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Bemerkungen über uns närrische Menschen.
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Nur der Dichter und Philosoph sieht die Thorheit im Allgemeinen und überall – der Geschäftsmann sieht nur die Thorheiten und Abweichungen seines Gewerbes, seiner Kaste, der Jurist juristische etc. etc., aber nicht das allgemeine Thörigte, das allen Menschen zu Grunde liegt.
Um auf der einen Seite nicht muthlos und auf der andern nicht übermüthig zu werden, muß man sich immer mehr die Aehnlichkeit der Anlagen, der Gesinnungen und der ganzen Menschheit recht klar vorhalten. Der Jüngling sieht lauter Unähnlichkeiten, der Mann mehr Aehnlichkeiten.
Obgleich bei Findung der philosophischen und theologischen Wahrheiten die Menge der Köpfe mehr schadet, als nutzt: so entstehen grade durch die Menge derselben die ungeheuren Lehrgebäude der historischen Wissenschaften, der Chemie, Physik etc. etc.
Je mehr Vorzüge an einem Menschen anerkannt werden, desto mehr neue will er dazu setzen und dichten, aus Gefühl seiner Unvollendung. Nur der steigende, nicht der stehende Ruhm erfreut.
Der Ruhm hat noch den Reiz, daß er eine Bezahlung ist, die man von jedem Einzelnen von neuem einnimmt. Jeder Mensch ist ein Wesen, dessen Achtung uns beglückt, wenigstens erfreut; und so muß für einen berühmten Mann sich sein Genuß zugleich mit der Menge der Menschen verdoppeln, die ihn anerkennen.
Aus dem, was Jemand weiß, kann man nicht auf das schließen, was er nicht weiß.
Die Gelehrten glauben, man habe ein starkes Gedächtniß, wenn man gerade – vielleicht aus der Jugendzeit – Dinge kennt, die sie nicht wissen.
Je kleiner die Stadt, desto kleiner erscheint darin der Größere; sie hat einen zu kleinen Maßstab.
Ein Magistrat in München – einer in Bayreuth – einer in Hof. – Die Ideen verkleinern sich mit dem Umfang ihrer Anwendung. Unter großen Gegenständen, wie in einer Residenzstadt, nimmt man große zu Maßstäben; unter kleinen kleine. Alle Urtheile, Entschlüsse sind in kleinern zugleich sclavischer und despotischer.
Nichts schadet poetischer, philosophischer und innerer Ausbildung so sehr, als eine große Stadt, die immer durch ihre Verhältnisse vom Innern abzieht; denn was sie von außen gibt, das nimmt sie dem stillen Innern, der eigentlichen Gebärmutter aller Ideen.
Der Gelehrte muß sich nicht an zu viele Stille verwöhnen; er fordert sonst immer größere und zuletzt stört ihn alles.
Vor dem Kammerdiener kein Held, auch kein Dichter. Wenn ein Bedienter, eine Magd, nichts sieht, als Essen, Trinken, auffahren, verschiedene Launen: wie kann er den hohen Geist, die Phantasie, kurz all das Innere errathen, das sich ihm nie offenbart?
Den allerwenigsten Menschen ist beizubringen, daß Bücher, die viele Andre nicht verstehen, von ihnen gleichfalls unverstanden bleiben.
Die Gleichheit der modischen Kleidung bildet den Trägern auch Gleichheit der Ausbildung ein. Wenn wir eine Mücke, die uns unterweges oft anfällt, verjagen, halten wir erzürnt irrend sie immer für die alte; hingegen bei kleinen Leiden begehen wir den umgekehrten Irrthum und halten jedes wiederkommende für ein frisches Insekt mit andern Stacheln; durch andre Zeit und andren Ort scheint uns andrer Schmerz.
Stets rechnet und berechnet der Mensch in seine Gegenwart die Zukunft hinein. Nach dem längsten Tage spinnt er nicht die halbe Freude, als er nach dem kürzesten fühlt, weil dort die Zukunft die Verkürzungen der Tage, hier die Verlängrungen ansagt.
Nirgends zeigt sich die Schwäche mehr, als wenn sie in der Noth starke Entschlüsse fassen will, z. B. G....., will Frau und Kinder verlassen oder seine Stelle abdanken und sich von Bogenschreiben nähren. Gerade die prosaischen Mattmenschen gehen bei Erhöhung der ihnen ungewohnten Plagen und Freuden zu den unsinnigsten Entschlüssen über, die kein Dichter gefaßt hätte.
Man kann eigentlich nur seiner Schwäche sich bewußt werden, nicht seiner Kraft, weil ja diese im Handeln nicht sich, sondern nur jene als etwas schwächeres fühlen kann.
Der schreibende (schriftliche, nicht mündliche) Fürstenschmeichler glaubt Wunder wie sehr er den Fürsten durch sein Lob überrasche und Lohn damit verdiene, da er theils zuerst – so glaubt er – es ihm sage, theils sehr stark – so spürt er bei seiner Ueberwindung.
Ein recht dummes wissenschaftliches Urtheil entscheidet über den wissenschaftlichen Werth eines Mannes; aber kein gutes tiefes; denn es kann Diebstahl oder Zufall sein. So entscheidet eine schlechte Handlung über den Menschen, aber eine edle nicht; denn der Motive gibt es so viele.
Genialität, insofern sie auf Phantasie sich bezieht, ist kein Hülfsmittel gegen Irrthümer, sondern deren Nahrung vielmehr.
Man gibt sich freilich bei kaltem Blut über vorige Leidenschaften Unrecht; aber in dieser gibt man sich auch Unrecht über den vorigen Tadel der Leidenschaft bei kaltem Blute.
Bei manchen Menschen, die gegen alle immer gleich warm oder kalt und leer sind und sich für nichts entscheiden, möchte man nur am ersten wissen, was sie in der Einsamkeit sind und stark lieben oder hassen.
Wir bringen Alle in jede Gegenwart die kunstbildende poetische Kraft mit, durch welche die Dichtkunst aus der geträumten Gegenwart die Farben und Linien des schönsten Bildes holt. Nun suchen wir aus der wirklichen Umgebung unbewußt die ähnlichen Dichterzüge zusammen, um sie poetisch zu genießen, und wir lassen täglich für das Bild, das uns erquicken soll, die rohen gemeinen Züge fallen und nehmen nur die schönen auf.
Gefallsucht und wahre Erhebung über den Schein, beide können bei drei verschiedenen Außenseiten herrschen, – denn es kommt eben nur auf das Innen an –: 1. bei Schön-, 2. bei Mittel-, 3. bei Nieder-Anzug und Aeußerlichem.
Man dringt auf ein einsames Abendarbeiten des Kindes und doch, wenn es dabei ist, kommt ein Mitleiden, das ihm gern ein Aufspringen geben oder erlauben möchte.
Gegen physischen Schmerz kann sich der Mensch verhärten, aber nicht gegen moralischen, besonders gegen Beleidigungen, weil in letztern stets etwas Neues auftritt.
Schon räumliche Ferne veredelt und verklärt poetisch einen gehenden Menschen – wieviel mehr zeitliche!
Die Menschen setzen immer einen Entfernten und Unsichtbaren als gesund voraus und werden daher so oft böse, wenn Briefe nicht beantwortet werden. Einen Autor vollends will sich Niemand auf dem Krankenbette vorstellen und er soll daher immerfort schreiben, Bücher und vollends Briefe.
