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Tausend und eine Nacht. Band VII
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Das Zauberpferd.

Ferner erzählt man, daß einst in alten Zeiten ein König von großer Macht und Herrlichkeit lebte,Die Breslauer Ausgabe, welche diese Geschichte ausführlicher erzählt, giebt dem König den Namen Sābûr (Sapores) und läßt seinen Sohn Kamar el-Akmâr (Mond der Monde) heißen. welcher drei Töchter gleich leuchtenden Vollmonden und blühenden Auen hatte und einen Sohn gleich dem Mond. Als dieser König eines Tages auf dem Thron seines Königreiches saß, kamen mit einem Male drei Gelehrte zu ihm, von denen der eine einen goldenen Pfau, der andere ein Horn aus Messing und der dritte ein Pferd aus Elfenbein und Ebenholz bei sich hatte. Da fragte sie der König: »Was sind das für Dinge, und 164 welchen Nutzen haben sie?« Und der Weise mit dem Pfau antwortete: »Der Nutzen dieses Pfaues besteht darin, daß er jedesmal, wenn eine Tag- oder Nachtstunde verstrichen ist, mit den Flügeln klappt und schreit.« Hierauf sagte der Weise mit dem Horn: »Wenn man dieses Horn auf das Stadtthor legt, so dient es als Wächter. Will nämlich ein Feind in die Stadt eindringen, so ertönt es laut wider ihn, und wird er dann erkannt und festgenommen.« Alsdann sagte der dritte Weise, der mit dem Pferd: »Mein Herr, der Nutzen dieses Pferdes besteht darin, daß es jeden, der sich darauf setzt, in jedes beliebige Land führt.« Da erwiderte der König: »Ich gewähre euch meine Huld nicht eher, als bis ich diese Gegenstände geprüft habe.« Alsdann erprobte er den Pfau und fand, daß es sich mit ihm so verhielt, wie der Weise es angegeben hatte, und in derselben Weise bewährte sich das Horn, so daß der König zu den beiden Weisen sagte: »Erbittet euch eine Gnade.« Da erwiderten sie: »Wir erbitten uns die Gnade, daß du jedem von uns eine deiner Töchter zur Frau giebst.« Hierauf trat der dritte Weise, der Besitzer des Pferdes, herzu und sagte zum König, indem er die Erde vor ihm küßte: »O König der Zeit, gewähre mir dieselbe Gnade wie meinen Gefährten.« Der König erwiderte ihm jedoch: »Zuvor will ich dein Geschenk prüfen.« Nun trat der Sohn des Königs herzu und sagte: »Mein Vater, ich will mich auf dieses Pferd setzen und es erproben und auf seinen Nutzen prüfen;« und der König versetzte: »Mein Sohn, prüfe es nach deinem Belieben.« Da erhob sich der Prinz, schwang sich in den Sattel und drückte ihm seine Füße in die Weichen, doch wollte es sich nicht vom Platze regen, so daß er zum Weisen sagte: »Hakîm, wo ist denn die Schnelligkeit des Pferdes, die du uns rühmtest?« Infolgedessen trat der Weise zum Prinzen und sagte zu ihm, indem er ihm den Aufstiegswirbel zeigte: »Dreh' diesen Wirbel.« Wie nun der Prinz den Wirbel drehte, siehe, da rührte sich das Pferd und stieg mit ihm in die Wolken des Himmels, 165 bis er den Augen entschwunden war. Da wurde der Prinz bestürzt und sprach voll Reue darüber, daß er das Pferd bestiegen hatte: »Der Weise hat mir eine Falle gestellt, um mich zu verderben; es giebt keine Macht und keine Kraft außer bei Gott, dem Hohen und Erhabenen!« Hierauf betrachtete er alle Teile des Pferdes, wobei er etwas, das wie der Kopf eines Hahnes aussah, sowohl auf seiner rechten als auf seiner linken Schulter erblickte. Da sagte er: »Ich finde weiter nichts Auffälliges als diese beiden Knöpfe,« und drehte den Knopf auf der rechten Schulter des Pferdes, worauf dasselbe noch schneller mit ihm in den Luftraum empor stieg. Als er dessen gewahr wurde, drehte er den Knopf auf der linken Schulter, und nun verlangsamten sich die Bewegungen des Pferdes, und es begann sich nach und nach zu senken, wobei der Prinz sorgsam auf sein Leben achtete.

Dreihundertundachtundfünfzigste Nacht.

Wie nun der Prinz dieses gewahrte und die nützlichen Eigenschaften des Pferdes erkannte, da füllte sich sein Herz mit Freude und Fröhlichkeit, und er dankte Gott, dem Erhabenen, dafür, daß er ihn gnädiglich dem Verderben entrissen hatte. Den ganzen Tag über senkte sich das Pferd mit ihm, da es ihn beim Aufstieg fern von der Erde fortgehoben hatte, wobei er den Kopf des Pferdes nach Belieben wendete, und es bald aufsteigen bald sich senken ließ, bis er das Pferd gänzlich in seiner Gewalt hatte. Als er sich dann der Oberfläche der Erde wieder genähert hatte, sah er sich die verschiedenen ihm unbekannten Länder und Städte an, über welche er dahinzog, die er in seinem ganzen Leben noch nicht gesehen hatte, und gewahrte hierbei auch eine aufs prächtigste erbaute Stadt inmitten eines in frischestem Grün erprangenden Geländes, von Bäumen überschattet und von Bächen durchströmt. Da versank er in Gedanken und sprach: »Wüßte ich doch, wie diese Stadt heißt, und in welcher Gegend sie liegt!« Alsdann ließ er das Pferd rings um die Stadt 166 kreisen und betrachtete sie von rechts und links. Da sich aber der Tag bereits neigte und die Sonne dem Untergang näherte, sprach er bei sich: »Ich finde zum Übernachten keinen besseren Ort als diese Stadt; ich will die Nacht hier verbringen und am nächsten Morgen zu meinen Angehörigen und meiner königlichen Residenz heimkehren und will ihnen und meinem Vater mein Abenteuer und alles, was meine Augen erschauten, mitteilen.« Alsdann schaute er sich nach einem Platz um, wo er sich und sein Pferd ungesehen in Sicherheit bringen könnte, fand jedoch keinen, bis er mit einem Male mitten in der Stadt ein hoch in die Luft ragendes Schloß, umgeben von weiten Mauern mit hohen Zinnen, gewahrte. Da sprach der Prinz bei sich: »Schau, das ist ein hübscher Ort,« und begann den Abstiegswirbel zu drehen, worauf sich das Pferd niederließ, bis es mit ihm auf der Dachterrasse des Schlosses anhielt. Alsdann stieg er von dem Pferde ab und begann, Gott, den Erhabenen, lobpreisend, rings um das Pferd zu gehen und es genau zu betrachten, wobei er sprach: »Bei Gott, wer dich mit diesen Eigenschaften schuf, ist fürwahr ein weiser Meister; und, so Gott, der Erhabene, meines Lebens Ziel hinaussteckt, und mich wohlbehalten meinem Lande und meinen Angehörigen wiedergiebt und mich mit meinem Vater wieder vereint, will ich dem Weisen jede Gunst gewähren und es ihm aufs reichste lohnen.« Hierauf setzte er sich auf die Dachterrasse, bis er sicher war, daß alle Leute schliefen. Da er aber seit der Trennung von seinem Vater nichts genossen hatte und infolgedessen von Hunger und Durst gequält wurde, sprach er bei sich: »Ein Schloß wie dieses ist sicherlich nicht ohne Lebensmittel.« Dann ließ er das Pferd an einem Platze allein und stieg hinab, um zu schauen, ob er nichts zum Essen fände. Hierbei stieß er auf eine Treppe und gelangte, auf ihr hinabsteigend, auf einen Innenhof, der ganz mit Marmor gepflastert war, so daß er sich über diesen Platz und seine schöne Bauart verwunderte; doch nahm er im ganzen Schlosse nicht 167 den leisesten Laut und kein lebendes Wesen wahr. Ratlos blieb er deshalb stehen und blickte nach rechts und links, ohne zu wissen, wohin er sich wenden sollte, bis er schließlich bei sich sprach: »Mir bleibt nichts ratsameres übrig als daß ich wieder zu dem Platz zurückkehre, wo mein Pferd steht, und dort übernachte; am nächsten Morgen will ich mich dann aufsetzen und fortreiten.

