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Der heilige Nikolaus, Bischof von Myra, der Kinderfreund

Nikolaus, der um Weihnachten Tausende von Kindern beglückt und wie ein freundliches Licht in der dunklen, kalten Jahreszeit unsere Stuben erhellt, ist der vielleicht am meisten volkstümliche Heilige, da er sich in allen Ländern der Erde ein für allemal Bürgerrechte erworben hat. Vielleicht haben vor allem die Kinder seinen unsterblichen Ruhm begründet, denn er war schon bei Lebzeiten als Bischof von Myra der große Kinderfreund, der alle Jahre groß und klein mit Gaben bedachte. Die Herzen der Kinder flogen ihm begeistert und dankbar zu, seiner bezaubernden Güte wegen, und so ist es geblieben bis auf den heutigen Tag. Doch betrachten wir ein wenig das Leben des berühmten Mannes.

Sankt Nikolaus stammte aus der Stadt Patras und seine Eltern waren vornehme und fromme Menschen. Der Vater hieß Epiphanes und die Mutter Johanna. Sie zeugten ihr Kind, da sie noch in der Blüte ihrer Jugend standen, und so, als hätten sie nur auf diese eine und kostbare Frucht gewartet, führten sie nach der Geburt ihres Sohnes Nikolaus ein enthaltsames, heiligmäßiges Leben. Sie ließen dem Kinde eine überaus sorgliche Erziehung angedeihen und umgaben sein junges Leben mit großer Zärtlichkeit. Es ist, als habe Nikolaus alles Schöne und Gute, was er in zarter Jugend von seinen Eltern empfangen durfte, in sich aufbewahrt, um es später an andere Kinder weiterzugeben. So fiel die Saat guter, zärtlicher Eltern auf überaus fruchtbaren Boden. Und dürfen wir eine natürliche Erklärung für das Wesen des Heiligen anführen, wäre es diese: einmal muß der Mensch Liebe empfangen haben, um Liebe geben zu können. Und so war schon die frühe Jugend des Heiligen von der reinsten Elternliebe umhegt und behütet.

Man sagt vom hl. Nikolaus: da er noch ganz klein war, trank er an der Brust seiner Mutter nur am Donnerstag und Samstag je einmal, was wohl vor allem besagen will, daß er ein reizendes Wunder guter Erziehung war. Frühe schon achtete seine Mutter Johanna darauf, daß ihr Kind Ehrfurcht vor den Gaben des Heiligen Geistes empfand, und als kleiner Knabe merkte er sich in der Kirche während der Predigt, was er über die Heilige Schrift vernahm. Seine lieben Eltern starben zwar frühe, da Nikolaus noch ein Jüngling war, aber sie hatten doch den seelischen Boden ihres Sohnes genügend für Gott vorbereitet. Nikolaus erbte nicht nur die Tugenden seiner treuen Eltern, sondern auch ihr beträchtliches Vermögen an Geld, das der Sohn an Witwen und Waisen und arme Leute weiterverschenkte.

 

So gab es einmal einen armen Mann, der drei schöne, junge Töchter hatte, denen der Vater rein gar nichts mit in die Ehe geben konnte. Da kam der Arme auf den schlimmen Gedanken, seine Töchter in ein schandbares Leben zu führen, damit sie sich ihren Unterhalt mit der flüchtigen Schönheit des Leibes verdienen könnten. Das ging dem hl. Nikolaus nahe, und er dachte daran, wie er es verhindern könne. Er nahm ein Stück Gold, ging zu des Armen Haus, und warf das Gold unbemerkt durchs Fenster. Als nun der Mann das Gold erblickte, war er sehr froh, dankte Gott für die Hilfe und gab die älteste Tochter einem rechten Manne zur Ehefrau. Ein paar Nächte später kam Nikolaus abermals an das Haus, warf wieder ein Stück Gold in die Kammer und schlich sich heimlich davon. Der Vater der Mädchen fragte sich: «Wer mag es sein, der es so gut mit uns meint?» Er gab der zweiten Tochter auch einen Mann, und Nikolaus war über den Erfolg seines Goldes recht zufrieden. Es kam eine dritte Nacht, in der er wie aus Freude über die versorgten Mädchen noch viel mehr Gold durch das Fenster warf. Da aber der gütige Geber wie ein Dieb davonfloh, lief ihm der Vater der drei Mädchen eilends nach, erwischte den fliehenden Wohltäter am Kleide und sagte zu ihm: «Sage mir um Gottes willen deinen Namen.»