Der gemeine Mann, ja der bessere wird von keinem Gute, – Musik, Malerei, Geruch, Kleidung so unmittelbar zum Danksagen gegen Gott gereizt, als durch eine gute Speise und erquickenden Trank.
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Am leichtesten lernst Du einen Menschen kennen, wenn Du ihn tadelst, oder, da der andere Weg offner steht, wenigstens in geringerem Grade, wenn Du ihn lobst.
Man ist dem Andern, den man tadelt, ähnlicher, und dem, den man lobt, unähnlicher, als man glaubt.
Wenn der kräftigste Mensch, der auf der Erde war, – laßt mich nur im schwächsten Lobe reden – gleichwol sagte und es that: »Vergebt nicht blos siebenmal des Tags!« wie können die andere schwächern Leute eine Kraft darin suchen, nicht zu verzeihen? – Eben keine zeigen sie und sie wollen damit die rechte ersetzen.
Das höchste der Humanität ist: über keinem Vorzug einen Fehler zu übersehn – und über keinem Fehler einen Vorzug; und so sich falsch weder erwärmen noch erkälten zu lassen, sondern alles einzuschichten.
Es ist der größte Irrthum, zu lebhafte Menschen für unbefangen und wahrhaft zu halten.
Ein Vater sagt: »daß mein Sohn fleißig ist, rechne ich ihm bei der Aufzählung seiner Vorzüge gar nicht an«. Ein anderer Vater würde, wenn der Sohn sich zum Fleiße bekehrte, die Bekehrung unter die größten Vorzüge setzen. So nehmen stets die Menschen in die Rechnung der Vorzüge nicht einen alten langen Werth hinein, sondern erst von diesem datiren sie die Rechnung. So machen es Frauen mit Mägden, Gatten mit Gatten.
Von Feinden Vorwürfe hören, lehrt und bekehrt und wirkt nicht; aber dieselbe Rede von einem gleichgestimmten Freunde griffe anders an.
Die Laster errathen einander leicht, der Eigennützige den Eigennützigen, der Eitle den Eitlen etc. etc. aber Tugend nicht das tiefste Laster, dieses nicht die höchste Tugend.
In Rücksicht der Geschlechtssünden scheint auch der offenste Mensch ein Heuchler zu sein; aber blos weil er verbirgt, was alle verbergen, sogar das Erlaubte, und weil Jeder weniger sinnlich scheinen muß, als er ist.
Es ist weit mehr Heuchelei in der Welt, als man glaubt, und als selbst die Heuchler glauben; denn sie halten nicht andre für Heuchler.
Nicht irgend eine oder die andre Sünde kann sich der Mensch vorwerfen zu Trauer oder Buße – jede ist nur eine einzelne Bezeichnung des Ganzen –; sondern die Anschauung seines Ganzen kann ihn niederschlagen, nämlich die Summe seiner Bestrebungen.
Keine Neigung verräth sich im geselligen Verkehr so schnell als die des Geizes, der bei jedem Vorfall immer zuerst spricht und vorplatzt. Liest nicht schon der Geizige jedes Buch aufmerksamer, weil er etwas für sein Geld haben will?
Der Veränderliche macht und findet Veränderliche gegen sich selbst.
Das Lesen wollüstiger Werke gibt im Stillen eine Angewohnheit des Schlechten und der Leser handelt auswärts so wie er inwärts ist und grade so, als habe ihn das Außen gebildet. Die Frechheit ist einerlei, ob schlechte Häuser oder schlechte Bücher besucht worden, und das Angewöhnen der Voraussetzung ist dasselbe.
Wie wenig könnt ihr euch auf die moralische Kraft und Fortwirkung auch der stärksten Empfindung verlassen, wenn ihr die Entzückungen des Wiedersehens und neuen Wiederliebens nach einer Abwesenheit zusammenhaltet mit dem nächsten Frost und Zank der Gegenwart.
Mitten im Tage ist's schwer, sich aus einer Stimmung zu bekehren. Aber ein folgender fängt eine ganz neue an, und durchstreicht mit dem schwarzen Nachtstrich die alte ganz.
Jede Verläumdung entsteht und beherrscht durch mißverstandene Einzelheiten der Geschichte, welche durch ihre Anhäufung und dickere Zusammenwebung so etwas Schein-Festes zurücklassen. Und dadurch eben siegt die Verläumdung noch Jahrelang hinter ihrer Widerlegung fort. Denn zur Widerlegung würde eben das Aufsammeln und Auffasern der gedachten Gewebe aus kleinsten Zufälligkeiten gehören; aber wer behält oder erfährt diese letztern? Und sogar wenn dieses wäre, wer würde zuhören oder gar ausbreiten? Eine Neuigkeit läßt sich mit Vortheil austragen, aber die Widerlegung einer veralteten Neuigkeit wird Niemanden interessiren.
Tadel ist ohnehin Schärfung des vorigen Verhältnisses, aber ihn selbst scharf aussprechen ist schädliche Verdoppelung. Umgekehrt sollte man nichts schwächer sagen, als eben den Tadel.
Von Natur hassende Gemüther bedürfen der geselligen Ausbildung am meisten. Die Worte und Mienen treten öfter in die menschlichen Verhältnisse, als die Handlungen; daher Jener kleine Höllen und Himmel mehr ausmachen und entschiedener wirken, als der große Himmel einer That. Jene haben in Minuten Platz, diese kaum in Monaten. Die Handlung ist unbestimmter, seltner; das Wort entschieden. – Alles, was für Worte den Seiten der Beleidigung gilt, gilt auch von der des Wohlthuns. – Wort und Blick werden länger gemerkt. Beide scheinen auch dem Innern mehr anzugehören, als das weite über verschiedene Verhältnisse laufende Handeln.
Worte tilgen Worte nicht, wenn diese böse waren. Böse Worte werden schwer, gute leicht vernichtet. – Wer in Gesellschaft immer sanft ist und auch sonst, lasse sich ja nicht von einem schnellen Ausbruche des Zorns überraschen. Ein starkes Zornwort löscht alle und ganze Mildgespräche aus.
Wenn eine Frau einem Mann oder sonst ein Mensch einem Menschen eine Freude genommen durch Argwohn oder Eifersucht, so wird es nicht wieder gut gemacht durch eine liebende Stunde, die dafür gegeben wird; denn die hassende hätte eben fehlen und er zwei liebende bekommen sollen statt einer.
Wie der Mensch sich nicht in die fremde Seele setzt, inwiefern ein hassendes Wort ihr zum Schmerz wird, das natürlich dem Sprecher eher als ein wohlthuendes vorkommt: so setzt er sich auch bei einem liebenden, das er sagt und das ihm nur Ausdruck, nicht Genuß ist, nicht in die fremde Seele, welche dadurch den Genuß der Liebe empfängt.
Schnelle Kraft wirkt im Moralischen und Aesthetischen stärker, Zartheit länger und tiefer.
Wenn ein Ehemann oder Vater mit dem Tadel bei kleinen unänderlichen Unannehmlichkeiten herausfährt, der, wie er selbst weiß, zu nichts nützt: so ist diese Explosion nur die kleinere eines Fluchs, der auch nicht helfen, nur erleichtern soll.
Es ist nicht immer Heuchelei, wenn derselbe Mann, der im Hause tobt, in fremder Gesellschaft mild erscheint. Zu Hause findet er eingewurzelte, wiederholte Fehler, die er zu bestrafen hat, die er schon bestraft hat. Wäre er außer dem Hause wild, so wär' er's ja zu Hause noch mehr.
