen Nonnen vierzehn Tage lang durch Gespenster und fürchterliche Erscheinungen sehr geplagt worden und endlich hätten die bösen Geister sich in den Leibern der Priorin und zweier Nonnen festgesetzt. Zwar habe er, mit Unterstützung des Kanonikus Barre und einiger Karmeliter den bösen Geistern dermassen durch Beschwörungen zugesetzt, dass sie auf acht bis zehn Tage ihren Abzug nehmen müssen; allein in der vergangenen Nacht seien sie bei der Priorin und einer Laienschwester zurückgekehrt, und Beide wären in diesem Augenblick vollständig besessen. So viel er ermittelt, sei diese neue Besessenheit infolge eines Paktes, dessen Symbol einige Rosen wären, erfolgt. Das Symbol des älteren Bundes wären 3 schwarze Dornen gewesen. Der Teufel, der sich der Priorin bemächtigt, heisse Astaroth, der bei der Laienschwester Jubilon.
Schon wollten die Beamten wieder fortgehen, da Mignon ihnen sagte, die armen Mädchen schliefen in diesem Augenblicke. Aber eine Nonne kam schnell heruntergelaufen und sagte: sie seien wieder erwacht und ihre Zufälle wären aufs neue angegangen. Man verfügte sich in eine obere Kammer, wo sieben Betten standen, in deren einem die Priorin, in einem andern die Laienschwester lag. Die übrigen Nonnen, der Kanonikus Rousseau und der Wundarzt Manouri waren zugegen.
Die Priorin galt für eins der schönsten Mädchen; kaum aber dass sie die beiden Beamten erblickt, als ihre Züge sich so entstellten, dass ihr Anblick grässlich und fürchterlich war. Sie quiekte wie ein junges Schwein, und warf sich wie eine Rasende im Bette umher. Mignon steckte zwei Finger in ihren Mund, ohne Furcht vom Teufel gebissen zu werden, und nach verschiedenen, vom Ritual vorgeschriebenen Beschwörungsformeln, begann er mit dem Teufel im Leibe der Priorin das Verhör, auf welches der Dämon, nach dem Vorangegangenen, sobald die Beschwörung in der Ordnung war, antworten musste.
Frage: Propter quam causam ingressus es in corpus hujus virginis? (Aus welcher Ursach' bist du in den Leib dieser Jungfrau gefahren?)
Die Stimme: Causa animositatis. (Aus Hass.)
Frage: Per quod pactum? (Unter welchem Bundeszeichen?)
Stimme: Per flores. (Blumen.)
Frage: Quales? (Was für Blumen?)
Stimme: Rosas. (Rosen.)
Frage: Quis misit? (Wer sandte sie?)
Stimme: Urbanus. Dies Wort ward mit einigem Stocken ausgesprochen, als wäre dies Geständnis wie durch die äusserste Kraft des Exorcismus hervorgelockt.
Frage: Die cognomen. (Nenne den Zunamen.)
Stimme: Grandier. Auch dieser Name kam nur mit grosser Überwindung heraus.
Frage: Die qualitatem. (Nenne seinen Stand.)
Stimme: Sacerdos. (Priester.)
Frage: Cuius ecclesiae? (An welcher Kirche?)
Stimme: Sancti Petri. Auch dies kam schwer heraus.
Frage: Quae persona attulit flores? (Was für eine Person hat die Blumen gebracht?)
Nach dieser letzten Antwort kam die Priorin wieder zu sich und verlangte etwas zu essen. Die Beamten besprachen sich am Fenster mit dem Beschwörer und meinten, er habe die Besessenen auch nach den Ursachen des Hasses befragen sollen. Mignon entschuldigte sich, dass ihm jede vorwitzige Frage verboten sei.
Als man darauf der Laienschwester, gleichfalls einem sehr schönen Mädchen, die sich aber nicht minder grässlich verdrehte, dieselben Fragen vorlegte, machte sie mit der Hand eine abwehrende Bewegung und rief: »Der andern, der andern.« Ihr Teufel musste sich, vermutet man, nicht so sicher in der Latinität fühlen, um auf 8 lateinische Fragen immer die passende Antwort zu finden.
Der Vorfall wurde genau registriert, wobei sich ergab, dass derselbe schon früher mehrere Mal, und zwar Wort für Wort sich ebenso ereignet hatte, und zwar in Gegenwart des Maire der Stadt und des königlichen Prokurator Trinquant. Spötter meinten, wenn der Teufel überhaupt Latein verstehe, so dürfe man doch annehmen, dass er es gewiss besser rede, als die Priorin, die etwa wie ein Schüler aus der ABC-Schule geantwortet habe. Es sei überdem ein sehr einseitiger Teufel, der zu verschiedenen Zeiten und gegen die verschiedensten Personen immer nur dieselben Brocken hervorbringe, während des Teufels Wesen doch in Bosheit, Mutwillen und Zweideutigkeit sich dartue. Man meinte, die Priorin habe gerade geschwiegen, als das Latein ihres Teufels ausgegangen; drum habe nicht mehr nach dem Grunde des Hasses gefragt werden können. Auch begriff man nicht, weshalb man zu dieser offiziellen Beschwörung gerade die Karmeliter, Urbans Hauptfeinde, zugezogen, und fand es seltsam, dass wenige Tage zuvor sämtliche bekannte Feinde des Priesters sich in einem Dorfe, in Trinquants Hause, versammelt hatten.
Auch die beiden Beamten schienen von diesem Zweifel angesteckt. Als sie am folgenden Tage wieder ins Kloster kamen, stellten sie Mignon vor, dass bei dem Aufsehen, welches die Sache errege, es durchaus nötig werde, dass die Beschwörungen künftig nur in Gegenwart der Obrigkeit, und von Exorcisten, welche sie dazu erwählten, vorgenommen würden; indem seine, Mignons, Eigenschaft als Beichtvater der Nonnen und als notorischer Feind Urbans ihn im Publikum verdächtige. Mignon schien ganz willig den Befehlen der weltlichen Obrigkeit nachzukommen, dafür trat nun aber der »unparteiische« Barre auf und berichtete von unerhörten Dingen, welche ihm die arme Priorin bei einer Privatbeschwörung vertraut. Demnach waren nicht weniger als sechs Teufel in ihrem Leibe, die alle Urban Grandier hineingeschickt. Er habe sowohl die Rosen als die Dornen durch vertraute Leute über die Gartenmauer werfen lassen, und von da an sei der Teufelsspuk losgegangen. Als die Beamten an diesem Tage des Nachmittags zu den Besessenen traten, geriet die Priorin wieder in heftige Verzückungen, streckte die Zunge aus dem Halse, geiferte und schäumte. Als Barre sie fragte, wann der Teufel abziehen werde, antwortete sie: cras mane (morgen früh), wusste aber auf die andere Frage nicht rechten Bescheid zu geben, und stammelte endlich das Wort finis oder finit. Die Zweifler meinten, dass der eine der sechs Teufel, der an der Reihe zu antworten gewesen, sein Latein nicht recht inne gehabt und dem Kanonikus damit einen Wink geben wollen, aufzuhören. Die Priorin redete nun kein Wort mehr. Vergebens stellte man das Ciboire (das Behältnis der geweihten Hostie) ihr auf den Kopf; bei dem Namen gewisser Heiligen fuhr sie in furchtbarem Schmerz zusammen und als Barre ihr befahl, wie Herz und Seele, auch ihren Körper in die Hand Gottes zu übergeben, antwortete sie: der Teufel habe ihn und sie besitze keine Herrschaft mehr darüber. Erst nach geraumer Zeit kam sie wieder zu sich, ihr Gesicht wurde heiter und ruhig, sie sah den Exorcisten lächelnd an und sagte, der Satan sei nicht mehr in ihr. Von allem, was mit ihr vorgenommen, wollte sie nichts wissen. Doch gab sie genaue Auskunft davon, wie sie zum ersten Male bezaubert worden. Es sei Abends um 10 Uhr gewesen, als sie schon im Bette gelegen. Da hätte etwas ihre Hand ergriffen, sie geöffnet, drei schwarze Dornen hineingelegt, und die Hand ihr wieder zugedrückt. Weder sie noch die anwesenden Nonnen hätten etwas gesehen, aber die drei Dornen wären zu ihrem Schrecken in ihrer Hand geblieben und alle Andern hätten sie drin gefunden in der Lage wie der Unsichtbare sie hineingelegt.
Wie zur Bekräftigung ihrer Aussage, rauschte und kratzte es in dem Augenblicke hinter der Wand, eine Katze schoss aus dem Kamin und fuhr in wenigen Sätzen auf einen Betthimmel. Der böse Geist, ein Zauberer schien gegenwärtig. Viele zitterten und wurden blass, andere wollten fliehen; doch rissen zwei beherztere die furchtbare Katze herab, setzten sie aufs Bett der Priorin, und Barre griff sie mit den kräftigsten Beschwörungsformeln an. Der Exorcismus rührte aber die Katze nicht, sie blieb ruhig und freundlich auf dem Bette liegen, als hätte sie schon oft diesen Platz inne gehabt. Endlich kam man zur Überzeugung, dass das friedliche Tier die gewöhnliche Hauskatze war.
Dafür verbrannte man einen Strauss weisser verwelkter Rosen, durch welche das zweite Pactum geschlossen war. Alle Anwesenden rochen mit der angestrengtesten Aufmerksamkeit; zu ihrer grossen Verwunderung hinterliessen aber die Rosen nicht den geringsten infernalischen Gestank.
Anfänglich hatte Urban Grandier die Beschwörungen als eine lächerliche Komödie betrachtet, die mit Schimpf und Schande ihrer Urheber endigen werde. Als er aber den Ernst sah, mit dem man verfuhr, übergab er am 12. Oktober 1632 ein Memorial an den Bailli, worin er die ganze Sache als eine Betrügerei und das Werk Mignons darstellte, welchen er schon in einer anderen Sache der giftigsten Lästersucht überführt hätte. Er trug deshalb darauf an, dass man die vorgeblich Besessenen an einen abgesonderten Ort in genaue Aufsicht und Verwahrung nehme, sie, von einander abgesondert, befragen lasse, und wenn man fände, das der Exorcismus nötig wäre, andere Exorcisten von bekannter Ehrlichkeit, und nicht so verdächtige Leute wie Mignon und seine Anhänger dazu nehme. – Aus des Bailli Antwort: dass Barre die Beschwörungen auf Befehl des Bischofs von Poitiers vorgenommen, ersah er, dass man ihn an diesen verweise. Aber der Bischof empfing ihn weder persönlich, noch nahm er seine Beschwerden an, sondern verwies ihn an die königlichen Beamten, die ihm alle Gerechtigkeit widerfahren lassen würden. Urban sah nun wohl ein, dass das Wetter, das sich über seinem Haupte zusammenzog, mit jedem Tage fürchterlicher wurde. Der Maire von Loudun selbst, ein Edelmann Renatus Memin, reich, von grossem Einfluss, unter dem besonderen Schutz des Kardinal Richelieu, hatte sich zur Partei seiner Feinde geschlagen. Der Verfolgte gab also eine neue Klage bei seiner weltlichen Obrigkeit, dem Bailli wegen der ihm zugefügten Beschimpfungen ein, und bat, ihn unter königlichen Schutz zu nehmen. Der Bailli resolvierte auch, dass seinem Gesuche gewillfahret und männiglich untersagt werden solle, ihn mit Worten oder Tat zu misshandeln.
Mignon protestierte feierlich dagegen, er erkenne die Gerichtsbarkeit des Bailli in dieser Sache nicht an. Grandier sei Priester und Kanonikus so gut wie er, beide gehörten in einen Sprengel, und könnten daher keinen anderen Richter haben, als ihren gemeinschaftlichen Bischof. Er scheue das Licht und eine gerichtliche Untersuchung gar nicht und sei zum Beweis dessen bereit, sich in das Gefängnis des Offizialgerichtes zu stellen, und fordere seinen Gegner auf, sich auch dorthin zu begeben.
Der Bailli, ein verständiger und pflichtgetreuer Mann, liess sich, so lange keine höheren Rücksichten ihn hemmten, durch die Wut der Ankläger nicht abhalten, mit Umsicht und Gerechtigkeit die ärgerliche Sache zu untersuchen. Ihm und allen Vernünftigen musste es auffallen, dass der Kanonikus Barre beim Exorcismus am 12. Oktober den Beamten versprach: wenn sie am folgenden Tage wiederkämen, würde der Teufel verständlicher reden. Wie konnte der Beschwörer Ereignisse voraussehen, die von der Laune des Teufels abhingen? An diesem folgenden Tage liess er die Beamten eine Stunde in einem gegenüberliegenden Hause warten, angeblich weil die Nonnen in der Vorbereitung auf die Kommunion begriffen wären. Inzwischen hatte er, gegen das Verbot des Bailli, die Besessenen privatim exorcisiert und, wie er behauptete, den Teufel ausgetrieben. Der Bailli drückte ihm sein höchstes Erstaunen aus über die Frechheit, die Obrigkeit in corpore eine Stunde warten zu lassen und während dieser Zeit etwas zu tun, was dem direkten Befehl derselben entgegen war und den Verdacht des schändlichsten Betruges aufs neue errege. Barre hatte keine andere Entschuldigung, als dass alles, was er getan, auf die Verherrlichung des Namens Gottes abziele. Er versprach dafür in 8 Tagen eine grosse Begebenheit, die allen Zweifel entfernen würde, sowohl in Hinsicht der Besessenen als des Zauberers. Der Teufel werde sich dann gewiss bereit zeigen, seinen Befehlen zu gehorchen.
