Unbekannte Autoren
Tausend und eine Nacht. Band VII
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Dschubeir, der Sohn des Umeir, und Budûr.

Ferner erzählt man, daß der Chalife Hārûn er-Raschîd eines Nachts unruhig war und keinen Schlaf finden konnte. Nachdem er sich eine Zeitlang in seiner Schlaflosigkeit von einer Seite zur andern gewälzt hatte und dessen überdrüssig geworden war, ließ er Mesrûr kommen und sagte zu ihm: »Mesrûr, such' nach jemand, der mich über diese Schlaflosigkeit tröstet.« Da entgegnete Mesrûr: »Mein Gebieter, hättest du nicht Lust, in deinen Schloßgarten zu gehen und dich an seinen Blumen zu erfreuen, die Sterne zu betrachten und ihre schöne Ordnung zu bewundern und den Mond zu beobachten, wie er unter ihnen hell erstrahlt und sich im Wasser spiegelt?« Der Chalife versetzte jedoch: »Mesrûr, meine Seele findet an alledem kein Gefallen.« Nun sagte Mesrûr: »Siehe, in deinem Schlosse sind dreihundert Beischläferinnen, von denen jede ihr eigenes Zimmer hat; befiehl einer jeden von 92 ihnen, sich in ihr Gemach zurückzuziehen, und mache dann bei ihnen die Runde, um dich in ihrem Anblick zu zerstreuen, ohne daß sie es wissen.« Der Chalife entgegnete jedoch: »Mesrûr, das Schloß ist mein Schloß und die Mädchen sind mein Eigentum; meine Seele hat keinen Gefallen hieran.« Da sagte Mesrûr: »Mein Gebieter, befiehl den Doktoren der Schrift, den Gelehrten und den Dichtern vor dir zu erscheinen und vor dir zu disputieren, und laß dir Gedichte vortragen und Geschichten und Anekdoten erzählen.« Der Chalife entgegnete jedoch wieder: »Meine Seele hat an alledem keinen Gefallen.« Da sagte Mesrûr: »So befiehl den Pagen, den Tischgenossen und Witzlingen, vor dir zu erscheinen und dich mit lustigen Späßen zu unterhalten.« Der Chalife entgegnete jedoch von neuem: »Ach, Mesrûr, meine Seele hat an nichts von alledem Gefallen.« – »Nun denn,« versetzte Mesrûr, »so laß mir den Kopf abschlagen, –

Dreihundertundachtundzwanzigste Nacht.

vielleicht verscheucht dies deine Schlaflosigkeit und bannt deine Unruhe.« Da lachte Er-Raschîd über seine Worte und sagte zu ihm: »Mesrûr, schau' einmal nach, wer von den Tischgenossen an der Thür ist.« Mesrûr schaute nun draußen nach und sagte: »Mein Gebieter, an der Thür ist Alī, der Sohn des Mansûr, der Schalk von Damaskus;« und der Chalife erwiderte: »Her mit ihm!« Da ging Mesrûr hinaus und holte ihn herein. Alī bin Mansûr aber sprach bei seinem Eintreten: »Frieden sei mit dir, o Fürst der Gläubigen!« Der Chalife erwiderte ihm den Salâm und sagte: »O Ibn Mansûr, erzähle mir doch eine deiner Geschichten.« Da entgegnete er: »O Fürst der Gläubigen, soll ich dir etwas erzählen, was ich mit eigenen Augen sah, oder etwas, was ich gehört habe.« Der Fürst der Gläubigen erwiderte: »Wenn du etwas besonderes gesehen hast, so erzähle es, denn Hören ist nicht so viel wert wie Sehen.« Da versetzte Alī bin Mansûr: »O Fürst der Gläubigen, leihe mir deine Ohren 93 und dein Herz;« und der Chalife erwiderte: »O Ibn Mansûr, ich horche auf dich mit meinem Ohr, ich schaue auf dich mit meinem Auge und lausche auf dich mit meinem Herzen.« Und so begann denn Alī bin Mansûr: »Wisse, o Fürst der Gläubigen, daß ich alljährlich von Mohammed bin Suleimân el-Hâschimī, dem Sultan von Basra, ein Stipendium empfange. Als ich nun wieder einmal wie gewöhnlich zu ihm reiste, fand ich ihn, als ich bei ihm eintraf, gerade im Begriff, auf die Jagd zu reiten. Ich bot ihm den Salâm, und er erwiderte mir denselben und sagte zu mir: »Ibn Mansûr, setz' dich auf und reite mit uns auf die Jagd.« Ich entgegnete jedoch: »Mein Herr, ich kann nicht reiten, laß mich daher im Fremdenhaus wohnen und empfiehl mich den Kämmerlingen und Intendanten.« Er that dies denn auch und ritt fort, während ich aufs ehrenvollste behandelt und aufs beste bewirtet wurde. Nun aber sprach ich bei mir: »Gottes Wunder, so lange komme ich nun schon von Bagdad nach Basra und kenne von der Stadt nichts weiter als den Weg vom Palast zum Garten und vom Garten zum Palast; wann finde ich wieder eine so günstige Gelegenheit als diese, mich in Basra umzusehen? Sofort will ich aufstehen und allein zu meinem Vergnügen und zur gedeihlichen Verdauung die Stadt durchstreifen.« So legte ich denn meine besten Sachen an und trat meinen Spaziergang durch die Stadt an, welche, wie du weißt, o Fürst der Gläubigen, siebzig Straßen hat, von denen jede siebzig irakensische Parasangen lang ist. Ich verlor mich bald in seinen Gassen und wurde recht durstig; da gewahrte ich, wie ich so dahinschritt, o Fürst der Gläubigen, eine große Thür mit zwei Ringen aus Messing, vor welcher Vorhänge aus rotem Brokat niederhingen. Auf jeder Seite der Thür stand eine Steinbank und über ihr befand sich ein Gitter mit Weinreben, welche die Thür beschatteten. Ich blieb hier stehen, um mir diesen Platz anzusehen, als ich mit einem Male eine Stimme aus bekümmertem Herzen seufzen und ein Liebeslied in süßer 94 Weise vortragen hörte. Da sprach ich bei mir: »Wenn der Besitzer dieser Stimme hübsch ist, so ist Schönheit, Beredsamkeit und Wohllaut in ihm vereint.« Hierauf trat ich an die Thür und hob den Vorhang nach und nach, bis ich mit einem Male ein Mädchen erblickte, weiß wie der Vollmond in der vierzehnten Nacht mit zusammengewachsenen Brauen und schlaftrunkenen Lidern, mit Brüsten wie Granatäpfeln und zwei zarten Lippen gleich einem Kamillenpaar, mit einem Mund gleich dem Siegelring Salomonis und zwei Zahnreihen, die mit dem Verstand des Poeten und Prosaisten ihr Spiel trieben, wie der Dichter es mit den Versen beschreibt:

O Perlenmund der Geliebten, wer hat dich so schön gereiht?
Wer hat dich mit weißen Kamillen gefüllt und mit feurigem Wein?
Wer hat des Morgens Schimmer deinem Lächeln geliehn
Und deine Lippen versiegelt mit funkelndem Karneol?
Wer dich voll Wonnen erschaute, der irrt verwundert umher,
Wie würd' es erst dem ergehen, den dein Kuß beglückt?

Kurz, sie vereinte alle Reize der Anmut in sich und war eine Verführung für Frauen und Männer, und wer sie einmal anschaute, konnte sich an ihrer Schönheit nicht satt sehen, wie der Dichter von ihr sagt:

Kommt sie heran, so tötet sie, und kehrt sie den Rücken,
So macht sie alle Männer verliebt in sich.
Der Sonne gleicht sie und dem strahlenden Vollmond,
Doch Härte und Sprödigkeit ist nicht ihre Art.
Die Gärten Edens schimmern aus dem Busen ihres Hemds,
Und der Vollmond kreist auf ihrem Nackengeschmeide.

Wie ich sie nun durch den Spalt des Vorhangs betrachtete, wendete sie sich plötzlich um und sagte zu ihrer Sklavin, als sie mich an der Thür stehen sah: »Sieh, wer an der Thür ist.« Da erhob sich die Sklavin und kam zu mir und sagte: »Scheich, schämst du dich nicht, oder steht Schande grauem Haar wohl an?« Ich entgegnete: »Meine Herrin, was das graue Haar anlangt, so bekennen wir uns dazu; doch rücksichtlich der Schande glaube ich nicht, durch mein 95 Kommen mich irgendwie vergangen zu haben.« Da sagte ihre Herrin: »Giebt's denn einen größern Verstoß, als in ein fremdes Haus einzudringen und in einen fremden Harem zu schauen?« Ich entgegnete: »Ach, meine Herrin, ich bin entschuldigt;« und, wie sie nun fragte: »Was hast du für eine Entschuldigung?« sagte ich: »Ich bin ein fremder Mann und durste; und ich sterbe vor Durst.« Da sagte sie: »Wir nehmen deine Entschuldigung an.«

Dreihundertundneunundzwanzigste Nacht.

Hierauf rief sie eine ihrer Sklavinnen und sagte zu ihr: »Lutf, reiche ihm einen Trunk aus dem goldenen Henkelkrug;« worauf diese mir einen Henkelkrug aus rotem, mit Perlen und Edelsteinen besetzten Gold brachte, der mit einer Mischung aus Wasser und stark duftendem Moschus angefüllt und mit einem grünseidenen Tuch bedeckt war. Ich machte mich nun ans Trinken, trank aber so lange wie möglich, indem ich sie dabei verstohlen anblickte, bis ich nicht länger stehen durfte. Alsdann gab ich ihr den Krug zurück, blieb aber stehen, so daß sie zu mir sagte: »Scheich, geh' deines Weges.« Da sagte ich zu ihr: »Ach, meine Herrin, ich bin bekümmert.« Nun fragte sie: »Worüber denn?« Und ich erwiderte: »Über den Wechsel der Zeit und den Wandel der Dinge.« Da sagte sie: »Du thust recht daran, denn die Zeit ist voll Wunder; doch welche Wunderdinge hast du erlebt, daß du darüber nachsinnst?« Ich erwiderte: »Ich dachte über den Besitzer dieses Hauses nach, der, so lange er lebte, mein Freund war.« Nun fragte sie: »Wie war sein Name?« Und ich erwiderte: »Mohammed bin Alī der Juwelier, ein sehr vermögender Mann; hat er etwa Kinder hinterlassen?« Sie entgegnete: »Gewiß; eine Tochter Namens Budûr, die all sein Gut erbte.« Da sagte ich zu ihr: »Mir scheint es, du bist seine Tochter?« und sie erwiderte lachend: »Jawohl.« Dann aber sagte sie: »Scheich, du hast lange genug geschwatzt, geh' nun deines Weges.« Ich entgegnete jedoch: »Ich muß 96 wohl gehen, doch sehe ich dich elend und deine Reize verblichen; so sag' mir, was dir fehlt, vielleicht läßt dich Gott durch meine Hand Trost finden.« Da erwiderte sie: »O Scheich, wenn du ein Mann von Verschwiegenheit bist, so wollen wir dir unser Geheimnis enthüllen; sag' mir aber zuvor, wer du bist, damit ich weiß, ob du des Vertrauens wert bist oder nicht; denn der Dichter sagt:

Nur ein Vertrauenswürdiger hütet ein Geheimnis;
Bei den besten der Menschen ruht es geborgen.
Bei mir ruht das Geheimnis wie in einem Haus mit einem Schloß,
Dessen Schlüssel verloren sind, und dessen Thür versiegelt ist.«

Ich erwiderte ihr hierauf: »Meine Herrin, wenn du wissen willst, wer ich bin, so bin ich Alī, der Sohn des Mansûr, der Schalk aus Damaskus, der Tischgenosse des Fürsten der Gläubigen Hārûn er-Raschîd.« Als sie meinen Namen hörte, erhob sie sich von ihrem Sitz und begrüßte mich, indem sie sagte: »Willkommen, o Ibn Mansûr! Jetzt will ich dir meine Geschichte erzählen und dir mein Geheimnis anvertrauen. Ich liebe und ich bin von meinem Geliebten getrennt.« Da sagte ich zu ihr: »Meine Herrin, du bist hübsch und darfst nur einen Hübschen lieben; wen liebst du denn?« Sie versetzte: »Ich liebe Dschubeir bin Umeir esch-Scheibânī, den Fürsten der Banû Scheibân;« und nun beschrieb sie mir einen jungen Mann, wie es in ganz Basra keinen schönern gab. Ich fragte sie darauf: »Meine Herrin, haben Stelldicheine oder Korrespondenzen zwischen euch stattgefunden?« Sie versetzte: »Jawohl, doch liebten wir nur mit der Zunge und nicht mit Herz und Seele, da er weder Zusage noch Gelöbnis hielt.« Nun fragte ich: »Meine Herrin, welches ist denn der Grund eurer Trennung?« Da erzählte sie: »Der Grund war folgender: Eines Tages saß ich da, während dieses Mädchen hier mir die Haare kämmte. Als sie mit Kämmen fertig geworden war und mir nun die Zöpfe flocht, entzückten meine Schönheit und Anmut sie so sehr, daß sie sich über mich neigte und mich auf die Wangen küßte. In 97 demselben Augenblick aber trat er unbemerkt ein, so daß er es sah. Sobald er aber sah, wie das Mädchen mich auf die Wange küßte, kehrte er unverzüglich erzürnt den Rücken und gelobte ewige Trennung, indem er die beiden Verse sprach:

»So ich mit einem Partner meine Geliebte zu teilen habe,
So verlasse ich sie und lebe fürder allein;
Nichts Gutes ist in einer Geliebten, die etwas begehrt,
An dem der Herr ihres Herzens keinen Gefallen findet.«

Und von der Zeit an, daß er erzürnt den Rücken kehrte, kam bis auf den heutigen Tag weder ein Brief noch eine Antwort zu uns, o Ibn Mansûr.« Da fragte ich sie: »Was beabsichtigst du nun zu thun?« Sie erwiderte: »Ich möchte ihm durch dich einen Brief schicken; bringst du mir Antwort, so sollst du fünfhundert Dinare von mir erhalten; wenn nicht, so sollst du doch für den Gang hundert Dinare bekommen.« Ich antwortete ihr: »Thu', was dir beliebt.« Da sagte sie: »Ich höre und gehorche;« darauf rief sie eine ihrer Sklavinnen und sagte zu ihr: »Bring' mir Tinte und Papier.« Nachdem das Mädchen ihr das Verlangte gebracht hatte, schrieb sie folgende Verse nieder:

Geliebter, was soll dieses Meiden und dieser Haß?
Wann wirst du wieder Nachsicht üben und freundlich sein?
Was wendest du dich so zornig von mir ab?
Dein Gesicht ist nicht das Gesicht, das ich früher gekannt.
Ja, die Verleumder haben dir Lügen von mir hinterbracht,
Du hörtest auf sie, und da logen sie immer mehr.
Doch ließest du dich bethören, und hörtest du auf ihr Wort,
So hüte dich Gott davor, nun du es besser weißt.
Bei deinem Leben, sag' mir, was du vernommen hast,
Denn du weißt, was man sprach, und wirst gerecht sein.
Ist es wirklich wahr, daß ich solche Worte sprach,
So haben doch Worte Deutung und mancherlei Sinn.
Nimm an, Gott habe sein Wort offenbart,
So hat doch das Volk die Thora gefälscht und fälscht sie noch:
Wie viele Lügen wurden schon früher den Leuten nachgesagt,
Ward doch selbst Joseph vor Jakob getadelt!
Ja, für mich, für den Verleumder und für dich, für uns alle
Soll einst kommen ein hoher Tag des Gerichts. 98

