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Viertes Stück.
Die baierische Kreuzerkomödie.

Erster Theil.

Prologus.

———————

Ich wollte, der Bänkelsänger und seine Frau bekämens einmal zu lesen, daß ich hier mit der gelehrten Welt davon rede, daß ich beiden einmal in Krumhübel in Niederschlesien zugehorchet. Er und sie nahmen einen ordentlichen, abscheulichen Mord, der drei und dreißig Versikel lang war und der hübsche poetische und politische Freiheiten hatte. Von diesem skandirten Mord sangen der Barde, und die Bardinn vor der ersten Hausthüre des Dorfs nicht mehr ab, als die zwei ersten Verse und hieltens dann für Pflicht, weiter zu gehen, sowohl auf der Gasse, als im Gesange. Jedes neue Haus und jedes neue Stück Kirmeskuchen war eine Cäsur des mörderischen Hymnus und der Sänger ließ das ganze Dorf sein Gelegenheitscarmen kredenzen. Es wird aber von gelehrten und ungelehrten Anzeigen mit Recht getadelt, daß sonach viele Bauern, die mit ihrem Kuchen auf die letzten Strophen abonnirten, worin der Teufel den Helden zerreißet, die poetische Gerechtigkeit eben so schief beurtheilen mußten, als ein und der andre Abonnent auf die ersten Strophen, wo der Teufel den Helden beglückt; und dem Straßenbettler wird Niemand kritische Gerechtigkeit, wegen anscheinenden Mangels der poetischen, widerfahren lassen, als ich. Denn ich werde (und mit Recht) für glücklicher gepriesen, als fast alle Krumhübler, sie mögen ganze oder Viertelshöfe haben. Ich zog nämlich dem bettelnden Volksdichter und der Volksdichterin unermüdet hintennach und blieb mit stehen, wo der Gesang wieder anging und hörte so alle Verse der Mordgeschichte für ein Almosen aus. Daher sagt auch Schröckh in seiner Weltgeschichte ganz recht zu seinen Schulkindern, denen er diese krumhüblische vorerzählet: »Geschickte Kunstrichter, meine Kinder, schreiten stets dem Gassenbettler und seinem Gassenliede vom ersten bis zum letzten Reime redlich hintennach und dann erst setzen sie sich nieder und recensiren wie gewöhnlich.«

Seidem müssen aber die Schröckhischen Eleven längst haushohe Maschinen geworden sein, die mich und dieses Buch kurz in gelehrten Anzeigen anzeigen; deßwegen hab' ich sie wieder an die obige Moral ihres alten Lehrers erinnern wollen.

Denn der Jammer ist der, daß es mit den Büchern anders geht, als mit den Frauenzimmern. Ein Mann, der 33,000 Weiber kennt, springt dem 33,001sten unbekannten mit Achtung zu und hofft, es interessanter zu finden. Was hingegen neue Bücher anlangt, so praesumire ich und der Recensent, wie der Menschenkenner von Menschen so lange, daß sie schlecht sind, bis erwiesen ist, daß sie gut sind – oft noch länger; und wir können beide unmöglich anders.

Inzwischen will ich doch das Buch anfangen und den Prologus fortsetzen. Mit dem plombirten Titel will ich nichts haben, als etwa – Käufer; es wäre aber vielleicht zu wünschen, er wäre viel unverständlicher. –

 

