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2. Scene.
Die Rede, worin der Teufel auf unserer Maskerade hinlänglich dargethan, daß er gar nicht existire.

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Die ganze Redoute kam natürlicherweise außer sich und das Orchester aus dem Dreiachteltakt, als der Teufel in einem röthlichen Mantel zur Thüre hineinguckte und nachher hineinschritt. Er hatte eine kurze Kanzel unter dem Arm, wie es Vielen beim Auseinanderflattern des Mantels vorkam; allein ich war einmal bei Gelegenheit in Italien herumgewesen und sah den Augenblick, daß die tragbare h. Stätte weiter nichts war, als die dem Benediktinerkloster vom Monte Cassino gestohlene Sella stercoratoria und exploratoria. Meine zuschauenden Leser können vielleicht den Verfolg kaum abpassen, und so ging's uns Masken auch, bis endlich der Satan seinen apostolischen Stuhl bestieg und darauf den gegenwärtigen Kontroverssermon ablegte, den ich ganz und gar vergessen habe. Es gibt daher für den Theil von Europa, der zu meinen Lesern gerechnet wird, vielleicht keinen glücklichern Zufall als den, daß ich diesen Abend auf der Redoutegerade nichts besseres machen wollte, als einen höhnischen Polizeikommissarius mit Schreibtafel und Bleistift, um Käse und Gänse und den ganzen Markt ein wenig aufzuschreiben: denn nun konnt' ich den Bleistift spitzen und damit statt der Gänse die Kasualrede nicht sowol zu Papier bringen als zu Pergament. Ein Harpfner neben mir wollte mich freilich überholen und notirte die Haupt contenta der Rede auf seinen Fingernägeln auf und hoffte, Nägel und Contenta wären nicht zu kurz; aber die billigsten Bücherlustigen und Gelehrten dürften wohl den Harpfner, wenn er mit seinem Nägel-Protokoll gedruckt anlandet, vor meinen Augen auslachen und mich vorziehen.

Ich wüßte nicht weswegen ich diese fremde Arbeit (da ich bekanntlich so viel eigne liegen habe) hätte drucken lassen sollen, wenn ich's nicht darum thäte, der Welt einmal durch Thatsachen zu beweisen, wie weit die Aufklärung schon ist: – aller Teufel und der Teufel selbst glaubt keinen Teufel mehr. Die Barometer steigen in ganz Europa, obgleich noch breite Wolkenflügel unbeweglich sich zwischen die Erde und die Sonne lagern; aber in kurzem wird der Himmel die Wolken einschlucken und uns mit einem großen nackten Tage anstrahlen. Dann sollte man aber auch wochenlang davon reden, daß diese Aufklärung ja blos das Kind gewisser außerordentlicher Köpfe ist, die ihrentwegen an ihre Schreibpulte gingen und da allen Henker schrieben, theils eigne Reden, theils folgende des Teufels selbst:

Auffallende Karaktermasken und Spitzenmasken!

Vor allen Dingen muß ich Ihnen betheuern, daß ich keinen Menschen aus dem Saale zu holen komme und es soll sich Niemand meinetwegen abängstigen: sondern ich will blos eine aufgeweckte Katechismuspredigt von meiner Nichtexistenz herunterhalten und nachher wie jeder andere mir die Maskenfreiheit nehmen, mit sämmtlichen Damen bescheiden vor- und nachzutanzen – es sei nun polnisch oder englisch oder nordamerikanisch.

Man muß sich vom Gastwirthe wo ich logire, keinen Augenblick irre machen lassen: denn ich hab' ihn selber irre gemacht und er wird mich auf dem heutigen Nachtzettel getrost für einen Amsterdamer Juden und zwar für einen Beschneider ausgeben, weil ich ihm meine Krallen ins Gesicht hielt und fragte, ob er noch keine langen Beschneidungs-Nägel gesehen. Aber hoffentlich sieht jede Maske, daß ich der Teufel bin und meine Hörner unterscheiden mich hinlänglich von den Herren und mein Pferdefuß von den Damen, meines Schwanzes nicht einmal zu gedenken, den ich die Kanzel hinunterschlage und mit dem ich meine Prediger-Aktion in etwas verstärken will.