Derselbe Mann, der mich besucht, zeigt sich ganz anders, als wenn ich ihn besuche. Beide Verhältnisse geben erst den Durchschnitt seines Charakters. Ja wieder anders zeigt er sich im Begegnen auf der Reise, wo er weder Gast noch Wirth ist, sondern nur Erdbürger.
Man würde Jedem seine Eigenheiten gern hingehen lassen, wenn er sie nur nicht zugleich zu seinen Vorzügen adelte; erst dann fängt der Tadel an.
Wenn man von einem liebenden Wesen getadelt wird, z. B. von der Frau, so liegt die Schuld nicht sofort an uns; wenn es aber von mehren Liebenden zugleich geschieht, z. B. von Kindern mit: so liegt sie sicherlich an uns.
Alles ist uns am Andern leichter zu errathen, als dieß, wie er uns erräth; das Errathen des Errathens. Daher können zwei auf einmal sich wechselseitig überlisten und täuschen.
Jeder hat den Glauben, der Andere beurtheile ihn aus demselben Gesichtspunkt und denselben Kräften und Lagen wie er ihn; und keiner erräth daher das Urtheil des Andern über sich.
Bei Wohlwollen setzt man sich so in des Andern lächerliche Ideen hinein, daß man das Lächerliche so wenig spürt, wie er selbst; z. B. bei Herrn v. M. als er wünschte, daß sein Sohn ein großer Dichter werde, weil es in Baiern keine gebe.
Das Versprechen ist etwas so Angenehmes und Poetisches, daß man begreift, warum man so gern und leicht eines gibt, fast eben so sehr des eignen Genusses wegen, als des fremden. Bei dem Halten aber geht ein großer Theil von dieser Poesie in Prosa über, und daher war es nicht immer anfangs Vorsatz eines Wortbruchs, wenn das schwere, phantasielose Halten ausblieb. – So ist das zornige Drohen und Verschwören eine ähnliche genießende Poesie, der die Prosa des Haltens schwer wird.
Sogar in der Gesellschaft muß man keine bestimmten Lehr- und Sprach-Zwecke haben, so wie in der Dichtkunst, sondern blos Freude und Freiheit und Gelegenheit suchen.
Wenn ihr verbietet, das zu tadeln, was man nicht besser machen kann, so darf man auch nicht loben, was man nicht nachmachen kann; denn das Lob setzt die Kraft zum Tadel voraus.
Die Leute fordern, der Dichter soll nie schreiben, wie sie, und doch soll er im Umgang reden und handeln, wie sie. Woher soll denn der Unterschied zwischen Reden und Handeln kommen?
Gegen die anders, also schlechter Wissenden in Religion und Philosophie ist man fast erbittert, aber nicht gegen die in historischen Wissenschaften Unwissenden. – Aber warum? Hier verliert unser Ich durch keinen Vorwurf; dort aber ist Rechtwissen Forderung und Werth.
Die Meisten fangen an, in ihr eigenes Lob zu gerathen, wenn man ihnen lange eines ertheilt; wie der Hund sich mit zu kratzen anfängt, wenn man ihn wohlthuend kratzt.
Wer oft gelobt worden, vergißt bei dem Ausgange aus einer Gesellschaft alle Verehrer und denkt lange immer nur an den, der keiner gewesen.
Ein lange Reisender kann am leichtesten in der Verblendung über seinen Werth bei Andern bleiben, weil er bei diesen nur kurz, in wenigen Verbindungen ist und sich sein Mißverhältniß nicht so steigern kann, daß man es ihm offenbart.
Unmittelbar nach der Ausübung eines Amtes, z. B. nach dem Ende einer Predigt, einer Vorlesung, einer Gassenausrufung – hat der Mensch ein närrisches Gefühl der Selbstausdehnung, und kann gar nicht wieder recht zu seiner vorigen kleinen Zusammenfaltung kommen; wie Regenschirme nach dem Gebrauch ausgespannt dastehen.
Lautes Lob haben die Fürsten den ganzen Tag gewohnt; also damit könnt ihr sie nicht überraschen; aber wohl mit Witz, mit Selbständigkeit, Gefühl, Ernst etc. etc. höchstens auch mit feinstem Lob. – Dabei aber, könnte man denken, wären gerade die gemeinen Redensarten, wie »gnädig« »Hoheit« etc. etc. entbehrlich; aber man irrt; sie sind in ihre Würde verwachsen und werden verlangt, ohne Rücksicht auf ihren Inhalt.
Man schmeichelt besser hinab, als hinaufwärts; ein Fürst, ein berühmter Autor, Minister, bedürfen weniger Wendung, ja oft nur Mienen, um die andern unter sich außer sich zu setzen.
Wenn einem Schriftsteller andre bedeutende Leute recht ihren Werth zu zeigen suchen und des seinigen gar nicht erwähnen, so glaub' er nicht, daß sie ihn nicht achten, sondern umgekehrt glaub' er, daß sie aus Achtung für ihn die seinige für sich zu erwerben trachten.
Es übt Jeder zwei ganz verschiedene Kräfte für die Gesellschaft. Die erste ist die schaffende, wie man sich ihr durch Verstand und Witz auf rechter Seite und zu ihrer Freude darstellt; die zweite ist die errathende und weissagende, wie sie unser Benehmen, unsern Charakter aufnimmt und billigt. Die erste kann ohne die zweite sein und über jene diese vergessen werden. Denn all dein Beobachten zeigt dir nur den Andern, aber nicht das Bild, das Du von Dir in ihm entwirfst. Der Prosaist behandelt den Dichter als einen Prosaiker und umgekehrt, und beide glauben zu beglücken. Ueber das Bemerken vergißt man das Bemerktwerden und man glaubt durch jenes dieses zu beherrschen, ja zu verdunkeln.
Die Menschen denken sich, um den Andern zu etwas zu überreden, nur in dessen äußere Lage mit ihrer Seele hinein; aber nicht in dessen innere oder Seele, daher kein Begreifen und kein Einwirken.
Um überall geliebt zu werden, schone man nur die schwachen Seiten der Menschen; die starken schonen, hälfe nichts und wäre sogar unrecht, im Falle diese böse sind.
Bei den über sich selbst Verblendeten muß man seine Mißbilligung nicht durch Handeln – das sie dann für Grobheit, Fehler etc. etc. halten – sondern durch Worte ausdrücken, die wenigstens keine andre Bedeutung zulassen, als die des Zorns.
Um zu wissen, wie Deine Rede der Gesellschaft gefallen werde, bilde Dir ein, ein Andrer habe sie gesagt, und bemerke dann ihren Eindruck auf Dich.
Es ist nicht stets Eitelkeit, wenn ein Voltaire, Sterne, immer viel sprechen und daher Zuhörer will, er will nur sich selbst genießen, nicht das Lob, nur das Erzeugen seiner Ideen, dem freilich der kleinste Widerspruch widerstünde.
Man beleidigt vielleicht zehnmal an einem Tage die Menschen auf das tiefste, aber ohne daß sie es bemerken, indem über Kleinigkeiten schlechte argwöhnische Gedanken auffliegen, die im Stillen sich widerlegen oder verlieren, ohne daß man sie ausspricht.
Gewisse Beleidigungen, z. B. der Freunde, Gatten, ziehen wie eine Kugel im Körper herum und erzeugen keine neue Beschwerde, treten aber doch einmal schmerzhaft hervor.
Jeder hüte sich eine Stadt zu verachten, in der er glänzen, oder doch erscheinen will. Man benimmt sich in keinem Orte widersinniger, als in dem, den man geringschätzt; lieber zu gut gedacht, als zu schlecht.