Es ist schade, daß viele meiner Leser in die baierische Kreuzerkomödie heute zum erstenmale kommen. Für solche Menschen muß die halbe Fläche des Prologus vollgeschrieben werden, um ihnen nur soviel beizubringen, daß eine baierische Kreuzerkomödie oft länger währet als ein Juniustag; – daß sie aus einer ganzen Universalhistorie voll Akte besteht; – daß diese so kurz ausfallen, daß sogar Zaupser Dem Hofrathdirektorio wurde befohlen, Zaupsern durch Kanzleiarbeit so weit zu beschäftigen, daß er zu theologischen und andern ausschweifenden Schreibereien keine Zeit hätte. Mir würde es mehr gefallen, wenn man dieses Dikasterial- Nestelknüpfen schon mit den Zaupserischen Fingern vorgenommen hätte, eh' sie die gebärenden Legestachel und Zeugungsglieder so vieler Ketzereien geworden waren. Ich kann sagen, daß ich so glücklich bin, mehr als einen schreibenden Agnaten in Dikasterien zu haben, wo man vielleicht zeitiger solchen wahren Superfötationen des Kopfes durch hinlängliche Kanzleiarbeiten begegnet; wie nach den Wilden die Affen nicht reden, um nicht zu arbeiten, so müssen solche Patienten arbeiten, um nicht zu reden, und alles geht ganz gut. Bei solchen Vorkehrungen nimmt mich's wahrhaftig nicht Wunder, wenn nachher der Staat ganz und gar von denen Geschöpfen gesäubert bleibt, die ihre Mittelmäßigkeit in den Amtsarbeiten durch ihre Vorzüglichkeit in Nebensachen (z. B. Belletristerei, Philosophie) eher auffallend als verzeihlich machen. So hab' ich selbst eine vortreffliche Konzertuhr, die trotz ihrem Flöten der besten Konzerte doch oft die Stunden nicht so richtig zeigt, als die alte Thurmuhr. aus der Arbeitsglanzpresse, in die er zu seinem größten Vortheil eingeschraubt ist, hervorkriechen könnte, um Einen oder ein Paar solche Kreuzerakte auszuhören; – daß man für jeden solchen Akt nicht mehr Entrée- oder Rezepzionsgelder oder Inseratgebühren auszahlt als einen Kreuzer; – und daß dieser Kreuzer der Vater eines Spaßes wird, der den Augenblick in dem folgenden Perioden so erzählet werden muß, daß wir alle dabei weiter kommen, ich im Schreiben und die übrigen Menschen im Lesen meines Geschriebenen. Nach jedem Akte wird nämlich die ganze zuschauende Union und Kreuzer- und fruchtbringende Gesellschaft von der Schauspielergesellschaft hinausgetrieben wie Vieh, und ich wurde einmal an einem Tag 17 mal hinausgefegt, weil die Truppe dachte, ich (und so jeder andre) wäre ein ausgemachter Schelm und könnte etwa schwören, ich hätte wahrhaftig den neuen Kreuzer für den neuen Akt schon erlegt – und die Wahrheit zu sagen, ich dürfte wohl, ohne das Hinausfegen, diese zierliche Synkope und Apokope eines Kreuzers versucht haben; so aber war nicht daran zu denken, sondern wenn das aufgezogne Schußbrett uns wieder hereinschießen ließ, mußte das ganze Flöz, Scheit für Scheit, den Kreuzer mitbringen, ohne alle Entrée-Defraudation, und man durfte nicht einmal aus Humor betrügen. So gehts in Baiern zu.

Aber in meinem Buche solls ebenso zugehn und ich machte daher ein langes Titelblatt und schrieb darauf: Abrakadabra oder die Baierische Kreuzerkomödie am längsten Tage im Jahr.

Sollte mir nun Jung und Alt, Freund und Feind dieses wirklich glauben (ich befürchte aber nichts bessers) und nun auf meine Komödie aufsehen: so wär' es ein neues trauriges Beispiel, wie wenig ein geschickter Autor etwas versichern kann, ohne daß sich sogleich ein Leser hinstellt und den Satz glaubt. Allein so sollten lesende Christen ihren schreibenden Mitchristen nicht mitfahren; sie sollten vielmehr zu allen Zeiten präsumiren, daß ich sogleich eine bittre Pille drehen könne, um damit die Hoffnung auf eine Komödie wieder abzuführen, daß ich aber auch um die Pille eine dünne Versilberung leimen könne, die blos in folgender Geschichte besteht:

Im Scheer-Scheerischen in Schwaben hatt' ich sonst ein Haus, ich will aber die zwei Dörfer nicht nennen, in deren einem von beiden es stand. Im Dorfe Veldenz (denn erdichtete Namen muß ich doch haben) trommelte mein Bedienter fast choralmäßig eines Abends um 4 Uhr aus, drei Stunden später hätte das ganze Dorf Querbach einen attischen Spaß vor und wollte eigenhändig eine ellenlange Komödie in meiner Scheune durchspielen und alles, Veldenzische Hunde und Katzen, könnte in beide gehen; – gleichwohl trug er darauf seine Trommel nach Querbach und rief da herum, Abends kämen die sämmtlichen Veldenzer wider sein und fremdes Vermuthen gezogen und wollten in meiner Scheune eine solche Komödie agiren, daß Kindskinder noch darüber lachen und weinen könnten, wenn sie mit dabei säßen. Man traue mir zu, daß ich meines Orts die Scheune blos mit einem segeltuchenen Vorhange durchschnitt, und noch zum Ueberfluß die beiden Pansen mit langen Leitern ausfütterte und urbar machte, auf deren mittleren Sprossen ganz natürlich blos die sämmtlichen Logen standen, weil auf den obern die Groschen- und Hellergallerie und auf den untern das Parterre hockte. Ich selbst und mein Karl spazierten um die Scheune herum und wiesen die Veldenzer zum einen Thore und die Querbacher zum andern hinein. Die Lesewelt wird auf die Komödie so gierig aufpassen, daß ich es ihr kaum werde beschreiben sollen, daß beide Dörfer viel begieriger waren; denn das eine und das andere wollte durch den das Licht filtrirenden Vorhang präexistirende Keime vom Lustspiele erschielen und häufig guckte ein Veldenzisches Auge gerade in ein Querbacher hinein; aber solche Geringfügigkeiten müssen aus meinem Prologus wieder heraus. Es mußte Niemanden willkommner sein als mir, daß jedes Kirchspiel das Toben des andern ihm als Dekorations-Mimik und als Bergsträßerische Steganographie des kommenden Auftrittes in Rechnung brachte. Beide Ortschaften ließ ich eine gute halbe Stunde in dieser Rechnungshalterei sitzen und schreien und hoffen, damit sie zuviel erwarteten. Endlich wurde der ganze Vorhang ausgehenkt und hinausgeschleift, und jede bemannte Pause konnte der andern sammt ihrer Hoffnung in die Augen fallen. Ich bin zu parteiisch, wenn ich dem gelehrten Europa nicht berichte, daß Veldenzer und Querbacher losdrückten – das nämliche darf ich ohne Eigenliebe auch von mir behaupten; denn ich stand wie ein runder Gränzbaum zwischen beiden und sagte: »Hebt nur in Gottes Namen an, meine Kinder!« und sahe freundlich von einer Bauernpyramide oder einem Zuschauerspalier, ich meine von einem Dorfe zum andern, und hatte auf jeder Hälfte des Gesichts eine andere Hoffnung und ermunterte jeden.