Dreihundertundneunundfünfzigste Nacht.

Während er aber so dastand und mit sich also redete, sah er mit einem Male, wie ein Licht gerade auf die Stelle zukam, auf welcher er stand, und gewahrte bei scharfem Ausspähen um dasselbe eine Mädchenschar, in der sich ein Mädchen von strahlender Schönheit und elifschlankem Wuchs befand, welches dem leuchtenden Vollmond glich, wie der Dichter von ihr sagt:

Ohne Verabredung erschien sie im ersten Dunkel der Nacht
Wie der Vollmond in nächtiger Dämmerung am Horizont.
Schlank ist ihre Taille, und unter allen Geschöpfen
Gleicht keines ihr in reizvoller Schönheit und leuchtendem Wesen.
Als mein Aug' ihre Reize erschaute, da rief ich laut:
Preis Ihm, der den Menschen aus geronnenem Blut erschaffen!
Ich schirme sie vor den Augen aller Menschen mit dem Worte der Schrift:
Sprich: Ich nehme meine Zuflucht zum Herrn der Menschen und der Morgenröte.Sure 113. 114. Die Schutzsuren.

Jenes Mädchen war aber die Tochter des Königs dieser Stadt, und ihr Vater hatte ihr in seiner großen Liebe zu ihr dieses Schloß erbaut, welches sie zu den Zeiten, da sie sich ums Herz beklommen fühlte, mit ihren Mädchen aufsuchte, um einen oder zwei Tage oder noch länger daselbst zu verweilen und dann wieder in ihren Seraj zurückzukehren. Es traf sich nun, daß sie gerade in dieser Nacht der Zerstreuung und Aufheiterung halber das Schloß aufsuchte und in Begleitung ihrer Mädchen unter dem Schutze eines 168 schwertumgürteten Eunuchen herangeschritten kam. Nachdem sie das Innere des Schlosses betreten hatten, breiteten sie die Teppiche aus, ließen das Räucherwerk in den Gefäßen aufsteigen und scherzten und waren fröhlich und guter Dinge. Während sie aber miteinander scherzten und vergnügt waren, stürzte mit einem Male der Prinz auf den Eunuchen und versetzte ihm eine Ohrfeige, daß er aufs Gesicht stürzte; alsdann riß er ihm das Schwert aus der Hand, stürzte auf die Mädchen, welche die Prinzessin rings umgaben, und trieb sie nach rechts und links auseinander. Als die Prinzessin ihn in seiner Schönheit und Anmut erblickte, fragte sie ihn: »Bist du etwa mein Brautwerber von gestern, welchen mein Vater abwies, indem er vorschützte, du hättest ein häßliches Gesicht? Bei Gott, mein Vater log, als er dieses Wort sprach, denn du bist im Gegenteil hübsch.« Es hatte sich nämlich der Sohn des Königs von Indien um sie bei ihrem Vater beworben und dieser hatte ihn wegen seines widerwärtigen Aussehens abgewiesen, und die Prinzessin war nun der Meinung, er wäre jener Prinz. Alsdann ging sie auf ihn zu und umarmte und küßte ihn. Die Mädchen sagten jedoch: »Meine Herrin, dies hier ist nicht der Prinz, der sich um dich bei deinem Vater bewarb, denn jener war häßlich, während dieser hier hübsch ist; fürwahr, dein Brautwerber dürfte sich nicht einmal zu seinem Diener schicken. Jedoch, meine Herrin, ist dieser junge Mann von hohem Rang.« Hierauf begaben sich die Mädchen zum Eunuchen, der noch immer auf seinem Gesichte lag, und weckten ihn, worauf derselbe erschrocken aufsprang und nach seinem Schwert suchte, es aber nicht in seiner Hand vorfand. Da sagten die Mädchen zu ihm: »Jener, der dir das Schwert fortgenommen und dich zu Boden geschlagen hat, sitzt bei der Prinzessin.« Da nun der König, besorgt für seine Tochter vor den Wechselfällen der Zeit und vor unglücklichen Zufällen, diesen Eunuchen zu ihrem Hüter bestellt hatte, begab er sich zum Vorhang und lüftete ihn. Als er die Prinzessin mit dem Prinzen plaudernd sitzen sah, 169 fragte er den Prinzen: »Mein Herr, bist du ein Mensch oder ein Dschinnī?« Da fuhr der Prinz ihn an: »Wehe dir, unseligster Sklav', wie kannst du die Söhne der Chosroenkönige mit ungläubigen Satanen vergleichen!« Dann faßte er das Schwert mit der Hand und sagte: »Ich bin des Königs Schwiegersohn; er hat mich mit seiner Tochter verheiratet und mir befohlen sie zu besuchen.« Als der Eunuch diese Worte von ihm vernahm, sagte er zu ihm: »Mein Herr, so du ein Mensch bist, wie du es sagst, so paßt sie für dich allein, und bist du ihrer würdiger denn jeder andere.« Alsdann lief der Eunuch schreiend, seine Kleider zerreißend und sich Staub aufs Haupt streuend, zum König, welcher, als er sein Geschrei hörte, ihn fragte: »Was ist mit dir vorgefallen? Gieb' schnell Antwort und mach's kurz, denn du hast mein Herz erbeben gemacht.« Da sagte der Eunuch: »O König, komm' deiner Tochter zu Hilfe, denn ein Satan von den Dschinn hat sich ihrer in menschlicher Tracht und in Gestalt eines Prinzen bemächtigt. Vorwärts, los auf ihn!« Als der König diese Worte von ihm vernahm, gedachte er ihn zu töten und herrschte ihn an: »Wie konntest du meine Tochter so außer acht lassen, daß dieses Unglück ihr zustieß?« Hierauf begab sich der König ins Schloß seiner Tochter. Als er dort die Mädchen stehen sah, fragte er sie: »Was ist mit meiner Tochter vorgefallen?« Und sie erwiderten ihm: »Als wir bei ihr saßen und uns nichts versahen, stürzte mit einem Male jener Jüngling, der dem Vollmond gleicht und ein so schönes Gesicht hat, wie wir bisher noch keines geschaut haben, mit gezücktem Schwert herein. Auf unsere Frage, wer er wäre, gab er zur Antwort, du hättest ihn mit deiner Tochter verheiratet. Weiter wissen wir nichts, und wir wissen auch nicht, ob er ein Mensch oder ein Dschinnī ist; doch ist er keusch und feingebildet und thut nichts unziemliches.« Als der König ihre Worte vernahm, kühlte sich sein Zorn ab; langsam lüpfte er den Vorhang und gewahrte, ausspähend, den Prinzen, wie er mit einem Angesicht wie der leuchtende 170 Vollmond und von schönster Gestalt neben seiner Tochter saß und mit ihr plauderte. Bei diesem Anblick vermochte er in seiner Eifersucht auf seiner Tochter Ehre nicht mehr an sich zu halten und, den Vorhang aufhebend, trat er mit gezücktem Schwert in der Rechten ein und stürzte sich wie ein Ghûl auf beide. Als der Prinz ihn erblickte, fragte er die Prinzessin: »Ist dies da dein Vater?« Sie antwortete: »Ja.«

Dreihundertundsechzigste Nacht.