Ich war noch in keiner Stadt, wo nicht die ganze Stadt über ihren geselligen Verfall geklagt und gedonnert hätte, und ich selbst, wenn ich lange genug da war, stimmte auch mit ein und ging eben deßwegen aus ihr fort. Doch ist's schwerer und seltner, den Werth einer großen Stadt zu erschöpfen durch Ausgenießen, nicht nur der Größe wegen, sondern weil der fremde Zufluß sie mehr erneuern kann als eine kleine.
Grade in kleinen Städten wird der gute bescheidne Mensch am stolzesten, weil er doch niemand hat, womit er sich vergleichen will.
Man macht nie größre Anforderung an die Gesellschaft, als wenn man sie nicht sehr nöthig hat. In Hof war ich mit den unbedeutenden Einwohnern zufrieden; hier nicht mit den bedeutenden. Allein dort wollt' ich werden, heirathen, Gesellschaft haben und Lob erwerben; allein hier will ich blos Geist.
Zwei Parteien haben oft gegen einander eine doppelte Duldung nöthig, z. B. der Katholik braucht Duldung gegen den Unglauben oder das Herz des Lutheraners; dieser braucht Duldung gegen den Glauben oder den Kopf von jenem.
Wenn der gesellige Ton nicht erlaubt, die eignen Kinder, Verwandten etc. etc. zu loben, so verbietet er noch weit mehr, sie in Gegenwart der Gäste zu tadeln, da Tadel größre Vertraulichkeit als Lob voraussetzt und da er durch die Darstellung eines fremden Fehlers und der unangenehmen Empfindung dabei auch dem Gaste diese geben muß. Daher ist sogar das Tadeln der Kinder so fehlerhaft, als es wäre, ihnen vor der Gesellschaft Lehrminuten zu geben.
Fortgesetzte Gelindigkeit und Güte und Nachsicht eines Herrn gegen die Bedienten müßte, wenn diese auch die besten wären, sie verschlimmern, da jeder sich an ein milderes Klima gewöhnt und darin verzärtelt; sie würden immer die gewöhnlichen menschlichen Fehltritte machen, da sie nichts abschreckte vom Ausweg.
Eigentlich ist es eigner Egoismus und Freßsucht, wenn man lieber will, daß die Kinder das geschenkte Zuckerwerk oder Geld selbst vernaschen, als daß sie es andern schenken.
Die jungfräuliche Schamhaftigkeit kann nur angeboren, nicht erworben werden. Ein einziges heiliges Gefühl ist bei beiden Geschlechtern unschätzbar; weil keine Grundsätze es erneuern können, obwohl Handlungen es fortsetzen.
Man kann leicht die achtende Scheu für fremden Stolz und vornehmes Zurückziehen halten.
Nie zeigen sich die Menschen, besonders die Frauen, schöner, bei keinen andern Unglücksfällen, als bei denen des Todes. Hier kann Jeder am Verluste des Andern durch Erinnerung oder Besorgniß des seinigen warmen Antheil nehmen; hier fühlt Jeder einen eignen nach oder voraus. Alle trifft das Sterben.
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Man wird in der Freundschaft und der Liebe leicht ein Heuchler, der übertreibt, wenn man das stärkste Bedürfniß und Gefühl beider hat und den Gegenstand dazu entbehrt, und doch falsche dafür sucht und nimmt.
Freundschaft der Jünglinge ist darum so verschieden von späterer: Jünglinge sind eben im Laufe der Arbeit bei einander, Männer nicht: jene sagen sich alle Zweifel und Vorschritte, diese nicht; Jünglinge streben nach allen Kompaßseiten hin und begegnen sich daher nicht neidend. Dort ist Streben und Unbestimmtheit, hier Erlangen und Erfüllung.
Nicht nur die schöne vergängliche Liebe, sogar die dauerhaftere Freundschaft gedeiht im Klima der Jugend am besten. Wie anders ist die Freundschaft zweier Jünglinge, die nur miteinander genießen und lernen wollen und die außereinander gar nichts mehr kennen und begehren und die jeden Tag zusammen kommen und einerlei Freuden und Studien suchen, – wie anders ist diese Freundschaft gegen die zweier Hausväter, welche sich in ihre Kinder verstricken und die freudig von einander hören und gelassen sich entbehren!
Manche sind bei aller Unfähigkeit zur Poesie und höhern Liebe doch zur Freundschaft wenigstens in der Jugend geschickt.
In den Mannjahren sehnt man sich unendlich, aber vergeblich nach einem Freunde, der wie ein Jüngling der früheren Jahre alles anhört und aufnimmt.
Jugendfreundschaft ist darum so kräftig, weil beide Theile nur im Allgemeinen streben und durch keine bestimmte Richtung sich von einander entfernen. Alle Kräfte, nicht blos einige, leben in beiden und also für beide, was bis auf das Herz herabgeht. Später theilt sich alles.
Zwischen zwei alternden Freunden ist die Jugendfreundschaft getrübt, indem das Alter die Eigenheiten schroffer heraushebt und alle grünen Dornen härtet und bräunt, und weil sich dazu noch die Jugendduldung verliert, die alles übersah und vergab.
Wer keine Liebe hat (zumal eine Frau), dem ist sie nicht zu geben, und wer sie hatte, dem ist sie nicht zu nehmen.
Nicht der erste Blick knüpft immer das Band der festesten Liebe – da in dieser überhaupt zu viele mächtige Aeußerlichkeiten des ersten Eindrucks einwirken – aber für die Freundschaft, wo die Bestechungen der Sinne wegfallen, ist die erste Entscheidung durch den Ueberblick des ganzen Wesens wichtiger.
Die Probe und Kraft der Freundschaft ist nicht das Geben, sondern das Vergeben.
Die Freunde, die auseinander kommen, waren eben nicht nahe genug an und in einander gekommen.
Man hört so oft von Brüchen der Liebenden, aber selten von Brüchen der Freundschaft, sogar alter; allein diese sind häufiger, als man glaubt; nur bemerkt man sie weniger, weil der Bruch nicht die äußerlichen Folgen eines getrennten Liebespaares hat, und zweitens, weil das Brechen nicht auf einmal und in einer plötzlichen Erscheinung, sondern durch langsame Erkaltung geschieht.
Sobald man am Freunde ein Denken an sein Ich – z. B. Eitelkeit, bemerkt, so ist das Feuer schon auf dem Altare der Freundschaft niedergebrannt. In der rechten Liebe denkt man an kein fremdes und an kein eignes Ich.
Beleidigungen als Aufwallungen werden leicht in der Freundschaft vergeben; aber das Entdecken einer ursprünglichen Unähnlichkeit zerfrißt sogar die Vergangenheit. Zum Glück aber läßt sich keine Jugendfreundschaft ganz aufzehren und es bleibt aus ihr immer mehr Liebe übrig, als man in einer spätern begehrt oder erwartet.
In jeder Liebe ist ein Schmerz. Denn welches Geliebte macht glücklich genug, auch wenn man es nicht verliert?
Rochefoucault sagt: »Liebende werden einander nicht überdrüßig, weil sie immer von sich sprechen.« Falsch; denn der Liebende genießt erstlich das fremde Lieben an und für sich, ohne nur an sich zu denken, – an sich denkt man grade im Hassen am meisten – und dann genießt er sein eignes Lieben wieder, ohne an sich zu denken, sondern er stellt sich blos das fremde Wesen vor, in welchem sich die Gottheit des Liebens abspiegelt.