Da wurde der liebe, künftige Heilige recht verlegen und seine linke Hand wollte durchaus nicht wissen, wieviel die rechte schon gegeben hatte. Er dachte, sein Name, der bisher weder viel genannt noch bekannt war, täte ja rein gar nichts zur Sache. War es doch die Gabe Gottes, die er austeilte. Es nutzte jedoch alles nichts. Er mußte dem Manne Rede stehen und zugeben, daß er Nikolaus heiße. Da wollte ihm der reich Beschenkte zu Füßen fallen. Aber Nikolaus wehrte erschrocken ab und bat den Mann, er möge diese Angelegenheit doch für sich behalten und verschweigen, was der Mann dem Heiligen auch versprach. Indessen, wie man hier sieht, ein solch freundliches Licht kann und darf nicht verborgen bleiben, weil alles Gute im Menschen uns nur die Schönheit Gottes zeigt.

 

Einmal war der Bischof zu Myra gestorben und da ging man miteinander zu Rate, wer als Bischof neu gewählt werden sollte. Da begaben sich viele Geistliche und viel Volk gemeinsam ins Gebet und unter diesen war ein weiser, alter Mann, dem in der folgenden Nacht eine göttliche Stimme sagte: «Wen ihr am frühen Morgen am Tag der Wahl als ersten bei der Kirchentür finden werdet und der die heilige Messe besuchen wird und Nikolaus heißt, der soll euer Bischof sein.»

Dieses enthüllte der Mann den anderen Bischöfen, die nachts bis zur frühen Morgenstunde im Gebet verharrten, während einer vor dem Portal der Kirche zeitig Wache hielt. Da kam Sankt Nikolaus ahnungslos des Weges daher, wurde von einem Bischof angehalten und befragt:

«Sage mir um Gottes willen, wie du heißest.»

«Nikolaus, Euer gehorsamster Diener», antwortete er bescheiden mit gesenktem Blick.

Da waren alle Bischöfe sehr froh, den rechten Mann gefunden zu haben, und führten den Widerstrebenden und höchst Verwunderten gewaltsam zum Bischofsstuhl, den Nikolaus als Seelenhirte einnahm. Er bewahrte auch in seinem hohen Amt seine große Demut und seine liebliche Leutseligkeit. Eine Chronik berichtet, der hl. Nikolaus habe von Myra aus im Jahre 325 das Konzil von Nicäa besucht, wo das christliche Glaubensbekenntnis geläutert und festgelegt wurde.

Die Macht seines Fürbittgebetes muß schon bei seinen Lebzeiten bekannt gewesen sein, wie folgende Geschichte beweist. Es waren nämlich einmal viele Seeleute auf dem Meere unterwegs und gerieten in ein unheimliches Unwetter, so daß ihr Schiff zu kentern drohte. Da riefen die Seeleute: «Nikolaus, wir haben gehört, daß der allmächtige Gott dir viel zu Gefallen tut. Hilf uns jetzt aus unserer Not!»

Da erschien den Seeleuten ein Mann, der dem Bischof Nikolaus ähnlich war, der tröstlich sprach:

«Was wollt ihr? Ich bin hier.»

Und das Sturmwetter legte sich. Die Wellen wurden zahm, und die Seeleute waren glücklich und dankbar, gerettet zu sein.

Kaum waren sie am Land, als sie auch schon sich beeilten, die Kirche zu besuchen, in welcher der hl. Nikolaus amtierte. Als die Seeleute den guten Bischof hier erblickten und erkannten, daß es derselbe Mann war, der ihnen auf dem Meer geholfen hatte, traten sie zu ihm und dankten ihm in bewegten Worten. Der Heilige aber sagte zu den Seeleuten:

«Nicht ich habe euch geholfen, sondern Gott war es, der euch in seiner großen Güte und grundlosen Barmherzigkeit nicht verlassen hat.»