Gleichwol reist' ich durch östreichische Dörfer, wo ich den Leuten nicht so viel beizubringen vermochte, daß ich kein Lutheraner oder Ketzer wäre. Wenn sie aber erfahren werden, wer ich wirklich gewesen: so werden sie es bereuen, daß sie mich nicht glimpflicher behandelt, und ich ließ ihnen's aus Unwillen durch Fuhrleute zurücksagen.

Ich hätte allerdings (das ist schwer zu verhehlen) mit meinem aufgeweckten Beweise, daß ich nicht existire, wohl besser in eine Kirche als in diesen Saal hineingepasset; in jene wollen nur wiederum Sie nicht passen und gehen; ich konnte mir aber niemals auf meine matten Kanzelgaben so lächerlich viel einbilden, um zu erwarten, daß die große Welt meinetwegen eine Ausnahme machen und wirklich vor einer Kirche aussteigen werde, blos um den Teufel darin predigen zu hören. Auf solche Zuhörer kann in Paris sich kein Kirchenredner freuen, der nicht völlig gewiß ist, daß er die Gabe im höchsten Grade besitze, Gott zu lästern; verschiedene Besessene pflegen da jährlich (nach Mercier) in der h. Kapelle an der Charfreitagnacht, wo man zu ihrer Genesung Rudera vom h. Kreuze auslegt, Gott zu lästern aber mit so weniger Erbauung für unbesessene Pariser, als priesen sie Gott; einmal hingegen blasphemirte einer so außerordentlich und so geschickt, daß im andern Jahr die ganze große Welt vorgefahren kam und dem besessenen Sprecher als einem Bourdaloue in seiner Art zuhorchen wollte. Der besessene Satyrikus war aber gar nicht mehr zu haben oder schon exorcisirt.

Das Orchester soll unter meinem Predigen weiter spielen; und wir beide bringen dadurch ein zufälliges Melodrama heraus, indem ich sehr rede und agire, und indem das Orchester um dieses Reden und Agiren musikalisches Laubwerk und Fruchtgehäng herumsetzt. Dabei kann noch obendrein der Chorton meiner Predigt hart und friedlich an dem Kammerton der Instrumente nebenherspringen.

Vor ungefähr 10 Jahren waren in jeder Ecke Deutschlands Theologen truppweise im Kopf- und Faustkampfe begriffen, ob ich existire. Viele bejahten es; und ich that's selber. Ja ich trieb's so weit, daß ich in das Dintenfaß, womit Luther mich geworfen, neue Dinte schüttete und damit verschiedene Brochüren und Traktate für meine Existenz zusammenschrieb; aber Buchhändler und Markthelfer glauben noch heute, es wären verschiedene Arbeiten von Stadtpfarrern und Subdiakonussen, und selbst die Mietauer Recensenten konnten wegen der Verketzerungen und Schmähungen nicht anders, womit ich besagte Brochüren durchsalze. Diese Bücherschreiberei schraubte erst den Irrthum, daß ich existirte, recht tief in mich ein und ich wundere mich jetzt, daß mir wieder geholfen werden können. Aber Kant half mir, dieser Antichrist für die Metaphysik, dieser Messias der Philosophie. Denn ich hatte seine Kritik der reinen Vernunft noch nicht bis zum Bogen Aa durchgelaufen und wollte sie erst kollationiren, weil bei meinem Buchhändler häufig kastrirte Ausgaben zu haben sind – als ich schon merkte, wie wenig ich existirte, und mich reueten, wie es scheint, meine Subdiakonat-Brochüren und die Stinkkugeln, die ich daraus in heterodoxe Schlafröcke hineingeschossen. Man kann sich vorstellen – da schon ein göttingischer Student, der doch wirklich (wie aus Göttingen versichert wird) war, durch Kant Zweifel seiner Existenz einsog und auch an diesen Zweifeln umkam – wie das Buch mich angreifen mußte, der ich nicht einmal, wie der Göttinger, eine Existenz hatte, sondern nicht war. Ich schoß vom Sessel auf und spazierte auf und nieder und hielt meine konvergirenden Hände straff vor mir voraus und pichte den Blick auf sie: »ein Elend aber ist's und bleibts, sagt' ich, daß ein ehrliches unschuldiges Wesen ganze Jubileen und a parte post-Ewigkeiten lang mit sich umgehen kann und doch erst darnach und nicht eher von blutfremden Leuten erfahren muß, daß an ihm selber hinten und vornen gar nichts ist. Der Henker hole sowohl die freien Landeskinder in Kaldäa als die dasige inhaftirte Judenschaft, die mir zuerst meine Existenz weißgemacht und aufgeheftet und weiter kein Mensch: nachher wollten's Armenkatecheten und Waisenhausprediger und Früh- und Vesperprediger auch nachmachen und pfählten mich in meinen Irrthum nur immer fester ein. Aber am jüngsten Tage soll weitläufig aus der Sache gesprochen werden: ich werde ganze Domkapitel und Oberkonsistorien fragen ob's nicht ihre Pflicht war, mir und andern Interessenten nicht verhalten, daß ich ein kaldäisches Meteor wäre – ein optischer Betrug – ein Vexierbild – ein Ehren- und kein wirkliches Mitglied – ein pium desiderium

