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Des edeln biedern Neros treuer Freund, mein lieber Florus, wenn dir jemand einen zu Tibur oder Gabii gebornen Sklaven verkaufen wollt', und spräche so mit dir: »Der Jung' ist nett und schön vom Knöchel bis zur Scheitel, um dreihundert ist er dein; er ist, von Kindesbeinen, an den Wink gewöhnt, versteht sein bißchen Griechisch, und hat Fähigkeit zu allem, – nasser Ton, aus dem du bildest, was du willst und magst! Er singt sogar, nicht eben nach der Kunst, doch angenehm genug zum vollen Becher. Ich bin kein Freund von Worten, wie du siehst: ein Kaufmann macht durch allzu vieles Rühmen die Ware, die ihm feil ist, nur verdächtig. Es treibt mich eben keine Not; ich bin nicht reich, doch was ich hab', ist unverschuldet. Dreihundert Tälerchen sind ja kein Geld! So wohlfeil kriegst du ihn von keinem Mäkler |
Flore, bono claroque fidelis amice Neroni, si quis forte velit puerum tibi vendere, natum Tibure vel Gabiis, et tecum sic agat: »Hic et candidus et talos a vertice pulcher ad imos, <5> fiet eritque tuus nummorum milibus octo, verna ministeriis ad nutus aptus heriles, litterulis Graecis imbutus, idoneus arti cuilibet, argilla quidvis imitaberis uda; quin etiam canet, indoctum, sed dulce bibenti. <10> Multa fidem promissa levant, ubi plenius aequo laudat venales, qui vult extrudere merces: res urguet me nulla, meo sum pauper in aere. |
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im ganzen Rom, auch tät ichs keinem andern. Ein einzigmal verfehlte sich der Junge, und stak, aus Furcht des Zügelriemens, unter der Treppe.« – Falls du nun aus diesem Fehler dir nichts machst und zählst die Summe hin, so streicht der Mann sein Geld ganz sicher ein. Du kauftest verdächtige Gut; allein man hatte dir den Fehler nicht verborgen: das Gesetz ist klar; und wenn du gleichwohl den Verkäufer belangen wolltest, würdest du nicht viel vor Recht gewinnen. – Sprich dir nun dein Urteil selbst. Ich machte dir beim Abschied kein Geheimnis aus meiner Trägheit, sagte unverhohlen (damit du, wenn kein Brief von mir erfolgte, nicht ungehalten würdest) dir voraus, daß ich, was Pflichten dieser Art betrifft, der Mann nicht sei, auf den man zählen dürfe: allein was hilft mirs jetzo, da du, ohne auf die Rechte, die so klar auf meiner Seite sind, zu achten, mit mir haderst? – Doch dies wäre noch das wenigste! Du führst auch große Klage, daß ich mein Wort nicht besser halt', und dir |
Nemo hoc mangonum faceret tibi, non temere a me quivis feret idem. Semel hic cessavit, et, ut fit, <15> in scalis latuit, metuens pendentis habenae.« Des nummos, excepta nihil te si fuga laedit. Ille ferat pretium, poenae securus, opinor. Prudens emisti vitiosum; dicta tibi est lex: insequeris tamen hunc, et lite moraris iniqua. <20> Dixi me pigrum proficiscenti tibi, dixi talibus officiis prope mancum; ne mea saevus iurgares ad te quod epistola nulla veniret. Quid tum profeci, mecum facientia iura si tamen attemptas? Quereris super hoc etiam, quod |
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die längst versprochnen Lieder nicht geschickt. Freund, laß dir was erzählen. Ein gewisser Soldat, der unter dem Lucullus diente, ward einst bei Nacht, da er aus Mattigkeit tief eingeschlafen war, um alles, was er sich mit Angst und Not den Feldzug über errungen hatte, bis zum letzten Heller bestohlen. Seine Wut darüber mußte nun der Feind entgelten. Wie ein Wolf, dem langes Fasten die Zähne schärfte, griff er, sagt man, eines der festesten von Mithridatens Schlössern in seinem Ingrimm an, und nahm es weg. Es wurde viel aus dieser Tat gemacht, der Mann empfing, nebst großen Ehrenzeichen, wohl funfzigtausend Drachmen von der Beute zu seinem Anteil. Bald nach diesem hätte der Feldherr ein gewisses Bergschloß, dem schwer beizukommen war, gern überrumpelt, und glaubte seinen Mann dazu gefunden zu haben. »Geh, mein braver Kamerad«, sprach er, mit Worten, die dem Feigsten Mut |