Einmal wurde die Provinz, in der Nikolaus lebte, von Hungersnot heimgesucht. Um die gleiche Zeit nun waren Schiffe mit Korn unterwegs, die zum Kaiser fahren sollten, durch den starken Wind jedoch in das Land Sankt Nikolaus' abgetrieben wurden.

Da sagte Nikolaus zu den Seeleuten:

«Seid so freundlich, mir aus jedem Schiff ein wenig Korn zu überlassen.»

Die Seeleute entgegneten:

«O edler Herr, das würden wir gern tun, aber das Korn ist uns genau bemessen worden.»

Sprach Nikolaus:

«Gebt mir nur etwas Korn. Ich will schon euer Bürge sein, daß euch am Maß nichts fehlen soll.»

Da wagten's die Seeleute, und gaben dem hl. Nikolaus 300 Scheffel Korn. Als sie mit dem andern Korn heimkamen und es gemessen wurde, fehlte kein Gramm, und die Seeleute erzählten das Wunder an allen Küsten und überall, wo sie hinkamen. Der liebe Heilige aber teilte das Korn an die Allerärmsten aus, wie ein guter Vater, der seine Kinder nicht Hunger leiden läßt.

 

Als der hl. Nikolaus, alt und gebrechlich, ans Sterben kam, bat er den allmächtigen Gott, er möge ihm einen Engel senden, der ihm in der Todesstunde beistehen solle. Es kam ein Engel. Und wie hätte es anders sein können, als daß ein Engel zum engelhaften Menschen kam, um dessen schöne Seele zu den göttlichen Freuden zu führen? Da lag also der Bischof, und ein Engel stand neben seinem Lager, während der Sterbende noch einmal das geweihte Brot des Lebens empfing. Danach empfahl er seinen Geist in die Hände Gottes und verschied.

Viele Kinder von Myra und aus der Umgebung gaben dem Heiligen das letzte Geleit bis zu seinem Grabe. Die Kinder mögen daran gedacht haben, wie er um Weihnachten von seinem Diener begleitet, der ein vollbepacktes Eselchen führte, von Haus zu Haus gegangen war, um die Kinder zu beschenken. Und als nun ihr guter Freund starb, waren die Kinder betrübt und gingen weinend hinter dem Sarg, weil sie noch nicht recht wissen konnten, daß so viel Güte und Schönheit, wie der hl. Nikolaus sie ausgestrahlt und verschenkt hat, niemals sterben kann, sondern wie eine Sonne der Liebe nie untergehen mag und der Menschheit noch heute leuchtet wie einst.

 

Vielleicht gibt es über den hl. Nikolaus so viele Wundergeschichten, als es Sterne am Himmel gibt, und wir hätten nicht einmal die Zeit, alle zu zählen, und können's auch sonst keinesfalls. Doch einige Legenden seien hier zum besten gegeben.

Es war einmal ein Mann, der dringend Geld brauchte und daher zu einem Juden ging, um von diesem eine Summe zu borgen. Da sagte der Jude:

«Nenne mir einen Bürgen oder gib mir ein Pfand, und ich will dir das Geld, das du brauchst, schon geben.»

Da gab der Mann zur Antwort:

«Ich habe weder Bürgen noch Pfand. Ich will dir aber beim hl. Nikolaus schwören, daß du das Geld von mir zurückbekommst.»

Das war dem Juden recht, und er nahm den Eid gern an und zahlte dem Manne das viele Geld aus.

Nun machte der Christ mit dem geliehenen Gelde sehr gute Geschäfte, wurde reich, dachte jedoch leider nicht daran, das geliehene Geld zurückzuzahlen. Nach längerer Zeit kam der Jude zum Manne und bat, ihm doch das Geld zurückzugeben.

«Hast du denn vergessen, daß ich dir das Geld längst gegeben habe? Besinn dich doch. Ich habe schon zurückbezahlt.»

Da bekam der Jude einen gehörigen Schreck, und sagte zum christlichen Manne:

«Du irrst dich. Du hast mir nichts zurückgegeben. Du mußt mir einen Eid schwören, daß du mir das Geld gegeben hast.»