Da sprang er auf die Füße, packte sein Schwert und stieß gegen den König einen so entsetzlichen Schrei aus, daß er erstarrte. Dann wollte er ihn mit dem Schwerte anfallen, als der König, der nun erkannte, daß der Prinz ungestümer als er selber war, sein Schwert in die Scheide stieß und stillstand, bis der Prinz an ihn herangekommen war. Alsdann redete er ihn höflich an und fragte ihn: »Junger Mann, bist du ein Mensch oder ein Dschinnī?« Da antwortete der Prinz: »Hätte ich nicht Achtung vor dem Gastrecht und vor der Ehre deiner Tochter, so vergösse ich dein Blut. Wie kannst du mich mit den Satanen versippen, wo ich zu den Söhnen der Chosroen gehöre, welche dich, so sie dir dein Reich nehmen wollten, wie ein Erdbeben von deiner Macht und Herrlichkeit stürzen und dich all der Güter in deinen Heimstätten berauben könnten?« Als der König seine Worte vernahm, sagte er in heiliger Scheu vor ihm und besorgt um sein Leben: »Wenn du königlichen Geblütes bist, wie du es behauptest, wie konntest du da ohne meine Erlaubnis in mein Schloß eindringen und meine Ehre bloßstellen, indem du zu meiner Tochter gingst und vorgabst, du seiest ihr Ehgemahl, und ich hätte dich mit ihr vermählt, wo ich die Könige und Prinzen erschlug, welche sich um sie bewarben? Und wer wird dich nun vor meiner Macht erretten, wo, wenn ich meine Sklaven und Diener riefe und ihnen hieße dich zu töten, sie es auf der Stelle thun würden? Wer will dich 171 aus meiner Hand erretten?« Als der Prinz diese Worte vom König vernahm, antwortete er ihm: »Fürwahr, ich verwundere mich über dich und deinen beschränkten Verstand. Verlangst du etwa einen schöneren Ehgemahl für deine Tochter als mich oder sahest du je einen Mann mit festerem Herzen oder einen, der besser für sie paßte und herrlicher an Macht, an Truppen und Trabanten wäre, als ich es bin?« Da versetzte der König: »Nein, bei Gott; doch wünschte ich, junger Mann, daß du vor Zeugen um sie anhältst, damit ich dich mit ihr vermählen kann; wollte ich dich im stillen mit ihr vermählen, so würde ich durch dich in ihr bloßgestellt werden.« Der Prinz antwortete ihm hierauf: »Nun hast du trefflich gesprochen; jedoch, o König, wolltest du alle deine Sklaven, Eunuchen und Soldaten wider mich herbeirufen, daß sie mich ermorden, wie du mir gedroht hast, so würdest du dich selber entehren, und das Volk würde zwiespältig sein, ob es dir glauben oder nicht glauben solle. Mein Rat geht demnach dahin, daß du, o König, dies aufgiebst und meinem Vorschlag Folge leistest.« Da sagte der König: »Laß hören, was du zu sagen hast,« und der Prinz versetzte: »Was ich dir vorzuschlagen habe, ist folgendes: Entweder kämpfen wir beide, du und ich, allein im Zweikampf, und wer seinen Gegner fällt, soll des Reiches würdiger und geeigneter sein, oder du lässest mich heute Nacht in Frieden, und, so der Morgen kommt, führe deine Krieger und Reitersleute und alle deine Sklaven wider mich heraus; zuvor jedoch nenn' mir ihre Anzahl.« Der König versetzte: »Es sind ihrer vierzigtausend Berittene ohne meine Sklaven und ihr Gefolge, welche ihnen an Zahl gleichkommen.« Da entgegnete der Prinz: »So der Tag anbricht, führe sie wider mich heraus und sprich zu ihnen:

Dreihundertundeinundsechzigigste Nacht.

»Jener Mann hat sich um meine Tochter bei mir unter der Bedingung beworben, daß er mit euch allen auf den Plan treten will, denn er behauptet, er würde euch alle 172 überwältigen und besiegen, und ihr könntet nicht gegen ihn ankommen. Alsdann laß mich gegen sie kämpfen; fällen sie mich, so ist dein Geheimnis um so besser verborgen und deine Ehre um so sicherer gewahrt. Überwältige und bezwinge ich sie jedoch, so wird der König einen Mann wie mich zum Schwiegersohn erküren.« Als der König seine Worte vernahm, hieß er sie gut und nahm seinen Vorschlag an, wiewohl ihm seine Worte vermessen erschienen und ihn sein Entschluß wider sein ganzes Heer, das er ihm beschrieben hatte, ins Feld zu treten, in Schrecken setzte. Alsdann setzten sich beide und plauderten miteinander, worauf der König den Eunuchen rief und ihm befahl, unverzüglich zu seinem Wesir zu gehen und ihm zu befehlen, sämtliche Truppen zu versammeln und ihnen anzusagen, die Waffen anzulegen und aufzusitzen. Der Eunuch begab sich demnach zum Wesir und teilte ihm des Königs Befehl mit, worauf der Wesir die Hauptleute und die Großen des Reiches berief und ihnen befahl aufzusitzen und in voller Waffenrüstung auf dem Plan anzutreten.

Soviel, was die Truppen anlangt; der König aber unterhielt sich mit dem jungen Mann, eingenommen von seinem Gespräch, seinem Verstand und seiner Bildung, bis der Morgen sie überraschte. Alsdann erhob sich der König, bestieg seinen Thron und befahl dem Heere aufzusitzen, worauf er dem Prinzen eins seiner trefflichsten Rosse vorführen ließ und Auftrag gab, es ihm mit schönem Reitzeug zu satteln. Der Prinz versetzte jedoch: »O König, ich sitze nicht eher auf, als bis ich in Sicht der Truppen gekommen bin und sie in Augenschein genommen habe;« und der König erwiderte: »Es sei ganz nach deinem Wunsch.« Alsdann zogen beide, der König und vor ihm der junge Mann, zum Plan hinaus, und der König rief, nachdem der Jüngling das Heer und die Menge seiner Streiter besichtigt hatte: »Ihr Leute allzumal, ein Jüngling kam zu mir als Freier meiner Tochter, wie ich zuvor noch keinen schönern, hochgemutern und furchtloseren 173 Degen sah; und er vermißt sich als einzelner Mann euch zu überwältigen und zu bezwingen und erklärt, so ihr auch hunderttausend zähltet, ihr für ihn doch nur eine Handvoll wäret. Wenn er also wider euch auf dem Plan tritt, so empfanget ihn mit den Spitzen eurer Lanzen und den Schneiden eurer Klingen; denn eines gewaltigen Dinges hat er sich erkühnt.« Hierauf sagte der König zum Prinzen: »Mein Sohn, vorwärts, und stille dein Begehren an ihnen!« Der Prinz erwiderte ihm jedoch: »O König, du bist nicht gerecht gegen mich; wie werde ich gegen sie zu Fuß auf den Plan treten, wo deine Mannen allzumal beritten sind?« Da versetzte der König: »Ich hatte dir ja befohlen aufzusitzen. doch lehntest du es ab. Los und wähle dir eins von den Pferden aus.« Nun entgegnete der Prinz: »Mir gefällt keines deiner Pferde; ich will nur das Pferd besteigen, auf dem ich hergekommen bin.« Da fragte der König: »Und wo ist dein Pferd?« Und der Prinz erwiderte ihm: »Es steht auf deinem Schlosse.« »Wo steht es dort?« fragte der König. »Auf der Dachterrasse,« antwortete der Prinz. Als der König dies vernahm, sagte er: »Das ist das erste Zeichen von Wahnsinn, das ich an dir erschaue; wehe dir, wie kann das Pferd auf der Dachterrasse sein? Doch sofort soll es ans Tageslicht kommen, ob du die Wahrheit sprichst oder lügst.« Alsdann wendete sich der König zu einem aus seiner nächsten Umgebung und befahl ihm: »Geh' ins Schloß und bring', was du auf dem Dach findest.« Das Volk aber verwunderte sich über die Worte des jungen Mannes, und einer sprach zum andern: »Wie kann das Pferd von dem Dach die Treppe hinuntersteigen? Fürwahr, so etwas haben wir noch nie vernommen.« Inzwischen war der Bote des Königs zum Schloß gegangen und aufs Dach gestiegen, wo er das Pferd stehen sah, wie er kein schöneres bisher erschaut hatte. Als er jedoch an dasselbe herantrat und es genau betrachtete, sah er, daß es aus Ebenholz und Elfenbein war. Außer ihm waren aber noch andere aus des Königs Umgebung mit dem Boten 174 hinaufgestiegen und, da sie das Pferd sahen, lachten sie und sagten: »Sprach etwa der junge Mann von einem Pferde wie diesem hier? Er muß thatsächlich verrückt sein, doch werden wir ja sehen, was es mit ihm auf sich hat.

Dreihundertundzweiundsechzigste Nacht.