<25> exspectata tibi non mittam carmina mendax. Luculli miles collecta viatica multis aerumnis, lassus dum noctu stertit, ad assem perdiderat: post hoc vehemens lupus, et sibi et hosti iratus pariter, ieiunis dentibus acer, <30> praesidium regale loco deiecit, ut aiunt, summe munito, et multarum divite rerum. Clarus ob id factum, donis ornatur honestis; accipit et bis dena super sestertia nummum. Forte sub hoc tempus castellum evertere praetor <35> nescio quod cupiens, hortari coepit eundem verbis, quae timido quoque possent addere mentem. |
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zu machen fähig waren, »geh mit Glück, wohin dich deine Tugend ruft! Du gehst Belohnungen entgegen, die der Größe der Tat entsprechen sollen! – Nun? wo fehlts? Was zögerst du?« »Mein General«, versetzt der andre, der (wiewohl ein Bauer) doch nicht dumm war – »ich verstehe wohl; allein dahin zu gehn, muß einer seine Katze verloren haben; jetzt verbitt' ich mirs.«Ob das Sprichwort, das unter den römischen Soldaten üblich gewesen zu sein scheint, ibit, qui zonam perdidit, zu Erfindung dieses Geschichtchens, oder, wie ich eher glauben möchte, eine wirkliche Begebenheit, die sich mit einem Soldaten des Lucullus im Mithridatischen Kriege zugetragen, zu jenem Sprichworte Gelegenheit gegeben, kann uns sehr gleichviel sein: genug, daß in dem Geschichtchen viel Sinn ist, und daß es zu Horazens Absicht trefflich paßt. Freund Florus, dies ist ungefähr mein Fall. Mein Schicksal wollte, daß ich in der Jugend zu Rom erzogen und gelehret wurde, wieviel Achillens Zorn den Griechen Harm gebracht. Den kleinen Anfang bildete die Stadt MinervensAthen. aus; ich lernte dort das Krumme vom Geraden unterscheidenD. i. sagt Hr. Dacier, »ich lernte da die Geometrie.« – Geometrie mag der junge Horaz zu Athen gelernt haben; aber gewiß dachte er, wie er dies schrieb, so wenig an den Euklides, als an die Lernäische Schlange., und in den Lauben der Akademie die Wahrheit suchen. Aber harte Zeiten drängten |
»I bone, quo virtus tua te vocat, i pede fausto, grandia laturus meritorum praemia! quid stas?« Post haec ille catus, quantumvis rusticus, »ibit, <40> ibit eo quo vis, qui zonam perdidit«, inquit. Romae nutriri mihi contigit atque doceri, iratus Graiis quantum nocuisset Achilles. Adiecere bonae paulo plus artis Athenae; scilicet ut possem curvo dignoscere rectum, <45> atque inter silvas Academi quaerere verum. |
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mich von dem angenehmen Ort zu früh hinweg: die Flut des Bürgerkrieges riß den rohen Neuling mit sich fort in Waffen, die Cäsar Augusts stärkern Armen nicht gewachsen waren. Als nun bald darauf Philippi mir den Abschied wieder gab, und ich, ganz kleinlaut, mit beschnittnem Fittich am Boden streichend, heimkam, und mein kleines Erbgut verwirkt sah, trieb die Dürftigkeit, die alles zu wagen fähig ist, mich – Verse zu machen, an. Jetzt aber, da ich habe, was ich bedarf, wo wüchse Niesewurz genug, um meinen Schädel auszufegen, wenn ich nicht lieber meine Zeit verschlafen als Verse machen wollteDiese kurze Erzählung, welche Horaz dem Freund und Sekretär des jungen Tiberius von seiner Verwandlung aus einem Brigadier unter der Armee des Brutus in einen harmlosen Satiren- und Lieder-Dichter macht, verdient, daß wir uns ein wenig bei ihr aufhalten, um zu sehen, mit welcher Geschicklichkeit er eine Saite, die so leicht einen sehr widrigen Ton angeben konnte, zu behandeln wußte. Was er hier von seiner Erziehung sagt, wird durch die umständlichere Nachricht ergänzt, die er dem Mäcenas in der 6ten Satire des ersten Buchs gegeben hatte, und die damals schon in jedermanns Händen war. Er erkennt darin, auf eine Art, die seinem Verstand und Herzen gleichviel Ehre macht, daß er sein ganzes Glück der vortrefflichen Erziehung zu danken habe, die ihm sein Vater gegeben; eine Erziehung, die zwar weit über seinen Stand und sein Vermögen zu gehen