»Wir warten blos auf euch« sagten die Querbacher – »es sitzt Gottlob alles schon auf den Leitern und passet auf euch,« sagten die Veldenzer. – Nach einem neuen wechselseitigen Erwarten des ersten Akts sagten die Einen: »es sollte doch einmal angehen, ins Henkers Namen!« und die Andern antiphonirten: »das macht blos, ihr Querbacher sattelt so höllisch lange!« – Daher konnten diese versetzen: »wer sattelt? ihr hättet längst agiren können und die Veldenzer saßen alle parat«! – »Ins Teufels Namen, ihr spielt ja und nicht wir,« schrieen die Einen – »Kobes! (rief eine Stimme aus den Veldenzer Logen) schlag dem Querbacher Schulthes recht hinter seine Ohren, damit er komödiantirt.« Jetzt wollten beide Hellergallerien herunter und an einander und die Parterre's waren schon beides und kratzten sich in keinen andern Haaren als feindlichen: und sonach wollten beide zuschauende Konvokazionen gar zugleich agiren, weniger vor als gegen einander; aber ich sah voraus, daß das geschähe und daß Filial- und Mutterkirche einander ausprügeln würden, wenn ich mich zwischen beide kriegende Mächte nicht mit meinem Leibe und folgender Friedenspredigt dreinschlüge: »O ihr Veldenzer und Querbacher insgesammt! ich wundere mich des Todes, daß zwei breite Pansen voll vernünftiger Bauern nicht im Geringsten merken, daß ich auf einen Spaß aus bin und auf die Moral, die aus dem Spaß gezapft werden kann. Ist denn euer Zank etwas Geringeres als ein Bremischer Beitrag zum Vergnügen meines Verstandes und Witzes? Es wird zu seiner Zeit noch in prächtigem Druck herauskommen, daß ihr heute mit meinem größten Beifall gegen einander die alte griechische Komödie gespielt, in der jeder genannt werden muß, der geschimpft wird; – ich müßte ein unerheblicher Gelehrter sein, wenn ich nicht hätte merken wollen, daß beide Kirchspiele einander gute ironische Figuren aufgetischet und namentlich den Sarkasmus, Charientismus, Mykterismus, Diasyrmus und selbst die Münesis, und der alte Peuzer sollte diese Oratorie mit angehöret haben. Ich wollte aber, der Spaß und der Zank wäre noch größer gewesen – nicht wegen eures schlechten Entréegeldes, das ich euch nachher fast dadurch wiedergebe, daß ich einen halben Zentner abgestandner Karpfen unter euch verschenke, – sondern deswegen: ihr Veldenzer und Querbacher insgesammt bis auf das unschuldige Kind an und unter der Mutterbrust werdet von mir in eine schwarz und weiße Vorrede gethan, die ich blos einen Prologus betitle und in der ich mit so vielen Lesern nicht genug spaßen und zanken kann. Es ist Pflicht für den Schriftsteller, Ehre für so viele Eingepfarrte und Spaß und keine Mühe für mich, daß ich beide Pansen-Sessionen und Brüder- und Dorfgemeinden auf mehr als fünf und zwanzig Leitern hefte und klebe und aus solchen vors Publikum bringe und aus so vielen Leibern durch die Distillierkolbe der Vorrede folgende spirituöse Moral – wie aus schillernden spanischen Fliegen ein Vesikatorium – mit der größten Gewalt extrahire: jeder Mensch halte wechselseitig den andern für den Akteur der Komödie und sich für den kunstrichterlichen Zuschauer darin: denn jeder irret so nur halb. Draußen sind aber die krepirten Karpfen.«

Und dieser moralische Extrakt aus diesen Dorfsprengeln kann (und soll auch) mich und die ganze Welt in meinen Augen stets entschuldigen, wenn wir beide uns in der zu langen Baierischen Kreuzerkomödie meines Buchs für nichts ansehen als für rezensirende Zuschauer – wahrhaftig mit den Akteurs giebt sichs hernach leicht, und für die mögen andere und schlechtere Leute sorgen als ich oder die ganze Welt.

Ueberhaupt thuts moralisch Weitsichtigen Schaden, daß sie zu oft glauben, kein Mensch in dem Zimmer sehe, was sie sehen – zehnmal milder denken physikalisch Weitsichtige, moralisch Kurzsichtige und physikalisch Kurzsichtige und, sie halten alle ihre Nebenchristen ganz für ihr Ebenbild.