Da ließ sich der christliche Mann einen hohlen Stab machen, den er mit dem Gelde anfüllte, so daß der Stab genau die Summe enthielt, die entlehnt worden war. Als nun der Christ schwören sollte, gab er dem Juden den Stab in die Hand, er möge diesen eine Weile an sich nehmen, damit er, der christliche Mann, den Eid ordentlich leisten könne. Wer hätte die heimliche Arglist zu durchschauen vermocht. Also hielt der Jude den Stab mit dem Geld, und der Christ schwor, das Geld zurückgegeben zu haben. Nach dem Schwur nahm der Christ den Stab wieder an sich, und der betrogene Jude ging betrübt seiner Wege.

Da sprach der Jude vor sich her:

«Heiliger Nikolaus, sei mir nicht bös, wenn ich dir nicht allzuviel Gutes mehr zutrauen kann. Bei dir hat mir der Mann einmal geschworen, er würde mir mein Geld zurückzahlen. Jetzt sieh, wie es herausgekommen ist.»

Sehen wir uns nach dem Manne mit dem Geldstab um. Er ging, vergnügt über den Erfolg seiner Schlechtigkeit, heimwärts, war vielleicht etwas angetrunken, denn er wurde unterwegs müde, legte sich an den Straßenrand, schlief ein und wurde während des Schlafes von einem Wagen überfahren. Dabei zerbrach der Stab, das Geld fiel heraus und der Sterbende bekannte sein Unrecht, und ließ den Juden herbeirufen. «So, jetzt heb auf, was dein ist.»

Der Jude aber begann den hl. Nikolaus zu loben und legte das Geld im Sinne des Wundertäters an, indem er es an die Armen weiterverschenkte.

In Bayern lebte einmal ein Räuber, der sich aufs Plündern vorzüglich verstand. Er überfiel die Reisenden, nahm ihnen alles ab, was ihm paßte und niemand, den er bestahl, bekam je ein Stück von ihm zurück. Er hatte aber doch eine wunderliche Art, manchmal nett und wohltätig zu sein. Sah er ein armes Bäuerlein, das selbst den Pflug führen mußte, überfiel der Räuber einen reichen Bauern, stahl ihm das Pferd und gab es dem armen Bäuerlein.

So trieb er es eine lange Zeit über, aber als er dann gar zu viel zu rauben begann, sahen die Herren von der Behörde sich leider genötigt, ihn in den Bann zu tun. Da ritt denn der Räuber für ein bis zwei Jahre ins Ausland und kehrte danach in seine Heimat zurück, stiftete aber sogleich wieder großen Schaden bei Regensburg an. Da wurde der starke Räuber wie eine Festung umzingelt, und wurde schließlich gefangengenommen, was ihm ungemein leid tat, da er die Freiheit sehr hoch einschätzte, wenn er auch nicht nach jedermanns Geschmack den rechten Gebrauch von besagter Freiheit zu machen verstand.

Da fiel dem gefangenen Räuber der hl. Nikolaus ein, von dem er schon viel Gutes gehört hatte. «Der Heilige ist ein großer Nothelfer. Warum sollte er nicht auch mir beistehen?» So dachte sich der Räuber, und begann in taubenhafter Einfalt zum hl. Nikolaus zu beten, er möge ihm doch aus Ketten und Banden helfen. Der Räuber tat ein Gelübde, denn er wollte nichts umsonst verlangen, und wollte gern Gutes mit Gutem vergelten. Er versprach dem hl. Nikolaus sein bestes Pferd oder soviel Geld, als das Pferd wert war. Das wollte er dem Heiligen schenken, wenn er ihm zur Freiheit verhelfen würde.

Man möchte meinen, der Heilige wäre ganz gern auf den Handel eingegangen, denn er half dem Räuber aus dem Gefängnis zu entweichen, dem zu seiner Freude eine einwandfreie Flucht gelang, wenn er sich auch nicht außerhalb des Gefängnisses in völliger Sicherheit wiegen konnte. Der Räuber flüchtete mit seinem besten Pferd auf einen Berg, der so hoch wie eine hohe Kirche war. Von hier aus ging der Weg steil bergab, und unten floß die Donau. Da warf der Räuber seinen Mantel über den Kopf des Pferdes, damit das Tier sich vor dem Sprung nicht scheue. Der kühne Reiter aber warf den Blick zum Himmel empor, rief den hl. Nikolaus an, gab seinem Pferd die Sporen, und sprang dann gradaus und in die tiefe Donau hinab. Reiter und Roß kamen heil davon. Das schöne Wunder war geschehen. Der überglückliche Reiter, am andern Ufer angelangt, ritt auf seinem Pferde in die nächste Nikolauskirche, um dem Retter seine überströmende Dankbarkeit zu bezeigen.