geschienen, aber an der doch nichts hatte fehlen dürfen, wenn der junge Horaz das werden sollte, wozu ihn die glücklichste Natur-Anlage bestimmte. In der gegenwärtigen Epistel faßt er alles dies in den einzigen Zug zusammen: Romae nutriri mihi contigit, ich war so glücklich in Rom erzogen zu werden; und, mit einem Blick auf seine künftige, wiewohl bloß zufällige, Dichter-Profession, setzt er hinzu; atque doceri iratus Graiis quantum nocuisset Achilles – eine Wendung, um zu sagen, daß er in Rom den ersten Grund in der Griechischen Literatur gelegt habe. Etwa in seinem neunzehnten Jahre schickte ihn sein Vater nach Athen, der Mutter und Pflegerin aller Künste des verfeinerten Lebens, von welcher alle Römer von Stande, und wer es darauf anlegte, den Mangel einer vornehmen Herkunft durch persönliche Eigenschaften zu ersetzen, ihre letzte Ausbildung und Politur erhielten. Man kann, seit dieser Zeit bis auf die unsrige, keine Stadt in der Welt nennen, die für einen jungen Menschen, der sich bilden, und für einen Gelehrten, der in ungestörter Ruhe seinen Lieblingsstudien obliegen wollte, das gewesen wäre, was Athen war, seitdem es aus einer der mächtigsten Republiken zu einer römischen Munizipalstadt herabgesunken war, ohne daß seine Bürger den lebhaften Geist und den unnachahmlichen Attizismus ihrer Voreltern verloren hätten, der ihnen, bei allem ihrem Verfall, noch immer eine sonderbare Art von Überlegenheit über die gebietenden Herren und Beschützer, die Römer, gab. Das damalige Athen war in allen andern Stücken nur ein verfallnes Denkmal jenes Athens, wo Perikles, Cimon, Thucydides, Xenophon, Sokrates, Plato, Sophokles, Euripides, Aristophanes, Phidias, Alkamenes, Zeuxis, Parrhasius, Aspasia, Diotima u.s.w. in dem Zeitraum eines halben Jahrhunderts beisammen gelebt hatten. Aber mitten unter den Ruinen ihrer ehemaligen Größe und Schönheit stand, so zu sagen, der Tempel der Musen allein noch unbeschädigt da; und wiewohl um diese Zeit vielleicht nicht einer unter ihren Bürgern war, der im Jahrhundert des Perikles sein Haupt hätte erheben dürfen: so war doch (wie Cicero sagt) die ganze Stadt voller Anzeigen und Spuren jener großen Männer, die einst dagewesen waren. Mit jedem Blicke sah man auf etwas, das an sie erinnerte, mit jedem Schritte trat man gleichsam auf eine Reliquie der glücklichen Zeiten dieser merkwürdigen Stadt– In omni parte Athenarum sunt in ipsis locis indicia summorum virorum – quacumque ingredimur in aliquam historiam vestigium ponimus. Cic. de Fin. V. c. 2. Ich empfehle bei dieser Gelegenheit zu eignem Nachlesen das ganze erste und zweite Kapitel des eben angezogenen Buches. Es ist das schönste Portal, das sich denken läßt – an einem der edelsten Gebäude der alten Philosophie!, die an Alter, Humanität und Kunstsinn immer über alle Völker der Welt emporgeragt hatteNep. in Vita Attici.. In der Akademie standen zwar dieselben Bäume nicht mehr, unter welchen Plato seinen Lieblingsschülern einst, in der Sprache der Musen, seine sublimen Träume erzählt hatte; der gefühllose Sulla hatte sie umhauen lassen, als er den Tyrannen Aristion in Athen belagerte; aber aus ihren Wurzeln war indessen ein neuer Hain aufgewachsen, in dessen schattichter Stille die Schüler eines Karneades und Philo noch immer den Spuren der Wahrheit nachforschten, welche selbst zu finden, sie für etwas hielten, das keinem Sterblichen erlaubt sei. Diese wenigen Züge können uns einen schwachen Schatten von Vorstellung jener lebendigen Erinnerungen geben, die in Horazens Seele sich drängten, da er an seine in Athen, in den Lustwäldern der Akademie, verlebte glückliche Jugend zurückdachte. Weil es ihm hier nicht um eine Beschreibung seiner ehemaligen Empfindungen oder jetzigen Rückerinnerungen zu tun war, so sagt er alles dies, und noch tausendmal mehr, nur mit zwei Worten: aber um unsern Dichter zu genießen, muß man, soviel möglich, bei seinen Worten denken, was er dabei dachte, – und