Während dieses Selbstgesprächs sah' ich meine Gestalt im Spiegel mit mir auf- und abspringen: »wer (fragt' ich entsetzlich erboßet) gestikulirt mir da im Spiegel nach? Willst du mir, du Gestalt, auch mein Dasein vorspiegeln und machest mich deswegen nach? Oder mach ich vielleicht dich nach? Und welchen Schwanz hör' ich auf der Stube herumbürsten und schleifen, thuts deiner oder meiner?« Dieses philosophischen Salpeterfraßes wegen, der mich immer dünner beitzte und zersetzte, verfügt' ich mich in die Kaiserlichen Erblande und schauete da der Universalgeschichte zu, wie auch der Reichshistorie und der Geschichte der Menschheit.

Auf dem Postkissen konnt' ich der Sache und dem Kant kälter nachdenken und wurde immer mehr überzeugt, daß ich auf jeden Fall nicht existirte – welches für ganze Korporazionen und »höllische Feuerklubs« ein fataler Streich sein mag. Es würde heute Abends kein Domino Einen Sprung thun können, wenn ich so lange auf meiner Sack-Kanzel bleiben und reden wollte bis ich alle die Einwendungen, die man von einem Jahrhundert zum andern gegen meine Nichtexistenz ausgesonnen, völlig niedergerungen hätte; aber ich werd' es dadurch wieder einbringen, daß ich – weil es ohnehin schlechte Ehre wäre, wenn der Teufel ganz der südholländischen Synode nachbliebe, die einen Preis von fünf und dreißig Dukaten auf die beste Widerlegung des Priestleiischen Buchs »von den Verfälschungen des Christenthums« aussetzte, – daß ich, sag' ich, eine Quaterne im Landeslotto zum Preis für die beste Schrift verheiße und ausstelle, welche gegen so viele und hundertjährige Scheingründe und noch ältere Exegeten mit den besten Gründen darthut, daß ich nimmermehr existire, und nachher will ich mit der Hand des Waisenjungen zum größten Schaden des Lottodirektors die Quaterne schon hervorziehen.