Vielleicht ist er ein hochansehnlicher Mann.« Alsdann nahmen sie das Pferd auf ihre Hände und trugen es, bis sie zum König gelangten und es vor ihm niedersetzten, worauf die Leute herbeiströmten und es in Augenschein nahmen, wobei sie sich über seinen schönen Bau und das prächtige Sattel- und Zaumzeug verwunderten. Auch dem König gefiel es, und höchlichst über dasselbe verwundert, fragte er den Prinzen: »Junger Mann, ist das dein Pferd?« Der Prinz antwortete: »Jawohl, o König, es ist mein Pferd, und du sollst dein Wunder an ihm erleben.« Da sagte der König: »So nimm dein Pferd und sitz' auf.« Der Prinz entgegnete jedoch: »Ich sitze nicht eher auf, als bis die Truppen sich zurückgezogen haben.« Hierauf befahl der König den Kriegern, die sich rings um das Pferd gedrängt hatten, auf Bogenschußweite zurückzuweichen, und der Prinz sagte nun: »O König, schau, nunmehr will ich mein Pferd besteigen und dein Heer angreifen und will sie rechts und links auseinandertreiben und ihre Herzen spalten.« Und der König sagte: »Thu', was dir beliebt, und schone ihrer nicht, wie sie auch dich nicht verschonen werden.« Alsdann trat der Prinz an sein Pferd und bestieg es, während sich das Heer in Schlachtreihe gegen ihn aufstellte, und einer zum andern sagte: »Wenn der junge Fant zwischen unsere Reihen kommt, so wollen wir ihn mit den Lanzenspitzen und den Schneiden unserer Klingen empfangen.« Einer von ihnen aber sagte: »Bei Gott, das ist ein Unglück; wie sollen wir einen Jüngling mit so hübschem Gesicht und von so trefflicher Gestalt töten?« Wieder ein anderer sagte: »Bei Gott, es wird euch harte Arbeit kosten, an ihn heranzukommen, denn, wenn der Jüngling nicht seine 175 Tapferkeit und Überlegenheit kennte, würde er sich zu solchem Wagnis nicht unterfangen.« Als nun der Prinz auf seinem Pferde saß, drehte er den Aufstiegswirbel, während aller Augen gespannt an ihm hingen, was er wohl beginnen würde. Da wankte und schwankte das Pferd, schlug um sich und machte die sonderbarsten Bewegungen, die je ein Pferd machte, bis sein Leib mit Luft angefüllt war, und mit einem Male erhob es sich und stieg empor gen Himmel. Als der König dies sah, rief er seinem Heere zu: »Weh' euch, haltet ihn fest, ehe er euch entkommt!« worauf seine Wesire und Hauptleute versetzten: »O König, kann einer den Vogel in der Luft fangen? Dieser ist weiter nichts als ein mächtiger Zauberer, vor dem dich Gott errettet hat; so preise Gott für deine Errettung aus seiner Hand!« Und so kehrte denn der König, nachdem er den Prinzen hatte gen Himmel entschweben sehen, ins Schloß zu seiner Tochter zurück und teilte ihr mit, was sich mit dem Prinzen auf dem Plan zugetragen hatte; doch traf er sie schwer betrübt über die Trennung von ihm an, und bald darauf fiel sie in schwere Krankheit und mußte zu Bett liegen. Als nun ihr Vater sie in solchem Zustand erblickte, preßte er sie an seine Brust und sagte zu ihr, sie zwischen die Augen küssend: »O meine Tochter, preise Gott, den Erhabenen, und danke ihm dafür, daß er uns von diesem listigen Zauberer errettet hat.« Alsdann wiederholte er ihr die Geschichte, die sich vor seinen Augen mit dem Prinzen zugetragen hatte, und wie er gen Himmel aufgestiegen war, während sie auf keines der Worte ihres Vaters hörte und nur noch heftiger weinte und schluchzte und bei sich sprach: »Bei Gott, ich will nicht eher Speise essen noch Wein trinken, als bis mich Gott wieder mit ihm vereint hat!« Ihr Vater, der König, grämte sich schwer hierüber, der Zustand seiner Tochter drückte ihn nieder, und sein Herz trauerte um sie. So oft er aber sie zu trösten suchte, um so mehr wuchs ihr leidenschaftliches Verlangen nach ihm. 176

Dreihundertunddreiundsechzigste Nacht.

Soviel, was den König und seine Tochter anlangt; was nun aber den Prinzen betrifft, so dachte er, als er in den Luftraum aufgestiegen und allein war, an die Schönheit und Anmut des Mädchens. Er hatte sich bei den Gefährten des Königs nach dem Namen der Stadt und dem des Königs und seiner Tochter erkundigt und hatte erfahren, daß jene Stadt die Stadt SanāDie bekannte Hauptstadt von Jemen (Arabia felix). war. Eilig legte er nun seinen Weg zurück, bis er die Stadt seines Vaters erblickte, worauf er, nachdem er die Stadt umkreist hatte, seine Richtung nach dem Schlosse seines Vaters nahm und sich auf die Dachterrasse niederließ. Sein Pferd dort lassend, stieg er zu seinem Vater hinab und fand ihn trauernd und bekümmert über die Trennung von ihm. Als ihn nun aber sein Vater erblickte, erhob er sich, eilte auf ihn zu, umarmte ihn und preßte ihn in mächtiger Freude an seine Brust. Hierauf erkundigte sich der Prinz bei seinem Vater nach dem Weisen, der das Pferd erbaut hatte, und fragte ihn: »Mein Vater, was hat das Schicksal mit ihm gethan?« Sein Vater antwortete ihm: »Gott segne ihn nicht und nicht die Stunde, in welcher ich ihn sah, da er die Ursache unserer Trennung war! Mein Sohn, seit dem Tage, da du verschwandest, liegt er im Kerker.« Indessen befahl der König ihn freizulassen und ihn aus dem Gefängnis zu holen und vor ihn zu führen; und, wie er nun vor ihn gebracht wurde, legte er ihm ein Satisfaktionskleid an und erwies ihm die höchsten Gunstbezeugungen, nur daß er ihn nicht mit seiner Tochter vermählte. Der Weise entbrannte hierüber in grimmigem Zorn und bereute sein Thun, da er sah, daß der Prinz hinter das Geheimnis des Pferdes gekommen war und seinen Flugmechanismus erkannt hatte. Hierauf sagte der König zu seinem Sohne: »Mein Rat geht dahin, daß du nach diesem 177 Abenteuer dem Pferde fern bleibst und es von heute ab nicht mehr besteigst, da du seine Beschaffenheit nicht kennst und du dich irren magst.« Der Prinz hatte aber seinem Vater auch sein Erlebnis mit der Prinzessin, der Tochter des Königs jener Stadt, erzählt und alles, was sich zwischen ihm und ihrem Vater zugetragen hatte, und sein Vater versetzte: »Hätte der König dich töten wollen, so hätte er es gethan; doch war deine Stunde noch nicht gekommen.« Bald hernach aber ward sein Inneres von so heftiger Sehnsucht nach der Tochter des Königs von Sanā bewegt, daß er aufstand, zum Pferd ging und sich darauf setzte; dann drehte er den Aufstiegswirbel, und das Pferd flog mit ihm in die Luft und stieg mit ihm bis zu den Wolken des Himmels. Am Morgen vermißte ihn sein Vater, und da er ihn nicht fand, stieg er betrübt auf die Spitze des Schlosses und sah nun seinen Sohn hoch gen Himmel aufsteigen. Da ward er tief betrübt über die Trennung von ihm und bereute es aufs bitterlichste, daß er nicht das Pferd genommen und versteckt hatte; und er sprach bei sich: »Bei Gott, wenn mein Sohn wiederkehren sollte, so zerbreche ich das Pferd, auf daß mein Herz sich nicht mehr um meinen Sohn zu ängstigen braucht.« Alsdann begann er wieder in seiner Trauer über seinen Sohn zu weinen und klagen.

Dreihundertundvierundsechzigste Nacht.