das Verlangen, meinen Lesern diesen Vorteil, ohne viele Mühe auf ihrer Seite, zu verschaffen, ist das einzige, was mich bewegen konnte, in meinen Erläuterungen zuweilen umständlicher zu sein, als geschehen wäre, wenn ich bloß meine eigne Bequemlichkeit hätte zu Rate ziehen wollen. In diesem stillen und angenehmen Sitze der philosophischen Musen war es, wo Horaz die Sokratische Vorstellungsart einsog, die ihn so sehr vor allen andern römischen Dichtern auszeichnet. Hier war es, wo er sich, gleichsam auf sein ganzes Leben, mit dem feinen Attischen Salz versah, dessen angenehm-scharfer flüchtiger Geist seinen Schriften einen so eignen und (wie ich, leider zu spät! befürchte) so unübersetzbaren Reiz gibt. – Und hier war es auch, wo er mit dem edeln Brutus in ein Verhältnis kam, welches ihn den Musen zu entreißen schien, aber durch seine Folgen der entscheidendste Umstand seines Lebens wurde. Die eigentliche Zeit des Anfangs ihrer Bekanntschaft läßt sich nicht genau angeben. Ohne Zweifel war es im Jahr 711, als Brutus sich einige Zeit in Athen aufhielt, und da – indessen daß er die Schulen der Philosophen besuchte, und mit ihnen und den jungen Römern, die er bei ihnen antraf, so ruhig philosophierte, als Cicero ehemals nur immer in seinem Tusculanum, – zum offenbaren Kriege gegen Antonius und Octavius Cäsar, zu welchem er sich endlich gezwungen sah, die nötigen Anstalten machte. Unter diesen jungen Römern war auch unser Horaz; und wer den Charakter des Brutus aus Cicero und Plutarch kennt, und das, was unser Dichter in seiner Jugend sein mußte, aus allem, was uns seine Werke von ihm sagen, zu divinieren weiß, wird sehr natürlich finden, daß der junge Horaz einen der edelsten und liebenswürdigsten aller Helden, die jemals der Menschheit Ehre gemacht haben, nur zu sehen und zu hören brauchte, um sich ihm mit der Schwärmerei eines feurigen Jünglings zu ergeben; und daß dieser hinwider in dem jungen Menschen alles fand, was ihn seiner Liebe würdig machte. Als Brutus wieder von Athen abreisete, nahm er alle diese jungen Leute mit sichPlutarch. in Bruto., folglich auch unsern Dichter, der in kurzer Zeit so hoch in seiner guten Meinung stieg, daß er ihm das Kommando über eine Legion (ein Korps von ungefähr 6000 Mann) anvertraute. Daß Horaz dieses Vertrauens, ungeachtet des unglücklichen Ausgangs der Schlachten bei Philippi, nicht unwürdig gewesen, ist eben so sicher vorauszusetzen, als es gewiß ist, daß man nicht den geringsten Grund hat, das Gegenteil zu glauben; und daß er sich bei mehr als einer Gelegenheit befunden, wo er Beweise seines Mutes abgelegt, läßt sich (wiewohl uns nähere Nachrichten fehlen) selbst aus der Ode an den Pompejus Varus, einen seiner damaligen Kameraden, abnehmen, welche sonst gemeiniglich zum Nachteil der Tapferkeit unsers Dichters angeführt wird. Die Anrede:
beweist wenigstens eben so viel für seinen Mut, als die Strophe:
allenfalls wider ihn beweisen könnte, wenn nicht sehr wahrscheinlich wäre, daß Horaz mit diesem Zuge: relicta non parmula, sich bloß eine Ähnlichkeit mit dem griechischen Dichter Archilochus habe geben wollen; und dies zu einer Zeit, wo es eben so gefährlich als vergeblich gewesen wäre, den kriegerischen Teil seines Lebens in ein schöneres Licht zu stellen, wie gut er auch dazu berechtigt gewesen sein möchte. Überdies sind wirs an Horaz gewohnt, daß er, bald aus Bescheidenheit, bald aus Laune, oft geringer von sich selbst spricht, als recht ist; und wenn wir seine Worte immer im strengsten buchstäblichen Verstande nehmen wollten, so müßten wir ihn (unsrer eignen Überzeugung zu Trotz) eben sowohl für einen sehr unbedeutenden Versemacher, als, dieser Stelle nach, für einen schlimmen Soldaten halten. Und doch selbst diese Stelle klingt nur in einer ungeschickten Übersetzung, oder durch eine falsche Auslegung, so auffallend, als sie einigen vorgekommen ist. Horaz setzt, natürlicher Weise, in dieser Ode alle seinem Freunde bekannten