Aber der Teufel war ungehorsam, oder, wie die andern meinten ungelehrig, er zeigte sich nicht allein durch acht Tage, sondern einen ganzen Monat lang nicht. Erst am 22. November meldete er sich wieder, wo sich denn auch der Kanonikus Barre zu den Beschwörungen in Loudun abermals einfand. Als aber der Bailli ihm ausdrücklich verbot, die beiden Besessenen über Dinge zu befragen, die zu Grandiers oder eines anderen Schande gereichen könnten, protestierte jetzt auch Barre feierlich gegen diese Anmassung der weltlichen Obrigkeit in Dingen, wo nur sein geistlicher Oberer ihm zu befehlen habe. Und wirklich wies er einen Auftrag desselben Bischofs von Poitiers zur Fortsetzung der Exorcismen vor, welcher Urbans Beschwerden von sich und ihn an die bürgerliche Obrigkeit gewiesen hatte.
Die ganze Sache ging jetzt in einen versteckten Kampf der bürgerlichen und der geistlichen Obrigkeit über. Der Bailli mit den Gerichtsbeisitzern verordnete, dass Grandiers Gesuch nachgegeben werden müsse, und die Priorin sowie die Laienschwester jede besonders in ein Bürgerhaus unter genauer Aufsicht und unter Zugebung einer Nonne gebracht werden solle. Dort dürfe niemand als die Exorcisten, und zwar in Gegenwart anerkannt rechtlicher und unbeteiligter Personen, zu ihnen gelassen werden. Aber die Priorin erklärte, sie sei der Gerichtsbarkeit des Bailli nicht unterworfen, der Bischof sei ihr kompetenter Richter, und protestierte gegen die Sequestration ihrer Person, die ihrem Gelübde entgegenlaufe. Sie dürfe darnach nie ihre Klausur verlassen, wenn nicht ihr geistlicher Oberer sie davon dispensiere. Ähnliche Protestationen liefen von anderen angesehenen Männern und Frauen ein, welche im Kloster Verwandte hatten. Ja, sie drohten den Bailli für seine Person zu belangen, wenn er den ungerechten Befehl durchsetzen wolle. Der Gerichtsbeamte musste darauf ein neues Verfahren über die Rechtmässigkeit der bestrittenen Sequestration einleiten, was die Sache in immer weitere Kreise verwickelte.
Inzwischen wurde mit den Beschwörungen in der bisherigen Weise und in Gegenwart der Zivilbeamten fortgefahren, ohne grosse andere Resultate, als dass das Latein des Teufels immer mehr verdächtigt wurde. Barre forderte die Priorin auf: Adora Deum tuum, creatorem tuum (Bete deinen Gott an, deinen Schöpfer), und sie erwiderte richtig: adoro te (ich bete dich an), als er aber fragte: quem adoras? (Wen betest du an?) antwortete sie statt des Accusativus Jesum Christum, den Nominativus Jesus Christus! – »Das ist ein Teufel, der nicht viel Grammatik im Kopf hat«, rief ein Beisitzer des Gerichts. Der Beschwörer liess sich nicht aus der Fassung bringen, sondern wiederholte schnell die Frage in einer anderen Wendung, wo der Nominativ passte: quis est iste, quem adoras? (Wer ist es, den du anbetest?): jetzt aber antwortete die Nonne den Vokativ: Jesu Christe! Mehrere riefen, das sei doch auch für den Teufel zu schlechtes Latein, worauf Barre aber kühn behauptete: sie habe gesagt, adore te, Jesu Christe! (Dich bete ich an, o Jesus Christus!) Die Schwester Clara, die erst besessene Laienschwester, rief zwar fortwährend: »Grandier! Grandier!« mit Beschuldigungen gegen ihn, auch machte sie in Gegenwart aller so unzüchtige Bewegungen und stiess so unflätige Reden aus, dass billigerweise niemand an einer Anwesenheit des Teufels bei dem schönen Mädchen zweifeln konnte. Mit der Latinität ihres Teufels sah es aber nicht besser aus als bei der Priorin. Auf die Frage: durch welchen Bund ist der Teufel in dich gefahren? antwortete sie: duplex (zweifach), was keinen Sinn gab. Ein ander Mal, als man den Teufel in den Nonnen nach Grandiers Stand fragte, antwortete er: Curatus. Er machte aus dem französischen Curé ein lateinisches Wort, was wenigstens auf der Oberwelt nicht existierte. Als man ihn fragte: unter welchem Bischof dieser Grandier die Tonsur erhalten? antwortete der Teufel ganz treuherzig: nescio (ich weiss es nicht). Da es mit dem Latein so schlecht ging, forderte der Bailli den Exorcisten auf, er sollte den Teufel zwingen, alles das griechisch zu wiederholen, was er lateinisch so schlecht beantwortet; aber Barre mochte ihn noch so furchtbar beschwören, er wollte kein griechisches Wort von sich geben, und als er heftiger in ihn drang, kam die Nonne sehr bald wieder zur Besinnung; der Teufel war vor dem Griechisch entlaufen. Einmal brachte der Exorcist der Besessenen eine Hostie in den Mund und verbot dem Teufel, sie zum Erbrechen zu reizen. Der Teufel gehorchte, und der Pfarrer liess die Gequälte dreimal Wasser trinken. Ein Schottländer Stracan, der Direktor der Schule zu Loudun, verlangte, der Teufel sollte das Wort Wasser auf schottisch sagen. Die Priorin antwortete, was dem Teufel oft aus der Verlegenheit half: nimia curiositas (das ist eine vorwitzige Frage). Dennoch bestand man auf der Forderung des Schotten. Der Teufel wollte nun ohne Zweifel antworten: »Gott will nicht« (deus non vult); aber er versprach sich und rief: Deus non volo (der Gott ich will nicht). Der Exorcist konnte dies schlechte Latein nur dadurch entschuldigen, dass ihm die Forderung, der Teufel solle auch schottisch verstehen, doch allzu vorwitzig scheine.
Aber das Ritual bei Beschwörungen setzte ausdrücklich fest, dass das Vermögen, fremde Sprachen zu reden, und Sachen, die in den entferntesten Ländern vorgingen, im Augenblick, wo sie sich begeben, das untrüglichste Merkmal einer Besessenheit sei. Darauf verwies man ihn. Der Exorcist stellte dies nicht in Abrede, versicherte auch, der Teufel verstände recht gut die schottische Sprache, er wolle nur diesmal nicht schottisch sprechen. Er könne aber noch weit schwierigere Dinge als schottisch reden; so solle er auf der Stelle, wenn es den Herren gefällig, alle geheimen Sünden des Herrn Bailli herzählen. Dem Beamten war dies nicht gefällig, denn es war vorauszusehen, dass die besessene Nonne, voreingenommen gegen die weltlichen Gerichtsbeamten, alles mögliche Stadtgeklätsch zum Vorschein bringen würde. Dagegen meinte man, der Teufel könne sich durchaus nicht weigern, hebräisch zu reden, da dies eine tote und die älteste unter allen Sprachen sei, die er, bei seinem langen Leben sich jedenfalls und sogar zur Geläufigkeit müsse angeeignet haben. Aber selbst das einfache Wort Wasser zauderte er hebräisch zu nennen. Die Nonne stockte, und endlich sprach sie mit leiser zitternder Stimme einige Worte, von welchen alle näher Stehenden behaupteten, sie hätten gelautet: Ah! je renie! (Ach, ich widerrufe!) Aber ein Karmeliter, der in einem entfernten Winkel gestanden, versicherte, sie hätte gesagt: Zaquacq, welches ein hebräisches Wort sei, und so viel bedeute als: »Ich habe Wasser ausgeschüttet!«
Unsere Leser werden uns gern der Aufgabe überheben, aus den Protokollen dieses ersten Beschwörungsprozesses alle die immer wiederholten Beobachtungen aufzuzeichnen. Zu den zwei Hauptbesessenen waren schon jetzt noch einige andere gekommen, die in der Bezichtigung Grandiers als Urhebers ihrer Qualen übereinstimmten und seinen Namen zugleich mit Verwünschungen und ekelhaften Zumutungen überhäuften. Da die Besessenen sämtlich schöne Mädchen waren, meinten die Spötter, dass die Teufel in ihnen sehr geschickt, oder auch ungeschickt operierten, je nachdem es ihnen darum zu tun sei, ihren Erwählten, der, seiner Neigung zum weiblichen Geschlecht wegen, bekannt war, zu denunzieren. Alle Besessenen stockten in den Antworten auf Fragen, welche ihnen auf Anlass der Beamten vorgelegt wurden, dagegen gingen sie wie ein Peletonfeuer los, wenn der Exorcist aus seinem Kopfe fragte.
Man hatte, den gesetzlichen Vorschriften gemäss, die angesehensten Ärzte der Stadt bei der letzten Beschwörung hinzugezogen. Ihr Bericht ging dahin: dass sie zwar an der Priorin heftige konvulsivische Bewegungen bemerkt, ein Besuch sei jedoch nicht hinreichend, um zu untersuchen, ob die Ursachen natürlich oder übernatürlich wären. Um genau und nach ihrer Wissenschaft zu untersuchen, müsse ihnen möglich gemacht werden, Tag und Nacht sich bei den Besessenen aufzuhalten und niemand als einige Nonnen und Beamte zu denselben gelassen werden. Auch mussten sie allein ihnen Speise und Getränke reichen, niemand sie anrühren, noch sonst mit ihnen sich in Rapport setzen. Erst dann wären sie imstande, das Resultat ihrer Beobachtungen getreulich anzuzeigen.
Es stand nicht mehr in der Macht des Bailli, diesem vernünftigen Ansinnen, auf das auch Grandier mit aller Heftigkeit bestand, nachzugeben. Die Ankläger selbst hätten es unterstützen müssen, um eine Anklage gegen die Lauterkeit ihrer Gesinnung, die im Publikum sich immer deutlicher vernehmen liess, zu entkräften. Sie zogen es vor, bei mehreren Gelegenheiten durch die fürchterlichsten Schwüre die Reinheit ihrer Absichten und ihres Glaubens zu beteuern.
Indessen verfuhren der Bailli und die Gerichte doch mit aller Umsicht und aller Unparteilichkeit, welche die Umstände ihnen gestatteten. Durch ihre geschickten Zwischenfragen stellte sich heraus, dass die sechs Teufel, welche die Priorin besessen, auch in anderen Beziehungen sehr unwissend waren, und es auch trotz der mannigfachen Zuflüsterungen der Bettelmönche und der verbündeten Ankläger blieben. Einmal als der Teufel auf menschliche Weise in Erfahrung gebracht, dass ein Hugenotte in der Kapelle war, und sich darüber beschwert, liess ihn der Bailli fragen: wie viel Hugenotten in der Versammlung wären? Er antwortete dreist: ihrer zwei. Es waren aber nicht weniger als neun, und angesehene Leute zugegen. Ebenso falsch gab der Teufel der Priorin, auf Befragen, den Aufenthaltsort Urbans und des Bailli selbst, der erzürnt fortgegangen war, an. Da alle diese Kränkungen dem Teufel aber nur in Gegenwart der Beamten widerfuhren, so riefen alle besessenen Nonnen, sie wollten durchaus nicht mehr in Gegenwart des Bailli noch der anderen Personen exorcisiert sein.
Der Bailli berief in seiner Verlegenheit eine allgemeine Versammlung der Einwohner der Stadt, in der beschlossen wurde, an den Bischof von Poitiers und an den Generalprokurator zu schreiben, und, unter Einsendung der Registraturen sie zu bitten, durch ihre Gewalt und Weisheit dem ferneren Verlauf einer so ärgerlichen Kabale Einhalt zu tun. Der Generalprokurator antwortete statt des Bischofs, die Sache sei rein geistlich, das Parlament könne sich daher nicht darein mischen. Der Bischof gab gar keine Antwort, ernannte aber andere, Grandier feindliche Geistliche, um den ferneren Beschwörungen beizuwohnen, die dem Kanonikus Baré allein anvertraut wurden.
