Horaz
Epoden
Horaz

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17. An Canidia.

Horaz.
              Schon überwältigt streck' ich deiner Kunst die Händ'
Im Staub und flehe bei der Macht Proserpinas
Und bei Dianas nie verletzter Allgewalt,
Auch bei den Büchern, kräftiger Bannsprüche voll,
Die hoch vom Himmel feste Stern' herunterziehn,
Canidia, laß den Zauberanruf endlich ruhn
Und löse rückwärts, löse doch der Rolle Schwung.
Bewegt ward Nereus Tochtersohn von Telephus,
Obgleich er trotzig gegen ihn geschart ein Heer
Der Myser und geschärfte Wurfspieß' ihm geschnellt.
Mild salbten Trojas Frauen ihn, der den Hunden schon
Und Geiern dalag, Hektors Leib, des mordenden;
Nachdem der König vor der Stadt fußfällig, ach,
Den starren Sinn des Peleionen angefleht.
Aus harter Bälge Borstenwuchs enthüllete
Das Rudervolk des schwerversuchten Ithakers,
Durch Circes Huld, die Glieder; schnell kam Sinn und Laut
Zurück und kennbar Menschenwürd' ins Angesicht.
Genug und mehr schon büßt' ich dir der Strafen ab,
Du aller Krämer und Matrosen Lieblingin!
Hin floh die Jugend, und der Scham Leibfarb' entschwand
Dem Antlitz, wo fahlgelbe Haut Gebein umhängt;
Dein Zauberbalsam bleichte machtvoll mir das Haar,
Nie folgt der Arbeit kurze Frist nur auszuruhn,
Nacht drängt den Tag fort, Tag die Nacht, doch nimmer wird
Erleichterung der eingezwängten Herzensangst.
Ja glauben muß ich Armer, was unglaublich schien:
Sabellerbannspruch dröhne dumpf ins Herz hinein,
Und oft vom Marsermurmel sei zersprengt ein Haupt.
Was willst du noch? O Meer und Erde! Weh', ich brenn',
Entflammter als der schwarzumströmte Herkules
Vom Blut des Nessus, als des feuerbrausenden
Sikanenberges Lohe. Du, bis dürr verstäubt
Ich, ungestümer Winde Hohn, aufwirbele,
Fort glühst du, Werkstatt kolchischer Giftmischerei!
Welch Ende harret meiner noch, und welcher Sold?
Sag' an! ich werde, was du auflegst, treu bestehn:
Dich auszusöhnen stracks bereit, ob du's verlangst,
Mit hundert Stieren, ob mit lügenhaftem Ton
Der Leier. Du Schamhafte, du o Fromme, sollst
Einher durch Sterne wandeln wie ein goldner Stern.
Von Helenas gekränktem Leumund zwar empört,
Gab Kastor und der Zwillingsheld dem flehenden
Hochsänger sein entnommenes Augenlicht zurück.
Auch mich (du kannst ja) laß des Wahnsinns wieder los,
O du, von keines Vaters Schmach besudelte,
Kein altes Weib, wohlkundig, aus der Armen Grab
Am neunten Tage Leichenasch' umher zu streun!
Dein Herz ist menschlich, rein die Hand; es sproßte dir
Aus eignem Schoß dein Pactumejus; deines Bluts
Gefärbte Tücher hat die Hebamm' abgespült,
So oft vom Lager, tapfre Wöchnerin, du sprangst!
 
Antwort der Canidia.
Warum mit Flehn mein festverschlossnes Ohr bestürmt?
Nicht tauber sind Felsriffe nackten Ruderern,
Woran Neptun erhobne Salzflut winternd schlägt!
Ha! ungeahndet hättest du die Cotyttien
Verlacht enthüllend und des freien Amors Dienst?
Als Pontifex der Esquilinenzauberei,
Straflos die Stadt mit meinem Namen angefüllt?
Was hätt' ich denn Pelignermütterlein bestellt
Um reichen Lohn und schnellentscheidendes Gift gemengt?
Doch spätres Schicksal, als du wünschest, harret dein,
Elendes Leben, voll von Unmut, lebst du so,
Daß neuen stets und neuen Martern du genügst.
Ruh wünscht des Pelops Vater, der, um Hochverrat,
Dort ewig darbt am vollen Festmahl, Tantalus;
Ruh wünscht Prometheus, ausgespannt dem Adeler;
Es wünscht zur Berghöh' aufzuwälzen Sisyphus
Den Marmorfelsblock: aber Zeus Ausspruch verbeut's.
Bald sinnst du einen jähen Sprung hochher vom Turm,
Und bald des norischen Dolches Stoß gerad' ins Herz,
Umsonst auch Band' um deine Kehle knüpfest du,
Vom dumpfen Lebensüberdruß geänstiget.
Dann sitz' ich aus des Feindes Nacken wie zu Roß,
Dann soll die Erde weichen meinem Übermut.
Ich, deren Macht Bewegung Wachsgebilden leiht,
– Wie selbst du, Lauscher, wohl bemerkt – und die vom Pol
Herunterreißen kann den Mond durch Banngetön,
Die auch den Staub verbrannter Leichnam' auferweckt,
Den Becher auch der Liebesglut zu mischen weiß,
Soll klagen, daß an dir sich meine Kunst verfehlt?

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