Zur sinnlichen Liebe ist bei den meisten leicht zu gelangen, aber schwer bei wenigen ist die rechte zu erwerben.
Man weiß nie, wie sehr man einen Menschen liebt, als bis er ernstlich krank wird. Aber lange Kränklichkeit so gut wie lange Gesundheit verbergen uns selbst unser Gefühl der Liebe.
Niemand verlasse sich in der Liebe auf Rührungen; sie dauern so wenig fort, als die Erzürnungen. In jeder starken Bewegung liegt der Grund ihres Stillstandes. Jeder glaubt, er werde ewig lieben, ewig hassen.
Wenn ein Mann von seinem Freunde sich verletzt geglaubt und Empfindlichkeit darüber gezeigt, dieser ihm aber den Glauben als Irrthum erwiesen hat: so meint er, es sei genug gethan, wenn er nun seine Empfindlichkeit ganz aufhebe. Damit ist's aber nicht genug; er hat jetzo – wiewohl unschuldig – auch selbst ehgethan; und nicht die Aufhebung der Empfindlichkeit, sondern die Aeußerung der Liebe ist das Gehörige.
Die schönste Liebe ist die der Aeltern gegen Kinder; die kindliche gegen die Aeltern ist nicht so schön.
Die Aeltern lieben die Mädchen leichter als die Söhne, weil jene ihr warmes Liebesgefühl immer in kleinern, also öfteren Zeiten äußern, diese aber nur in großen Zwischenräumen, zwischen welchen sie wild erscheinen.
Die älterliche Liebe belohnt sich blos durch das Kinderglück, verlangt aber nicht dafür die Kinderliebe. Die verliebte Liebe will durchaus vom Gegenstand erwiederte Liebe und ihr ist nicht daran genug, daß sie ihn beglückt weiß.
Wer zu Hause bei der Familie bleibt, hat weit weniger Sehnsucht nach dem verreiseten Geliebten, als dieser rückwärts nach ihr; denn jener hat die ganze Umgebung von Menschen und Haus und bleibt einheimisch, obwol beraubt; aber dieser ist alles Einheimischen beraubt.
Die D..., sonst so kränklich, ist seit dem Tode ihres Mannes, und noch mehr seit dem Tode ihrer höher geliebten Tochter viel gesunder. Sonst war sie nervenschwach; jetzt wirkt die fortgehende, ununterbrochene, aber doch nicht gesteigerte Trauer als ein Nervinum, da diese als eine geistige Kraft den Körper anreizt und stärkt. Trauer verlorner Liebe schwächt, aber nicht des verlornen Gegenstandes.
Wie sehr man die Liebe achte, so wird sie, wenn sie einmal da war, doch wichtiger, wenn eine zweite, dritte Person sie für dich hat, nämlich die geistigste. Warum soll denn der Ehemann allein mit einer Liebe vorlieb nehmen?
Die Weiber lieben den Mann inniger und er ist ihnen mehr die Welt, als dem Manne die Frau eine ist. Gleichwohl sind sie nach dem Welt- und Geschlechtsgebrauch darauf verwiesen, daß sie dem Manne alle kleinen Abweichungen vom Fußpfade der Liebe verzeihen, um der Ehe willen; indeß er bei weitrer Brust und weniger Liebe doch die ganze ungetheilte von ihr fordern darf und fordert.
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Liebe ohne Handeln ist nichts; aber zum Handeln in der Ehe gehört das Reden zuerst. Jedes Wort ist eine That.
Bei dem ehelichen Zürnen treibt eine Partei es immer höher mit kleinen Aergerungen, aber mit dem Bewußtsein oder Vorsatz, dann auf der Höhe alles zur verzeihenden Ueberfließung zu bringen. Aber die eine Partei erräth nicht, daß die andere darin nur eine Fortbeleidigung findet, und sich mehr verhärtet oder doch sich im Verzeihen gehindert fühlt. So kann wieder umgekehrt die andere Partei im nämlichen Irrthum der ersten handeln und hoffen.
Mit der Zartheit und Seltenheit jedes Tadelwortes in der Ehe wächst auch die Schärfe des kleinsten Tadels und in der sanftesten Ehe gebiert ein Wort Zank, das in einer andern kaum Zürnen erregt hätte.
Der Teufel schürt immer die meisten Zänkereien vor dem Geburtstage an, wo man Jemand, z. B. einer Gattin, Freude machen will.
Die stärksten und gefährlichsten Streitigkeiten in der Ehe sind in den ersten Jahren, theils über Kindererziehung, theils weil die ersten hohen Forderungen der Liebe sich noch nicht ins Gleichgewicht mit dem Alltäglichen gesetzt haben; – später werden die Stürme kleiner und verschwinden endlich in Ruhe oder in Gleichgültigkeit.
In der höhern Liebe der Ehegatten wird diese nicht durch fortliebende Handlungen ausgedrückt bei Zürnen und Zwiespalt – denn grade dieses Opfern reizt und quält – sondern durch aufklärende und entwickelnde Worte.
Das Uebertreiben liebender Worte macht in der Ehe gar nicht das Uebertreiben tadelnder gut, sondern dieses Uebermaß vernichtet die Wirkung des andern. Von allen Aufwallungen lassen nur die zornigen den dickern Bodensatz.
Weiberlaunen mit Männerlaunen durcheinander geknetet, dies gibt hohen schwellenden Sauerteig, den jede Wärme nur hebt.
Das Männerherz wird oft, wie eine Gänseleber, desto härter, je länger die Frau es kocht oder wärmt; und der weichste Mann kann ungerührt bei körperlichen Klagen und Thränen seiner Frau sein, der sogleich in Thränen ausbricht, wenn sie ihn allein seinem Nachdenken zurückläßt. Denn dann gehen alle diese Bilder erst durch seine Phantasie, und erweichen, wie sogar der Tyrann im Theater (d. h. in seiner Phantasie) bei Wunden weinen kann, die er im Leben selbst zu schlagen befahl.
Vergleiche einmal die Opfer und Liebeszeichen, die dir die Ehefrau bringt, und deine kalte Billigung derselben mit den Opfern, die eine Geliebte bringt, und mit deinem Enthusiasmus darüber.
Oft behält der Mann lange schweigend seine Opferungen für die Frau bei sich; so die Frau ihre ebenfalls; aber desto härter stoßen dann beide irgend einmal bei der Aufdeckung ihrer entgegengesetzten Vorräthe an einander.
Der Gehorchende setzt sich nicht in die Seele des Befehlenden und erfährt also nichts von dessen Rechten und Ansichten, weil er blos die Rechte des Gehorchenden, nicht die des Gebietenden in diesem voraussetzt und anschaut. Auf der andern Seite setzt sich wieder der Befehlshaber nicht in die gehorchende Seele.
Die geliebte Gattin bekommt, wenn auch manche Körperreize erlöschen, in die stehende Form des Gesichts etwas durch Zusammenleben vielleicht Unwiderstehlicheres, als alle flüchtigen Farbenreize waren.
In der Liebe ist Melancholie reizender, in der Ehe Heiterkeit und Laune.
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Das weibliche Herz gleicht dem Schnee; man merkt bei der stärksten langen Wärme kein Schmelzen, mehr ein Verdichten; plötzlich ist er aufgelöset.