Nachdem sie den Brief versiegelt hatte, reichte sie ihn mir, und ich nahm ihn und ging damit zum Hause des Dschubeir bin Umeir esch-Scheibânī, doch war derselbe auf die Jagd ausgezogen. Infolgedessen setzte ich mich und wartete auf ihn, bis er nicht lange darauf wiederkehrte. Als ich ihn aber, o Fürst der Gläubigen, auf seinem Pferd erblickte, verwirrten sich mir von seiner Schönheit und Anmut die Sinne. Sobald er mich an seiner Hausthür sitzen sah, stieg er von seinem Roß ab, kam auf mich zu, umarmte mich und bot mir den Salâm, wobei es mir vorkam, als ob ich die Welt und alles, was darinnen ist, umarmte. Hierauf führte er mich in sein Haus und bestellte eine Mahlzeit, nachdem er mich auf seinem eigenen Kissen hatte Platz nehmen lassen. Bald darauf brachte man einen Tisch aus chorasanischem Chalanoschholz mit goldenen Füßen, auf welchem allerlei gebratene, geröstete und dergleichen Fleischgerichte standen. Als ich mich an den Tisch setzte und ihn genau betrachtete, fand ich folgende Verse auf ihm geschrieben:

Dreihundertunddreißigste Nacht.

Halt' an bei den Kranichen im Horst ihrer Schüsseln
Und kehr' ein im Braten- und Sikbâdschenkraal.Sikbâdsche, ein schon früher erwähntes Gericht aus gehacktem, in Essig gekochtem Fleisch bestehend.
Beweine die Tochter des Katavogels, wie ich sie ohn' Ende beweinte,
Und klag' über die braunen Klöpse inmitten der Kücken.
Ach meines Herzens Seufzer über die beiden Fischgerichte,
Neben frischen übereinandergeschichteten Fladen!
Welch gesegnetes Nachtmahl! und das Gemüse getaucht in den Essig der Kruken,
Und der Reis, bereitet in Büffelmilch, in welchen die Hände
Bis tief zu den Spangen am Oberarm eintauchten!
O meine Seele, Geduld! Denn Gott ist freigebig;
Sind deine Mittel auch knapp, so giebt Er dir Trost.

Nun sagte Dschubeir bin Umeir zu mir: »Streck' deine Hand zu unsern Gerichten aus und thue unserm Herzen 99 durch das Essen unserer Speise wohl.« Ich erwiderte jedoch: »Bei Gott, ich esse nicht eher einen Bissen von deinen Gerichten, bis du mir mein Anliegen erfüllt hast.« Da fragte er: »Was ist dein Anliegen?« worauf ich den Brief hervorholte und ihm denselben überreichte. Als er ihn gelesen und seinen Inhalt begriffen hatte, zerriß er ihn und warf ihn zu Boden. Dann sagte er zu mir: »O Ibn Mansûr, was du nur immer begehren magst, wollen wir dir gewähren, mit Ausnahme des einen Wunsches in betreff der Schreiberin dieses Briefes, denn ich habe keine Antwort darauf.« Hierauf erhob ich mich erzürnt; doch da hielt er mich an meinen Säumen fest und sagte zu mir: »O Ibn Mansûr, ich will dir die Worte sagen, die sie zu dir sprach, obwohl ich nicht zugegen war.« Nun fragte ich ihn: »Was hat sie denn gesagt?« und er antwortete: »Hat die Schreiberin dieses Briefes nicht zu dir gesagt: Wenn du mir eine Antwort von ihm bringst, so sollst du fünfhundert Dinare von mir erhalten, und wenn nicht, so sollst du doch mit hundert Dinaren für den Gang entschädigt sein?« Ich erwiderte: »So ist's.« Da sagte er: »Bleib' heute bei mir, iß und trink', sei vergnügt und fröhlich und nimm fünfhundert Dinare von mir.« So blieb ich denn bei ihm und aß und trank und war fröhlich und guter Dinge und durchplauderte mit ihm die Nacht, wobei ich ihn fragte: »Mein Herr, ist keine Musik in deinem Hause?« Er erwiderte: »Fürwahr, seit langer Zeit trinken wir hier ohne Musik.« Dann aber rief er eine der Sklavinnen und sprach: »Schádscharet ed-Durr.« Eine Sklavin antwortete auf den Ruf aus ihrem Gemach und kam mit einer Laute indischen Fabrikats in einem seidenen Beutel zu uns. Dann setzte sie sich, legte die Laute in ihren Schoß und spielte einundzwanzig Weisen, worauf sie wieder in die erste fiel und in entzückender Weise die Verse dazu sang:

Wer nimmer der Liebe Süße geschmeckt und ihre Bitterkeit,
Der weiß nicht, wie des Liebsten Nähe thut und seine Abkehr.
So auch, wer vom rechten Pfad der Liebe abweicht, 100
Weiß nicht, ob sein Pfad eben ist oder rauh.
Nicht eher ließ ich ab, den Liebesleuten entgegenzutreten,
Bis ich der Liebe Süße geschmeckt und ihre Bitterkeit.
Nun trank ich in vollen Zügen aus dem Becher ihrer Bitterkeit,
Bis ich vor Sklaven und Freien durch ihn erniedrigt ward.
Wie viele Nächte wohl war mein Liebster mein Zechgenoß,
Und ich sog seines Speichels Süße von seinem Mund!
Doch, ach, wie kurz war die Nacht unsers Beisammenseins,
Die Abendstunde kam, und schon erglühte das Morgenrot.
Die Zeit gelobte uns voneinander zu trennen,
Und nun hat die Zeit ihr Gelübde erfüllt.
Die Zeit, sie bestimmt, und ihr Spruch bleibt bestehn;
Wer widersetzte sich wohl seines Herrn Befehl?