Soviel, was den König anlangt. Inzwischen war der Prinz fortwährend durch die Luft gezogen, bis er die Stadt Sanā erreicht hatte, wo er sich an demselben Orte wie zuvor niederließ und dann unbemerkt zum Gemach der Prinzessin ging, ohne jedoch sie oder ihre Mädchen oder ihren Wächter, den Eunuchen, zu finden. Bestürzt hierüber, durchwanderte er das Schloß und suchte nach ihr, bis er sie in einem andern Zimmer als dem, in welchem er zuvor mit ihr zusammengetroffen war, zu Bett liegend fand, umgeben von ihren Mädchen und Ammen. Da trat er zu ihnen 178 ein und begrüßte sie; als aber die Prinzessin seine Stimme vernahm, erhob sie sich, eilte ihm entgegen und umarmte ihn; dann preßte sie ihn fest an sich und küßte ihn fortwährend zwischen die Augen, während er zu ihr sagte: »Meine Herrin, du hast mich die ganze Zeit über vereinsamt gemacht.« Da entgegnete sie ihm: »Du bist's, der mich vereinsamt gemacht hat; wärest du noch lange von mir fortgeblieben, so wäre ich ganz gewiß gestorben.« Hierauf sagte er zu ihr: »O meine Herrin, wie denkst du über mein Benehmen gegen deinen Vater, und wie er mit mir verfuhr? Ohne meine Liebe zu dir, o Verführung der drei Welten, hätte ich ihn getötet und ihn zu einem Exempel für die Zuschauer gemacht. Doch liebe ich ihn um deinetwillen.« Sie aber sagte: »Wie konntest du mich verlassen? Kann etwa mein Leben getrennt von dir mir süß sein?« Da versetzte er: »Willst du mir gehorchen und auf mein Wort merken?« Sie entgegnete: »Sprich, was du sagen willst; ich will darin einwilligen und dir in keiner Sache widersprechen.« Da sagte er: »Ziehe mit mir in mein Land und mein Reich;« und sie erwiderte: »Freut mich und ehrt mich.« Als der Prinz ihre Worte vernahm, faßte er in mächtiger Freude ihre Hand und vereidigte sie darauf vor Gott, dem Erhabenen. Alsdann stieg er mit ihr auf das Dach des Schlosses, bestieg das Pferd und ließ sie hinter sich aufsitzen. Nachdem er sie an sich gezogen und fest an sich gebunden hatte, drehte er den Aufstiegswirbel an der Schulter des Pferdes, worauf dasselbe mit ihnen in die Luft emporstieg. Als aber die Mädchen dies sahen, schrieen sie laut und teilten es ihrem Vater und ihrer Mutter mit, welche eilig aufs Schloßdach gestiegen kamen, von wo der König nun beide auf dem Ebenholzpferde hoch in der Luft schweben sah. Bei diesem Anblick erschrak der König über die Maßen und schrie und rief: »O Prinz, ich beschwöre dich bei Gott, erbarme dich meiner und meines Weibes und trenne uns nicht von unserer Tochter.« Der Prinz gab ihm jedoch keine Antwort. Dann aber dachte er bei sich nach, daß das 179 Mädchen vielleicht Reue über die Trennung von ihren Eltern bekommen könnte, und fragte sie: »O Verführung der Zeit, begehrst du, daß ich dich wieder zu deinen Eltern zurückbringe?« Sie entgegnete ihm jedoch: »Mein Herr, bei Gott, das ist nicht mein Wunsch; ich wünsche weiter nichts als bei dir zu bleiben, wo du auch sein magst, denn meine Liebe zu dir läßt mich alles andere, selbst Vater und Mutter, vergessen.« Als der Prinz ihre Worte vernahm, freute er sich mächtig und ließ das Pferd sacht dahinziehen, damit sie sich nicht ängstigte. Nicht eher unterbrach er ihren Flug als bis er eine grüne Wiese mit einer rieselnden Wasserquelle erblickte, wo er sich mit ihr niederließ und sie beide aßen und tranken. Alsdann saß er wieder auf, indem er sie hinter sich nahm und sie, um ihr Leben besorgt, wieder mit dem Strick festband, und zog mit ihr unablässig durch die Luft, bis er zur Stadt seines Vaters gelangte, bei deren Anblick seine Freude wuchs. Da er nun aber dem Mädchen den Sitz seiner Macht und das Reich seines Vaters zeigen wollte, damit sie sähe, daß seines Vaters Reich größer wäre als das ihres Vaters, ließ er sie in einem der Lustgärten seines Vaters nieder und führte sie in den für seinen Vater dort hergerichteten Pavillon. Nachdem er dann das Pferd an die Thür jenes Pavillons gestellt und das Mädchen mit seiner Obhut betraut hatte, sagte er zu ihr: »Bleib' hier, bis ich zu dir meinen Boten schicke, denn ich gehe jetzt zu meinem Vater, um dir ein Schloß herrichten zu lassen und dir mein Reich zu zeigen. Da freute sich die Prinzessin über seine Worte und sagte zu ihm: »Thu' nach deinem Belieben, –

Dreihundertundfünfundsechzigste Nacht.

da sie daraus entnahm, daß sie in allen ihr geziemenden Ehren einziehen solle. Hierauf verließ sie der Prinz und machte sich auf den Weg, bis daß er zur Stadt kam und bei seinem Vater eintrat. Als sein Vater ihn erblickte, freute er sich über seine Ankunft und ging ihm, ihn willkommen 180 heißend, entgegen. Der Prinz aber sagte zu ihm: »Wisse, ich habe die Prinzessin, von der ich dir erzählte, mitgebracht und habe sie draußen vor der Stadt in einem der Gärten gelassen, während ich kam, um es dir mitzuteilen, damit du die Prozession für sie herrichtest und zu ihrem Empfang ausziehst und ihr dein Reich und deine Truppen und Garden zeigst.« Der König erwiderte: »Freut mich und ehrt mich.« Alsdann befahl er unverzüglich dem Stadtvolk die Stadt schön auszuschmücken, und saß mit allem Pomp und Prunk samt seinen ganzen Truppen, den Großen des Reiches und seinen Sklaven auf, während der Prinz aus seinem Schlosse Schmucksachen, Gewänder und andere königliche Schatzstücke hervorholte und für die Prinzessin eine Kamelsänfte von grünem, rotem und gelbem Brokat herrichtete und die indischen, griechischen und abyssinischen Sklavinnen in die Sänfte steigen ließ und Wunderdinge von Schätzen entfaltete. Alsdann verließ er die Sänfte und die Sklavinnen, die darin saßen, und ging ihnen zum Garten voraus. Als er nun aber den Pavillon betrat, in welchem er sie untergebracht hatte, und nach ihr suchte, fand er weder sie noch das Pferd, so daß er sich vors Gesicht schlug, seine Kleider zerriß und verstörten Geistes im Garten umherwanderte, bis er wieder zu sich kam und bei sich sprach: »Wie konnte sie das Geheimnis des Pferdes erfahren, wo ich ihr nichts davon gesagt hatte? Vielleicht ist der persische Weise, der das Pferd machte, auf sie gestoßen und hat sie aus Rache für das, was mein Vater ihm angethan, entführt.« Hierauf suchte der Prinz die Gartenhüter auf und erkundigte sich bei ihnen, ob sie jemand hätten an ihnen vorbeikommen sehen, indem er sie fragte: »Sahet ihr jemand an euch vorüberkommen und diesen Garten betreten?« Und sie versetzten: »Wir sahen niemand außer dem persischen Weisen, der den Garten betrat, um Heilkräuter zu sammeln.« Als er dies von ihnen vernahm, war er seiner Sache gewiß, daß der Weise in der That das Mädchen geraubt hatte. 181

Dreihundertundsechsundsechzigste Nacht.

Als nämlich der Prinz das Mädchen in dem Gartenpavillon zurückgelassen hatte und zu seines Vaters Schloß gegangen war, um seine Angelegenheiten zu ordnen, war nach dem Ratschluß des Schicksals der persische Weise in den Garten gekommen, um einige Heilkräuter zu sammeln. Als er hier den Duft von Moschus und Wohlgerüchen roch, welcher den ganzen Ort erfüllte, und der von der Prinzessin ausströmte, da ging der Weise dem Wohlgeruche nach, bis er zu jenem Pavillon gelangte. Wie er nun dort das Pferd an der Thür stehen sah, das er mit seiner eigenen Hand angefertigt hatte, schwoll sein Herz vor Freude und Fröhlichkeit, da er den Verlust desselben tief beklagt hatte. Er trat an das Pferd heran und fand bei einer Prüfung seiner Teile, daß es unversehrt war. Alsdann wollte er aufsitzen und fortziehen; doch sprach er zuvor bei sich: »Ich muß einmal nachschauen, was der Prinz gebracht und hier bei dem Pferde gelassen hat.« Hierauf trat er in den Pavillon und fand dort die Prinzessin dasitzen, als wäre sie die lachende Sonne am leuchtenden Firmament. Beim ersten Blick erkannte er, daß es ein Mädchen von hohem Rang war, welches der Prinz entführt und auf dem Pferde hergebracht und in dem Pavillon zurückgelassen hatte, während er selber in die Stadt gegangen war, um alles zur ihrer Einholung in feierlicher Prozession mit allen geziemenden Ehren zurechtzumachen. Und so trat er zu ihr heran und küßte die Erde vor ihr, worauf sie ihren Blick zu ihm hob und ihn anschaute. Als sie sah, daß er ein schrecklich häßliches Gesicht und eine widerwärtige Gestalt hatte, fragte sie ihn: »Wer bist du?« Er entgegnete: »Meine Herrin, ich bin der Bote, welchen der Prinz zu dir entsendet hat, und dem er befohlen hat, dich in einen andern Garten nahe der Stadt zu bringen.« Als sie dies von ihm vernahm, fragte sie ihn: »Und wo ist der Prinz?« Er erwiderte: »Er weilt in der Stadt bei seinem Vater und wird 182 sogleich in feierlichem Aufzuge zu dir kommen.« Nun sagte sie: »Du da, konnte denn der Prinz keinen andern als dich finden, um ihn mir als Boten herzuschicken?« Da lachte der Weise über ihre Worte und sagte: »Meine Herrin, laß dich nicht durch mein häßliches Gesicht und mein widerwärtiges Aussehen täuschen. Hättest du von mir erlangt, was der Prinz von mir erreichte, du würdest mich preisen. Nur um meines häßlichen Gesichtes und meiner abstoßenden Gestalt willen hat mich der Prinz zu seinem Boten erkürt, da ihn die Liebe zu dir mit Eifersucht plagt. Sonst hätte er wohl Mamluken, Sklaven, Pagen, Eunuchen und Dienerschaft ohne Zahl.« Als die Prinzessin diese Worte von ihm vernahm, schien ihr die Sache richtig zu sein; ihm vertrauend, erhob sie sich, –