Umstände voraus; und da es bloß die Freude über das unverhoffte Wiedersehen eines verloren gehaltnen Kameraden ist, was ihm ihre ehemals mit einander überstandnen Gefahren ins Gedächtnis zurückruft: so erwähnt er auch nur der größten unter allen – die Gefahr, die sie bei einer Flucht liefen, die ihnen mit so vielen andern wackern Leuten gemein gewesen war. Im Grunde hatte er sich und seinem Freunde nichts vorzuwerfen. Brutus hatte auf seinem Flügel, wo auch Horaz stand, den vollkommensten Sieg über die Legionen des Octavius Cäsar erfochten; und es war eine bloße Zusammenkettung fataler unglücklicher Zufälle, welche seinen und seines großen Freundes Cassius Heldenmut (denn auf sie geht das fracta virtus) brach, und diese edeln Mörder eines Tyrannen, der die Welt zu beherrschen würdig war, durch ihre eigne Hand zu fallen nötigte. Horaz wußte dies so gut, als wir; aber es ist, als ob er sich des Todes der Helden, denen er einst lieb war, nicht erinnern könne, ohne sich einen Vorwurf darüber zu machen, daß er, anstatt mit ihnen zu sterben, dem Instinkt sich selbst zu retten nachgegeben habe; und das non bene ist, meiner Empfindung nach, ein Seufzer, den er dem Andenken der Edeln nachschickt, und der Ausdruck einer Scham, deren nur eine selbst edle Seele fähig ist. Zwischen der Zeit, da alles dies geschehen war, und derjenigen, worin Horaz diese Epistel an Julius Florus schrieb, waren ungefähr acht und zwanzig Jahre verflossen. Die Gestalt der Sachen hatte sich innerhalb dieser Zeit unendlich verändert. Octavius Cäsar, der bei Philippi so eine armselige Rolle gespielt hatte, in Cäsar Augustus verwandelt, herrschte, nach Jupitern der erste, ruhig, geliebt und angebetet, über die weite Welt. Horaz genoß der stolzen Ruhe, welche die neue Regierung Italien wiedergegeben hatte, und einer persönlichen Freiheit, die ihn – der ohne Ehrsucht, purus et insons, lebte – für den Verlust der politischen Freiheit hinlänglich entschädigte; und sein Schicksal hatte sein Leben mit dem Leben der Besten unter denen, die August liebte, zusammengewebt. Natürlicherweise mußte alles dies die Wirkung tun, daß er (zumal in einem Briefe an einen Klienten der Cäsarischen Familie) Gewalt genug über sich selbst hatte, von dem großen Abenteuer seiner Jugend, da er dessen doch gelegentlich erwähnen mußte, so zu sprechen, wie es die vorsichtigste Klugheit wollte. Denn für ihn, der ehemals unter Brutus und Cassius, zu Philippi, wo es um alles gegen alles galt, eine Legion gegen eben den Mann, der jetzt Augustus hieß, angeführt hatte, war es doppelt schwer, von Begebenheiten zu sprechen, die das Andenken einer Zeit erneuerten, welche August selbst so gern in die Tiefen des Lethe hätte versenken mögen. Jeder Ausdruck, der seine damalige Partei gebilligt hätte, würde nicht nur beleidigend, sondern gewissermaßen Hochverrat gewesen sein. Hingegen würde aber auch jeder Ausdruck, der sie gemißbilligt hätte, Horazen in seinen eignen und aller edlern Menschen Augen verächtlich gemacht haben. Ein einziges Wort zu viel oder zu wenig, war genug alles zu verderben; auch durfte man durchaus nichts davon merken, daß es ihm schwer geworden, sich schicklich über diese Materie auszudrücken. Mich deucht, Horaz habe sich auf eine Art aus dieser Schwierigkeit gezogen, die seinem Witz und seiner Klugheit, mit den wenigsten Kosten seiner Ehrlichkeit, rühmlich ist. –