Die Sache fing indessen an, durch ganz Frankreich Aufsehen zu erregen. Die Königin, sehr begierig, den wahren Hergang der Sache, die sie nur aus den verworrensten Gerüchten kannte, zu erfahren, sandte ihren Almosenier Marescot nach Loudun, um die Sache aufs gründlichste zu untersuchen. Die weltlichen Beamten fürchteten, dass dieser Geistliche sich leicht durch Mignon und Barré könne gewinnen lassen; trotz des Protestes der Nonnen und dem Befehle des Bischofs wollten sie daher wenigstens als Zeugen bei der neuen Beschwörung sein, um über eine genaue Registratur aller Vorgänge zu wachen. An der Pforte des Klosters erklärte aber eine Nonne, man werde sie nicht einlassen; denn sie wären verdächtig, und hätten in der Stadt ausgesprengt, es sei mit den Besessenen nichts als Betrügerei und Erdichtung. Das mussten die ersten Gerichtspersonen in ihrer eigenen Stadt, auf offener Strasse sich sagen lassen. Dazu kam Barré in voller priesterlicher Kleidung, den Almosenier zu seiner Seite, und erklärte ihnen: er werde ihnen nicht verweigern, hereinzukommen, aber er werde tun, was ihm beliebe; er sei ein ehrlicher Mann, kenne die Pflichten eines Exorcisten und werde wissen, was ihm obliege, ohne sich durch obrigkeitliche Personen zu Fragen bestimmen zu lassen, welche bei der letzten Beschwörung ohne allen Grund davongelaufen wären. Der Bailli und die Seinigen unterliessen nicht, zu antworten, und ein ärgerliches Gezänk erfolgte auf offener Strasse, was damit endete, dass die Beamten mit der ohnmächtigen Verwarnung: er solle sich nicht unterstehen, irgend einen Menschen, wer es auch sei, zu verunglimpfen, sich entfernten. Barre schrie ihnen nach, sie hätten ihm nichts zu befehlen, und warf die Tür hinter ihnen zu.
Grandiers Sache schien schon damals verloren, als die Vertreter der Gesetze sich vor dem Einfluss der zu seinem Untergange Verbündeten und der Übermacht der Mönchspartei zurückziehen mussten. Die Beschwörer konnten jetzt, befreit von der Kritik lästiger Aufpasser, die Besessenen alles sagen lassen, was sie Lust hatten zu hören. Da erschien abermals, plötzlich als ein Retter in der Not, der Erzbischof von Bordeaux, Herr von Escoublas, in der Nähe von Loudun. Er schickte seinen Arzt in die Stadt, um die Besessenen zu untersuchen. Mignon, Barre und die Übrigen kannten den Charakter des helldenkenden Prälaten. Der Arzt wurde mit Aufmerksamkeit empfangen, er konnte aber nichts untersuchen, denn man kam ihm schon mit der trostvollen Nachricht entgegen, dass alle infizierten Nonnen wunderbarerweise und mit einem Male von den höllischen Geistern verlassen worden. Sämtliche Besessene, wie inspiriert durch die beseligende Nähe des Prälaten, waren ruhig und zufrieden und gesund, als hätte sich nie etwas Ausserordentliches mit ihnen ereignet.
Urban Grandier traute dem Frieden nicht, er bat aufs inständigste durch ein Memorial den Prälaten, die Sache nochmals, und aufs strengste, durch unbescholtene Personen untersuchen zu lassen. Der Erzbischof willfahrte diesem Gesuch, und erliess, unterm 27. Dezember 1633, eine merkwürdige Ordonnanz, deren Hauptbestimmungen folgende waren:
Zwei von ihm ernannte Jesuitenpatres sollten in Zukunft umwechselnd mit Barre, doch immer einer in Gegenwart des andern, die Beschwörungen verrichten. Die Besessenen sollten aus dem Kloster fortgenommen, ein besonderes Haus für sie gemietet werden. Keine andere Gesellschaft dürfte um sie bleiben, als eine unverdächtige, vom Teufel nicht angefochtene Nonne. Dann sollten drei der geschicktesten katholischen Ärzte sie behandeln und genau untersuchen, ob die angebliche Besessenheit in der Einbildungskraft, im dicken Blute und schlechten Säften ihren Ursprung habe, oder ob Bosheit und Betrug dahinter verborgen sei? Im letzten Falle wäre eine tüchtige Disziplin anzuwenden, um das Geständnis der schändlichen Kabale zu erhalten. Sollten aber wirklich übernatürliche Merkmale sich zeigen, als da wären: dass sie Gedanken in Worten aussprächen, die ein Exorcist dem andern ins Ohr sage; dass sie Dinge anzeigten, die sich in der Minute, da man mit ihnen redete, an entfernten Orten zutrügen, ohne Verdacht, dass die angezeigte Handlung vorher verabredet wäre; oder dass sie ein Gespräch von 8 bis 10 zusammengesetzten und verbundenen Worten in fremden Sprachen, von denen sie notorisch keine Kenntnis hätten, halten könnten; oder endlich, wenn sie imstande wären, mit gebundenen Händen und Füssen auf eine Matratze an der Erde gelegt, ohne jemandes Beihilfe (denn Alle mussten entfernt werden) sich frei, ohne irgendwo anzustemmen, in die Luft zu heben, und eine geraume Zeit sich dort schwebend zu erhalten; – wenn also einer dieser Fälle einträte, alsdann sollte man erst zum Exorcismus schreiten. Bei Strafe des Bannes werde jedem Priester untersagt, mit der Sache sich abzugeben, mit den Besessenen zu reden, oder sie anzurühren. Um aber auch den Freigeistern den Mund zu stopfen, solle von Ungeweihten niemand als der Bailli und Kriminalleutnant den Beschwörungen beiwohnen. Bei der bekannten Armut der Ursulinerinnen wolle übrigens der Erzbischof aus seinem eigenen Beutel alle Ausgaben behufs der Sequestration und der Exorcismen übernehmen.
Dieser, Milde und Weisheit atmende, Befehl bewirkte plötzlich, was alle Beschwörungen nicht vermocht. Sämtliche Teufel in den Leibern der Nonnen verhielten sich still, sie waren entflohen. Es war aus mit der Besessenheit in Loudun. Barre ging still nach seiner Pfarrei zurück, so die anderen Geistlichen; die Nonnen blieben ruhig in ihrem Kloster. Die Freisinnigen und Spötter bekamen Oberwasser. Die ersteren waren erbittert auf die Ursulinerinnen. Die Eltern nahmen ihre Kostgängerinnen zurück; man schickte nicht mehr junge Mädchen zu ihnen in die Schule. Selbst die vornehmen Verwandten der Nonnen schämten sich ihrer und wollten nicht gern von ihnen sprechen. Die armen Wesen hielten sich nun an ihren Beichtvater und betäubten seine Ohren mit Schmähungen und Vorwürfen, dass er sie getäuscht und, anstatt ihre zeitlichen Güter zu vermehren, sie in noch grössere Dürftigkeit versetzt habe ...
Kardinal Richelieu liess die Festungen und Burgen im Innern des Königreiches schleifen, damit die trotzigen Feudalherren und die aufsässigen Gouverneure der Provinzen in denselben keinen Stützpunkt mehr gegen die Regierung fänden. Die Belagerung dieser Festen hatte unter den französischen Königen einen guten Teil ihrer Regierungszeit hingenommen. Louduns Citadelle befand sich unter der Zahl derer, welche abgetragen zu werden bestimmt waren; wie man behauptete, mit der Nebenabsicht, auf Kosten Louduns die nahe gelegene neue Stadt zu vergrössern, welche Richelieu erbaut und die seinen Namen trug. Der Staatsrat von Loubardemont, die dienstfertigste, getreueste und geschmeidigste seiner Kreaturen, war zu diesem Zwecke nach Loudun geschickt. In allen Gesellschaften musste er die ärgerliche Geschichte von den besessen gewesenen Nonnen hören; ihm um so verdriesslicher, als seine eigene Verwandte, die Priorin, dabei eine besonders anstössige Rolle spielte. Grandiers Feinde wussten alle Schuld auf ihn zu wälzen, und Loubardemont, der in seiner Nichte von dem Priester Beleidigte, schloss sich den zu Grandiers Untergang Verbündeten an. Um die Autorität des Erzbischofs von Bordeaux zu übergipfeln, musste eine höhere Autorität gewonnen, Richelieu selbst musste in das Spiel gezogen werden.
Es geschah auf leichte Weise. Der grosse Staatsmann konnte durch keinen Widerstand, durch keine Schwierigkeiten aus seiner Ruhe gebracht werden, wohl aber durch Satire und Schmähschriften. Als Richelieu einst in Ungnade gefallen, war eine beissende Satire gegen ihn erschienen: Die schöne Schusterin, oder die Schusterin von Loudun betitelt. Richelieu war darin als girrender Schäfer lächerlich gemacht, der in einer schwachen Stunde seiner Geliebten alle anzüglichen Anekdoten aus seinem Leben erzählt. Der Kardinal hatte sich vergebens bemüht, den Verfasser zu ermitteln; desto fester hatte er in seiner Brust die Rache dafür dem Kalumnianten aufgespart. Durch Vermittelung des berühmten Kapuzinerpaters Joseph, denn alle Kapuziner waren gegen Grandier erbittert, wurde Richelieu die erste Mitteilung: es sei nicht allein ausgemacht, dass Urban Grandier Verfasser jener Schmähschrift sei, sondern dass er auch in heimlichem Verkehr und Schriftwechsel mit des Kardinals Feindin, der Königin Mutter, stehe. Eine bekannte Frau, niederer Herkunft, aus Loudun, die Hamon, welche sich des vollen Vertrauens der Königin erfreute, sei die Mittelsperson, und sie habe dem Priester im Auftrage der hohen Dame alle die kleinen Geheimnisse mitgeteilt, welche die Würze jener Satire ausmachten. Richelieus Gemüt war durch diese Nachricht, so wie nur die Verbündeten es wünschen konnten, vorbereitet, als Loubardemont von seiner Mission zurückkehrte und dem Kardinal die entsetzlichsten Dinge von den Besessenen in Loudun hinterbrachte, Dinge, die er alle mit eigenen Augen angesehen. Es sei unzweifelhaft, dass Grandier ein Erzzauberer wäre, der die armen Nonnen mit teuflischer Bosheit gequält und noch immer weiter quälen werde, wenn nicht endlich die Obrigkeit mit Kraft und Entschiedenheit dem Unwesen steuere.
Richelieu, der nie unentschlossen war, war es ganz gewiss nicht, wo es einen verhassten Feind zu züchtigen galt. Er schien auch in den Massregeln, die er schnell ergriff, vollkommen durch das, was aus Loudun in dem Augenblicke nach allen Seiten hin verlautete, gerechtfertigt; denn sobald Herr von Loubardemont von da abgereist, kamen alle die Teufel, welche durch die Ordonnanz des Erzbischofs von Bordeaux verjagt waren, zurück und brachten noch eine grössere Gesellschaft mit. Ausser der Priorin und der Schwester Ebra waren noch fünf andere Nonnen besessen (possédées), sechs mit teuflischen Anfechtungen geplagt (obsédées) und drei behext (maléficiées). So aber hatte das Übel in der Stille um sich gegriffen, dass auch ausser dem Kloster, in der Stadt, sechs Mädchen besessen, zwei geplagt und noch zwei behext waren; alle aber Beichtkinder des Kanonikus Mignon. Auch in Chinon, des Exorcisten Barre Parochie, hatten sich zwei Teufel bei zwei Betschwestern einquartiert.
Da musste wohl Richelieu helfen. Das Conseil erteilte dem Herrn von Loubardemont den Spezialauftrag, dem Kanonikus Grandier und seinen Mitschuldigen den Prozess zu machen wegen Zauberei, Bundes mit dem Teufel und wegen aller seiner anderen Verbrechen. Dabei sollte er sich durch keinen Widerspruch, durch kein Protestieren und Appellieren, es sei von wem oder wohin es wolle, irre machen lassen; vielmehr werde ihm völlige und unbeschränkte Macht über die Person besagten Grandiers erteilt und alle Behörden angewiesen, ihm nötigenfalls mit bewaffneter Macht beizustehen.
Mit dieser Ordonnanz erschien Herr von Loubardemont am 6. Dezember 1633 abends in der Vorstadt von Loudun, ganz in der Stille, nur Grandiers Feinde erhielten Nachricht und Zutritt. Dem Leutnant des Prevôt wurde der Auftrag, den Pfarrer Grandier in aller Frühe am nächsten Morgen zu arretieren. Der Leutnant, ein Herr de la Grange, gehörte nicht zum Komplott. Er fand Mittel, den Priester zu warnen. Grandier dankte ihm für seine Grossmut, erklärte aber: er vertraue auf seine Unschuld und auf Gottes Barmherzigkeit und werde nicht fliehen.