Natürlicherweise schloß ich auf dem Postkissen folgendermaßen, aber viel weitläufiger: ein Kantianer, der den Teufel läugnen wollte, müßte lateinisch reden und auf oder unter dem Katheder vielleicht schließen: »»Wenn der Satan mein Opponens sein wollte, wie ich nicht hoffe, so könnt er seinen Leib und sein Ich dabei zu nichts und zu keinem einzigen Einwurfe gebrauchen. Denn wäre sein Körper auch kein parastatischer, so würde der böse Feind doch allemal sich als einen so guten empirischen Realisten zeigen, daß er wüßte und sagte, ein Körper sei blos eine Modifikation der Sinnlichkeit oder eine Vorstellung, von der außerhalb und jenseits der Vorstellung nichts zu finden ist, und vom unbekannten X, das dem Phänomen seines Leibes unterliegt, von diesem Je ne sais quoi, dieser unsichtbaren Sonnenfinsterniß, diesem heimlichen Zeugungstheil des Scheins weiß der Teufel nicht mehr, wie vom Nichts selbst. Ich nahm an, er habe keinen parastatischen Leib; aber er hat noch dazu einen, wie er selbst am besten weiß, und alle Haare, Hörner und Klauen an ihm sind also gar nur der Schein eines Scheins, worüber ein ehrlicher fetter Reichsstädter sich todt wundern und todt denken möchte. Ebensowenig kann der Teufel, wenn er klug ist (wie wohl zu vermuthen), auf seine Seele fußen und sich solchen Disputatoren pro gradu entgegenhalten wollen, die seine Existenz geradezu abläugnen. Denn sollte dem Satan aus der Kritik der reinen Vernunft ganz unbekannt sein, daß sein Ich – das dem Bewußtsein, wie ein zusammengelötheter Klumpe, dem Linsenglas des Scharfsinns aber wie ein wimmelnder Wurmschleim vorkommt – recht gut eine Reihe Substanzen sein könne, unter denen das Bewußtsein und der Gedanke wie ein Reiheschank herumläuft, und daß folglich daraus eher alles andere als ein geschickter Schluß auf Personalität der Seele zu erwarten sei. Ob nun Ungewißheit der Personalität und Ungewißheit der Existenz sehr verschieden sei und ob wenigstens eine solche Verschiedenheit einem Wesen, das recht sehr sein will, viel fruchte: das kann ich und die Kantische Schule oder Universität mit Vergnügen den Teufel selbst beantworten lassen, der gewiß nicht lügen wird, wenn er existirt; und wenn er nicht existirt, so hab' ich ohnehin und ohne ihn gewonnen.««

Der Graduirte hat ganz recht; ich würde mich aber über unsere Glaubensgenossenschaft noch mehr freuen, wenn er hätte anmerken wollen, daß ich ja niemals sein Opponens gewesen, sondern hier nur ein Selbstgespräch gemacht, worin ich und er unmöglich anders denn als fingirte Wesen auftreten konnten, und ich verfechte offenbar hier im Redoutensaal gerade die Meinung des Kantianers selbst.

Der Pater Merz und seine Maskopeibrüder, lachen die besten Kantianer und mich selber aus, und beharren auf meiner Existenz, weil, predigen sie, Ihr Dasein nur zu klar das meinige in sich schließe. Es ist ungemein schlecht, daß diese Patres auf die Herren oder Chapeaux Ich wünschte nicht, daß die Damen die Gewohnheit verließen, uns Mannspersonen Chapeaux oder Hüte zu nennen, da sie vielleicht nichts ist, als ein Ueberbleibsel einer anderen in den Ritterzeiten, wo man Helm für Ritter sagte; daher man auch böhmische Krone für böhmischen König sagt. Uebrigens können uns freilich die Damen fragen, warum sie uns diesen alten Namen nicht entziehen sollen, da wir ihnen längst einen andern, den sie von den ältern Deutschen so häufig bekamen, nämlich Spinnrocken oder Kunkeln, nicht mehr geben wollen? Ich wollte erstlich, das wäre freilich nicht wahr, und zweitens, die Damen trügen jetzt selber keine Chapeaux: so könnte – wie beim ganzen Cicero nichts zu Gevatter stand als seine Nasenwarze – noch immer der Hut der Taufpathe unseres ganzen Geschlechtes fortbleiben. so gut wie auf die Damen oder Koeffüren zielen; es soll mich aber wenig anfechten, und ich will hier mit den Herren zuerst und allein reden und von ihnen Gründe vorführen, über die der Pater Merz die Hände verwundernd zusammenschlagen muß und denen er eingestehen wird, daß von Ihrem Dasein noch gar kein Schluß auf meines zu folgern stehe.