Da meine Übersetzung dieser drei Verse – »aber harte Zeiten drängten mich, u.s.w.« beinahe wörtlich ist, so hoffe ich, jeder Leser werde gestehen müssen, daß Horaz diesen Salto mortale nicht geschickter und mit mehr Anstand hätte machen können. – Doch, gegen den dritten Vers, in Waffen, die Cäsar Augusts Armen nicht gewachsen waren, möchte vielleicht ein nicht unerheblicher Einwurf zu machen sein. »Der ist doch immer, könnte man sagen, so glimpflich auch der Ausdruck in Rücksicht auf die republikanische Partei sein mag, im Munde eines Augenzeugen der Feigheit Augusts, eine unverzeihlichen Schmeichelei! Oder konnte ihm verborgen geblieben sein, daß dieser junge Triumvir, der so viel Mut hatte, wenn es um Unterschreibung eines Proskriptions-Edikts zu tun war, seinen lacertis bei Philippi so wenig zutraute, daß er der erste war, der seine Person in Sicherheit brachte, und, in der Meinung, alles sei verloren, drei Tage lang in einem Sumpf verborgen steckte.«Plin. Hist. Nat. VII. c. 45. Ich habe hierauf nichts zu antworten, als dies: Es war schon lange allgemeiner Stil in Rom, dem August zuzuschreiben, was das Glück oder seine Generale für ihn taten – oder man hätte auch die Schlacht bei Actium, und die Siege über die Cantabrer und andre barbarische Völker, nicht auf seine Rechnung setzen dürfen. Die Lacerti Caesaris Augusti sind also hier nichts, als ein hofstilmäßiger Ausdruck für das Glück seiner Waffen; und kein Mensch in ganz Rom verstand es anders. Augustus, der am besten wußte, wie wenig seine persönliche Tapferkeit und Geschicklichkeit gegen einen Brutus und Cassius hätte ausrichten können, wenn das Schicksal nicht so offenbar auf seiner Seite gewesen wäre, hätte diesen Ausdruck eher für einen heimlichen Spott nehmen können: aber, falls es auch geschehen wäre, Horaz konnte stark darauf rechnen, daß man sich von einem solchen Argwohn nichts merken lassen würde. Es bestand eine Art von stillschweigendem Vertrag zwischen August und dem klügern Teile seiner Römer, einander wechselsweise zu betrügen, und sich von beiden Seiten zu stellen, als ob man nichts davon merke. August spielte seine Rolle wie ein Komödiant, der zufrieden ist, wenn man ihn, so lange er agiert, für den Helden gelten läßt, den er vorstellt; die Prätension, ihn auch im Herzen dafür zu halten, konnte er wenigstens an keinen vernünftigen Menschen, der vor dem Jahr 700 geboren war, machen, und machte sie auch nicht. Horaz mochte, indem er diese Zeile schrieb, denken, was er wollte; genug, wenn er nur die allgemeine Sprache mitsprach: dies war am Ende alles, was August von ihm verlangte; und wer hätte ihm eine so kleine Gefälligkeit versagen wollen? Die nächstfolgenden Verse:
worin er die unglücklichen Folgen, so die Schlacht bei Philippi für ihn hatte, berührt, sind nicht weniger fein gewandt, als die vorigen. Das Unangenehme und Verhaßte davon ist mit einer leichten Tinte von Pläsanterie gemildert, die gerade da liegt, wo sie niemand beleidigen konnte, auf ihm selbst. Nach fünf und zwanzig Jahren kann man schon über ein Unglück scherzen, dessen Folgen man nicht mehr fühlt. Mit dem Tode des Brutus hatte seine Bestallung ein Ende. Der Ausdruck dimisere ist also eben so schicklich als scherzhaft; und die Vergleichung mit einem Vogel, dem die Schwingfedern beschnitten worden, ist das glücklichste Bild, das er wählen konnte, um von den Umständen, worin er sich, durch die Proskription der Anhänger des Brutus und Cassius, nach der Unterdrückung ihrer Partei befand, auf die unanstößigste Art zu sprechen. Und nun kommt er auf den Punkt, wohin er mit dieser ganzen Erzählung wollte. Da mir also, sagt er, kein andrer Ausweg übrig war, so brachte mich die Armut, die den Menschen alles wagen macht, dazu, daß ich Verse machte,
Die Göttin Fames»Eine vermeinte Gottheit, so nach einigen ihren Aufenthalt in dem Eingange der Hölle mit hatte, nach andern aber sich in Scythien befand, und zwar auf einem steinichten wüsten Felde, wo sie die einzelnen Grasstengel mit den Nägeln und Zähnen zusammenklaubte. Sie hatte dabei ein straubichtes Haar, eingefallne Augen, blasses Gesicht, bleiche Lippen, angelaufne Zähne, eine harte Haut, durch welche man selbst das Eingeweide sehen konnte, aus den Hüften hervorragende Knochen, einen leeren Raum anstatt des Bauchs, und die Brust schien nur an dem Gerippe des Rückens zu hängen, wobei alle Glieder an den Händen und Füßen desto größer aussahen, je mehr sie hervorrageten, und was dergleichen Scheußlichkeiten mehr