Dreihundertundsiebenundsechzigste Nacht.

legte ihre Hand in die seinige und fragte ihn: »Mein Vater, was hast du für mich zum Aufsitzen mitgebracht?« Da versetzte er: »Meine Herrin, du sollst auf dem Pferd reiten, auf welchem du hergekommen bist.« Sie erwiderte: »Ich kann nicht allein auf ihm reiten.« Bei diesen ihren Worten lächelte der Weise, da er sah, daß er sie in seine Gewalt bekommen hatte, und sagte zu ihr: »Ich selbst werde mit dir reiten.« Hierauf stieg er aufs Pferd, nahm das Mädchen hinter sich und band sie fest an sich, ohne daß sie wußte, was er mit ihr vorhatte. Dann drehte er den Aufstiegswirbel, der Leib des Pferdes füllte sich mit Luft an, es regte sich und schwankte und wankte hin und her und stieg in die Luft empor, bis die Stadt ihren Blicken entschwand. Da rief das Mädchen: »Du da, wo sind deine Worte, daß dich der Prinz zu mir geschickt hat?« Der Weise erwiderte: »Gott verdamm' den Prinzen, er ist ein ganz gemeiner, elender Lump.« »Wehe dir,« rief die Prinzessin, »wie kannst du dem Befehl deines Herrn ungehorsam sein?« Der Weise aber entgegnete: »Er ist nicht mein Herr; weißt du, wer ich 183 bin?« Sie erwiderte: »Ich weiß nichts anderes als was du mir selber von dir gesagt hast.« Da sagte er: »Was ich dir sagte, war nur eine List gegen dich und den Prinzen. Lange beklagte ich den Verlust dieses Pferdes, das unter dir ist, denn es war mein Werk, und er hatte sich seiner bemächtigt. Jetzt aber habe ich es wieder in meine Gewalt gebracht und dich dazu; wie er mein Herz verbrannt hat, so verbrenne ich jetzt das seinige, und niemals soll er es wieder bekommen. So sei nun guten Mutes und kühlen Auges, denn ich bin dir nützlicher als er.« Als das Mädchen seine Worte vernahm, schlug es sich vors Gesicht und klagte: »Ach, nun hab' ich weder den Geliebten gewonnen noch bin ich bei Vater und Mutter geblieben!« Darauf weinte sie laut über das Leid, das sie betroffen hatte, während der Weise mit ihr nach dem Lande Rûm zog, wo er sich mit ihr auf einer grünen Wiese mit vielen Bächen und Bäumen niederließ. Jene Wiese lag aber nahe bei einer Stadt, in welcher ein mächtiger König herrschte, und es traf sich, daß der König gerade an jenem Tage aus der Stadt zur Jagd und zur Erholung ausgezogen war und an jener Wiese vorüberkam, wo er den Weisen und neben ihm das Pferd und das Mädchen stehen sah. Ehe sich's der Weise versah, stürzten sich plötzlich die Sklaven des Königs auf ihn und nahmen ihn, das Mädchen und das Pferd und führte alle drei vor den König, welcher beim Anblick des häßlichen Gesichts des Weisen und seiner widerwärtigen Gestalt und der Schönheit und Anmut des Mädchens letztere fragte: »Meine Herrin, wie bist du mit diesem Scheich verwandt?« Da gab der Weise eilends Antwort und sagte: »Sie ist mein Weib und meines Vaterbruders Tochter.« Doch sobald das Mädchen seine Worte vernahm, zieh es ihn der Lüge und sagte: »O König, bei Gott, ich kenne ihn nicht; er ist nicht mein Ehegemahl sondern hat mich mit List und Gewalt geraubt.« Als der König ihre Worte vernahm, befahl er den Perser durchzuprügeln, worauf sie ihn halb zu Tode prügelten. 184 Alsdann befahl der König ihn nach der Stadt zu tragen und ins Gefängnis zu werfen. Das Mädchen aber und das Pferd nahm er ihm fort, wiewohl er nicht wußte was für eine Bewandtnis es mit dem Pferde hatte, und wie es in Bewegung zu bringen war.

Soviel, was den Weisen und das Mädchen anlangt; der Prinz aber legte Reisekleider an, nahm soviel Geld, als er brauchte, zu sich und machte sich in elendestem Zustand auf die Fahrt. Eilends folgte er ihrer Spur von Land zu Land und von Stadt zu Stadt und erkundigte sich nach dem Ebenholzpferd, doch verwunderte sich jeder über ihn, der ihn von einem Ebenholzpferde sprechen hörte, und erstaunte über seine Frage. In dieser Weise verharrte er eine lange Weile, ohne jedoch trotz alles seines Nachfragens und Nachforschens irgend eine Spur von den beiden zu finden. Da reiste er zur Stadt ihres Vaters und erkundigte sich dort nach ihr; doch hörte er nichts von ihr und traf ihren Vater bekümmert um ihren Verlust an. Nun kehrte er wieder zurück und zog nach dem Lande Rûm, wiederum ihnen überall nachspürend und sich nach ihnen erkundigend.

Dreihundertundachtundsechzigste Nacht.