Wenn Sulzer Humor für das seltenste Talent ausgiebt, so macht er sich dadurch mich und jeden zum Feinde, der vielmehr das Talent, den Humor zu goutiren, für noch seltner ausschreiet – und selbst den Rezensenten, der sich über diese abgeläugnete Ungewöhnlichkeit seines Talentes ärgern muß. Ich meines Ortes bring' es zu etwas Klügerem, indem ich gesunder denke und dem Rezensenten soviel Seltenheit und Brauchbarkeit zulege als meinem hektischen Schwiegervater. Denn der hat natürlicherweise, wenn man das Adjektiv in ein Substantiv umsetzt, die völlige Hektik und daher folgenden arsenikalischen Nutzen: er ist nämlich ebenso offizinell und arsenikalisch als andere hektische Schwiegerväter, die Haller in meiner Note unten Haller erzählt im 2. B. seiner großen Physiologie, daß Schwindsüchtige mit ihrem Athem Fliegen hingerichtet, und ein mit der englischen Krankheit Behafteter einen Vogel. zu preisen und zu schildern hat. Dieser betagte und bejahrte Schwiegervater wird im Sommer von mir und meinem Hause zu nichts geringerem als zu einem giftigen Fliegenschwamm und Fliegenstein verbraucht, den man noch dazu ganz lassen kann, und ich habe seitdem statt Millionen Mücken-Coterien nur einen einzigen Hektiker zu beköstigen, der mehr von Essen als von der Luft lebt. Denn es leidet Niemand dabei (die Fliegen und ihren hektischen Freund Hain ausgenommen) daß ich den letztern, ich meine den fliegenepidemischen Todesengel nöthige, den ganzen Tag statt einer Seuche in allen meinen Stuben herumzugrassiren und seinen mephitischen Athem und Sirokkowind aus seiner Lunge in der Fliegen ihre einzublasen, die einen solchen abscheulichen Schwaden (es ist leicht zu denken) gar nicht auszuhalten im Stande sind, weil sie auf ihre Nase nicht den antimephitischen Respirator von Pilatre de Rozier aufzusetzen haben. Hab' ich aber nicht zuweilen die Hand meines guten und giftigen Schwiegervaters angefasset und ihn zum Grassiren angefeuert und gefragt: »ob er nicht sähe, daß er nicht zu verachten wäre, sondern daß er, so lange er mit seinen Lungenflügeln ein so äußerst feines Miasma unter die Fliegen wehte, im Sommerhalbjahr ein ebenso edles Glied in der physikalischen Welt ausmachte, als der Rezensent in der literarischen, der auch in der ganzen Gelehrtenrepublik herumschliche und mit seinem ätzenden Athem alle literarische Mücken so anhauchte, daß sie nach einem halben Jahre ärger krepirten wie die Fliegen; – und ob er nicht wüßte, fragt' ich, daß das alles im Prologus zur Baierischen Kreuzerkomödie viel weitläufiger stände.«

Es steht aber nicht weitläufiger da, weil wahrhaftig Zeit und alles fehlt, und ich einem und dem andern Prologus-Lesekunden es zu toll machte, wenn ich darin mehr loben wollte als dreierlei Dinge: mein Geschäft, meinen Geschlechtsnamen und mein Buch.

Das Geschäft ist zuerst in diesem Prologus zu loben. Ich belege aber eben dadurch mehr als hundert Hypochondristen mit einem versteckten Tadel, die alle jedem Buche zumuthen, ein Predigtbuch zu sein oder doch Predigtentwürfe aus Hamburg, und ich (und so jeder andre Autor) soll einen Früh-, Mittags- und Vesperprediger abgeben und weiter nichts. Die hypochondrische Junte meint und will, ich soll mich unter die Himmelsthüre stellen und sie und jeden andern Europäer eifrig hineinschreien; aber ich stehe darunter blos als geschickter Dekroteur und will mit meiner Feder nicht sowohl das Herz der Menschen äußerst sauber machen, als ihre – Schuhe, und ich bin nicht zu zwingen. Besteht denn der physische und moralische Mensch blos aus zwei zusammengebundenen Kugeln, dem Kopfe und Herzen? Und bestehen also alle Wissenschaften blos aus denen, die verhüten, damit die erstere Kugel keine bloße Windkugel (einer Windbüchse), und daß die zweite keine hysterische ( globulus hystericus), oder kürzer, daß der Kopf keine Dampf- und das Herz keine Stinkkugel werde? Sitzen nicht vielmehr dem innern Menschen so gut wie dem äußern Beine, Zwergfell, Gaumen und eine lange Nase an? Warum sollen nicht auch blos für diese die weitläufigsten Bücher zusammengeschrieben werden? Warum soll ein Autor sich nicht aus der Uebung und Beschäftigung des bloßen Witz- und Lachvermögens des Lesers, das Gott sogar geschaffen, nicht nur vor dem jüngsten Tag die größte Ehre machen, sondern auch nach demselben? – Es gibt eine gewisse höhere Toleranz, die nicht die Frucht des westphälischen Friedens, noch des Vergleichs von 1705, sondern eines durch viele Jahre und Besserungen gesichteten Lebens ist; nämlich die, daß man an jeder Meinung das Wahre, – an jeder Gattung des Schönen das Schöne, – an jeder Art von Laune das Komische finde, und daß man an Völkern, Menschen, Charakteren und Büchern die Verschiedenheit und Individualität der Vollkommenheiten nicht mit der Abwesenheit derselben vermenge. Wem das Beste gefällt, der hat noch einen Schritt zur Vollkommenheit zu thun – daß ihm nämlich verhältnißmäßig auch gar das Uebrige gefalle.