Und so mach' ichs mit den Damen auch, aber erst nachher.

Es war eine Zeit, wo die Theologen den Teufel zum Archäus und Kreisdirektor der Menschen, zur Aorte ihres Ideensystems, zum Kalkanten ihrer Lunge und deren Reden, und zur Essigmutter ihrer Sünden machten: inzwischen schwieg ich dazu still bis sie es auch thaten, allein ich wurde auf meiner Reise mit drei regulirten Chorherrn in der Oberpfalz, mit hundert Mendikanten in Baiern und einem englischen Fräulein, mit dem Prodatarius in Rom und einer ganzen Konvokation Galgenpatres und Missionärs bekannt, die wieder sämmtlich sagten und sich darauf wollten köpfen lassen, die Sache wäre dennoch so und der Teufel regire jeden. Und wollte man den P. Merz, den M. Masius und den Prediger Sautermeister durch eine ordentliche Kommission darüber befragen lassen, so würde man gewißlich hören, was sie glauben, nämlich das Nämliche. Ging' es nach diesen Leuten: so würd' ich wirklich existiren, weil Sie, meine Herrn, ohne meine Einwirkung wenig vermöchten, nämlich weder Ihr heutiges Siegen noch Ihr heutiges Reden; aber ich stehe deswegen da, um zu beweisen, daß Sie das ganz gut ohne den Teufel können.

Das historische Gemälde, das ich jetzt aus der Tasche bringe, hab' ich in Berlin gemacht und ich stütze mich auf diesen gemalten Sorites jetzt allein, denn es stellt das vor, was wir alle vorstellen, nämlich eine Redoute. Sie sehen hier, wie aller Henker – im Hintergrunde allein mehr als zwanzig Mann – darauf siegt, sogar über Henkerinnen. Ich habe bei dieser gemalten Redoute gar nichts vergessen, nicht einmal die Liebhaber, die erst Dublirschritte zum Angriff thun; auf dem Sopha aber sehen Sie einen, der schon die erste Parallele um die Dame zieht, und ich wollte, ich könnte die gemalte Thüre ins Seitenzimmer aufsperren, so würden Sie seinen Bruder gar auf den Knieen in der dritten Parallele graben finden. Es war nimmermehr zu malen: sonst hätte ich von der siebenten Dame, die ich in einem Nebenkabinette verberge, die Besatzung d. i. ihre Tugend gezeichnet, wie diese einen ganz rühmlichen Abzug aus dieser weiblichen Festung mit klingendem Spiel, fliegender Fahne, brennender Lunte und mit einer Kugel im Munde erstritt und hält; die halb demolirte Dame aber wäre ganz wohl zu malen gewesen. Was machte der Teufel indessen bei dieser gemalten Redoute? Was er bei den ungemalten und auch der heutigen macht, blos den Maler, und wahrlich weiter gar nichts. Sollten denn die hundert baierischen Mendikanten und der römische Prodatarius und so entsetzlich viel Galgenpatres und der P. Merz nicht einzusehen vermögen, daß die gemalten Herren auf meiner gemalten Redoute weder den Vorsatz noch die Vollführung ihrer Belagerung mir aufzurechnen haben, sondern ganz ihren guten Anlagen, der guten Kultur derselben und hundert bessern Dingen? Ich will setzen, Sie, meine wirklichen Herren, wollten den gemalten nachher nachschlagen: könnt' es der Gewissensrath Frank meiner Einwirkung, ohne besoffen zu sein, beimessen? und könnt' er sogar dann vergessen, daß Sie ja viel gereiset und mit allen fünf Sinnen gereiset, daß Sie nicht alle französische Romane ohne Aufmerksamkeit gelesen, nicht einmal alle deutsche Poesien, und daß überhaupt junges Blut und alter Wein genug im Saale ist? Thäts aber doch der Gewissensrath: so würd' ers leider machen wie der Pöbel, der sonst die Siege und Eroberungen des Marschalls von Luxemburg nicht seinem Kopf anschrieb, sondern meinem, und der aus seinem vorgeblichen Pakt mit mir die übrigen Pakte mit andern Fürsten der Welt erwachsen ließ. Ich wenigstens enthielt mich solcher Fehlschlüsse von jeher und der Teufel beruft sich hier auf jeden der ihn kennt, ob er nicht allezeit und bei jeder schicklichen Gelegenheit die Menschen lobte, was recht war, und geradezu gestand, daß ihre Anlagen und noch mehr ihr Anbau gut genug wären und schon für sich allein alle die Thaten ganz wohl hervorzutreiben vermöchten, die so viele gern für ein bloßes Verdienst meiner Einblasung und Einwirkung ausgäben. Kann Jemand in diesem hellen Saale auftreten und sagen, daß ich jemals in den Fehler derer Generale gefallen, welche die Siege, die ihre Truppen allein erfochten, ihrem eignen vorgeblichen Einflusse zulegen? Wenigstens kann ich mich auf gar nichts besinnen. Was vollends den etwanigen Fang anlangt, den Sie nach der heutigen Parforcejagd nach Herzen auf langen Pürschwägen nach Hause fahren werden, so ist er ein solcher Beweis Ihrer Kunst, das Obergewehr des Amors zu handhaben, daß ein Weltgeistlicher, der alles vielmehr mir zuschreibt, nicht blos dem Pöbel gleicht, der das glückliche Erlegen von vielem Wilde aus dem Pakt des Jägers mit mir erklärt, sondern auch von Ihnen insgesammt gerichtlich in der That belangt werden kann, so viel ich wenigstens von Verbalinjurien verstehe.