Als das Mädchen ihr Lied beendet hatte, stieß ihr Herr einen lauten Schrei aus und sank in Ohnmacht. Da sagte das Mädchen: »Gott strafe dich nicht, Scheich! Siehe, seit langer Zeit trinken wir ohne Musik, aus Furcht, es möchte unser Herr ebensolchen Anfall wie heute bekommen. Doch, geh' jetzt in jenes Gemach und leg' dich zur Ruhe.« Da begab ich mich in das Zimmer, welches sie mir gezeigt hatte, und schlief bis zum Morgen, als mir mit einem Male ein Page einen Beutel mit fünfhundert Dinaren brachte und zu mir sagte: »Hier ist, was dir mein Herr versprach; doch kehre nicht wieder zu jenem Mädchen, das dich hierherschickte, zurück, und mag es so sein, als ob weder du noch wir etwas hiervon gehört haben.« Ich antwortete ihm: »Ich höre und gehorche;« alsdann nahm ich den Beutel und ging meines Weges, doch sprach ich bei mir: »Das Mädchen wartet seit gestern auf mich; bei Gott, ich muß zu ihr zurückkehren und ihr mitteilen, was zwischen mir und ihm vorgefallen ist, da sie sonst mich und jeden andern, der aus meiner Heimat kommt, schmähen könnte.« Infolgedessen begab ich mich zu ihr und traf sie hinter der Thür stehend an. Als sie mich erblickte, sagte sie: »O Ibn Mansûr, du hast mein Anliegen nicht ausgerichtet.« Ich versetzte: »Wer hat dir dies gesagt?« Da sagte sie: »O Ibn Mansûr, mir ist noch ein ander Ding offenbart; als du ihm den Brief gabst, zerriß 101 er ihn und warf ihn fort und sagte zu dir: »O Ibn Mansûr, was du auch immer begehren magst, wollen wir dir erfüllen, bis auf das eine Anliegen in betreff der Schreiberin dieses Briefes, denn ich habe keine Antwort für sie. Dann erhobst du dich erzürnt, er aber hängte sich an deine Säume und sagte: O Ibn Mansûr, bleibe heute bei mir, denn du bist mein Gast; iß und trink', sei fröhlich und guter Dinge und nimm fünfhundert Dinare von mir.« Da bliebst du bei ihm, aßest und trankst und warst fröhlich und guter Dinge und durchplaudertest die Nacht mit ihm; und ein Mädchen sang die und die Weise und die und die Verse, worauf er in Ohnmacht fiel.« Als ich dies vernahm, o Fürst der Gläubigen, fragte ich sie: »Warst du denn bei uns?« Da entgegnete sie: »O Ibn Mansûr, hast du nicht gehört, was der Dichter sagt:

Liebender Herzen haben Augen,
Die schauen, was andre nicht schauen?

Jedoch, o Ibn Mansûr, die Tage und Nächte wechseln nicht über den Dingen, ohne sie zu ändern.«

Dreihundertundeinunddreißigste Nacht.

Darauf erhob sie ihre Blicke gen Himmel und sprach: »Mein Gott, mein Herr und Gebieter, wie du mich mit der Liebe zu Dschubeir bin Umeir geprüft hast, so prüfe ihn mit der Liebe zu mir und lege die Liebe aus meinem Herzen in das seinige.« Hierauf gab sie mir hundert Dinare als Lohn für den Weg, und ich nahm sie und begab mich wieder zum Sultan von Basra, den ich bereits von der Jagd zurückgekehrt antraf. Alsdann nahm ich von ihm mein Stipendium in Empfang und kehrte nach Bagdad zurück. Im folgenden Jahre machte ich mich wie üblich nach Basra auf, um mein Stipendium in Empfang zu nehmen. Schon hatte es mir der Sultan eingehändigt, und ich wollte wieder nach Bagdad heimkehren, als ich mich an Budûr erinnerte und bei mir sprach: »Bei Gott, ich muß sie erst aufsuchen und schauen, 102 was sich zwischen ihr und ihrem Geliebten zugetragen hat. So machte ich mich denn zu ihrer Wohnung auf, vor der ich die Straße gekehrt und gesprengt fand und Eunuchen, Diener und Pagen stehen sah, so daß ich bei mir sprach: »Vielleicht ist das Herz des Mädchens von Kummer übergelaufen und sie ist gestorben, und irgend ein Emir ist in ihr Haus eingezogen.« Ich kehrte infolgedessen wieder um und begab mich zum Hause des Dschubeir bin Umeir esch-Scheibânī, wo ich die Bänke vor der Thür umgerissen und keinen Pagen, ganz gegen früher, antraf. Da sprach ich: »Vielleicht ist er auch gestorben.« Dann stellte ich mich vor die Thür und beklagte ihn, indem mir die Thränen aus den Augen liefen, mit den Versen:

Ihr Herren, die ihr von hinnen zogt und mein Herz mit euch nahmet,
Kehrt wieder, daß mit euch auch meine Feste wiederkehren.
Ich halte vor euerm Hause und beklag' eure Wohnung,
Meine Thränen fließen in Strömen und meine Lider zucken.
Ich frage das Haus und frage die weinenden Trümmer:
Wo ist der Hausherr, so reich an Güte und Huld?
Zieh deines Weges, die Freunde verließen ihr Lager
Und ruhen verschüttet tief unter dem Staub.