Was zweitens an diesem präadamitischen Prologus gelobt werden muß, ist mein bekannter Geschlechtname Hasus. Ich höre auf dem Billard, daß ihn die gescheitesten Leute anfeinden, und zuletzt den Eigner davon auch. Da es aber nicht bei mir stand, meinen Vater und folglich meinen Namen auszuwählen, sondern da ich beide wie meine Lutherische Konfession nehmen mußte wie ich alle dreie bekam: so sollten die gescheitesten Leute ihren unerheblichen Fehler eingestehen und an ihre Brust schlagen, also nicht an meine oder an irgend ein Gliedmaaß von mir. Denn ich bereu' es nicht, daß ich mir gleich am ersten Tage nach meiner Geburt vorsetzte, dem bellenden Scioppius in zwei Dingen nicht gleich zu werden (sondern blos im dritten, im Viel-Wissen): – erstlich nicht wie er dreißig Bücher gegen die guten Jesuiten zu schreiben, sondern höchstens gegen die Exjesuiten – zweitens nicht wie er mich mit eigner Hand, womit ich schreibe, sechszehnmal umzutaufen und unter 16 gestohlenen Pseudo-Namen im Meßkatalogus vorzukommen. Allerdings ist es nicht abzuläugnen, der vorige König in Preußen hätte dem us meines Namens weder Ringkragen noch Schärpe umgethan und ich hätte das lateinische us vor dem Avancement abbarbiren müssen; aber bekanntlich ließ ich mich daher auch niemals anwerben und ich kaufte mir statt einer Kompagnie eine bloße Bibliothek. Hing es indeß allein von mir ab, gleich den deutschen Monatnamen und den jüdischen Konversis mich umzutaufen, und nicht auch von meinen vielen Verwandten: so thät' ichs doch, damit nur der Lärmen aus würde; aber so würd' ich (wenn ichs thäte) falls ich (wie gar nicht zu hoffen) meinem neuen Namen einen Namen d. i. ihn unsterblich machte, das weitläuftige Hasische Geschlecht, das mir wenig gethan, wider meine Absicht vielleicht um den ganzen Antheil berupfen, den es an meiner (nicht zu präsumirenden) Unsterblichkeit bis zu einem gewissen Grade heischen kann, und die unermeßliche Nachwelt, am leichtesten die späteste, würde am Ende denken, ich wäre nichts weniger als meines bekannten Vaters leiblicher Sohn. Meinen Kindeskindern, meinen Schwerdt- und Spielmagen und meinen Kreditoren hälf' es dann wenig, wenn ich in Meusels gelehrtes Deutschland käme oder in Nikolai's schreibendes. Indessen will ich, – da die 10 deutschen Kreise, besonders das, was darin ist, die Kreisdirektoren, die Kreisstände und die Kreissoldaten, dem Anschein nach etwas davon haben, wenn ich künftig mich blos den Redakteur der »Auswahl aus des Teufels Papieren« nenne, oder gar nur den Redakteur, – letzteres thun und dann erwarten, was diese Revoluzion meines Namens für kleinere oder größere Revoluzionen des ganzen Erdkreises nachlassen werde.

Ich machte Hoffnung, drittens mein Buch zu loben; aber ich bitte, mir's ganz zu schenken, da nachher ohnehin das Buch selber sich mehr als die Bescheidenheit verstattet loben wird.