Die Weltgeistlichen sollten ohnehin nur froh sein, daß manche Herrn zuweilen wirkliche Siege gewinnen: denn wahrhaftig es tritt ohnehin die Wahrheit in Gestalt einer Dame oft genug auf, um alle die unzähligen Siege, denen ein Herr blos durch seine Zunge Dasein gab, ihm durch das nämliche Glied wieder zu nehmen, als daß noch gar die Lüge in Gestalt eines Weltgeistlichen aufzuziehen brauchte, um dem besagten Herrn auch die Siege abzustreiten, die er offenbar nicht blos mit seiner Zunge und Lunge gewann; und es sollte mich freuen, wenn ich hörte, daß es einem und dem andern nicht gleichgültig wäre, daß man ihm nicht nur die Eroberungen, die er sich zuschreibt, sondern auch die, die er machte, abzusprechen versucht. Jetzt aber mag die gelehrte und schöne Welt selbst beurtheilen, wie es mit meiner Existenz aussehen möge, da an einem so wichtigen vorgeblichen Beweise derselben, nämlich meiner Einwirkung, gar nichts ist.

Ich wollte, Ihre S. T. Eltern ständen mit um mich herum: so könnt ichs ihnen vielleicht ausstreiten, wenn sie es für eine Versuchung des Teufels und nicht des Vergnügens halten wollen, daß heute recht viele von Ihnen sich die Schwindsucht nicht ohne Ruhm antrinken und antanzen; denn wahrhaftig der Einzige, den ich heute zur Schwindsucht zu verführen Zeit genug habe, bin ich blos selbst und ich bin nur noch nicht von der Reise-Kanzel herunter.