Die Verhaftnahme war ein Fest für seine Feinde. Sie erfolgte gerade, als Urban in die Mette gehen wollte; alle Beteiligten hatten sich dazu eingefunden, sich an der Demütigung ihres Feindes zu weiden und zugleich den Leutnant zu überwachen, dem man nicht traute. Vier Monate musste Grandier im Schlosse von Angers sitzen. Hier waren seine Beschäftigungen nur Gebete und geistliche Betrachtungen. Er bekannte seinem Beichtvater die wirklichen Vergehungen, deren er sich schuldig gemacht und äusserte seine vollkommene Ergebung in den Willen Gottes. Dieser sein Beichtvater, Kanonikus Bacher, gab das vorteilhafteste Zeugnis von Urbans Seelenzustande ab, was indessen seine Richter unberücksichtigt liessen.
Der Angriff ermangelte jeder rechtlichen Form. Urban war verhaftet, ohne dass ein Anklage-Instrument gegen ihn vorlag, er wurde zur Untersuchung gezogen auch wegen Vergehen, die längst abgeurteilt waren. Gerade dies Überspringen der gesetzlichen Formen lag aber im Plane. Die Verfolgung sollte den Anschein gewinnen, als ginge sie vom Könige aus, um seine Verteidiger abzuschrecken, allen seinen Feinden aber neuen Mut zu machen. Seine Schriften boten den Verfolgern wenig oder keinen Anhalt. Man fand nur zwei Blätter Verse von sehr freiem Inhalt und die schon erwähnte Abhandlung gegen das Cölibat, welche er einer ungenannten Freundin gewidmet hatte, zur Beruhigung ihrer Gewissensskrupel. Von Hexerei war nichts darin, vielmehr lautete der Schluss, in Versen, folgendermassen:
Si ton gentil esprit prend bien cette science
Tu mettras en repos ta bonne conscience.
Unter den Schriften konfiszierte man aber auch alle diejenigen Dokumente, welche zu seiner Verteidigung hätten dienen können, trotz aller Widersprüche seiner Mutter und übrigen Angehörigen. Mit dem Verhöre der Zeugen wurde gleichfalls in einer heftigen, voreingenommenen Art verfahren. Der königliche Prokurator Richard schlich sich um Mitternacht in ein Haus, zwei Weiber zu verleiten, gegen Grandier ein Zeugnis abzulegen, was er ihnen mitteilte. Der eigene Schwiegersohn desselben, der Advokat Fournier, der bei der Kommission die Stelle eines königlichen Prokurators vertreten musste, war darüber so entrüstet, dass er seine Stelle niederlegte. Weder dieser, noch andere Schritte, von Grandiers Bruder, der jetzt Gerichtsrat in Loudun war, unternommen, halfen, um den Richtern das Unbillige und Ungesetzmässige ihres Verfahrens in den Sinn zu rufen. Loubardemont ging ganz offen nur mit den Feinden des Verklagten um, und suchte nicht einmal mehr den ungerechten Verhandlungen einen Schein des Rechtes zu geben. Er hörte auf keinen Widerspruch, zerriss die ihm eingereichten Appellationsschedula, ja verbot den Gerichtsdienern bei Strafe dergleichen Schriften ferner anzunehmen. Er vernahm alle Zeugen in Gegenwart von Grandiers Feinden, liess, was sie zu Gunsten desselben aussagten, nicht protokollieren, ja entliess sie, wenn sie es getan, mit Drohungen, die andere zurückschrecken sollten. Auch der Bischof von Poitiers verfuhr, geistlicherseits, mit derselben Ungerechtigkeit. Durch einen Befehl unterfing er sich, gegen seinen geistlichen Oberherrn, den Erzbischof, alle in dessen Ordonnanz gegebenen weisen Massregeln aufzuheben. Kein Rekurs dagegen; alle Wege waren versperrt für die Stimme des Verfolgten. Von den Kanzeln herab erging ein Monitorium, worin die angeblichen Verbrechen des Angeschuldigten (der dabei gegen allen Brauch mit Namen genannt wurde) mit den schmutzigsten Ausdrücken und Bildern verlesen wurden, mit der Aufforderung an die Gemeinde, was Jeder davon wisse, anzuzeigen.
Erst am 2. Februar 1634 wurde Grandier durch Loubardemont und den Stellvertreter des Bischofs, Demourant, in Angers vernommen. Sieben Tage dauerte das Verhör und der Verklagte widersprach sich nicht ein einziges Mal; das Einzige, was er einräumte, war die Autorschaft der Schrift gegen das Cölibat. Darauf fand es Loubardemont für gut, auf zwei Monate nach Paris zu reisen, den Prozess ruhen und den Angeschuldigten ohne Verhör im Gefängnis schmachten zu lassen. Nach der Zeit brachte er dafür einen neuen Beschluss des Conseils mit, durch welchen alle und jede Appellation verboten und allen Parlamenten, sowie jedem anderen Richter aufs strengste untersagt wurde, sich in den Prozess zu mischen.
Loubardemont, nunmehr unumschränkter Herrscher über Urbans Schicksal, liess ihn nach Loudun bringen und in ein seinem Todfeinde Mignon zugehöriges Haus einsperren, wo er Tag und Nacht durch die listige Frau des Gerichtsdieners Bontem belauscht wurde. Was er redete und tat, ward von dieser den besessenen Nonnen hinterbracht, deren diabolisches Kenntnisvermögen auf diese Weise um ein Bedeutendes anwuchs. Alles war wohl vorbereitet und es kam nunmehr nur darauf an, der ganzen Sache einen Anstrich von Wahrheit und Gerechtigkeit zu geben. Auch damals schon hielt man das bei einer ungerechten Sache für wenn nicht nötig, so doch ratsam.
Die besessenen Nonnen, es waren jetzt schon ihrer neun, wurden dem Scheine nach sequestriert, d. h. in Häusern untergebracht, wo sie von Angehörigen und Vertrauten des Komplottes behandelt wurden, und es fand nach wie vor die lebhafteste Kommunikation zwischen ihnen und den Exorcisten statt. Alle Protestationen Grandiers gegen ein Verfahren, welches ihm nicht unbekannt blieb, waren vergebens. Auch die zum Schein hinzugezogenen Ärzte waren unwissende Dorfbarbiere, Charlatans und sonst anrüchige Charaktere. Einer der angenommenen Wundärzte, Manouri, war Mignons Neffe und der Schwager einer Besessenen. Der zur Beschaffung der Arzneien für die Nonnen von Loubardemont bestellte Apotheker Adam aber war einer der früheren Ankläger Grandiers, und als solcher wegen überwiesener Verleumdung durch das Parlament zur Kirchenbusse verurteilt worden. Die Wahl gerade dieses Mannes, um die nötigen Arzneien den Kranken zu verabreichen, sprach im Auge des Unbefangenen mehr als alles über die Art des Verfahrens, das man gegen den Verklagten einschlagen wollte. Adam, wie später erwiesen, verwechselte die Medikamente und gab statt beruhigender Mittel Verzückungen erregende.
Bei den Zeugenvernehmungen machte Grandier dem königlichen Kommissar einen seltsamen Vorschlag. Er erinnerte an einen Fall aus der Geschichte der Kirchenväter. Der heilige Athanasius war auf dem Konzilium zu Tyrus durch ein Weib angeschuldigt worden, dass er Gewalt an ihr verübt habe. Athanasius hatte sie nie gesehen; ein Freund, der Priester Timotheus, befreite ihn auf eigene Weise von der schändlichen Anklage und setzte die volle Unschuld des Heiligen dadurch ins hellste Licht. Als das Weib vor der vollen Versammlung erschien und ihre Anklage öffentlich wiederholte, stand Timotheus auf und rief sie mit lauter Stimme an: »Was, Du unterfängst Dich, mich zu beschuldigen, dass ich Deine Ehre raubte?« – »Ja, Du und kein Anderer ist der Räuber meiner Unschuld und Ehre,« rief das Weib, und wiederholte zugleich Umstände, Zeit und Ort, wie es geschehen. Die heilige Versammlung brach in ein lautes Gelächter aus, und damit war die Untersuchung, wenigstens was den heiligen Kirchenvater betraf, beendet. – Grandier wollte, da keine von den Besessenen ihn von Person kannte, ein ähnliches Probestück mit sich aufführen lassen. Mehrere mit ihm gleichgekleidete Priester sollten den Besessenen sich zeigen; durch ein ähnliches Verfahren werde die Wahrheit und seine Unschuld sich am klarsten herausstellen. Der Vorschlag, der für ihn unter den obwaltenden Umständen, von den misslichsten Folgen hätte werden können, ward jedoch nicht angenommen.
Die öffentlichen Beschwörungen hoben nun wieder an. Derselbe Offizial, welcher das erste Erkenntnis gegen Grandier abgefasst und ein Franziskaner, der Pater Lactantius, waren die Exorcisten. Beide hatten mehrere Tage mit den Besessenen in einem Hause gewohnt! Pater Lactantius, der aus der Vorgeschichte wusste, wie wenig Latein der Teufel der Priorin verstehe, befahl ihm, immer nur französisch zu antworten. Man hielt dies für eine unangemessene Höflichkeit gegen ein Wesen, das auf gar keine Höflichkeit Anspruch zu machen hätte, zumal da der Teufel alle Sprachen reden müsse. Lactantius aber erwiderte: der Bund sei einmal auf die Art gemacht, dass der Teufel nicht lateinisch reden dürfe; auch gäbe es Teufel, die unwissender wären, als der dümmste Bauer.
Wie die Rotte der Teufel in den Besessenen, so mehrte sich auch die Zahl der Exorcisten, die von allen Seiten herankamen. Da erschienen vier Patres Kapuziner, Lucas, Tranquillus, Protasius und Elias; zwei Karmeliterväter: Saint Thomas und Saint Mathurin; alle begierig, in Gastrollen sich Ruhm zu erwerben. Auch der historisch berühmte Pater Joseph begab sich zu diesem Zwecke nach Loudun, stand jedoch von seinem Vorhaben ab, da der kluge, welterfahrene Mann einsah, dass ein Triumph vor dem Pöbel noch keinen Sieg vor der Welt verspreche.
Sämtliche Exorcisten stellten den Satz auf: ein Teufel, der gehörig beschworen worden sei, befinde sich gezwungen, die Wahrheit zu sagen. Die Konsequenzen dieses Satzes mussten furchtbar sein, wie sie es denn auch wurden.
In vier Kirchen fanden die Beschwörungen statt, wo jeder der Exorcisten die auf seinen Anteil gefallenen Besessenen bearbeitete. Von den Ärzten und Apothekern wurden während des Prozesses 26 Berichte zu den Akten gegeben, alle mit dem Resultate: die Dinge, die sie gesehen, wären übernatürlich, und überstiegen ihre Kenntnisse und alle Grundsätze der Heilkunde.
Die Grundsätze der Latinität überschritt es auch, als die Priorin am 23. April auf die lateinische Frage: wie oft (quoties?) ihr der Teufel in Gestalt einer Katze, eines Hundes, Hirsches und Bocks erschienen sei? antwortete: »Ich habe den Tag nicht eigentlich gemerkt.« Beim Vorüberführen vor Grandiers Gefängnishause wollte die Priorin, gleich einem scheuen Pferde, nicht von der Stelle, weil der Zauberer seine Arme aus dem Fenster strecke. Bei der Untersuchung ergab sich aber, dass dies sogenannte Fenster so klein war, dass Grandier auch nicht einmal die Hand durchstecken konnte.
Grandiers Wächterin hatte ihm (25. April) abgelauscht, dass er sich beim Brotschneiden am linken Daumen geritzt hatte. Die Priorin brachte darauf ein Stückchen Papier und Tropfen Blutes zum Vorschein, als Zeichen eines neuen Bundes, durch den Urban ihren einen Teufel Asmodi wieder in ihr mächtig gemacht habe. Der Staatsrat von Loubardemont stürzte sogleich nach Grandiers Gefängnis, konnte aber kaum die geringe Blutspur an dem Körper des Verhafteten entdecken. Indessen erinnerte sich der Teufel bei dieser Gelegenheit, durch den Mund der Priorin, dass er an Urbans Leibe fünf verschiedene Merkmale angebracht habe, die denselben an den Orten, wo sie wären, ganz unempfindlich machten. Folgenden Tags (26. April) ward Urban besichtigt. Man zog ihn nackend aus, verband ihm die Augen und schor ihm alle Haare ab. Der Wundarzt Manouri besichtigte mit einer Sonde, ein Eisen, das an einem Ende rund, am andern spitzig war. Wollte er zeigen, dass Grandier an einem Orte des Leibes unempfindlich und undurchdringlich sei, so brauchte er das runde Ende; so viel er auch stiess, das Fleisch widerstand und drängte das Eisen zurück. Sollte ein Ort empfindlich sein, so wusste er mit Taschenspielerkunst das Eisen in der Hand umzuwenden, und stach mit dem spitzen Teile durch das Fleisch bis auf die Knochen. Wenn das unglückliche Opfer vor Schmerz aufschrie, so zog der Wundarzt den richtigen Schluss, Urban sei an diesem Orte empfindlich geblieben. Zu diesem barbarischen Schauspiele waren Zuschauer gelassen worden. Alle waren von Mitleid durchdrungen, nur Herr v. Loubardemont blieb ruhig. Die Priorin hatte am Tage vorher die unverwundbaren Teile nicht anzugeben gewusst, am Tage darauf hatte ihr Teufel ihr wenigstens drei derselben angezeigt. Konnte Urban Grandier, ruft Pitaval aus, in den Umständen, in welchen er sich damals befand, Lust empfunden haben, noch einen neuen Bund mit dem Teufel zu machen, da er doch wohl einsah, dass die Teufel wider ihn waren und sich nicht geneigt fanden, seine Geheimnisse zu verschweigen?