sind« (Ovid. Metamorph. VIII. v. 797.) sagt der unvergleichliche Magister Benjamin Hederich in seinem gründlichen Lexicon Mythologicum, nach der 2ten echten Ausgabe von 1741, S. 898. wäre also die wahre und einzige Muse, welcher wir die Werke eines Dichters zu danken hätten, der die Zierde der Augusteischen Zeit, und der Liebling aller guten Köpfe seit 1800 Jahren gewesen ist? Welch eine Aufmunterung für die täglich anwachsende Schar poetisierender Jünglinge, die, von eben dieser scheußlichen Göttin, der zehnten Muse unsrer Zeit, zur Verzweiflung getrieben, mit langen krummen Fingern nach der Apollinarischen Leier greifen, und – weil doch ihr vermeinter Mitbruder Horaz einen Mäcen gefunden, und mit seinen vom Hunger eingegebenen Versen ein Sabinum zu verdienen das Glück gehabt, sich wohl berechtigt halten, die christliche Liebe ihrer Nebenmenschen wenigstens zu einer Subskription auf die Inspirationen ihres ungestümen Magens aufzufodern! Wer sollte sich länger schämen – seinen wahren Beruf zum Dichter zu gestehen? – da ein Horaz selbst so unverhohlen bekennt, daß ihn bloß die leidige Dürftigkeit zum Dichter gemacht habe – daß er nunmehr, da er habe, was er brauche, der unheilbarste aller Narren sein müßte, wenn er nicht lieber seine Zeit verschlafen, als aufs Versemachen anwenden wollte. – Was nicht ein unglücklicher Augenblick von böser Laune für Folgen haben kann! Und wie große Ursache hatte Tristram Shandy, vor den Zehentausend kleinen Teufeln des Erzbischofs de la Casa zu warnen, die jeden witzigen Kopf, so wie er sich an seinen Schreibepult setzt, unfehlbar umwimmeln! Wie er sich auch in Acht nimmt, wie er sich schüttelt, kreuzigt und segnet, eh' ers gewahr werden kann, zieht er, an nichts Arges denkend, einen davon, indem er die Feder eintunkt, aus seinem Dintenfasse; und siehe! da steht ein Einfall auf dem Papier, der, ohne daß der arme Schriftsteller die mindeste Ahnung davon hat, mehr Unheil in der Welt anrichtet, als er in seinem ganzen Leben wieder gut machen kann. Horaz stand, wie wir wissen, fast immer unter der Gewalt irgend einer Laune; und Launen sind eine Art von guten oder bösen Feen, die durch die bloße Magie des Kolorits und Helldunkels aus den Dingen, die vor uns stehen, machen können, was sie wollen. Er befand sich, als er diese Epistel schrieb, in Rom, wo er in den spätern Jahren seines Lebens so ungern lebte, und mußte sich jetzt, ohne Zweifel, wider Willen da aufhalten – Erste Ursache übler Laune zu sein! – Die Stadt wimmelte von Poeten, Schöngeistern und Versemachern, die sich als seine Confratres ansahen, ihm vielleicht noch viel Ehre zu erweisen glaubten, wenn sie ihm, wie jene Pferd-Äpfel in der Fabel, zuriefen: wie wir Äpfel schwimmen können! Und diese Herren belagerten ihn in seiner Wohnung, begegneten ihm überall auf der Straße, suchten ihn in den Häusern, wo er gewöhnlich anzutreffen war, nötigten ihn ihren Vorlesungen beizuwohnen, überreichten ihm wohl gar Lobgedichte, die sie auf ihn gemacht hatten, indem sie in der andern Hand ein Pasquillchen zeigten, das schon auf den Fall wenn er sie nicht wiederloben würde, fertig lag, u.s.w. Zweite Ursache übler Laune zu sein! – Und nun, da er müde, ausgetrocknet und mißmutig von allen Plackereien und Seccaturen eines römischen Tages, nach Hause kommt, findet er noch einen Brief voller Vorwürfe, daß er die längst versprochnen Gedichte noch nicht geschickt habe! – die er freilich nicht schicken konnte, weil sie noch nicht gemacht waren. Nichts ist vielleicht einem Manne wie Horaz verhaßter, als an solche alte Versprechen, die ihm einmal in einem dumpfen Augenblick von Bonhommie abgeschwatzt wurden, oder sonst entfuhren, wieder erinnert zu werden. Nun möcht' ich wohl sehen, welche gute Laune in der Welt gegen so viel unangenehme Umstände und Zudringlichkeiten, wenn sie so auf einen Tag zusammenkommen, aushalten könnte? Horaz war, wie er an mehr als einer Stelle seiner Werke zu verstehen gibt, etwas