Moralische Werke wirken am stärksten auf Jungfrauen und Jünglinge; doch auf diese länger, da auch ein Mann sein Leben nach neuen Einsichten (nach Grundsätzen) auf einmal umändert. Weiber hingegen lesen in der Ehe – und hören den Ehemann – ohne Einfluß auf ihr Handeln, das nun einmal seine Festigkeit angenommen. Nur durch Empfindung (der Liebe), durch Kraft und durch List sind sie zu bewegen.
Aus der weiblichen Härtnäckigkeit für kleine Gegenstände – deren Ungrund erwiesen ist – schließe auf die bei größern, und ob da noch Sieg möglich. – Und doch gilt vielleicht nicht einmal der Schluß, da die Frau vielleicht fester auf dem Kleinsten besteht, als auf dem Größten und beides durch einander ebnet.
Weib, dein Name ist nicht Schwäche, sondern Leidenschaftlichkeit. – Nur die Verhältnisse verbergen uns die große und fortgesetzte; aber unter dem Dache ist sie. Und bei jedem Unglück steht sie auch äußerlich da. Die besten sind die leidenschaftlichsten; nur die getrübten, geschwächten oder von Natur entkräfteten erscheinen als sanfte. Diderot (in Grimm's Korresp.) sagt Aehnliches.
Die Männer schildern seit Jahrtausenden die Weiber schwächer und sich stärker als sie, und doch fordern sie, daß der Schwächere dem Stärkern in der Liebe widerstehe und obsiege, der noch dazu alle Vortheile des Angriffs für sich hat, jede Wahl der Zeit und der Umstände.
Weibliche Heftigkeit ist immer eine gedoppelte, da eine Frau von Natur vorspringend ist oder voreilig. Desto schlimmer, wenn eignes Temperament dazu kömmt. Jene stört, auch im Frieden, durch bloße starke Aeußerung das Schöne und Stille des Liebens.
Wenn eine Frau im Streite statt der Fragen Einwürfe macht, so ist sie schwer zu überzeugen.
Gegen eine aufstürmende Frau hilft sogar sanfter Tadel des Mannes wenig. Jede gewöhnt sich an irgend einen Sprechton, und da der tadelnde doch über den gewöhnlichen hinausgeht, so erbittert sie sich eben so sehr, als an einen starken angewöhnten.
Die Weiber verbergen so viele Dinge vor den Männern; aber mehr als alle körperlichen sollten sie vor ihnen verstecken ihr Zanken, besonders mit Dienstboten.
Wenn ich zuweilen schrieb, die Weiber nehmen keine Gründe an, auch antworten sie immer auf etwas anders, als vorgeworfen wird, so gilt dieß von ihnen, wenn sie in der Leidenschaft, sogar geringen Grades, sind, worin sie mit jeder Querantwort sich vertheidigen und retten wollen; in Ruhe hingegen sind sie kurz, scharf und consequent.
Die Männer haben im Zorn mehr Mitleid, die Weiber vor und nachher. Habt ihr je eine Frau mitten im Zorne einhalten sehen?
Unter Mädchen mag in gewissen Jahren noch ein warmer Schimmer von Freundschaft stattfinden: aber Eheweiber gehen Jahre mit einander um und bitten sich jede Woche, ohne sich im geringsten weniger zu hassen.
Das schönste Lob für eine Frau ist, wenn sie das einer Andern gegebene erfreut.
Den Weibern ists bei keinem ernsten Gespräch um das Resultat der Untersuchung zu thun. Sie bedenken nicht, um uns mehr zu schonen, welche wilde, herzauflösende Untersuchungen der Mann in den Wissenschaften durchzugehen hat, wo freilich nicht soviel vom unbefangenen Herzen übrig bleiben kann, wie bei ihnen, die sich immer im Ganzen sehen.
Die Weiber wollen – beim Erhandeln von Waaren und sonst – nicht kurze Worte, sondern auseinandergelegte; bei einem Quäker, der die Waaren so bietet, wie er sie gibt, verlieren sie wenigstens die Zeit, die sie durchsprechen könnten; sie wollen das Geld der Rede in Silbergeld mehrer Worte zerlegt.
Nach dem Anziehen der Weiber kommt das Abschiednehmen, dessen Länge immer etwas dauert.
Einer Frau ists unmöglich, von der andern besuchten schnell fortzugehen, wenn diese auch in Trauer oder Geschäften ist; sie stört fort.
Das weibliche Zusammenkommen und Zusammenplaudern, ohne daß etwas Wichtiges erörtert oder gelernt wird, ist von der Seite des Herzens zu vertheidigen. Schon Wechselgefühle sich geben, ist etwas.
Das Achten der Frauen auf den Putz anderer Frauen läßt sich rechtfertigen; sie können jedes Band von der andern für sich gebrauchen; denn zwischen Schönheiten herrscht Freiheit und Gleichheit; jeder fremde Anzug kann zum eignen werden. Hingegen die männlichen Vorzüge können nicht so von Mann zu Mann übertragen werden. Kleider sind den Weibern, was Bücher den Männern; nur Reize sind ihnen, was diesen die Gaben oder Wissenschaften. Jede ist für die Andre ein Kunstwerk, das zu studiren ist.
Wie den Frauen die Phantasie alles verkürzt und beflügelt, sieht man daraus, daß sie jede Geburtstagarbeit zu spät anfangen und mühsam fertig bringen, weil sie die Arbeitmomente nicht alle überzählen. So gehts ihnen auf diese Weise mit dem Anziehen, dessen Absätze und Zeitforderungen sie – sollte man denken – doch durch das öftere Wiederholen genauer abgezählt haben könnten; aber sie werden doch immer zu spät fertig.
Ich bin überzeugt, daß die Postbedienten am meisten zeugen können, daß die Weiber immer zu spät fertig werden mit – Einpacken und Briefsiegeln, wie mit Ankleiden etc. etc.
Die Weiber müssen viel Geist haben, daß sie ihren behalten bei den weiblichen Arbeiten, die ihn so wenig üben, indeß alle männlichen zu Uebungen desselben werden.
Die höchste Bezauberung der Weiber ist der Weg, wenn sie die Lustigkeit vorausschicken und dann mit den ernsten warmen Augen nachkommen. Der Scherz ist die Folie des Herzens.
In der Ehe gefallen die Männer den Weibern länger, als umgekehrt. Um nur unter vielen Gründen einen anzugeben, so verlieren die Männer in der Ehe weniger an Schönheit, weil sie nur wenige hineingebracht.
Die Weiber, zumal die Eheweiber, glauben ihre Liebe in großen Forderungen der Liebe zu zeigen, und die Forderungen wirken grade ihr Entgegengesetztes. Stilles Handeln ohne Fordern, also bloßes Lieben griffe tiefer ein.
Nicht die phantastischen und phantasiereichen Weiber richten sich am meisten – nur am meisten entgegengesetzt – in die Phantasie der Männer, sondern die kalten, ruhigen. Daher kein Dichter eine Dichterin nehme.
Unter allen Empfehlungen für Männer sind die weiblichen die falschesten, da die Weiber weder den Mann, noch sein Fach verstehen.
Der Roman wird immer das Lieblingsbuch der Weiber bleiben, so wie die Kenntniß der Person, wenn sie auch längst über alle Liebe hinüber sind; – eben darum, weil sie Personen, nicht Sachen kennen lernen wollen.
Ehelose Weiber theilen u. a. mehr Hülfe aus, als Hagestolze, um auf irgend eine Art das darbende Herz zu füllen.
Die Weiber sind so schwer zu heilen, weil sie zu keiner langen, steten Diät zu bringen sind, der eigentlichen, rechten, nur in längern Pausen genommenen Arznei.
