Unbekannte Autoren
Tausend und eine Nacht. Band VII
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El-Melik en-Nâsir und die drei Wâlīs.

El-Melik en-Nâsir: Der siegreiche König. Ein Titel, welchen mehrere ägyptische Sultane führten; der erste derselben war der berühmte Saladin (Salâh ed-Dîn).

Ferner geschah es, daß El-Melik en-Nâsir eines Tages die drei Wâlīs von Kairo, Būlâk und Altkairo vor sich befahl und zu ihnen sagte: Ich will, daß jeder von euch mir sein wunderbarstes Erlebnis während der Zeit seiner Amtsführung erzählt.«

Dreihundertunddreiundvierzigste Nacht.

Da erwiderten sie: »Wir hören und gehorchen;« alsdann hob der Wâlī von Kairo an:

 
Geschichte des Wâlīs von Kairo.

»Wisse, unser Herr Sultan, mein wunderbarstes Erlebnis während der Zeit meiner Amtsführung ist folgendes: Da lebten in dieser Stadt zwei äußerlich rechtliche Leute, unverwerfliche Zeugen in allen Fällen, in denen es sich um Blutschuld oder Wunden handelt, die sich jedoch insgeheim mit Weibern abgaben, dem Wein frönten und manche Zuchtlosigkeit verübten, ohne daß ich ihnen beikommen konnte, 132 um sie dafür zu belangen. so daß ich bereits alle Hoffnung aufgab und zuguterletzt den Weinbudikern, den Dörrobst- und Fruchthändlern und den Kerzenverkäufern und Bordellhaltern den Auftrag gab, es mir zu hinterbringen, wenn jene beiden Zeugen zechten und Ausschweifungen verübten, sei es gemeinsam oder getrennt voneinander, und ihnen auch befahl mir anzugeben, falls sie beide oder auch nur der eine oder der andere von ihnen etwas zu einer Zecherei kaufte, und es nicht vor mir zu verbergen; und die Leute antworteten: »Wir hören und gehorchen.« Da traf es sich eines Nachts, daß ein Mann zu mir kam und sagte: »Unser Herr, wisse, die beiden Zeugen sind jetzt an dem und dem Ort in der und der Gasse und treiben abscheuliche Dinge.« Da erhob ich mich, und ich und mein Diener verkleideten uns und gingen ohne jede weitere Begleitung hinaus, bis wir vor der Thür standen. Auf mein Klopfen kam eine Sklavin heraus, öffnete die Thür und fragte mich: »Wer bist du?« worauf ich, ohne ihr eine Antwort zu geben eintrat, und nun die beiden Zeugen und den Hausherrn mit öffentlichen Frauenspersonen vor einer Menge Wein sitzen sah. Bei meinem Anblick erhoben sie sich unter vielen Ceremonien vor mir, und sagten zu mir, indem sie mir den Ehrenplatz anwiesen: »Unsern Willkomm dem werten und angenehmen Gast.« In dieser Weise empfingen sie mich ohne die geringste Befangenheit oder Furcht; nach einer Weile aber erhob sich der Hausherr und verließ uns für kurze Zeit, worauf er mit dreihundert Dinaren ohne das geringste Anzeichen von Furcht wiederkehrte, während die andern nun zu mir sagten: »Wisse, unser Herr Wâlī, es steht in deiner Macht über uns mehr als Schande zu bringen und in deiner Hand liegt es uns zu züchtigen; doch würde dir hieraus nichts als Plackerei entstehen. So glauben wir daher, du nimmst diese Summe von uns an und schützest uns; denn Gottes, des Erhabenen, Namen ist der Schützer, der diejenigen unter seinen Dienern, welche andere beschützen, liebt; 133 und dein ist der Lohn hierfür und die Vergeltung.« Da sprach ich bei mir: »Nimm das Gold von ihnen und beschütze sie für dieses Mal. Bekommst du sie aber noch einmal in die Hand, so sollen sie's büßen.« Und so nahm ich geldlüstern die Summe und verließ sie und ging heim, ohne daß jemand davon wußte. Ehe ich mich's aber noch versah, kam am nächsten Morgen der Bote vom Kadi zu mir und sagte: »O Wâlī, geruhe der Aufforderung des Kadis zu entsprechen; er ladet dich vor sich.« Da erhob ich mich und folgte ihm zum Kadi, ohne die Ursache hiervon zu ahnen. Als ich aber bei ihm eintrat, sah ich die beiden Zeugen und den Hausbesitzer, der mir die dreihundert Dinare gegeben hatte, bei dem Kadi sitzen, und nun erhob sich der Hausbesitzer und erhob wegen der dreihundert Dinare Klage gegen mich, ohne daß ich imstande war es abzuleugnen, da er einen Schein hervorzog und die beiden ehrenwerten Zeugen mich ebenfalls der dreihundert Dinare für schuldig erklärten. Hierdurch war es dem Kadi erwiesen, und er befahl mir ihm die Summe zu bezahlen. Nicht eher, als bis sie die dreihundert Dinare von mir empfangen hatten, kam ich von ihnen los, und ging dann ergrimmt und in tiefster Beschämung nach Hause, alles mögliche Unheil wider sie planend, und voll Reue darüber, daß ich nicht ein Exempel an ihnen statuiert hatte. Das ist mein wunderbarstes Erlebnis während meiner Amtsführung als Wâlī

Hierauf erhob sich der Wâlī von Būlâk und hob an: »Was mich anlangt, o unser Herr Sultan, so ist mein wunderbarstes Erlebnis während meiner Amtsführung folgendes:

 
Die Geschichte des Wâlīs von Būlâk.

