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Liebesreime.

XVI.

Tief ist der Abgrund, der uns trennt,
Du darfst den kühnen Sprung nicht wagen;
Kein einzig Wort darf ich dir sagen,
Wie sehr mein Herz nach deinem brennt.
Nur neige dich ein wenig noch,
Dann schau' ich deine Augen doch,
Ob sie auch braun noch sind wie einst,
Seit du so viele Thränen weinst.

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XVII.

Wollt' ich mein Liebchen ganz und gar besingen,
Nicht Federn hätten hundert Gänseschwingen,
Nicht tausend Tintenfässer so viel Saft,
In Schrift zu setzen meine Leidenschaft.
Was weiß die Menge, welcher nur bescheert ist,
Mit stumpfem Laienblick ihn anzuschauen,
Wie viel Gesänge, reich an Strophen, werth ist,
Das kleinste Härlein seiner Augenbrauen!

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XVIII.

Wär' ich nur ein klarer Wasserquell,
Der geschmeidig springt von Stein zu Stein,
Daß mein allertrautester Gesell
Könnte ganz von mir umschlungen sein!
Was sind denn zwei Arme, ob auch weiß?
Was sind denn zwei Lippen, ob auch heiß?
Karg und wenig dünken beide mich
Für zwei Liebende wie er und ich.

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XIX.

Fluch den Augen, die mein Liebchen schauen!
Fluch den Händen, die es fühlen können!
Fluch den Straßen, Wäldern, Fluren, Auen,
Denen ich die liebe Näh' muß gönnen!
Wär' ich doch der Hauch in seinem Munde!
Wär' ich doch der Stein, auf dem er schreitet!
Wär' sein Blut ich, das in steter Stunde
Zu dem vielgeliebten Herzen gleitet!

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XX.

Lebe wohl, du meine weiße Taube,
Lebe wohl, du meine theure Seele!
Sage, welches ist dein fester Glaube?
Welches deine Wünsche und Befehle?
»Einen Glauben hab' ich: deine Treue;
Einen Wunsch: dich wieder anzuschauen;
Und Befehle: was auch je uns dräue,
Meiner ew'gen Liebe zu vertrauen.«

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XXI.

Ist es wahr, kannst du mir Treue brechen,
Will ich nie mehr sehn dich, nie mehr sprechen.
Warst mir wie ein Falke lieb geworden;
Einen Geier möcht' ich dich ermorden!
Pflegte dich als Palmenbaum im Haine;
Schierling reiß' ich dich heraus und weine!
Trug dich wie ein Kindlein unterm Herzen;
Einen Dorn reiß' ich dich aus mit Schmerzen!

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