Georg Herwegh
Gedichte eines Lebendigen (Band 1)
Georg Herwegh

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Ludwig Uhland

          Nur selten noch, fast graut's mir, es zu sagen,
Nehm ich der Freiheit Evangelium,
Den Schatz von Minne und von Rittertum
Zur Hand in unsern hartbedrängten Tagen.

Wie hab ich einst so heiß dafür geschlagen!
Wie hastig dreht ich Blatt um Blatt herum!
Ich kann nicht mehr – ich kann nicht – sei es drum!
Es soll doch niemand mich zu schelten wagen.

Ein ander Hassen und ein ander Lieben
Ist in die Welt gekommen, und von allen
Sind wenig Herzen nur sich gleichgeblieben.

So sind auch deine Lieder mir entfallen;
Ein einziges steht fest in mir geschrieben;
Kennst du das Lied: »Weh euch, ihr stolzen Hallen!«


O heiß mich nicht von deinem Antlitz fliehn,
Auf dem der Liebe heilige Gedanken
Gleich goldnen Sternen auf und nieder schwanken,
Die still und furchenlos am Himmel ziehn!

Hier ist mein Tempel und hier will ich knien,
Um diesen Altar meine Arme ranken,
In diesen Armen meinen Göttern danken,
Daß sie mir ihre Seligkeit verliehn!

Bist du, mein Herz, selbst wider dich im Bunde?
Was soll der volle, schäumende Pokal,
Was die Unendlichkeit dem Mann der Stunde?

Begehre nicht die Herrlichkeit zumal!
Bitt um ein Wort nur aus dem lieben Munde,
Ein halbes Lächeln, einen Sonnenstrahl!


Ob die Locken eine Glorie quellen
Um dein Antlitz und du himmlisch mild
Auf mich blickst, ein stumm Marienbild,
Das zwei blaue Sterne fromm erhellen;

Ob dein Haar in ungebundnen Wellen
Um den Nacken flutet, stolz und wild,
Und dein Aug ein harter Demantschild,
Dran die kühnsten Wünsche jach zerschellen;

Ob ich sehe mit dem Heil'genscheine
Dich, ob mit des Unmuts düstrer Falte,
Ewig, ewig fleh ich nur das eine:

Daß dein schöner Mund doch nie erkalte,
Daß dein schönes Auge niemals weine
Und mir Gott dein schönes Herz erhalte.


Ich tue jedermänniglich zu wissen,
Daß ich den finstern Unmut sehr bereue
Und mich von Herzen meines Lebens freue,
Daß ich erlöst von allen Kümmernissen.

Mein liebes Fischchen hat nun angebissen
Und schwört mir über alle Maßen Treue,
Es herzt und herzt und herzt mich stets aufs neue
Und drückt mich schmeichelnd in die Sofakissen.

Ich lad euch, meine Freunde, sämtlich ein,
Mir eine frohe Stunde mal zu schenken;
Doch laßt mir dann die tolle Frage sein:

»Wann wir uns wohl zu ehelichen gedenken?«
Solange noch der ganze Himmel mein,
Will ich mich nicht auf Haus und Hof beschränken.


Ich stand auf einem Berg, da hört ich singen
Zur Linken plötzlich ernste, trübe Lieder;
Ein Opfer war es für die Erde wieder,
Ich kannte wohl der Glocke dumpfes Klingen.

Zur Rechten sah ich einen Säugling bringen;
Wie eines Schmetterlinges bunt Gefieder,
Viel lust'ge Bänder wehten auf und nieder,
Ein Glöckchen wollt vor Freude schier zerspringen.

Die Andacht wagt' kein Wesen rings zu stören:
Die Herden hielten still auf ihren Weiden,
Wie fromme Beter flüsterten die Föhren.

Als ob die Glocken sich umarmt, die beiden,
Konnt ich bald einen süßen Klang nur hören
Und Tod und Leben nicht mehr unterscheiden.

 


 


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