Nun so gehe denn, liebes Büchelchen und Verlagsartikelchen, zum Henker und zum Publikum – oder vielmehr beide müssen zu dir und in deine Kreuzerkomödie gehn – und benehme dich so:

Kommt ein preußischer Steuerrath zu dir, der jährlich 3000 Sachen von den Unterinstanzen, 2000 Verordnungen erhält, 200 ausstellt und 80 Excitatoria dazu und 1600 Relazionen dazu und dennoch nicht dabei sitzen darf, sondern jährlich in 12 Städte reisen und 24 Komissionen abthun muß: so thu' mir den Gefallen und thue dem preußischen Steuerrath einen, geb ihm in seinem Arbeitshaus Ernteferien von einem Paar lustigen Minuten und seiner geistigen Vermögen-Steuer den Steuernachlaß von einer unverarbeiteten Stunde.

Springt ein Fürst bei dir ab – und in der That schickt sich für ihn außer dem Mitspielen einer Komödie wohl nichts besser als der Besuch derselben –: so lasse den Landesvater nicht dabei einschlafen, es müßten denn die Gesetze sich als Arcuccio Das ist in Florenz ein Gehäuse, worein die Mutter bei Strafe das Kind beim Säugen legen muß, um es nicht im Schlafe zu erquetschen und es steht in Krimiz ökon. Enzyklop. 2. B. abgebildet. so über die Landeskinder wölben, daß der Landesvater sie nicht erdrücken kann, wenn er im Schlafe sich von der rechten Seite auf die linke wirft, von diese auf die rechte und auf den Bauch.

Kommt Cagliostro zu dir: so bell' ihn an und sage: in seiner, nicht in deiner Komödie sei der lebendige Teufel Regisseur, und den alten Adam, den er ausgezogen zu haben vorgebe, hab' er blos zurückgeschlagen, wie man am bürgerlichen Schinken die schwarze Schwarte zwar unterhölet und lossäbelt, aber doch an ihm lässet und aufträgt.

Schreitet ein Esel zu dir, um seine langen Ohren bei dir vollzusacken: so bedenke so gut du kannst, daß ich längst in der allgemeinen Weltgeschichte gelesen, dem H. Ammonius habe ein leibhafter Esel einmal zugehorcht und daß ich dabei über weiter nichts verwundert als über die Zahl.

Kommt ein persiflirender Hofmann: so wird er zwar zu unserem größten Verdrusse sagen, die Cultur müsse den Menschen wie den Gewächsen die Stacheln völlig nehmen und er woll' es, hoff' er, noch erleben, daß auf niemand etwas Anzügliches mehr geschrieben würde als höchstens auf den Teufel; aber sag' ihm, im Prologus hätt' ich das nämliche gesagt, wäre aber weiter fortgefahren und hätte verfochten, daß unter den Menschen und Borsdorferäpfeln und Kartoffeln keine schlechter wären als die glattesten ohne rauhe Warzen, oder deß etwas.

Landet der Rezensent der Literaturzeitung bei dir an; so bind' ihm (ich und meine Bekannten erwarten das) eine große Trommel auf den Nabel und adspirire und artikulire oder verlängere seine Hände mit zwei Schlägeln, damit er mit diesem Apparat in Deutschland herumziehe und herumtrommle und es ausschreie, »ich wollte den andern Tag eine gedruckte Kreuzerkomödie geben, und aller Teufel in Deutschland, was nur Füße und Zwergfell anhätte, sollte fast stromweise in besagtes Lustspiel ziehen und für wenige Schußtaks wären ganze Akte zu haben« ... Macht sich aber der Trommler zu spät auf den Weg, wenn ich schon spiele: so laß' ihn recht hart an und frag' ihn, wo ihn das natürliche oder auch künstliche von einem Physiker in Taschen- und Stubenformat nachgedruckte Donnerwetter so lange hatte.

Nimmt dich daher sein Buchbinder unter den Arm und nachher in die Hände, um dich nebenher zu lesen, anstatt dich zu beschneiden und zu pressen – gute Kritiker thäten gerade das Gegentheil: – so muß der Rezensent auf den Buchbinder und das Publikum auf den Rezensenten, und ich auf das Publikum passen und harren, und dieser einzige Kerl darf uns alle gegen einander aufbringen und in den Sumpf führen; aber das mußt du ihm eben verbieten.