Während der Räuber betete, benahm sich das schöne Pferd recht manierlich und still. Das Tier schien zu ahnen, daß es sich in der Nähe des Göttlichen befand, und senkte still seinen schönen Kopf vor dem Altar. Nach dem Gebet zog der Räuber seine Geldkatze hervor und legte eine nette Summe auf den Altar, ungefähr so viel als das Pferd kosten mochte. Dann wollte der Räuber sein Pferd nehmen und die Kirche verlassen, aber das liebe Pferdchen blieb wie angewurzelt vor dem Altar stehen und war nicht wegzubringen. Da dachte sich der Räuber: vielleicht habe ich etwas zu wenig bezahlt, und wenn man's so recht betrachtet, es ist ja ein herrlich-schönes Pferd, mit dem der hl. Nikolaus schon zufrieden sein kann.

Der Räuber legte noch einmal soviel Geld auf den Altar, machte seine Verneigung vor dem Allerheiligsten und ging zum Pferd, nahm es am Halfter, um es wegzuführen. Das Pferdchen wollte nicht. Es blieb steif und fest stehen, wo es stand, und schüttelte nur ein wenig den Kopf. Es war auch bei der nächsten Dreingabe nicht von der Stelle zu bringen. Man hätte meinen mögen, das Pferd selbst schätze sich so hoch ein oder wisse um seinen Kaufpreis, den der Räuber vielleicht nicht genau kennen konnte. Kurzum, der Räuber sah sich genötigt, sein ganzes Barvermögen auf den Altar niederzulegen, und erst als er überhaupt keine Münze mehr in der Tasche hatte, ließ sich das Pferd willig aus der Kirche führen.

Vor der Kirche im Freien brach der Räuber in ein helles, leichtes Lachen aus, und er sagte sich: «Eia, lieber Herre Sankt Nikolaus, du bist und bleibst der beste und liebste Roßtäuscher, der mir je vorgekommen ist.» Dann bestieg er sein Pferd, gab ihm die Sporen, und ritt in die weite Welt hinaus.

Von jeher war es in allen Kirchen und Klöstern üblich, das Fest des hl. Nikolaus am 6. Dezember feierlich zu halten und dem Heiligen zu Ehren schon zu singen. Nun waren Brüder in der Kirche zum heiligen Kreuz, die ihre eigene, neue Historie vom hl. Nikolaus gar so gern gesungen hätten, aber der Prior wollte es ihnen nicht erlauben.

«Ach was», sagte er unwirsch, «es tut nicht gut, alte Gewohnheiten durch neuen Brauch zu vertauschen.»

Da waren die Brüder tief betrübt, weil sie am Nikolaustag nur die gewöhnliche Historie singen durften, und nicht die besondere, schöne, die dem Heiligen zulieb neu gedichtet und in Musik gesetzt worden war.

In der Nacht darauf erschien der heilige Nikolaus dem Prior, nahm ihn beim Haarschopf und zerrte ihn vom Lager weg, mitten in den Schlafraum. Und dann sang der Heilige selbst die Antiphon zum Magnifikat: «Siehe, ein Priester, der in seinen Tagen Gott gefiel». Und bei jeder Pause erteilte Nikolaus dem Prior derbe Schläge mit der Rute, die er in der rechten Hand hielt. Der Prior schrie vor Schmerz laut auf.

Die Brüder erwachten und sahen ihren Bischof ohnmächtig am Boden liegen. Da wurde er aufgehoben und halbtot auf sein Lager zurückgebracht. Nachdem der Prior sich etwas erholt hatte, sagte er zu seinen Brüdern:

«Geht nur, und singt von nun an die neue Historie vom Sankt Nikolaus, soviel ihr wollt. Ich werde gewiß nie mehr etwas dagegen haben, sondern mitsingen. Also geht und singet, wie ihr Lust habet.»

Da waren die Brüder sehr zufrieden und lobten den hl. Nikolaus mit kindlicher, dankbarer Freude.

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