Ein Mann kann eine Schule Mädchen bezähmen; aber es soll eine Frau eine Schule Knaben beherrschen mit voller Freiheit – da sehe man den Geschlechtsunterschied!
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Die Jungfrau hat sich vor dem Jüngling am wenigsten zu fürchten; seine reinen Gedanken werden immer den ihren nahe kommen. Aber vor dem Wittwer und der Wittwe haben sich beide zu fürchten, ja sogar vor dem verheiratheten Weibe und Manne. Das Alter hat zu viel angeborne Reinheit verloren und muß sie durch erworbene ersetzen.
Im Alter lernt man mehr von sich als von Andern, in der Jugend umgekehrt; daher dort Einsamkeit gut, hier Gesellschaft.
Der Jugend sind Rührungen und Erschütterungen nützlich, dem Alter unangenehm; es will sich erhellen auf den Treppen hinabwärts.
Die Erinnerungen früherer Zeiten nehmen von Jahrzehnd zu Jahrzehnd eine andere Gestalt und Wirkung auf uns an.
Im Alter glaubt man noch an die richtige Jugendregel, z. B. bei dem Körper, daß eine Heilung und Stärkung im einen Jahre einen stärkern Körper im nächstfolgenden gebe. Aber es gibt für das Alter keine stärkende, nur eine schwächende Zukunft und jedes Jahr senkt sich tiefer, und alles, was man in sich vorzubereiten hat, ist Standhaftigkeit für die tiefere Stufe und Abwehr eines Sprungs, statt eines Schrittes. – Eigentlich ist das Alter weit weniger er- und gekannt, weil die Meisten keines erleben und als Jünglinge nur die Jugend verstehen, indeß der Alte Jugend und Alter zugleich versteht.
Der Mensch rechnet die Wahrscheinlichkeit seines langen Lebens immer nach den Krankheiten, die er besiegte, oder deren Grade er kennt, z. B. nach dem Schlagfluß, der ihn nach seiner Vorbauung erst nach langer Zeit treffen könne, Aber eine Krankheit läßt er in seiner Mortalitätsliste aus, nämlich die ganz neue unvorhergesehene; denn die Menschen sterben öfter an unerwarteten, als an erwarteten Krankheiten.
Im Alter stirbt man darum weniger willig, als in der Jugend, weil man in jenem mehre Plane auszuführen hat, die man schon halb, ein viertel etc. durchgeführt hat.
Den 38. Exzerptenband (gemacht 1805) find ich meinen jetzigen (1820) Kenntnissen und Gesinnungen so nahe verwandt; – und doch beträgt der Jahrzwischenraum fünfzehn Jahre, also ein Jünglingsalters. So wird das Leben immer kürzer durch das Alter, weil dieses immer weniger und kleinere Veränderungen erfährt, indeß in die ersten fünfzehn Jahre eine ganz neue Welt kommt.
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Gebt den Kindern vor jeder Empfindung und lange nach ihr recht viele Gründe gegen sie, nur aber keine in ihr.
Wenn man eine Sache gewährt und eine abschlägt, so kommt es auf die Zeitfolge dabei an; die gewährte verliert durch die später abgeschlagene, diese gewinnt durch die später gewährte.
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Seltsam ist's, daß die niedern Menschen noch desto mehr Tugenden erwarten, je höher der Stand ist, und daß sie sich über die Ausschweifungen eines Fürsten etc. wundern, anstatt sie vorauszusetzen. Gerade im niedern Stande sollte man sich über alles Schlechte verwundern.
Je höher man steht, desto mehr Menschen hat man zu regieren und zu sehen, folglich desto mehr Schuldige. Der Fürst muß also immer die meisten Undankbare und Heuchler finden.
Der Kaufmann gesteht am offenherzigsten seinen Egoismus und sagt: Ich habe davon keinen Vortheil. Der Weltmann sagt: Ich habe kein Vergnügen daran; der Kriegsmann: Ich habe keine Ehre davon; der Gelehrte: Was lern' ich dabei?
Der Bediente ärgert sich über jeden Gast, der nicht seinem Herrn gleich oder überlegen ist; er hält ihn für seines Gleichen und bedauert das Dienen und hält es für sein eignes Geschenk. Die Bedienten verzeihen dem Höhern von Stand Alles; dem Manne von bloßem Werth, den sie nicht kennen, gar nichts, und der letzte kann nicht höflich genug gegen sie sein.
Dumm läßt sich die Dienerschaft – wenigstens die weibliche – leicht schelten; aber bei einem sittlichen bösen Beiwort brennt sie auf.
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Der Mann von Kenntnissen kann sich jede Minute vor Jedem aussprechen; das Gedächtniß ist die bereitwilligste und die nachbarlichste Seelenkraft. So der Statistiker, Naturhistoriker, Philolog etc. etc. Aber der Dichter und Philosoph, die stets das erzeugen (nicht blos wiedergebären), was sie vorbringen, können heute als unfruchtbare Köpfe erscheinen und morgen als fruchtbare. Das Erinnern fordert kleinere Kräfte (und unbedeutendere Verhältnisse), als das Erschaffen. Der Gelehrte gibt als ein Baum voll Früchte, die er auf sich trägt; der Dichter ist eine Blume, die ihren Duft nicht in ihrer Gewalt hat, sondern die vor dem Regen, in der Nacht, in der Kälte ganz geruchlos oder schlafend dasteht.
Der Mathematiker, Philosoph, Linguist etc. etc. kann, so berühmt er auch sei, doch nicht mit seinen Gaben Jedermann und augenblicklich erscheinen; aber von einem berühmten Dichter fordert man die ganze Erscheinung des Menschen. Warum? Weil er immer den Menschen schildert und jedes beste Geschilderte sein soll, als ob er persönlich und augenblicklich das Höchste äußerlich darstellen könnte, was er in Begeisterung schwer aus dem Innern unter den günstigsten Verhältnissen emporhebt.
Kein großer Philolog hat ein poetisches oder philosophisches Meisterstück geschaffen; man ist nur froh, wenn er seine Sprache halb so gut schreibt, als er die fremde versteht.
Da man immer mit Worten und sprechend denkt, so gewöhnt man sich einen schlechten oder alltäglichen Styl an. Daher in diesem Sinne Manche sprechen, wie sie denken.
Wenn ihr euch nicht über den Abstand der Autorbriefe von den Autorbüchern wundert, warum fordert ihr denn von den Autorreden nicht einen noch größern Abstand, da er zu Reden ja noch weniger Zeit hat, als zu Briefen!
Tonkünstler von großer Besonnenheit, wie Hoffmann, Reichhardt, erhören in sich nie jene Geistertöne, welche zu einfachern Köpfen, wie Mozart, Haydn aufsteigen. Mit der Malerei ist's anders.
Von der Glut eines jungen Autors – zumal mitten in seiner Schöpfung – hat gar kein Großer in seinem abmattenden und abgematteten Leben nur einen Begriff; und jeder fürchtet sich doch vor der kräftigen Erscheinung
Der Dichter als Mensch steht gegen Weiber, die ihn verehren, gerade im umgekehrten Verhältniß seines Geschlechts. Denn ihm kommen sie mit einem aufgeschlossnen Herzen und Angesicht voll Liebe entgegen, indeß sonst der Mann einen weiblichen Frost nach dem andern zu überwinden hat. Ein solches offnes Zeigen der Liebe überwältigt, da sie leicht an jede bestimmtere grenzt. Schriftstellerinnen haben diesen Vortheil nicht, weder bei ihren Verehrern, noch Verehrerinnen.