Da traf es sich, daß er in einem Chân einkehrte und dort eine Gesellschaft Kaufleute miteinander plaudernd sitzen sah. Infolgedessen setzte er sich in ihre Nähe und hörte nun, wie einer derselben sagte: »Meine Freunde, ich sah jüngst das größte Wunderding.« Da fragten sie ihn: »Was war's?« Und er erwiderte: »Ich befand mich in einem der Viertel der und der Stadt, – und nun nannte er den Namen der Stadt, in welcher sich die Prinzessin befand, – und hörte das Volk von einem merkwürdigen Vorfall reden. Es war nämlich der König jener Stadt eines Tages mit seinen Gefährten und den Großen seines Reiches auf die Jagd ausgezogen, wobei sie in der Steppe bei einer grünen Wiese vorüberkamen, auf welcher sie einen Mann halten sahen, 185 neben dem ein Weibsbild saß und ein Pferd aus Ebenholz stand. Der Mann war häßlich von Angesicht und von ganz entsetzlicher Gestalt, das Weibsbild aber war ein Mädchen von reichster Schönheit, Anmut, Eleganz und Vollkommenheit und von schönem Wuchs und Ebenmaß, und das Ebenholzpferd war ein Wunder, wie die Augen ein schöneres und gefälliger gebautes Pferd nie zuvor sahen.« Da fragten die Anwesenden: »Was hat der König mit ihnen gethan?« Und er erwiderte: »Was den Mann anlangt, so nahm ihn der König fest und stellte ihn des Mädchens wegen zur Rede, worauf er behauptete, sie sei sein Weib und seines Vaterbruders Tochter. Das Mädchen erklärte ihn jedoch für einen Lügner, worauf der König sie ihm fortnahm und ihn durchzuprügeln und ins Gefängnis zu werfen befahl. Was schließlich das Ebenholzpferd anlangt, so weiß ich nicht, was aus ihm geworden ist.« Als der Prinz diese Erzählung vom Kaufmann vernahm, näherte er sich ihm und begann ihn freundlich und höflich nach dem Namen der Stadt und des Königs auszuhorchen, worauf er, nachdem er beider Namen erfahren hatte, fröhlich die Nacht verbrachte. Am nächsten Morgen in der Frühe zog er dann weiter und reiste ununterbrochen, bis er vor jener Stadt anlangte. Als er aber hinein wollte, packten ihn die Thorhüter, um ihn vor den König zu führen, damit er ihn nach seinem Stand und nach seiner Kunst ausfragen könnte, da es des Königs Brauch war alle die Fremden nach ihrem Stand und ihrem Handwerk zu befragen. Da nun aber der Prinz zur Abendzeit vor der Stadt angelangt war, zu welcher es unmöglich war Eintritt zum König zu erlangen und sich mit ihm wegen des Fremdlings zu besprechen, nahmen ihn die Thorhüter und führten ihn zum Gefängnis, um ihn dort unterzubringen. Die Kerkermeister jedoch, die es hart ankam, einen so hübschen und anmutigen jungen Menschen ins Gefängnis zu stecken, ließen ihn draußen vor dem Gefängnis bei sich sitzen und, als ihnen das Essen gebracht wurde, sich in ihrer Gesellschaft satt essen. Als sie 186 ihre Mahlzeit beendet hatten, fingen sie an sich zu unterhalten, wobei sie sich zu dem Prinzen wendeten und ihn fragten: »Aus welchem Lande bist du?« Da antwortete er: »Ich bin aus dem Lande Persien, dem Lande der Chosroen. Als sie dies vernahmen, lachten sie, und einer von ihnen sagte: »O KisrawiterChosroenunterthan., ich habe der Leute Reden und Geschichten gehört und ihre Verhältnisse geschaut; einen größern Lügner aber als jenen Kisrawiter, der bei uns im Gefängnis steckt, hab' ich weder gesehen noch gehört.« Und ein anderer setzte hinzu: »Und ich sah nichts häßlicheres und widerwärtigeres als sein Gesicht und seine Gestalt.« Da fragte sie der Prinz: »Was hat er euch denn vorgelogen?« Und sie erwiderten: »Er behauptet ein Weiser zu sein; der König hatte ihn unterwegs auf einer Jagdstreife getroffen und bei ihm ein Frauenzimmer von wunderbarer Schönheit, Anmut, Eleganz und Vollkommenheit und von ebenmäßigstem Wuchs gefunden, sowie auch ein Pferd aus schwarzem Ebenholz, wie wir nie zuvor ein schöneres sahen. Das Mädchen befindet sich bei dem König, der sie liebt, doch ist sie verrückt. Wäre jener Mann ein Weiser, wie er es behauptet, so würde er sie geheilt haben, da der König sich die möglichste Mühe giebt sie gesund machen zu lassen, und es sein sehnlichster Wunsch ist sie von ihrer Krankheit genesen zu sehen. Das Ebenholzpferd aber steht in des Königs Schatzkammer, und der häßliche Mann steckt hier bei uns im Gefängnis und weint und jammert über sich, sobald die Nacht dunkelt, und läßt uns nicht schlafen.«

Dreihundertundneunundsechzigste Nacht.

Als die Gefängniswärter dem Prinzen die Geschichte von dem bei ihnen im Gefängnis liegenden persischen Weisen erzählt hatten, kam ihm der Gedanke einen Plan zur Erreichung seines Wunsches zu ersinnen. Die Thürhüter aber führten ihn, als sie sich zur Ruhe legen wollten, ins Gefängnis und 187 verriegelten die Thür hinter ihm, so daß er nun hörte, wie der Weise in persischer Sprache über sich weinte und jammerte und die Worte klagte: »Weh mir, daß ich wider mich und den Prinzen sündigte, und daß ich mich in dieser Weise gegen das Mädchen benahm, indem ich sie weder verließ noch mir zu Willen machte! Alles das kommt aus meiner Unüberlegtheit, darum daß ich etwas begehre, was mir nicht zukam und Leuten meines Schlages nicht ansteht. Wer aber sich solcher Dinge vermißt, die ihm nicht anstehn, der stürzt in solches Mißgeschick wie ich.« Als der Prinz seine Klage vernahm, redete er ihn auf Persisch an und sagte zu ihm: »Wie lange soll dies Geweine und Geheul dauern? Glaubst du etwa, daß dich allein solch Mißgeschick befallen hat?« Als der Perser seine Worte vernahm, schloß er mit ihm Freundschaft und klagte ihm seine Lage und sein Leid.

Am nächsten Morgen in der Frühe nahmen die Thorhüter den Prinzen und führten ihn vor ihren König, dem sie davon Mitteilung machten, daß er bereits am Abend zuvor zu einer Zeit, wo es nicht mehr anging vor ihm zu erscheinen, zur Stadt gekommen wäre, und der König fragte ihn und sprach: »Aus welchem Lande kommst du, wie ist dein Name, was ist dein Handwerk, und weshalb bist du zu dieser Stadt gekommen?« Der Prinz antwortete: »Was meinen Namen anlangt, so lautet er auf Persisch Hardsche, mein Heimatsland ist Persien, und ich gehöre zum Gelehrtenvolk; speciell bin ich ein Arzt und heile die Kranken und Verrückten, zu welchem Zwecke ich die Länder und Städte durchziehe, um durch Vermehrung meiner Kenntnisse zu profitieren; sehe ich einen Kranken, so heile ich ihn, und dies ist meine Kunst.« Als der König seine Worte vernahm, freute er sich mächtig und sagte zu ihm: »Vortrefflicher Hakîm, du bist, fürwahr, zu einer Zeit zu uns gekommen, wo wir deiner bedürfen.« Hierauf trug er ihm die Geschichte des Mädchens vor und sagte zu ihm: »So du sie heilest und von ihrem Wahnsinn befreist, so sollst du alles, was du begehrst, von mir erhalten.« 188 Und der Prinz erwiderte ihm: »Gott stärke den König! Beschreib' mir alles, was du von ihrem Wahnsinn erschautest, und sag' mir an, seit wie langer Zeit sie von diesem Wahnsinn befallen ist, und wie du zu ihr, zu dem Pferd und dem Weisen kamst.« Darauf erzählte er ihm die ganze Geschichte und fügte hinzu: »Der Weise steckt jetzt im Gefängnis.« Nun fragte der Prinz: »Und was, o glückseliger König, hast du mit dem Pferd, das bei ihnen war, gemacht?« Der König erwiderte: »Es steht wohlverwahrt bei mir in einer der Kammern.« Da sprach der Prinz bei sich: »Ich meine, ich muß zu allererst das Pferd untersuchen und es mir ansehen; ist es heil und unversehrt, so hab' ich alle meine Wünsche erreicht; finde ich aber, daß es verdorben ist und sich nicht mehr bewegen kann, so muß ich eine andere List zur Befreiung meines Herzblatts ausfindig machen.« Hierauf wendete er sich zum König und sagte zu ihm: »O König, ich muß mir das besagte Pferd anschauen, ob ich vielleicht etwas an ihm ausfindig mache, wodurch ich das Mädchen gesund machen kann.« Da sagte der König: »Mit großem Vergnügen;« und, sich erhebend, faßte er den Prinzen an der Hand und begab sich mit ihm zum Pferd, welches sich nun der Prinz von allen Seiten besah und prüfte. Als er fand, daß es noch heil und ohne Schaden war, freute er sich mächtig und sagte: »Gott stärke den König! Ich will nun das Mädchen aufsuchen und sehen, wie es mit ihr steht; ich hoffe aber zu Gott, daß ich sie vermittelst dieses Pferdes durch meine Hand gesund machen werde, Inschalāh, – so Gott will, – der Erhabene.« Alsdann befahl er das Pferd in Obhut zu nehmen, worauf der König ihn zu dem Hause führte, in welchem sich das Mädchen befand. Wie nun der Prinz zu ihr eintrat, fand er sie wie gewöhnlich mit Händen und Füßen um sich schlagen und sich in Krämpfen am Boden wälzen, ohne daß sie jedoch verrückt gewesen wäre, da sie dieses nur that, damit sich ihr niemand näherte. Als er sie in diesem Zustande erblickte, sagte er zu ihr: »Dir soll nichts zuleide geschehen, o Verführung der 189 drei Welten;« hierauf sprach er ihr gütig und freundlich Trost zu, bis er ihr seinen Namen nannte, worauf sie, ihn erkennend, in ihrer großen Freude mit einem lauten Aufschrei in Ohnmacht sank, während der König glaubte, sie hätte diesen Anfall aus Furcht vor ihm bekommen. Der Prinz aber führte nun seinen Mund an ihr Ohr und flüsterte ihr zu: »O Verführung der drei Welten, achte auf mein Blut und auf das deinige, fasse dich in Geduld und sei standhaft, denn diese unsere Lage erfordert Geduld und scharfe Überlegung, um eine List zu unserer Befreiung von diesem tyrannischen König ausfindig zu machen. Mein Plan ist aber der, daß ich zu ihm hinausgehe und ihm sage: ›Ihre Krankheit ist Besessenheit, doch bürge ich dir für ihre Heilung, sobald du die Fesseln von ihr lösest.‹ Kommt er also zu dir, so sprich freundlich zu ihm, auf daß er glaubt, du seiest durch meine Hand geheilt. Hierdurch werden wir alle unsere Wünsche erlangen.« Sie antwortete ihm: »Ich höre und gehorche;« und nun verließ er sie und begab sich fröhlich und vergnügt zum König und sagte zu ihm: »O glückseliger König, durch dein Glück hab' ich ihre Krankheit und ihr Heilmittel entdeckt und habe sie dir schon gesund gemacht. Komm' nur jetzt zu ihr, sprich sanft zu ihr, behandele sie gütig und versprich ihr, was sie erfreut; alles, was du dann von ihr begehrst, wird dir erfüllt werden.«