Legt dich der arme Korrektor vor sich hin: so thut er's halb im Manuscript und halb im Druck und hat sonach das erbärmlichste Lesen von der Welt (und das erbärmlichste Leben dazu); daher hab' ich blos dieses armen Schelms wegen das ganze Buch außerordentlich gut geschrieben und die sämmtlichen Rezensenten sollten doch nur einen Bogen vom Manuskripte habhaft werden können.

Stellen sich die größten Städte, die Behemots und Kunturs unter den Städten, Wien, Paris, London, Petersburg bei dir ein: so lobe sie sehr und verhehl' es nicht, daß sie von beiden gedachten Raubthieren eigentlich nichts an sich haben als die Größe; – daß sie vielleicht nichts weniger sind als Arsenikhütten der bösen Sitten, als Tannen Arafna's der Provinzen, als Raubschlösser, deren blose Wirthschaftsgebäude die übrigen Land-Städte sind; – und daß sie überhaupt sich gänzlich von den Reichsstädten unterscheiden.

Sprechen auch diese bei dir ein, besonders Regensburg, Bopfingen nebst der ganzen Kompilation und Kavalkade von den 39 Dörfern auf der Leutkircher Haide: so kommentire erst jenen Unterschied recht frei und sage entweder den Reichsortschaften, sie gefielen dir und wären der Göttin Freiheit Mäusethürme, – Antikentempel, – Absteigequartiere und Pyramiden; – oder sage dem untenstehenden Autor Ueber einige Reichsstädte Teutschlands, von einem Staatsmitbürger. 1786. 4., er gefiele dir nicht: es ist aber eins.

Würdigt Hof in Vogtland dich einer Visite oder einer Visitenkarte: so sag' ihm gar nichts, ich kann's ihm mündlich sagen.

Lesen oder kollationiren oder binden meine zu häufigen Blutsverwandten dich: so schwör' ihnen, ein völliger Verwandter von ihnen, der den größten horror naturalis habe, sei auch der beliebte Verfasser von der Kreuzerkomödie und von allem, und wo er zum Henker die vielen Freiexemplare erfischen sollte, wenn er jeden Aszendenten und Deszendenten eins schenken wollte, und es ginge nicht.

Und gerathe, liebes Büchelchen, endlich auch ich über deine Blätter und Akte: so unterscheide geschickt die Zeiten und Stunden – thu' ichs in den Stunden der hypochondrischen Selbsterniedrigung und Philippica gegen mich selbst: so lasse dich gar nicht finden, fall entweder hinter das Repositorium oder verschiebe dich hinter die Kolonne der Allg. deutsch. Bibliothek, oder meine leiblichen etwas unordentlichen Kinder müssen dich kleineres geistiges herumtragen und warten, oder dich auf deinem eignen Papier gänzlich unleserlich nachdrucken, oder der Satan soll sonst sein Spiel mit dir und mir haben; – thu' ichs aber etwas später, wenn der kaltschimmernde Hesperus des Lebens schon über mir steht: so lasse vorher von einem Censor im würdigen Sinne die Stellen ausschneiden, kauterisiren und amputiren, wo ich etwan Jemand Unrecht thue, wo der Scherz an die schädliche Zweideutigkeit (es gibt unschädliche) anstreift, wo er den Ernst des Lebens statt zu stärken und zu lohnen, entkräftet und entmannet, und wo man so oft ein Autor und Mensch zugleich ist. Da nun Selbstcensoren so gut erlaubt sind wie Selbstrecensenten, so will ich lieber dieser Censor selber sein, und zwar noch vor der Ostermesse, wenn nicht gar vor der Neujahrmesse.

Denn wenn ich einen Prologus endige oder ein ganzes Buch, so denk' ich daran, ich werde einmal noch viel wichtigere Dinge zu endigen haben; – und dem Menschen ist es lieb, wenn die Nacht nach seinem müden Alter gestirnt ist und die Dünste vom Tage des Lebens niedergeschlagen sind, und am erkalteten heitern Horizont sich die Abendröthe allmälig um Norden herumzieht und sie bei Nordosten zur neuen Morgenröthe wird.

Den 6. Dezember 1789.

     Der Redakteur der »Auswahl aus des Teufels Papieren«.

 

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