Während ich aber, o Fürst der Gläubigen, über die Bewohner des Hauses in diesen Versen klagte, kam mit einem Male ein schwarzer Sklave aus dem Hause zu mir heraus und rief: »Halt' den Mund, Scheich! Mag deine Mutter dich verlieren! Was sehe ich dich dies Haus mit solchen Versen beklagen?« Ich antwortete ihm: »Ich pflegte es früher häufig zu besuchen, als es einem meiner besten Freunde gehörte.« Da fragte er mich: »Wie war sein Name?« Und ich erwiderte: »Dschubeir bin Umeir esch-Scheibânī.« Doch da sagte er: »Was soll denn mit ihm vorgegangen sein? Gelobt sei Gott, er lebt noch wie ehedem mit Reichtum, Glück und Besitztümern gesegnet, nur daß Gott ihn mit der Liebe zu einem Mädchen heimgesucht hat, deren Namen die Herrin Budûr ist. Die Liebe zu ihr hat ihn so vollständig eingenommen, daß er in seiner großen 103 Sehnsucht und Qual einem weggeworfenen Felsstück gleicht. Hungert er, so sagt er nicht: Gebt mir zu essen, und dürstet er, so sagt er nicht: Gebt mir zu trinken.« Da sagte ich zu ihm: »Erbitte mir die Erlaubnis eintreten zu dürfen,« und er erwiderte: »Mein Herr, willst du einen Vernünftigen oder einen Unvernünftigen besuchen?« Ich entgegnete: »In jedem Falle muß ich ihn besuchen.« Da begab er sich ins Haus, um mir die Erlaubnis zu erwirken, und kehrte mit der Erlaubnis zurück, worauf ich eintrat und ihn wie einen im Wege liegenden Felsblock antraf, weder auf Zeichen noch Rufe achtend. Als ich ihn anredete, gab er mir keine Antwort; einer seiner Diener aber sagte zu mir: »So du einige Verse auswendig weißt, so trag' sie laut vor; er wird dadurch aufgeweckt werden und mit dir reden.« Infolgedessen sprach ich die beiden Verse:

»Hast du Budûr vergessen oder hast du dein Herz gewappnet?
Durchwachst du die Nächte oder schlafen deine Lider?
Wenn deine Thränen in Strömen fließen,
So wisse, im Paradiese sollst du ewig leben.«Lohn für den Märtyrertod.

Als er diese Verse vernahm, öffnete er die Augen und sagte zu mir: »Willkommen, o Ibn Mansûr! Nun ist der Scherz Ernst geworden.« Da sagte ich zu ihm: »Mein Herr, hast du vielleicht ein Anliegen an mich?« Er erwiderte: »Jawohl; ich will einen Brief an sie schreiben und ihn ihr durch dich schicken. Bringst du mir eine Antwort, so sollst du tausend Dinare von mir haben, wenn nicht, so sollst du doch für den Weg zweihundert Dinare als Entschädigung bekommen.« Da sagte ich zu ihm: »Mein Herr, thu', was dir beliebt.«

Dreihundertundzweiunddreißigste Nacht.

Nun rief er eine seiner Sklavinnen und sagte zu ihr: »Bring' mir Tinte und Papier.« Als sie ihm das Gewünschte gebracht hatte, schrieb er folgende Verse: 104

Bei Gott beschwör' ich dich, Herrin, sei nachsichtig,
Denn die Liebe hat mir meinen Verstand geraubt.
Liebe zu dir hat mich zum Sklaven gemacht,
Sie hat mich in Krankheit gekleidet und niedrig gemacht.
Früher dachte ich klein von der Liebe, o Herrin,
Und sie war mir ein leichtes, verächtliches Ding.
Doch als sie mir zeigte die Wellen ihres Meeres,
Fügt' ich mich Gottes Beschluß, und bedauerte Liebende.
Hast du Erbarmen mit mir, so gewähr' mir ein Stelldichein,
Doch willst du mich töten, so vergiß nicht die Fürbitte bei Gott.

Hierauf versiegelte er den Brief und überreichte ihn mir; und ich nahm ihn und ging damit zu Budûrs Haus, wo ich wie früher den Vorhang ganz sacht lüftete. Da sah ich zehn Mädchen mit schwellenden Brüsten gleich Monden und gewahrte die Herrin Budûr in ihrer Mitte sitzend, als wäre sie der Vollmond mitten unter den Sternen oder die Sonne am wolkenlosen Himmel, ohne Schmerz oder Sorge an ihr entdecken zu können. Während ich sie aber betrachtete und mich über ihr Aussehen verwunderte, fiel gerade ihr Blick auf mich, und als sie mich an der Thür stehen sah, rief sie: »Sei gegrüßt und willkommen, o Ibn Mansûr, komm nur herein.« Da trat ich ein, bot ihr den Salâm und überreichte ihr den Brief. Als sie ihn gelesen und seinen Inhalt begriffen hatte, lachte sie und sagte: »O Ibn Mansûr, der Dichter hat nicht gelogen, wenn er sagt:

Ertragen will ich meine Liebe zu dir in Geduld,
Bis daß ein Bote von dir zu mir kommt.