Dreihundertundsiebzigste Nacht.

Da erhob sich der König und trat zu ihr ein. Bei seinem Anblick erhob sie sich, küßte die Erde vor ihm und hieß ihn willkommen. Der König freute sich mächtig hierüber und befahl den Sklavinnen und Eunuchen sie zu bedienen, sie ins Bad zu führen und die Schmucksachen und Gewänder für sie bereit zu halten, worauf dieselben bei ihr eintraten und sie begrüßten. Sie erwiderte ihnen den Salâm in der gütigsten Weise und mit den schönsten Worten, worauf sie sie in königliche Gewänder kleideten und ihr ein 190 Juwelenhalsband um den Nacken legten; dann führten sie sie ins Bad, bedienten sie daselbst und führten sie wieder heraus, als wäre sie der Vollmond. Als sie zum König kam, begrüßte sie ihn und küßte die Erde vor ihm, worüber der König hocherfreut zum Prinzen sagte: »Alles dies kommt von deinem Segen her; Gott vermehre uns deine Wohlthaten!« Der Prinz erwiderte hierauf dem König: »Soll sie vollkommen geheilt und wiederhergestellt werden, so mußt du samt allen deinen Truppen und Trabanten zu dem Orte, an welchem du sie fandest, hinausziehen und das Ebenholzpferd mit dir nehmen, damit ich dort den Dschinnī aus ihr austreibe und ihn einsperre und töte, auf daß er nie wieder zu ihr zurückkommt.« Der König antwortete: »Mit größtem Vergnügen;« hierauf ließ er das Ebenholzpferd auf die Wiese bringen, auf welcher er es dasselbe nebst dem Mädchen und dem persischen Weisen gefunden hatte, und ritt mit seinem ganzen Heere und der Prinzessin hinaus, ohne daß sie wußten, was er zu thun beabsichtigte. Als sie auf der Wiese angelangt waren, befahl der Prinz, der angebliche Arzt, das Mädchen und das Pferd auf Blickesweite vom König und den Truppen zu entfernen und sagte zum König: »Mit deiner Erlaubnis will ich jetzt mit dem Räuchern und Beschwören beginnen und den Dämon hier fesseln, daß er nicht wieder zu ihr zurückkehrt. Hernach will ich das Ebenholzpferd besteigen und das Mädchen hinter mich nehmen, und, so ich dies gethan habe, wird das Pferd hin und her schwanken und ausschreiten, bis es zu dir gekommen ist. Alsdann ist die Sache beendet, und du magst mit ihr nach Belieben verfahren.« Als der König seine Worte vernahm, freute er sich mächtig; der Prinz aber bestieg nun das Pferd und setzte das Mädchen hinter sich, während der König und sein gesamtes Heer ihm zuschaute. Nachdem er das Mädchen an sich gezogen und festgebunden hatte, drehte er den Aufstiegswirbel, und das Pferd stieg mit ihnen vor den Augen der Truppen in die Luft, die ihm nachstarrten, bis es ihren Blicken entschwand. Der 191 König wartete noch den halben Tag über auf seine Rückkehr, da er jedoch nicht wiederkehrte, verzweifelte er daran und beklagte in bitterlichster Reue die Trennung von dem Mädchen. Alsdann kehrte er mit seinen Truppen wieder in die Stadt zurück.

Soviel, was den König anlangt; der Prinz aber nahm fröhlich und vergnügt seinen Weg nach der Stadt seines Vaters und unterbrach die Fahrt nicht eher als bis er sich auf seinem Schlosse niederließ und das Mädchen ins Schloß hinunternahm, wo er es nun in Sicherheit wußte. Hierauf begab er sich zu seinen Eltern und benachrichtigte sie von der Ankunft der Prinzessin, worüber dieselben sich mächtig freuten.

Als nun der König von Rûm in seine Stadt zurückgekehrt war, schloß er sich betrübt und bekümmert in seinem Palast ein, so daß seine Wesire sich zu ihm begaben und ihn zu trösten versuchten und zu ihm sprachen: »Der Räuber des Mädchens ist ein Zauberer; Gott sei gelobt, daß er dich vor seiner Zauberei und List errettet hat!« In dieser Weise ließen sie nicht nach zu reden, bis er sie sich aus dem Sinn geschlagen hatte.

Was nun aber den Prinzen anlangt, so richtete derselbe prächtige Bankette für das Stadtvolk an, –

Dreihundertundeinundsiebzigste Nacht.

und sie verbrachten einen vollen Monat in Festlichkeiten, worauf er sein Mädchen besuchte, und sie sich aneinander mächtig erfreuten.

Soviel, was ihn anlangt; sein Vater aber zerbrach das Ebenholzpferd und zerstörte seinen Flugmechanismus. Alsdann schrieb der Prinz an den Vater der Prinzessin einen Brief, in welchem er ihm mitteilte, wie es ihr ergangen war, und ihn davon benachrichtigte, daß er sie geheiratet hätte, und daß sie nun bei ihm das beste Leben führte. Er schickte ihm den Brief nebst Geschenken und kostbaren Wertsachen zu, 192 und der Bote überreichte ihm nach seiner Ankunft in Sanā in El-Jemen, der Residenz des Vaters der Prinzessin, den Brief und die Geschenke. Als der König den Brief gelesen hatte, nahm er hocherfreut die Geschenke an und zeichnete den Boten mit hohen Ehren aus. Überdies ließ er ein kostbares Geschenk für seinen Schwiegersohn den Prinzen besorgen und schickte es ihm durch den Boten, welcher nach seiner Rückkehr dem Prinzen mitteilte, wie sehr sich der König über die Nachricht von seiner Tochter gefreut hätte, worüber er höchst glücklich wurde. Jedes Jahr schrieb der Prinz von nun an einen Brief an seinen Schwiegervater und schickte ihm daneben Geschenke, bis des Prinzen Vater das Zeitliche segnete, und er nach ihm in der Regierung folgte. Er regierte seine Unterthanen in Gerechtigkeit und führte einen wohlgefälligen Wandel unter ihnen, so daß das Land sich ihm fügte, und die Diener Gottes ihm Gehorsam leisteten, bis daß nach dem schönsten, angenehmsten, bequemsten und gesegnetesten Leben der Zerstörer aller Freuden, der Trenner aller Vereinigungen, der Verwüster der Schlösser und der Bevölkerer der Gräber ihn und seine Gemahlin heimsuchte. Und Preis sei dem Lebendigen, welcher nimmer stirbt, und in dessen Hand die Herrschaft ruht über die sichtbare und unsichtbare Welt!

 


 

Ende des siebenten Bandes.

 


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