Zuweilen foppte auch der Teufel, der in der Priorin sass, die Exorcisten und Richter. Befragt: wo Grandiers Zauberbücher lägen, nannte er den Namen einer Dame, mit der der Pfarrer eines unerlaubten Umgangs bezichtigt ward. Man fand nichts. Er ward heftig gescholten. Nun nannte er die Nichte der Dame; diese hätte sie fortgeschleppt. Aber die Nichte ward betend in der Kapelle gefunden, und nur ihr Andachtsbuch bei ihr. Eines Tages hatte er garnicht geantwortet. Am folgenden Tage darüber zur Rede gestellt, entschuldigte er sich, er habe gerade gestern zu Paris die Seele eines Parlamentsrates zur Hölle bringen müssen. Auch nannte er den Namen des Parlamentsrates; auf eingezogene Erkundigung ergab sich indes, dass kein Parlamentsrat in Paris gestorben sei, ja auch keiner des Namens dort gelebt habe. Derselbe ungeschickte Teufel beschuldigte auch Grandiers Bruder, den Gerichtsrat in Loudun, dass er ein Zauberer sei, und der Unglückliche ward auf das Zeugnis eines so unzuverlässigen Dämons eingezogen und bis nach Urbans Tode im Gefängnis behalten. Die Zweifler meinten, weil der Gerichtsrat durch sein Ansehen und seine Schriften möglicherweise seinem Bruder helfen könnte.
Die sieben Teufel in der Priorin – so viel waren jetzt in dem einen schwachen Leibe des schönen jungen Mädchens – versprachen oft Dinge, die sie nachher nicht halten konnten. Im Mai verhiess der eine, er wolle sie zwei Fuss hoch von der Erde in die Luft heben. Pater Lactantius forderte ihn auf, sein Versprechen zu erfüllen; er zauderte aber. Eines Tages schien es dazu zu kommen. Ein Zuschauer hob den Rock der Nonne ein wenig in die Höhe und man sah, dass sie mit einem Fusse sich an den Boden stemmte. Der Teufel Beherit in der Priorin wollte die Ehre seiner Brüder wiederherstellen. Er erdreistete sich, zu versprechen, dem Herrn von Loubardemont das kleine Käppchen vom Kopfe zu nehmen und es so lange in der Luft frei schwebend zu erhalten, als man Zeit brauche, den Psalm Miserere zu beten. Der Tag oder vielmehr der Abend, wo es geschehen sollte, kam heran. Viele Kerzen strahlten durch das Dunkel der alten Kirche, der Herr von Loubardemont sass unruhig auf seinem Stuhle, aber wie auch der Pater Lactantius den Beherit beschwor und ihm fluchte, die Kappe blieb auf dem Kopfe des Herrn von Loubardemont ruhig sitzen. Hieran hatte der Teufel Beherit keine Schuld, vielmehr einige junge Leute denen es auffiel, dass der Stuhl des Herrn von Loubardemont gerade unter einer der Gewölbeöffnungen stand, durch welche man die Kronenleuchter herablässt. Sie waren unbemerkt hinaufgeschlichen und hatten sich um das Loch postiert. Als der Diener des Teufels mit einem langen Pferdehaar und Angelhäkchen ankam, liess er sich durch die unerwartete Anwesenheit der nicht bestellten Wächter scheuchen, und die bewusste Kappe blieb auf dem Kopfe des Herrn von Loubardemont.
Ernsthafter schien es zu werden mit der Austreibung der drei Teufel Asmodi, Gresil und Aman aus dem Leibe der Priorin, die Pater Lactantius auf den 20. Mai versprochen hatte. Alle drei sollten bei ihrem Abmarsche eine Wunde in der linken Seite der Besessenen, ein Loch in ihrem Hemde, eins in ihrem Unterleibchen, eins in ihrem Gewande zurücklassen. Die Stellen, wo die Wunden vorbrechen würden, waren im voraus angegeben, ihre Länge, im voraus abgemessen, gleich der einer Stecknadel. Es solle alles ohne Täuschung, ohne äussere Beihülfe hergehen, versprachen die Exorcisten dem nach den bisherigen Vorfällen immer misstrauischer gewordenen Publikum. Dieser versprochene merkwürdige Auftritt fand in der Kirche zum heiligen Kreuze in Gegenwart einer ungeheuern Menge von Zuschauern statt. Die drei Teufel wurden zwei Stunden lang durch Kreuz- und Querfragen in französischer und lateinischer Sprache geängstigt, bis sie sich endlich unter den mächtigen Beschwörungsformeln zum Aufbruch rüsteten. Die Priorin war zuvor genau von den Sachverständigen besichtigt worden, ob sich keine Wunden in ihrer Seite, keine durch und durchgehende Öffnung in ihrem Hemde, noch in den Falten ihres Habits ein schneidendes Instrument finde. Alles dies vor den Augen von hunderten, wo nicht tausenden von Zuschauern. Sie wand sich darauf unter grässlichen, das Gefühl verletzenden Verzückungen wie ein Knäuel, bis die drei Teufel hinaus waren. Dann atmete und sprang sie, wie aus einem Traume erwachend, auf, sank aber sogleich wieder, die Arme über die Brust kreuzend, zusammen, ächzte tief auf und zog plötzlich die Hand, die unter dem rechten Busen gelegen, mit blutigen Fingerspitzen hervor! Es war vollbracht. Allerdings fand man ihr Leibchen und Gewand an zweien, das Hemde an drei Orten durchschnitten, die Löcher von der Länge einer Fingerdicke, desgleichen die Haut unter der linken Brust geritzt, allein diese Wunden waren so leicht, dass sie kaum durch die Haut gingen, die grösste hatte nur die Länge eines Gerstenkorns. Ein Gemurmel ging durch die Zuschauer, das nur zu deutlich ihre Zweifel aussprach. Entschieden protestierte einer derselben, freilich ein Protestant, Marcus Duncan, ein schottischer Edelmann, der, ein berühmter Arzt, Professor der Philosophie und das Haupt des Kollegiums der Protestanten zu Saumur war, noch in der Kirche gegen das Verfahren; denn gegen die Verheissung der Exorcisten waren die Arme der Besessenen nicht auf dem Rücken gebunden worden. Alle Unbefangenen blieben der Überzeugung, dass die Priorin sich selbst mit leichter Mühe die unbedeutenden Wunden entweder mit einer verborgenen Messerspitze geschnitten oder mit dem Nagel gekratzt habe. Loubardemont selbst musste ausrufen: »Das hinkt!« Zu den Akten liess er indes die Austreibung, als durch die Wundenmale erwiesen, aufnehmen. Duncan aber liess, sobald er nach Saumur zurückgekehrt war, ein Buch: »Wider die Besessenheit der Ursulinernonnen zu Loudun« drucken, in dem er seine Zweifel an der ganzen Sache, freilich von dem Standpunkte seiner Zeit aus, niederlegte. In einer Zeit, wo sein eigener König Jakob Werke über das Verfahren gegen Hexen mit gründlicher Gelehrsamkeit schrieb, durfte niemand das ganze Fundament der Dämonologie und ihrer sichtbaren Macht auf die sterblichen Menschen umwerfen; er musste sich damit begnügen, in diesem einen Falle die Anwesenheit und Tätigkeit der bösen Geister zu bestreiten. Eines seiner Argumente, dass die drei Teufel nicht durch diese Wunden und Ritzen im Hemde davon gegangen sein könnten, war sehr praktischer Natur. Jene Ritzen im Habit, Leibchen, Hemde und Körper waren zuvörderst offenbar geschnitten. Der Teufel, wenn er davongeht, hinterlässt aber in der Regel Brandmale, nicht geschnittene Öffnungen; und wenn er seines natürlichen Feuers sich enthielte, so würde er in seinem Schmerz und Unmut eher reissen, als mit einem Federmesser oder einer Scheere schneiden. Demnächst aber waren die Schnitte in den Gewändern und dem Hemde weit grösser als die Wunden, so dass es den Anschein hatte, als wären die Teufel eher hinein- als hinausgegangen, nachdem sie sich durch die äussere Gewandung Luft gemacht. Eine Kugel verliert an Kraft, je weiter sie dringt. Ein Teufel muss denselben physikalischen Gesetzen unterworfen sein. Nachdem er also den Körper, aus dem die Angst ihn hinaustrieb, nicht zerrissen hatte, sondern durch ein unbedeutend kleines Loch ins Freie geschlüpft war, bedurfte es durchaus nicht dieser grossen Löcher im Hemde und Kleide. Vielmehr ist ein solcher unnützer Kraftaufwand, wenn er überhaupt noch Kraft hatte, bei seiner derzeitigen Gemütsstimmung durch nichts zu erklären, zumal man annehmen kann, dass, wenn der Teufel einmal im Freien war, er garnicht mehr nötig gehabt hätte, die Kleider zu zerstören, sondern auf bequemere Weise unter Rock und Hemde hätte entwischen können. Duncan setzte sich dieser Schrift wegen den heftigsten Verfolgungen des mächtigen Loubardemont aus, und nur ein gleichmächtiger Mäcen, der Marschall von Brezé, konnte ihn in Frankreich schützen.
Da indessen auch unter der katholischen Bevölkerung in Loudun sich lautes Missvergnügen über die ungezogenen und dummen Teufel aussprach, beschloss Pater Lactantius am folgenden Tage ihre Ehre zu retten. Er fragte den Balaam, einen der vier im Leibe der Priorin gebliebenen Teufel, warum Asmodi und die andern beiden ausgetriebenen Teufel gerade in dem Augenblicke ausgefahren wären, als Gesicht und Hände der Besessenen nicht sichtbar gewesen, die Ungläubigen daher leicht Grund gefunden hätten zu zweifeln. »Darum«, antwortete der Teufel, »damit der grösste Teil der Zuschauer in seinem Unglauben und seiner Herzenshärtigkeit bleiben soll«. Dies gab dem Beschwörer einen erwünschten Text, den Anwesenden zum Gewissen zu reden: dass, wenn sie sich ernst fragten, ihr eigener Unglaube und ihre Unbussfertigkeit der eigentliche Grund sei, weshalb die Teufel ihnen allen so wenig Achtung bei ihren Antworten bezeugten. Nach dieser Doktrin wurden die Beschwörungen sehr leicht. Sagten die Teufel richtig aus, so waren es Wunder, durch welche Gott seine Macht in seinen Dienern verherrlichen wollte, misslang etwas, so waren nicht die Teufel, sondern der Unglaube der Zuschauer daran schuld.
Es war verbreitet worden, dass sechs der stärksten Menschen nicht imstande wären eine Besessene fest zu halten. Duncan allein unternahm es. Er hielt die rechte Hand der Priorin, und sie konnte nur mit der linken Seite ihre Verzückungen machen. Der Exorcist befahl ihr, sich umzudrehen. Sie antwortete unwillig: »Ich kann nicht, er hält mir ja den Arm.« – »Lassen Sie ihr den Arm frei«, rief der Pater. »Wie sollen denn Verdrehungen zum Vorschein kommen, wenn Sie ihr die Glieder festhalten?« – Duncan rief mit lauter Stimme: »Wenn sie den Teufel im Leibe hat, muss sie stärker sein als ich.« – »Ein wie guter Philosoph Sie auch sein mögen«, entgegnete Lactantius, »so ist das doch ein falscher Schluss; denn ein Teufel ausser einem menschlichen Leibe ist viel stärker als Sie, aber in einen menschlichen Leib getan, sind seine Handlungen und Ausbrüche der Stärke des Körpers angemessen, den er besitzt.« – Der Schotte hatte die Hand der Priorin so stark gedrückt, und der Teufel ihr so wenig geholfen, dass die Hand folgenden Tages wund wurde und man ihn bat, die Schwester Agnes nicht so stark anzufassen.
Der 13. Junius, bis wohin seit dem 20. Mai nichts vorgefallen, wurde durch ein mächtiges Wunder verherrlicht. Der Teufel spie einen Federkiel von Fingerslänge aus dem Munde der Priorin und am 18. Juli noch einen seidenen Knopf.