O Ibn Mansûr, ich will dir eine Antwort schreiben, daß er dir giebt, was er dir versprochen hat.« Ich antwortete ihr: »Gott lohne es dir mit Gutem!« Hierauf rief sie eine ihrer Sklavinnen und sagte zu ihr: »Bring' mir Tinte und Papier.« Als sie ihr das Verlangte gebracht hatte, schrieb sie folgende Verse an ihn:

Wie kommt's, daß ich Euch Treue hielt und Ihr Verrat begingt,
Daß Ihr gerecht mich saht und selber Unrecht thatet?
Ihr habt zuerst Euch abgekehrt und grausam mich behandelt, 105
Ihr habt Verrat geübt, und treulos euch zuerst gezeigt.
Ich hielt den Bund mit euch inmitten aller Menschen,
Ich schützte euern Ruf und schwor bei euerm Namen,
Bis ich mit eignen Augen sah, was ich von euch erlitt,
Und selber hörte, was ihr Schlimmes von mir spracht.
Soll ich mich nun erniedern, wenn ich euch erhebe?
Bei Gott, wär' ich von euch geehrt, ich ehrte euch!
Doch nun will ich mein Herz von euch befreien,
Will euern Staub für immer von den Händen schütteln.

Da sagte ich zu ihr: »Bei Gott meine Herrin, liest er diesen Brief, so ist es sein Tod.« Dann zerriß ich das Blatt und sagte zu ihr: »schreib' ihm andere Verse;« und sie erwiderte: »Ich höre und gehorche,« und schrieb eine Reihe anderer Verse, die jedoch noch schroffer waren, so daß ich von neuem zu ihr sagte: »Bei Gott meine Herrin, wenn er diese Verse liest, so giebt er den Geist auf.« Da fragte sie: »O Ibn Mansûr, ist seine Leidenschaft wirklich bis zu diesem Grade gewachsen, daß du solches sprichst?« Ich entgegnete ihr: »Hätte ich mehr gesagt, es wäre nur die Wahrheit gewesen; doch Verzeihung ist eine Tugend der Edeln.« Als sie diese meine Worte vernahm, schwammen ihre Augen in Thränen, und nun schrieb sie ihm eine Karte, wie sie, bei Gott, o Fürst der Gläubigen, niemand in deinem Diwan schöner schreiben kann; sie schrieb aber folgende Verse in ihrem Brief:

Wie lange noch währt diese Sprödigkeit und diese Verleumdung?
Wahrlich, der Neider Bosheit hast du an mir zufrieden gestellt.
Vielleicht verging ich mich und wußte es nicht;
So sag' mir denn, was dir von mir zu Ohren kam.
Geliebter, ich möchte dich willkommen heißen,
Wie der Schlaf meinem Auge und meinem Lid willkommen ist.
Wenn du selber den lautern Becher der Liebe trankst,
So tadle mich nicht, wenn du mich berauscht siehst.

Als sie ihr Schreiben beendet hatte, –

Dreihundertunddreiunddreißigste Nacht.