hitziger und ungeduldiger Art, ut genus est irritabile vatum. »Verwünscht sei alle Poeterei! (hör' ich ihn in diesem Augenblicke rufen) und verwünscht der Tag und die Stunde, da mir zum erstenmal der unselige Einfall kam, Verse zu machen, wenn ich nun um deswillen, weil ich in meiner Jugend – als ich durch irgend etwas mich hervortun mußte, und dies Talent das einzige war, was mein Schicksal mir dazu übrig gelassen hatte, – mich mit der Dichtkunst abgab, wenn ich nun um deswillen, was am Ende doch nur eine Folge des fatalen Ausgangs bei Philippi war, mein ganzes Leben lang gezwungen sein soll, den schönen Geist zu machen, mich von jedem poetischen Lumpen-Bruder grüßen, und vom ersten besten Hofschranzen, der seinem Herrn was Neues vorzulegen haben möchte, zum Versemachen nötigen lassen soll!« – In der Stimmung, die dieser Humor zurückließ, setzte sich nun der gute Dichter hin, und begann seine Epistel. Ein Mann wie er hat immer so viel Gewalt über seine übeln Launen, daß er sie, wenigstens gegen einen Dritten, wegscherzen kann; aber es bleibt doch auch immer was Bittres, Scharfes, oder Säuerliches zurück; und wenn er so gutherzig und seines Werts so gewiß ist, wie Horaz, so muß dieser Rest von böser Galle gemeiniglich über ihn selbst hinaus; – und so kann es denn kommen, daß eben der Mann, der vor zehn Jahren den Gott der Musen in einer schönen Ode gebeten:
und der, vielleicht wenige Wochen nach dieser Epistel, in einer eben so schönen Ode an die Muse des GesangsOde 3. Lib. IV., mit Vergnügen anerkannte, daß er schon in der Wiege von ihr zum Dichter eingeweiht worden, und daß er nichts weniger als unempfindlich gegen die Ehre sei, »von den Vorübergehenden als der erste Lyrische Dichter der Römer mit Fingern gezeigt zu werden« – so kann es kommen, daß der nämliche Mann, in einem andern Augenblicke, wo er die Sache von einer ganz andern Seite und in einem ganz andern Lichte sieht, zu sagen fähig ist, was er hier dem Julius Florus sagt, und was mir zu dieser langen Kommentation – die der Leser im Besten vermerken wolle! – Anlaß gegeben hat. ? – Jedes Jahrdes Lebens, wie es abgeht, nimmt auch was von uns als Beute mit: sie haben Scherz und Spiel, sie haben Wein und Kuß mir schon entrissen, und ringen mir nun auch die Leier aus der Hand. Wie willst du, daß ich helfe? – Überdies sind auch die werten Dilettanten sich so ungleich an Geschmack! Du liebest Lieder. |
Dura sed emovere loco me tempora grato; civilisque rudem belli tulit aestus in arma, Caesaris Augusti non responsura lacertis. Unde simul primum me dimisere Philippi, <50> decisis humilem pennis, inopemque paterni et laris et fundi, paupertas impulit audax ut versus facerem: sed, quod non desit, habentem, quae poterunt umquam satis expurgare cicutae, ni melius dormire putem quam scribere versus? <55> Singula de nobis anni praedantur euntes; eripuere iocos, venerem, convivia, ludum; tendunt extorquere poemata: quid faciam vis? |
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ein andrer Jamben, einem dritten will nichts schmecken, was nicht stark mit Bions scharfem WitzDieser Bion, der mit Bion dem Weisen und noch acht andern gelehrten Bionen nicht verwechselt werden muß, schrieb eine Art von Satiren, worin er, wie Lucian, dessen Vorgänger er war, weder Götter noch Menschen verschonte. Bionei sermones sind also so viel als beißende Satiren. gepfeffert ist. Ich bringe nicht drei Gäste zusammen, deren leckerhafte Gaumen sich mit dem nämlichen vergnügen ließen. Was soll ich geben, Freund? Was jener will, das ekelt dir, und was du gerne hättest, Schmeckt zweien andern widerlich und sauer. |
Denique non omnes eadem mirantur amantque. Carmine tu gaudes; hic delectatur iambis; <60> ille Bioneis sermonibus, et sale nigro. Tres mihi convivae prope dissentire videntur poscentes vario multum diversa palato. Quid dem? quid non dem? renuis tu quod iubet alter, quod petis, id sane est invisum acidumque duobus. |