Um Mitte Juli kam der Bischof von Poitiers selbst nach Loudun, um den Beschwörungen die letzte Weihe zu geben. Nicht um die Besessenheiten zu untersuchen, sei er gekommen, erklärte der Prälat, sondern, um alle, die noch zweifelten, zu überführen. Es ward als erwiesen vorausgesetzt, dass Grandier ein Zauberer sei, und von dieser Zeit an durfte sich niemand mehr merken lassen, dass er an der Wahrheit der Geschichten zweifle, wenn er nicht Gefahr laufen wollte, für Grandiers Mitschuldigen gehalten zu werden. Wer so unvorsichtig war, seinen Unglauben zu verraten, ward mit scheuem Auge betrachtet, man mied ihn, wie Einen, der unterm Banne lag.
An einem heissen Sommertage ward Urban Grandier endlich selbst zur Konfrontation mit den Besessenen in die Kirche zum heiligen Kreuz geführt. Er benahm sich mit der vollen Würde eines christlichen Priesters, als man ihm allerhand dumme und abscheuliche Gegenstände vorlegte, welche die Bundeszeichen sein sollten, vermittelst deren er seine Teufel in die Leiber der Nonnen gejagt hätte. Eines davon fiel erst, inmitten der Versammlung, vom Gewölbe der Kirche herab. Durch ein anderes sollte er den Beherit verhindert haben, sein versprochenes Wunder zu erfüllen, dass die Kappe des Kommissars in der Luft schwebe u. s. w. Urban antwortete ruhig, ihm seien alle diese Gegenstände fremd. Wenn es wirklich in der Welt ein Ding gäbe, das man einen Teufelsbund nenne, so verstehe er wenigstens nicht die Kunst, es zu machen.
Nun kamen die Besessenen, 11 an der Zahl, ins Chor der Kirche, und mit ihnen ein Schwarm von Kapuzinern, Karmelitern und Franziskanern. Die Mädchen, sobald sie den Pfarrer erblickten, liefen auf ihn zu, bezeigten ihre Freude, ihn zu sehen, nannten ihn ihren Meister und machten tausend Affensprünge um ihn her. Lactantius mahnte mit feierlicher Stimme die Umstehenden, zerknirschten Herzens die Wunder mit anzusehen, die Gott, zum Siege seiner Kirche, durch die Teufel selbst bewirken werde, und zugleich für die Erlösung der armen Nonnen zu beten.
Die in unseren Augen seltsamste Operation, berechnet auf den Eindruck, den sie auf die noch Ungläubigen durch den Anschein von Gerechtigkeit machen sollte, hub nun an. Lactantius wandte sich an Urban: »Du bist zur Zeit noch ein geweihter Priester und Pfarrer. Deine Pflicht erfordert daher, zur Beförderung der Ehre Gottes, die Besessenen zu beschwören, dass ihre Qual endlich aufhöre. Versuch es, wenn der hochwürdige Bischof Dir die Erlaubnis giebt, und den Bann, worunter Du liegst, so lange aufheben will!«
Der Bischof war bei diesem Possenspiel zugegen und spielte mit. Er nickte Gewährung. Grandier empfing die Stola und das Ritual, warf sich vor dem Bischof auf die Knie, küsste seine Füsse und erhielt von ihm den Segen.
Er wollte den Anfang mit dem Exorcismus bei der Schwester Katharina machen. Aber die übrigen Besessenen plärrten zu furchtbar. Der Versuch bei der anderen wurde auf dieselbe Weise vereitelt. Er wollte die Priorin griechisch beschwören, aber sie lachte: »Ei wie fein Du bist. Du weisst doch, dass die erste Bedingung zwischen Dir und mir war, dass wir niemals griechisch antworten sollten!« – Endlich, nach vielen Verhandlungen, erbot sich die Besessene, sie werde antworten, in welcher Sprache er wolle. Aber als er zu fragen anhub, erhoben alle Besessenen wieder ein solches Geschrei und Geheul, krümmten, wanden sich, schossen Purzelbäume, stürmten auf Grandier los, schrieen ihn als Urheber ihrer Leiden an, und drohten ihn zu erwürgen, sodass man anscheinend Mühe hatte, sie von ihrem mörderischen Vorsatze abzubringen.
Grandier verriet nicht die geringste Furcht. Scharf sah er die Besessenen an, beteuerte, er sei an diesen Auftritten unschuldig und bat Gott, seine Unschuld ans Licht zu bringen. Er flehte darauf inständigst den Bischof und die Kommission an, sie möchten zur Verherrlichung der göttlichen Ehre und zur Befestigung des Ansehens der Kirche den Teufeln befehlen, ihm auf der Stelle den Hals umzudrehen, als sicherstes Zeichen, dass sie Macht über ihn hätten, vorausgesetzt, dass die Nonnen ihn nicht mit ihren Händen berühren dürften. Allein man ging nicht darauf ein, um das Ansehen der Kirche nicht den listigen Anschlägen des Höllenfürsten blos zu stellen, da dieser vielleicht im voraus dem Pfarrer einen Revers gegeben, dass er es nicht tun werde.
Die Exorcisten geboten darauf den Teufeln Stillschweigen und verbrannten im Kohlenbecken alle eingebrachten Bundeszeichen. Ein Augenzeuge schreibt über die ganze grässliche Possenszene: »Es ist unmöglich, alles das mit Worten auszudrücken, was damals in die Sinne fiel. So viele Furien machten auf Augen und Ohren einen Eindruck, der gewiss nicht seinesgleichen gehabt hatte. Wohl war keiner von allen Anwesenden, dessen Seele von Furcht und Erstaunen frei geblieben wäre.«
Grandier allein blieb kaltblütig, sang die Kirchengesänge mit der Gemeinde. Mancher wollte sagen, aber er durfte es nicht: er werde von einer Legion Engeln beschirmt. Als die Besessenen aufs neue auf ihn losstürzen wollten, um ihn zu erdrosseln oder wenigstens zu zerkratzen, erwiderte er ruhig: »Ich bin weder euer Meister noch euer Knecht; aber woher kommt es, dass ihr mich in dem Augenblick erdrosseln wollt, da ihr mich für euren Meister erklärt?« Diese Gelassenheit steigerte nur die Hitze der Besessenen. Sie schleuderten ihm ihre Pantoffeln an den Kopf. »Das sind ja Teufel, die sich ihre Hufeisen abreissen,« rief er in bitterem Hohn. Nur den Anstrengungen und den starken Armen der Zuschauer gelang es, den Mänaden diesmal ihr Opfer zu entreissen und Urban ungefährdet in sein Gefängnis zurückzubringen.
An einem der folgenden Tage erklärte der Teufel in der Priorin, er werde morgen denjenigen Ungläubigen, der die Wahrheit der Besessenen leugne, bis an das Gewölbe der Kirche schleudern. Der Abbé Guillet, der zugegen war, schwieg still. Am andern Tage aber rief er mit lauter Stimme in der Kirche: er glaube nicht allein nicht an die Besessenheiten, sondern lache aus ganzem Herzen über die vorgeblichen Teufel, und fordere sie auf, ihre Drohung an ihm zu erfüllen. Der Teufel tat dies nicht, aber Herr von Loubardemont wollte nun den frechen Ketzer in Verhaft nehmen. Der Abbé (später als Schriftsteller bekannt durch sein lateinisches Gedicht die Callipaedia, auch durch satirische Verse gegen Mazarin, die dieser ihm grossmütiger verzieh als Loubardemont ihm seinen Unglauben) musste nach Italien fliehen, wo er sich unter den Schutz des französischen Gesandten, Marschall d'Estrées, begab.
Der Teufel litt noch verschiedene andere Demütigungen, die für unsere Leser aufzuzählen überflüssig wäre. Der Unwille im Publikum wuchs mit den erneuten Beschwörungen, welche die scheusslichsten, unflätigen Beschuldigungen über andere Einwohner und Einwohnerinnen der Stadt, die nicht zum Komplott gehörten, verbreiteten. Er wurde so laut, dass der königliche Kommissar am 2. Juli 1634 eine Ordonnanz des Inhalts an allen Strassenecken anschlagen liess: dass jedermann, wes Standes oder Würden er sei, untersagt werde, weder von den Nonnen und anderen von bösen Geistern besessenen Personen, noch von den Exorcisten oder deren Gehilfen übel zu reden, oder auf irgend eine Art nachteilig zu sprechen, wo es auch sei, oder auf was für Art es geschehe, bei 10 000 Livres Geldstrafe, oder nach Befinden noch härter und mit Leibesstrafe.
Mit diesem seltsamen Censuredikte hörte alle Aussicht auf Verteidigung für Grandier auf. Die Exorcisten konnten sich ungescheut den grössten Albernheiten, der augenfälligsten Willkürlichkeit überlassen. Einzelne Exorcisten sah man mit der auf ihr Loos gefallenen schönen Besessenen Lustreisen aufs Land machen, paarweise, um sie in der reinen Luft und der Frische des einsamen Waldes zu kurieren. Niemand wagte etwas dagegen zu sagen.
Hätte noch etwas die furchtbare Verfolgung hemmen können, und wäre es möglich gewesen, nach diesen Präparaten die Bosheit der Verfolger zu Schanden zu machen, so trat schon am nächstfolgenden Tage nach jener Ordonnanz der Fall ein. Die Schwester Clara, zum Exorcismus in die Kirche gebracht, fing dort bitterlich an zu weinen, und erklärte frei und öffentlich: Alles, was sie seit 14 Tagen gesagt, wären Unwahrheiten und Lästerungen; alles, was sie ausgesagt, wäre ihr vom Pater Lactanz, von Mignon und den Karmelitern vorgeschrieben worden, und wenn man ihr nur Schutz und Sicherheit verspreche, wolle sie noch mehr ans Licht bringen.
Satan ist mächtig, hiess es. Sie ward augenblicklich fortgebracht und zu Hause zum Widerruf bearbeitet. Aber wenige Tage darauf abermals in die Kirche geführt, um die Rolle der Besessenen weiter zu spielen, verfiel sie zum zweiten Mal in die einer Reuigen. Durch ihr Beispiel aufgemuntert, überkam auch die Schwester Agnes ein heroischer Mut. Sie legte laut das nämliche Bekenntnis ab, und bat alle Anwesenden flehentlich, sie aus der schrecklichen Gefangenschaft zu erlösen, unter deren Sündenlast sie erläge. Man wollte ihr das Abendmahl aufzwingen. Sie sträubte sich, sie sei zu der heiligen Handlung nicht ruhig genug. Man drang ihr die Hostie auf. »Eben der Teufel ist es, der diesen Widerstand in Dir erregt,« rief der Exorcist. Die armen Mädchen sahen, dass sie auf keine Hilfe zu rechnen hatten. Sie überliessen sich ihrer Verzweiflung und riefen laut: sie wüssten wohl, was sie zu erwarten hätten, dass man sie unmenschlich misshandeln werde, weil sie das grosse Geheimnis ausgeplaudert; aber sie wollten Gott und der Wahrheit die Ehre geben, möge auch daraus werden, was da wolle. »Der Teufel redet aus ihnen!« riefen die Exorcisten einstimmig und schafften die beiden Nonnen fort.
Ja, die Priorin selbst verfiel in diese Gewissensangst. Am Tage nach einem ihrer furchtbaren Wutausbrüche, in welchen sie Grandier zur Zielscheibe ihrer entsetzlichsten Vorwürfe gemacht, lief sie im Hemde, mit blossem Kopfe, einen Strick um den Hals und eine Kerze in der Hand, in den Hof des Klosters, blieb daselbst, beim heftigsten Regen, zwei Stunden stehen, und als endlich die Tür des Sprechzimmers geöffnet wurde, wo der Exorcist eine andere Nonne verhörte, stürzte sie hinein, fiel ihm zu Füssen und schrie, sie wolle das Unrecht büssen, das sie begangen: »Ich habe Grandier unschuldig angeklagt.« Sie lief dann in den Garten, knüpfte den Strick an einen Baum, und hätte sich erdrosselt, wären nicht die übrigen Nonnen noch zu rechter Zeit beigesprungen.