versiegelte sie es und gab es mir; und ich sagte zu ihr: »Meine Herrin, fürwahr, dieser Brief heilt den Kranken und 106 löscht des Dürstenden Brand.« Alsdann nahm ich den Brief und ging hinaus, doch rief sie mich noch einmal zurück und sagte zu mir: »O Ibn Mansûr, sprich zu ihm: Heute Nacht wird sie dein Gast sein.« Da ging ich in mächtiger Freude fort und brachte den Brief zu Dschubeir bin Umeir. Als ich bei ihm eintrat, traf ich ihn mit starr auf die Thür gerichteten Augen an, da er auf Antwort wartete. Als ich ihm nun die Karte überreicht hatte, und er sie öffnete und las und ihren Inhalt begriff, stieß er einen lauten Schrei aus und sank ohnmächtig zu Boden. Als er dann wieder zu sich gekommen war, sagte er zu mir: »O Ibn Mansûr, hat sie den Brief mit ihrer eigenen Hand geschrieben und ihn mit ihren Fingerspitzen berührt?« Ich erwiderte: »Mein Herr, schreiben die Leute etwa mit ihren Füßen?« Doch, bei Gott, o Fürst der Gläubigen, kaum hatte ich meine Worte beendet, da hörten wir auch schon das Klirren ihrer Fußspangen im Vestibül und sahen sie eintreten. Bei ihrem Anblick erhob er sich auf seine Füße, als hätte ihm nie zuvor etwas gefehlt, und umarmte sie wie das Lâm das ElifDie Buchstaben l und a. Die arabische Schreibweise von la ist derart, daß das a halb vom l umschlossen wird. umarmt, und die Schwäche verließ ihn, die früher nicht weichen wollte. Alsdann setzte er sich, während sie stehen blieb. Als ich deshalb zu ihr sagte: »Meine Herrin, warum setzest du dich nicht?« erwiderte sie: »O Ibn Mansûr, ich setze mich nur unter einer Bedingung, die wir untereinander ausgemacht haben.« Nun fragte ich sie: »Und was ist diese Bedingung?« Darauf erwiderte sie: »Niemand kennt die Geheimnisse von Liebesleuten.« Darauf legte sie ihren Mund an sein Ohr und wisperte ihm etwas zu, worauf er antwortete: »Ich höre und gehorche.« Alsdann erhob er sich und flüsterte einem seiner Sklaven etwas ins Ohr, worauf derselbe fortging und nach einer Weile mit einem Kadi und zwei Zeugen wiederkam. Nun erhob sich Dschubeir, holte einen Beutel mit hunderttausend Dinaren und sagte zum Kadi: »o Kadi, schreib' 107 meinen Ehekontrakt mit diesem Mädchen, welcher ich diese Summe hier als Hochzeitsgabe übermache.« Da sagte der Kadi zu ihr: »Sprich: Ich willige ein;« worauf sie sprach: »Ich willige ein;« und nun setzten sie den Kontrakt auf, während sie den Beutel öffnete und eine Hand voll Gold dem Kadi und den Zeugen gab. Dann gab sie ihm wieder das andere Geld im Beutel, und der Kadi und die Zeugen verließen sie, während ich bei ihnen fröhlich und vergnügt blieb, bis der größere Teil der Nacht verstrichen war. Dann aber sprach ich bei mir: »Siehe, es sind zwei Liebesleute, die lange Zeit einander entfremdet waren; ich will daher jetzt aufstehen und mich an einem Orte fern von ihnen schlafen legen, um sie sich selber zu überlassen.« Als ich mich jedoch erhob, hielt sie mich an meinen Säumen fest und sagte: »Was hast du vor?« Ich erwiderte: »Nur das und das;« da sagte sie: »Bleib sitzen; wenn wir dich los sein wollen, so werden wir dich schon fortschicken.« So setzte ich mich denn wieder zu ihnen und blieb bis gegen Tagesanbruch, als sie zu mir sagte: »O Ibn Mansûr, geh' nun in jenes Zimmer; wir haben es für dich hergerichtet, und es ist dein Schlafzimmer.« Da stand ich auf und schlief dort bis zum Morgen, worauf ein Page eine Schüssel und einen Eimer brachte, und ich die Waschung vollzog und das Morgengebet verrichtete. Hierauf setzte ich mich, und mit einem Male kamen Dschubeir und seine Geliebte aus dem Bad in das Haus, und beide preßten ihre Locken aus. Da wünschte ich ihnen guten Morgen und beglückwünschte sie zu ihrem Wohlsein und ihrer Wiedervereinigung, indem ich zu ihm sagte: »Was mit ›wenn und aber‹ beginnt, endet zur Zufriedenheit;« und Dschubeir antwortete: »Du hast recht und du verdienst die Ehrengabe.« Darauf rief er seinen Schatzmeister und befahl ihm: »Bring' dreitausend Dinare,« worauf der Schatzmeister ihm einen Beutel mit dreitausend Dinaren brachte, und er zu mir sagte: »Erweise uns die Güte und nimm dies Geschenk von uns an.« Ich entgegnete ihm jedoch: 108 »Ich nehme es nicht eher an als bis du mir erzählt hast, wie es kam, daß ihre Liebe nach so großer Abneigung von ihr zu dir überging.« Er antwortete: »Ich höre und gehorche; wisse, wir haben ein Fest, das NaurûsfestNaurûs, das persische Neujahr, zum Frühlingsäquinoktium gefeiert. geheißen, an welchem alles Volk hinausströmt und sich in Nachen auf dem Strom belustigt. Wie ich nun ebenfalls mich mit meinen Freunden belustigte, erblickte ich ein Boot, in welchem zehn Mädchen gleich Monden saßen, und in ihrer Mitte die Herrin Budûr mit ihrer Laute, auf welcher sie elf Weisen spielte, worauf sie zur ersten zurückkehrte und zu ihrem Spiel die Verse vortrug:

Das Feuer ist kälter als die Gluten in meiner Brust,
Und der Stein ist weicher als das Herz meines Herrn.
Wahrlich, ich wundere mich über seines Wesens Gebilde,
Wie es ein Herz von Stein in einem Leibe weich wie Wasser birgt.

Da sagte ich zu ihr: »Wiederhole die Verse und das Spiel;« doch wollte sie es nicht, –

Dreihundertundvierunddreißigste Nacht.

worauf ich den Schiffern befahl, sie mit Orangen zu bewerfen, die sich nun sofort daran machten, bis wir fürchteten, es möchte das Boot, in welchem sie saß, untergehen. Dann zog sie ihres Weges, und solches war die Ursache, daß die Liebe aus ihrem Herzen in das meinige überging.« – Hierauf wünschte ich ihnen noch einmal Glück und nahm den Beutel mit seinem Inhalt und zog wieder gen Bagdad.«

Als der Chalife diese Erzählung vernommen hatte, dehnte sich wieder seine Brust froh aus, und die Schlaflosigkeit und Beklemmung verließ ihn.

 


 


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