Ein Autor erfährt mehr als ein Geschäfts- und Gesellschaftsmensch den giftigen Stachel der Urtheile, der leicht die Liebe tödten kann; denn der anonyme Recensent hat oft die Wahl zwischen Unwissenheit und Bosheit oder vereinigt oft beides, und der Autor erblickt ganz aufgedeckt die Schamlosigkeit von beiden. Die Verläumdungen der Zirkel, den Tadel der Kollegen erfährt er nie im hohen Grade.
Weit besser wird der Mensch aus dem Autor verstanden, als umgekehrt. Kennt man diesen vorher, d. h. seine Nicht-Entwickelung und Einschränkung in die Wirklichkeit, so wird es schwer, in die Erweiterung und Vergrößerung überzugehen und zu schwer für die Gemeinen und Engen, die sich nicht auszudehnen wissen, und immer wird ein Schatte des Lebens in die poetische Verklärung übergetragen. Hingegen wird umgekehrt das Verklärte und Höhere leichter in das Dunkle des Autors übergetragen – von kleinern Kräften – und das erstere bleibt vorherrschend.
Nichts ist fehlerhafter, als aus einem edlen oder unedlen Zuge einen andern voraussetzend zu schließen; gerade ein entgegengesetzter kann kommen. Daher sollten Dichter nicht die Charaktere schlußmäßig oder erschlossen darstellen, so daß der Leser aus dem ersten Verhältniß und major die ganze Reihe kettenschlußartig bilden könnte, z. B. nach Edelsinn kommt oft Zerstreuung, Unwahrheit; nach Wohlwollen Feigheit etc.
Der Leser kann bei allen Stellen, wo ihn der Autor sehr erfreut und in den behaglichsten, freiesten Zustand setzt, sich jenen durchaus in keinem andern schlimmern denken, sondern er leiht ihm Gesundheit, Reichthum etc.
Ich will mehr lernen von den Ansichten des All durch eine geist- und gemüthreiche Frau, als durch alle Reden eines eingefleischten Fichtisten, Hegelisten etc., sei dieser auch noch so genial und kraftvoll. Denn dieser verdünnt alle seine individuelle Kraft zu einer allgemeinen Aussprache des Systems; er zersetzt und verflößt sich in's Bekannte und glaubt doch bestimmt zu sein, weil das System es ist.
In der ganzen Gelehrtenhistorie ist noch kein Beispiel, daß in einem Streite – z. B. zwischen Leibnitz und Clarke – Einer sich für widerlegt von dem Andern erklärt hätte; nicht einmal zur Hälfte.
Es ist nicht Eitelkeit und Ehrfucht, wenn ein Autor bei einem neuen Werke von neuem gelobt werden will; es ist eigentlich Mißtrauen in seine Kräfte oder in deren Bestand, welchem das fremde Lob widersprechen soll.
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Doppelte Gedankenreihe. Der Mensch macht eine körperliche Handelreihe durch; aber da diese, bei der Langsamkeit des Leibes, nicht den Flug des Gedankens erschöpfend erreichen kann, so muß der Gedanke um andre Gegenstände herumfliegen und eine Gedankenreihe die andere durchkreuzen. So könnte z. B. ein Mädchen zu gleicher Zeit und gleich aufmerkend ein Mittagessen ordnen und einen Roman durchdenken. »Sie ist nicht bei sich« – und doch bei der Arbeit. Wie wenig braucht ein Körpergeschäft geistige Mitwirkung, da der Geist auf viele Minuten hinaus vorauswirkt und sich also Ferien erschafft. – Kann man doch auf dem Klavier spielen, ja phantasieren und dabei doch sprechen mit einem Zuhörer!
Damit Jemand eine Sache merke, sage man nur, Du hast zwei Sachen zu merken, und nenne sie; denn eine knüpft sich an nichts.
Zwei Menschen begleiten einander im Finstern gegen die Gespensterfurcht; aber eigentlich leitet sie das geheime Gefühl, nicht daß Einer dem Andern gegen die Geister beistehn könnte, sondern dieß, daß die Gegenwart eines Menschen die Phantasie hindert, ihre Gespenster auszuweben und zu lebhaft auszumalen.
Kein Verstand kann erdichtet sein, aber wohl ein Gefühl.
Die Menschen werden leicht so breit im Gesicht (wie F... etc. etc.) wenn keine scharfen Anstrengungen es zusammenhalten, sondern die Behaglichkeit des Lebens es auseinander fließen läßt.
Es gibt glanzlose blaue Augen ohne alle Seele, hinter welchen doch volles Gemüth und Feuer liegt.
Einer der gewöhnlichsten Fehler in Tragödien ist, daß man durch rührende Reden der Weiber, die im höchsten Grade den Zuhörer erweichen, den Gegenstand des Zorns oder der Klage rühren läßt. – Der Gatte steht steinern vor den Thränen und der Beredsamkeit da. In der Liebe ist diese Versteinerung, zumal männliche, am leichtesten. Eine andre innere Rührung widersteht der fremden. Aber am meisten ist's nur, wie bei Schnee und Metall eine scheinbare Fortdauer der Härte während der Erwärmung, bis auf einmal alles zerfließt und zergeht.
Tritt ein kurzsichtiger Hausvater in sein Zimmer und findet Gäste, so wird er stets, eh' er ihre Namen weiß, das Gesicht mehr verziehen als erheitern; ordentlich als ob immer das Schlimmere vorauszusetzen wäre.
Sonderbar. Je weniger Jemand Bücher hat, z. B. auf dem Lande, desto mehr glaubt er den gekauften; ein Bibliothekar sollte eigentlich keinem glauben.
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Wie der Vogel Strauß mit dem Kopf seinen ganzen Körper zu verstecken glaubt, so fühlt man sich in großer Hitze durch Kühlung eines Glieds erfrischt, und in Kälte umgekehrt.
Man sollte glauben, da ein Leser mit solcher Theilnahme die stärksten Liebesreden zweier Liebenden aufnimmt, es müß' ihm eben so bei dem Anhören ähnlicher in der Wirklichkeit sein, er müsse gar vor Entzückungen nicht zu bleiben wissen, wenn er hinter einer Laube den wahrsten Feuerstrom der Liebe anhörte, oder wenn endlich der Liebende zum Kusse gelangte. Inzwischen wird er so wenig warm davon, daß er sich blos erkältet. Aber der Unterschied ist: nicht bei der gehörten, sondern nur bei der gelesenen Liebe kann er sich zum Liebhaber machen und das Mädchen zur Geliebten. Daher kann eine gedruckte Liane tausend Albano's beglücken, – so ein gedruckter Werther tausend Lotten.
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Meine Bemerkungen im Alter haben alle das Zeichen der Vergänglichkeit; die in der Jugend dachten noch an keine. Hier war alles auf Unaufhörlichkeit gegründet.
Ich lasse mir erzählen, um mir etwas daraus zu nehmen; die meisten hören gern erzählen, blos um wieder zu erzählen, woher sie denn wieder Erzählungen eintauschen.
So sehr ich junge Leute von Geist schätze, gegen die ohne: so sind alte Leute von Geist mir doch lieber.
Bei aller meiner Kraft können mir doch niedere Menschen imponiren, wenn ich gewiß fühle, daß ich ihnen die Seiten nie zeigen kann, die ihnen imponiren würden.
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