Schien es doch fast, als sollte ein Rückschlag eintreten, und staue der Strom des Unsinns und der fanatischen Wut an einer Gegenströmung. Aber dieser Rückstrom war zu ohnmächtig, er kam zu spät. Auch eine Besessene aus der Stadt, namens Mogret, versicherte während des Exorcismus, Grandier sei unschuldig, sie bitte Gott um Vergebung, dass sie einen Mann der Zauberei beschuldigt, von dem sie nichts Unrechtes wisse. Sie flehte den Bischof, sie flehte den Kommissar an, sie beteuerte mit der gerührtesten Stimme, es zwinge sie, ihr Gewissen zu erleichtern und dies Bekenntnis abzulegen. Der Kommissar lachte. Der Bischof versicherte, dies sei ein neuer Kunstgriff des Menschenfeindes, die Herzen der Ungläubigen immer mehr zu verhärten, um aus diesem einen Fall seiner Niederlage eine Reihe von Siegen und eine reiche Ernte sich erblühen zu sehen. Ein so bequemes Werkzeug war der dumme Teufel in den Händen des geistlichen Herrn. Brachte er etwas vor, was Grandier verdammen konnte, so redete er die Wahrheit, sprach er etwas, was zu dessen Verteidigung diente, so log er in heimtückischer Absicht. Wie sein Ausspruch zu interpretieren sei, darüber entschied das Machtwort des Herrn von Loubardemont oder der Wille des Bischofs.
Endlich erklärte man die Untersuchung für geschlossen. Ein Kommissionsgericht wurde zur Fällung des Urteils niedergesetzt. Die Beisitzer waren Räte von verschiedenen Landgerichten, Kriminalleutnants und Zivilleutnants bei denselben. Das Andenken der Männer ist verschollen, die solch ein Urteil fällen konnten; andere blutige Ströme haben die Namen von ihren Leichensteinen abgewaschen; es ist kein Dienst der Nemesis erwiesen, sie aus den Akten wieder ans Tageslicht zu ziehen. Vielleicht glaubten sie ihre Pflicht zu tun.
Noch fühlten doch auch diese Untersuchungs- und diese Spruchrichter, dass ihnen eine Autorität entgegenstehe, die frühere Untersuchung und deren Protokolle, durch den Bailli von Loudun geführt. Man versuchte daher alles mögliche, auch diesen Beamten selbst zu verdächtigen, um die Glaubwürdigkeit seiner Protokolle zu schwächen. Der Kanonikus Barre, dem es nicht gelungen war, bei den zweiten Exorcismen in Loudun wieder einen Platz zu erhalten, hatte inzwischen die Besessenen in seinem Chinon, die dort aufzutreiben ihm geglückt war, privatim exorcisiert, und alle hatten wider Grandier ausgesagt und auch den Bailli bezichtigt. Man legte diesem ausserdem Schlingen; man suchte ihn in ein simuliertes Komplott zur Befreiung Grandiers zu verwickeln, was aber an seiner Klugheit scheiterte. Die Besessenen mussten ihn, seine Gattin und Verwandten als Hexen und Zauberer angeben. Aber der Unwille darüber war in ganz Loudun zu gross, da er ein Mann von der anerkanntesten Rechtschaffenheit und von unzweideutiger Gottesfurcht war, dass auch ein Loubardemont nicht weiter gegen ihn zu gehen wagte.
Die rechtlichen Leute in der Stadt wussten voraus, welches Erkenntnis zu erwarten stand, wo die Richter, unter diesen Einflüssen gewählt, den Satz voranstellten: wenn der Teufel gehörig beschworen worden, ist er gezwungen, die Wahrheit zu sagen. Es war also alles Wahrheit, was die Besessenen gegen Grandier vorgebracht, und damit war sein Urteil gesprochen. Der Bürger empfand die Gefahr, in welche die Konsequenz dieses Satzes ihn selbst führen konnte, und man versuchte ein letztes Mittel zur Abwehr. Unterm Schall der Glocken wurden die gesamten Bürger am 8. August 1634 auf dem Rathause versammelt und man setzte ein Memorial an den König auf, worin sie mit den kräftigsten Worten gegen den Missbrauch, welchen die Exorcisten in ihrem Amte getrieben, protestierten. Fragen wären aufgeworfen worden, die nichts anderes zum Zweck hätten, als die besten Familien in der Stadt zu beschimpfen. Blos auf die Aussage einer der Besessenen sei Herr von Loubardemont in die Wohnung einer Dame gedrungen und habe alles durchsucht, um Zauberbücher zu finden. Andere Damen habe er in der Kirche aufgerufen und zu Hause bei verschlossenen Türen nackt ausziehen lassen, um Hexenzeichen bei ihnen zu finden. Sie protestierten gegen den gefährlichen Satz von der absoluten Wahrheit, die der richtig beschworene Teufel aussagen müsse, da sie durch die Lehre Jesu Christi, durch seine Apostel, die Kirchenväter und durch die Sorbonne verdammt sei, und, werde sie doch als richtig angenommen, jeder rechtschaffene Mann fortan der Gefahr ausgesetzt sei, ein Opfer der Bosheit eines Teufels, oder vielmehr eines Besessenen zu werden. Sie baten, dass die von Loubardemont und den Exorcisten darüber publizierte Schrift von der Sorbonne untersucht und ihnen gestattet werden möge, gegen das Verfahren an das Parlament zu appellieren.
Konnte ein Ansinnen billiger sein? Ob die Eingabe bis zu den Augen des Königs kam, wird nicht gesagt, aber unter dem Schall der Trompeten, um dem Schall der Glocken des Stadthauses ein Gegenstück zu bieten, ward ein Dekret verlesen, worin der Beschluss der Stadtversammlung für null und nichtig erklärt wurde und als Versuch, den Pöbel zum Aufruhr anzureizen. Dem Bailli und den Schöppen ward untersagt, irgend eine Versammlung zu gestatten, worin über Sachen beratschlagt werde, die in das Gebiet der Kommission gehörten. Richter über die Exorcisten sei die Kommission allein, an sie allein seien Klagen anzubringen, und sie behalte sich vor, auch über das gesetzwidrige Beginnen im Stadthause Klage zu erheben.
Damit war jede Hilfe von aussen abgeschnitten, der Mutigste war eingeschüchtert. Es wäre überflüssige Arbeit, nach diesen Vorgängen noch die sämtlichen Willkürlichkeiten zu erwähnen, die Pitaval als Verletzungen des französischen Gerichtsgebrauchs aufführt. Der unglückliche Grandier tat, was er sich und seiner Ehre schuldig zu sein glaubte, indem er alle Rechtsformeln zu seiner Verteidigung benutzte, im Innern hatte er sich längst verloren gegeben. Die Sache war so weit gekommen, dass man ihn als Zauberer verurteilen oder ein ganzes Kloster voll Nonnen, Canonici, Weltgeistliche und Mönche, ja vielleicht auch einen Bischof und Staatsrat als wissentlich falsche Angeber dieses Verbrechens bestrafen musste. Wohin die Wagschale fallen werde und dass das letztere an Unmöglichkeit grenzte, war unschwer zu entscheiden.
Bevor man zum Urteilsspruch schritt, der längst bei den Richtern fertig war, sah man einen jeden derselben sich schon einige Tage durch äusserliche Religionshandlungen dazu vorbereiten. Es wurden öffentliche Umgänge und Messen gehalten, die Sakramente ausgesetzt, kurz nichts vergessen, was dem Volke Sand ins Auge streuen und es glauben machen konnte, dass das Interesse der Religion und der Kirche die einzige Triebfeder sei.
Im Karmeliterkloster war die feierliche Sitzung, in welcher das Erkenntnis abgefasst wurde, eines, gegen welches alle Bluturteile, die unter der Schreckensregierung Frankreichs ergingen, wie milde Züchtigungen einer väterlichen Gewalt erscheinen. Man hat gewagt, damals »Auszüge der bei Grandiers Prozesse vorgekommenen Beweise« drucken zu lassen, ein Buch, welches die öffentliche Meinung belehren sollte. So hatte man schon damals eine unbewusste Scheu vor einer Macht, die man nicht kannte, während nur die Willkür mit den losgelassenen Trabanten des Fanatismus, die dienstbaren Gesetze knetete und formte. Ein Widerspruch war nicht erlaubt. Diese Auszüge aus den Beweisen sollten die Entscheidungsgründe rechtfertigen. Pitaval, zwar in einer Zeit lebend, welche das Urteil längst verdammt hatte, muss sich doch noch die Aufgabe stellen, diese Entscheidungsgründe zu widerlegen, indem er seine Zeit preist, »wo man keinen Fall dieser Art mehr befürchten dürfe«. Sollen wir uns glücklich preisen, dass wir in einer Zeit leben, wo es auch dieser Widerlegung nicht mehr bedarf? Für uns hier ist es wenigstens überflüssig, die Entscheidungsgründe in einem Prozesse aufzuführen, der nach unsern Ansichten jeden Grundes entbehrt. In der Hauptsache sind sie in der obigen Geschichtserzählung mit einverwebt.
Das Urteil lautete: Da Urban Grandier des Verbrechens der Zauberei und vieler anderer Verbrechen zur Genüge überführt, solle er mit blossem Haupte, einen Strick um den Hals, in der Hand eine brennende Kerze, an zwei Kirchtüren Kirchenbusse tun, auf den Knieen Gott, den König und die Obrigkeit um Verzeihung bitten, demnächst auf einen Scheiterhaufen gesetzt, an einen Pfahl gebunden und mit allen noch vorhandenen Zauberbundeszeichen und Charakteren, samt der Handschrift der von ihm verfassten Abhandlung wider den ehelosen Stand der Priester, lebendig verbrannt und seine Asche in die Luft gestreut werden. Von seinem zu konfiszierenden Vermögen solle eine Kupferplatte gekauft, gegenwärtiges Urteil darauf gestochen und die Tafel in der Kirche der Ursulinerinnen an einem erhabenen Orte zum ewigen Andenken aufgehängt werden. Auch solle besagter Grandier, vor Vollstreckung dieses Urteils, auf die ordentliche und ausserordentliche Tortur gebracht werden, um ein Bekenntnis seiner Mitschuldigen zu erhalten.
Sobald dies Urteil unterzeichnet war (18. August 1634), sandte Loubardemont seine Leute zum Abholen des Gefangenen und zugleich einen Wundarzt mit. Es war nicht der grausame Manouri, der ihn so unmenschlich bei Aufsuchung seiner Hexenmale gequält – grausamer als die Schicklichkeit es auszumalen uns erlaubte –, vielmehr ein fremder Arzt, um noch zum letzten Male den Anschein von Unparteilichkeit zu retten. Aber Manouri ging mit. Als Urban ihn erblickte, rief er: »Kommst Du, Henker, mir vollends das Leben zu nehmen? Hast Du nicht genug an meinem Leibe gemartert? Nun so zerfleische mich ganz.«
Der Wundarzt musste dem Gefangenen alles Haar auf dem Kopfe, im Gesicht und am ganzen Leibe abscheeren. Als aber einer der Richter verlangte, er solle ihm auch die Augenbrauen abnehmen und die Nägel abreissen, erklärte Forneau – so hiess der Chirurg – keine Gewalt auf Erden solle ihn dazu zwingen; zitternd vor Entsetzen bat er Urban um Vergebung, dass er Hand an ihn legen müsse. »Ich glaube gern«, sagte Urban, »dass Sie der einzige sind, der noch Mitleid mit mir hat.« Forneau flüsterte ihm zu: »Sie sehen nicht das ganze Publikum.«
Nachdem man ihm die Kleider abgerissen, ihn noch einmal nackend durchsucht und zerstochen und statt der Kleider einen alten schmutzigen Kittel übergezogen hatte, wurde Grandier in einer Kutsche in das Gerichtshaus gebracht. Auf den Stühlen der Richter sassen vornehme Damen, zu diesem Schauspiele geladen. Oder hatten sie sich dazu gedrängt? Loubardemonts Gattin voran. Die galanten Richter standen hinter den Lehnen, der königliche Kommissar selbst sass auf dem bescheidenen Stuhle des Sekretärs.
Der furchtbare Zauberer – denn das war Urban Grandier –; sein Anblick allein, ein Blick seines tiefen dunklen Auges hatte Mädchen das Blut in Wallung gebracht und bei ehrbaren Frauen sündhafte Wünsche erweckt. Das war erwiesen, und war diese Zauberei ein Verbrechen, dann hätte er zehnfach den Tod verdient. – Jetzt kniete dieser mächtige Zauberer, mit gebundenen Armen, im alten zerrissenen Kittel, blass, abgemagert, entstellt, ein Bild des Erbarmens, vor dem Kreise stolzer Schönheiten und bezauberte keine mehr. Mit einem Fusstritte stiess ihm der Sekretär den Hut vom Kopfe, da er ihn selbst nicht mehr abnehmen konnte. Der Pater Lactanz und die Franziskaner exorcisierten Luft, Erde und den knieenden Sünder selbst.