Ich hatte einmal eine Geldschuld von vollen dreihunderttausend Dinaren. Bedrückt hierdurch verkaufte ich alles, was hinter mir, vor mir und in meiner Hand war, brachte aber nicht mehr als hunderttausend Dinare zusammen, – 134

Dreihundertundvierundvierzigste Nacht.

So daß ich sehr niedergeschlagen blieb. Während ich nun eines Nachts zu Hause in solch trüber Verfassung saß, klopfte mit einem Male jemand an die Thür, und ich sagte zu einem meiner Diener: »Schau einmal nach, wer an der Thür ist.« Da ging er hinaus, kehrte aber mit gelben Gesicht und verändertem Aussehen und mit zitternden Muskeln wieder, so daß ich ihn fragte: »Was ist mit dir geschehen?« Er antwortete: »An der Thür steht ein nackender Mann, der nur mit Häuten bekleidet ist und in der Hand ein Schwert und im Gurt ein Messer trägt. Eine Anzahl ebenso gekleideter Männer ist bei ihm, und er fragt nach dir.« Da nahm ich mein Schwert in die Hand und ging hinaus, um nachzuschauen, wer jene Leute wären, und wirklich, sie sahen gerade so aus, als mein Bursche sie beschrieben hatte. Als ich sie nun fragte: »Was wollt ihr?« antworteten sie: »Wir sind Diebe, haben diese Nacht einen prächtigen Fang gemacht, und stellen ihn dir zur Verfügung, daß du mit seiner Hilfe dich deiner Sorgen erledigst und deine Schulden berappst.« Da fragte ich sie: »Wo ist euer Raub?« Und sie brachten nun eine große Kiste voll goldenen und silbernen Geschirrs. Erfreut bei ihrem Anblick, sprach ich bei mir: »Ich kann hiermit nicht nur meine Schuld bezahlen, sondern behalte noch ebensoviel übrig.« Darauf nahm ich die Kiste mit mir ins Haus, indem ich bei mir sprach: »Das wäre keine Großmut sie unbeschenkt fortgehen zu lassen.« Dann nahm ich die hunderttausend Dinare, die ich bei mir hatte, und übergab sie ihnen, indem ich ihnen für ihr Werk dankte, während sie das Geld nahmen und im Dunkel der Nacht ihres Weges gingen, ohne daß sie jemand bemerkt hätte. Am nächsten Morgen aber fand ich, daß der ganze Inhalt der Kiste aus nichts als vergoldetem Kupfer und aus Zinn bestand, das nur einen Wert von fünfhundert Dirhem hatte, und sah tiefbekümmert, daß mein Geld verloren war, und daß ich 135 Kummer auf Kummer gehäuft hatte. Dies ist das wunderbarste meiner Erlebnisse während meiner Amtsführung alsWâlī.«

Alsdann erhob sich der Wâlī von Alt-Kairo und hob an: »O unser Herr Sultan, was mich anlangt, so ist das wunderbarste Erlebnis während meiner Wâlīschaft folgendes:

 
Geschichte des Wâlīs von Alt-Kairo.

Ich hatte einst zehn Diebe gehängt, und zwar jeden an seinen besondern Galgen, und hatte den Wächtern eingeschärft acht auf sie zu geben und das Volk daran zu hindern einen von ihnen zu stehlen. Als ich aber am nächsten Morgen kam, um sie mir anzusehen, sah ich zwei an einem Galgen hängen. Da fragte ich die Wachleute: »Wer hat das gethan, und wo ist das Holz, an welchem der zweite gehängt war?« Sie stellten sich jedoch, als ob sie nichts wüßten, so daß ich sie schon prügeln lassen wollte, als sie schließlich bekannten und sprachen: »Wisse, o Emir, wir waren gestern Nacht eingeschlafen und fanden beim Erwachen, daß ein Gehängter mit seinem Galgen gestohlen war. Aus Furcht vor dir ergriffen wir nun einen Fellah, der gerade mit einem Esel des Weges gezogen kam, schlugen ihn tot und hängten ihn an Stelle des Gestohlenen an diesen Galgen.« Verwundert hierüber, fragte ich sie: »Was hatte der Fellah bei sich?« Und sie erwiderten: »Er hatte einen Reisesack auf dem Esel bei sich.« Da fragte ich sie: »Was war in dem Sack?« Sie behaupteten es nicht zu wissen, und so befahl ich ihnen: »Her mit ihm!« Da brachten sie ihn mir, und, wie ich ihnen nun befahl, den Sack zu öffnen, siehe, da lag ein zerstückelter Mannesleichnam darin. Als ich dies sah, verwunderte ich mich und sprach bei mir: »Preis sei Gott! Aus keinem andern Grunde als um des Mordes willen, den er an diesem Menschen beging, ist der Fellah gehängt worden, und dein Herr ist nicht ungerecht gegen seine Diener.« 136

 


 


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