»Wende Dich um, Elender, und bete dort das Kruzifix an,« redete ihn der Sekretär an. Grandier tat es in Ehrerbietigkeit. Die Augen gen Himmel, verrichtete er ein stilles Gebet. Der Sekretär verlas das Urteil und – zitterte. Grandier zitterte nicht. Ohne die geringste Gemütsbewegung hörte er die grausame Sentenz, dann redete er seine Richter an: »Bei Gott, dem Vater, dem Sohne und heiligen Geist, und bei der gebenedeiten Jungfrau, bezeuge ich, meine Herren, dass ich niemals ein Zauberer gewesen bin, niemals heilige Orte und Sachen entweiht habe, noch von der Zauberei weiss, als was die heilige Schrift davon weiss, die ich stets gepredigt habe. Nie hatte ich einen andern Glauben, als den unserer heiligen Mutter, der katholischen, apostolischen, römischen Kirche. Ich entsage dem Teufel und allem seinem Wesen, ich bekenne meinen Erlöser und bitte ihn, dass sein Blut auch an mir nicht verloren sei und ich durch sein Verdienst Vergebung meiner Sünden erlangen möge. Sie, gnädige Herren, flehe ich an, mildern Sie die Schärfe meiner Strafe, dass meine Seele nicht in Gefahr komme, in Verzweiflung zu fallen.« Zwei Stunden darauf hielt Loubardemont eine geheime Unterredung mit ihm. Grandier erhob sich stolz vor seinem Henker in die Brust: »Ich habe keinen Mitschuldigen, da ich selbst unschuldig bin.« Nur unter dieser Bedingung, dass er sie nenne, hatte man ihm Milderung verheissen.
Man schritt, sogleich nach der Unterredung, zur Folter. Diese ist von der Art, dass wir einige schwache Leserinnen, wenn sie bis zu dieser Stelle gekommen wären, ersuchen, hier inne zu halten, oder weiter zu blättern. Wir selbst bekennen, dass uns die Feder in der Hand stockte. Die an sich grausame Torturart, auch sonst gebräuchlich, wurde hier, von Wut entbrannten Kannibalen gehandhabt, in der Exekution bis aufs äusserste Mass des Entsetzlichen getrieben.
Man legte beide Beine Urbans zwischen zwei starke Bretter und schnürte diese mit Stricken, so fest es nur irgend möglich war, zusammen. Hierauf wurden Keile zwischen Beine und Bretter mit einem grossen Hammer eingetrieben; vier Keile bei der ordentlichen, acht bei der ausserordentlichen Folter. Loubardemont schienen die gewöhnlichen Keile nicht stark genug. Er schalt auf den Scharfrichter, drohte ihn zu strafen, wenn er nicht stärkere herbeischaffte. Mit vielen Schwüren beteuerte der Henker, er habe keine stärkern Keile. Hierauf fingen die Franziskaner und Kapuziner an, die Marterwerkzeuge zu beschwören. Ja, die Unmenschen vereinigten sich zu einer neuen Doktrin, um den Wollustkitzel ihrer eigenen Grausamkeit zu entschuldigen. Dem Teufel sei es ein leichtes, einem unheiligen Weltmenschen, wie der Scharfrichter, zu widerstehen. Sie selbst rissen ihm daher den Hammer aus der Hand und kühlten ihre Lust, indem sie aus vollen Kräften auf die Keile hämmerten. Grandier sank mehre Male, übermannt vom Schmerze, in Ohnmacht. Verdoppelte Schläge weckten ihn wieder. Seine Henker liessen nicht eher nach, die acht Keile tiefer und tiefer einzutreiben, als bis beide Beine völlig zerschmettert waren und das Mark aus den Röhren floss. Er wusste den entsetzlichen Schmerz zu bewältigen; keine Verwünschung, keine Klage. Noch während der Marter hatte er ein Gebet zu Gott gesprochen, dessen Inbrunst den Leutnant des Prevot so rührte, dass er es nachschrieb. Loubardemont verbot ihm, es irgend jemand zu zeigen. Man drang in ihn zu bekennen. »Ich bin kein Zauberer, kein Gottesverächter.« Seine fleischlichen Vergehungen, zu denen er sich hinreissen lassen, bekannte er; er sagte, er habe sie gebeichtet und gebüsst. Kein Schmerz, keine Drohungen konnten ihn bewegen, die Namen der Frauen zu nennen, mit denen er Umgang gepflogen.
Im Ratszimmer lag der Zerschmetterte auf Stroh. Er sah unter den Umstehenden einen Augustiner und erbat sich ihn zum Beichtvater. Man schlug die Bitte ab. Er bat um den Pater Grillau, einen Barfüsser. Auch dieser ward ihm verweigert. Man wies ihm zwei seiner Peiniger, den Pater Claudius und Tranquillus, zwei Kapuziner, an. Solche Beichtväter verschmähte er. Er wollte lieber seinem Schöpfer, als seinen Henkersknechten beichten.
Drei bis vier Stunden blieb er im Ratszimmer in diesem elenden Zustande liegen. Niemand kümmerte sich um ihn. Nur ab und zu näherte sich ihm Loubardemont, flüsterte mit ihm und wollte ihn überreden, einen Aufsatz zu unterzeichnen. Um diesen Preis wollte Urban nicht die Milderung von Qualen erkaufen, von denen er kaum glaubte, dass sie noch geschärft werden könnten.
Nach 4 Uhr abends legten ihn die Büttel auf eine Trage und trugen ihn hinunter an die Türe des Gerichtshauses. Er versicherte den Kriminalleutnant, er habe alles gesagt; nichts drücke mehr sein Gewissen. »Soll ich Gott für Sie bitten lassen?« fragte ihn der gerührte Beamte. »Eine grosse Gnade für mich«, entgegnete Urban, »ich bitte Sie darum.« Er trug eine Kerze in der Hand, die er küsste. Mit unbefangenem Blicke grüsste er die Umstehenden und bat, wen er kannte, ihn in sein Gebet einzuschliessen. Vor seiner Kirche St. Peter angekommen, befahl Loubardemont, ihn von der Trage herunter zu nehmen, um nieder zu knien und noch einmal sein Urteil anzuhören. Der arme Mann konnte sich seiner zerschmetterten Beine nicht mehr bedienen. Er fiel auf den Bauch. Ohne ein Zeichen von Ungeduld oder Unwillen wartete er, bis man ihn aufhob.
Da näherte sich ihm der Pater Grillau, sein Freund, umarmte ihn, weinte und sprach: »Erinnere Dich, dass Jesus Christus durch Marter und Kreuzestod zu Gott, seinem Vater, erhoben wurde. Sorge, edler Mann, nur für Deine Seele. Ich bringe Dir den Segen Deiner alten Mutter. Sie bittet mit mir Gott, dass er Dir Barmherzigkeit widerfahren lasse und Dich in sein Paradies aufnehmen wolle.«
Es war der erste Tropfen eines Trostbalsams in sein wundes Herz gegossen. »Sei meiner Mutter ein Sohn,« erwiderte er. »Ich gehe den Todesweg mit der tröstlichen Überzeugung, dass ich unschuldig sterbe; ich hoffe, Gott wird mir barmherzig sein.« Die Kapuziner trieben die Büttel an, das Gespräch zu unterbrechen; das Publikum sollte nichts von Urbans Seelenzustande erfahren.
Unter dem Scheiterhaufen angelangt, bat er die Mönche, seine Begleiter, um den Kuss des Friedens. Der Leutnant des Prevot wollte ihn um Verzeihung bitten. »Sie haben mich nicht beleidigt, Sie taten nur Ihre Pflicht,« erwiderte er. Der Pfarrer zu Troismoutiers, Renatus Bernier, einer seiner Feinde, bat ihn, von seiner Fassung und seinen Leiden gerührt, um Vergebung: »Ich vergebe allen meinen Feinden von ganzem Herzen, wie ich wünsche, dass Gott mir vergeben möge.«
Der Platz war übervoll von Zuschauern aus allen Provinzen, ja aus fernen Ländern waren sie gekommen, den Flammentod des furchtbaren Beschwörers mit anzusehen. Kaum konnten die Gerichtsknechte für die Beamten Platz machen.
Ein Flug Tauben flatterte um den Scheiterhaufen. Vergebens scheuchten die Gerichtsknechte mit ihren Hellebarden, der Pöbel durch sein Geschrei sie fort. Sie kamen immer wieder. Aber auch eine grosse Schmeissfliege summte in einem fort um Grandiers Kopfe. Ein Mönch erklärte dem Volke: Beelzebub heisse auf hebräisch der Gott der Fliegen. Die Schmeissfliege sei der Teufel, der den Verbrecher auf der Reise in die Hölle begleiten werde.
Mit einem eisernen Ringe ward Grandier an den Pfahl befestigt. Die Mönche exorcisierten Luft und Holz des Scheiterhaufens. Sie fragten den Gerichteten, ob er nicht noch in sich gehen wolle? »Ich habe nichts mehr zu sagen; ich hoffe noch heut bei meinem Gott zu sein.« Der Sekretär las ihm das Urteil zum vierten Male vor. Immer noch hoffte man, er werde bekennen: »Was ich gesagt unter den Qualen der Folter, ist die reine Wahrheit.« Die Mönche hiessen den Sekretär schweigen, weil er durch seine Fragen den Verbrecher nur noch mehr zum Reden anreize.
Der Leutnant des Prevot hatte Urban zweierlei verheissen. Es sollte ihm Zeit gegönnt werden zum Volke zu sprechen; dann, er sollte erwürgt werden, ehe das Feuer an den Scheiterhaufen gelegt werde. Um beide Hoffnungen, die dem Unglücklichen die Schrecken der Strafe milderten, ward er durch die Bosheit seiner Feinde betrogen. Als Grandier sprechen wollte, spritzten die Exorcisten so viel Weihwasser ihm ins Gesicht, dass er kein Wort hervorbringen konnte.
Er wollte wieder anfangen, da sprang ein Mönch hinzu und küsste ihn so heftig und wiederholt, dass er den Mund nicht öffnen konnte. »Das war ein Judaskuss!« stöhnte das Opfer. Die erbitterten Mönche, als sie es gehört, umdrängten ihn und hielten ihm ein eisernes Kreuz vor den Mund: »Küsse es, küsse es«, schrieen sie vor dem Volke, aber sie zerstiessen ihm grausam das Gesicht und verwundeten seine Lippen, dass er nicht mehr reden konnte. Man behauptet, sie hätten dieses Zeichen des Heils schon früher in Bereitschaft gehalten, um es als Marterwerkzeug zu brauchen, wenn Grandier zum Volke reden wolle.
Grandier ergab sich, er bat nur die Zuschauer um ein Salve Regina und ein Ave Maria. Noch einmal fragten ihn die Exorcisten: »Willst Du in Dich gehen und bekennen?« – »Ich habe alles bekannt und vertraue auf Gott und seine Barmherzigkeit.«
Auf den Wink des Leutnants wollten die Büttel mit dem dazu bestimmten Strick den Gerichteten erdrosseln. Der Strick war zu kurz; die Mönche hatten heimlich so viele Knoten hineingemacht, dass er zu dem Zweck unbrauchbar war. Ein zweiter fehlte. Die Franziskaner, die Karmeliter, die Dominikaner brüllten: »Feuer! Feuer!«
»Ist's das, was man mir versprochen?« rief Grandier dreimal auf. Er griff selbst nach dem Strick und wollte sich eine Schlinge um den Hals legen. Da fuhr der Pater Lactanz mit einem brennenden Strohwisch dem Sterbenden unter das Gesicht: »Willst Du noch nicht dem Teufel entsagen? Nun ist's höchste Zeit; nur noch einen Augenblick hast Du zu leben.« – »Ich kenne den Teufel nicht; Gott verleihe mir Barmherzigkeit!« rief Grandier.
Der rasende Mönch übernahm, ohne Befehl des Leutnants, das Amt des Henkers. Er zündete selbst den Scheiterhaufen vor den Augen seines Opfers an. »Ach, Pater Lactanz!« sprach Urban mit sanfter Stimme, »wo bleibt die Liebe? Es ist ein Gott im Himmel, der Dich und mich richten wird. Ich lade Dich vor ihn binnen heut und einem Monat.« Die Mönche spritzten ihm von neuem Weihwasser ins Gesicht. Das Volk brüllte und schrie den Bütteln zu: »Erdrosselt ihn!« Es war zu spät. Die Flamme nahm zu sehr überhand. Die Büttel konnten nicht mehr zu ihm dringen. »Deus, ad te vigilo, miserere mei, Deus!« waren Urban Grandiers letzte Worte. Er wurde ganz lebendig verbrannt. – –
An einem Tage, 18. August 1634, war sein Urteil gesprochen, erlag er den Folterqualen, und am Abend desselben 18. August verzehrten die Flammen seinen Leichnam zu Asche.
In diesem Prozess, wo die Tortur in scheusslicher Weise zur Anwendung gelangte, finden wir weltliche und geistliche Behörden vereint wirken. Aber auch, wo solches gesondert erfolgte, wurde, wie bereits früher erwähnt, von der Folter der rücksichtsloseste Gebrauch gemacht. Unter Ludwig XIV. sehen wir wenigstens eine Milde in der Auffassung der Zauberei und des Hexenwesens eintreten. Untersuchungen werden auf Befehl des Königs eingestellt, trotz des Widerspruchs der Parlamente.