Da es wohl keinen edlern Zweig des Witzes gibt, besonders keinen für Redouten schicklichern, als wahre Zweideutigkeiten, die man wohl mit Recht die Steißgeburten des Witzes, die Koppelhut der Schamhaftigkeit und der erlaubten Schamlosigkeit, und den Schnepfendreck für feinern Geschmack nennen darf: so wundert es mich niemals, daß man mich für den Soufleur derselben so oft ausgegeben und den witzigsten und schlimmsten Masken fast wenig mehr Verdienst dabei gelassen als das der Publikazion; denn ein fleißiger Forscher der mittleren Geschichte (man will mich zu sehr bereden, ich sei einer) ist es überhaupt schon gewohnt, große Gelehrsamkeit und großes Genie (wie z. B. dem Kampanella Der wegen des Verdachts der Zauberei eine 35 stündige Folter ausstand., Joh. Pikus von Mirandola und andern widerfuhr) zu Fabrikaten und Inspirationen des Teufels machen zu hören – und in unsern Tagen und Redouten hat man's öffentlich gar nicht mehr zu widerlegen nöthig.

Ich wollte die Damen würden nicht ungeduldig: denn in fünf Minuten kann ich ja mit ihnen reden und es ist nur noch ein äußerst elender Einwurf abzufertigen.

Dieser kam mir nach einer Magisterpromotion, ich meine beim Magisterschmauß zu Ohren und ich wollte, das ganze graduirte Tabakskollegium könnte hier mich ihn widerlegen hören, weil's damals im Trunke wirklich keiner konnte. Die Magister-Chrestomathie fragte: wienach Sie oder andere ältere Leute darauf hätten fallen können, meinen Namen so oft zu zitiren, wenn ich gar nicht wäre, und ob wohl ein vernünftiger Mann dem Teufel angesonnen hätte, ihn zu holen, wenn ihm die zum Holen nöthige Existenz abgingen. Ueber solche Fragen aber hab' ich und das gelehrte Europa allezeit sehr gelacht. Denn so gut die Poeten ihre Anrufung der Musen, die nirgends sind, ungern aufgeben: ebenso kann der redende Prosaist im gemeinen Leben die Anrufung des Teufels niemals fahren lassen und solche rednerische Figuren können von keinem Kunstrichter ganz verworfen werden. Der Sprachgebrauch, mich zu nennen ohne mich zu glauben, ist eine der richtigsten Akkomodationen nach dem gemeinen Pöbel, der die Sache noch glaubt, und ich würde selber wenn ich mit gemeinen Leuten spräche, mir nicht merken lassen, daß ich nicht existirte – eine Akkomodation, die Leute von Stand überhaupt blos den Aposteln abgeborgt, von denen es durch neuere Theologen hinlänglich erwiesen ist, daß sie mich hundertmal allegirt, aber kein einzigesmal geglaubt haben, und es ist nur leider kein neues Testament jetzt im Maskensaale zu haben.

Es gibt aber eine noch weit wichtigere Ursache des Allegats meines Namens, über die ich mit Verwunderung noch kein einziges gründlich abgefaßtes physiologisches Blatt in die Hände bekommen: es ist nämlich an dem kabalistischen Vorgeben, daß manche Namen (z. B. Schemhamphorasch) außerordentliche Kräfte verbergen und äußern, wirklich etwas Wahres und von meinem Namen will man das allgemein behaupten. Ich gesteh' es, wenn ich bedenke, daß ich vom Worte Abrakadabra die größte Gewißheit habe, es heile, diminuendo ausgesprochen, das Fieber: so hab' ich wenigstens etwas Analoges, aus und nach dem ich mir's erklären kann, wienach es gar wohl möglich sein könne, daß mein Name das heftigste Fieber, das die Welt kennt, den Zorn, wenn man jenen oft in den Mund nimmt, wirklich so gut zu heben vermöge, als man überall vorgiebt; und es konnte ja ein Alter sich durch bloßes Hersagen des Abc's, das nicht einmal ein Namen ist, vom Zorne erlösen. Ich bestärke mich noch dadurch, daß je heftiger und gefährlicher das Scharlach- und Fleckfieber des Zornes ist – welches man den Augenblick aus dem Phantasiren des Pazienten vermerken kann – ordentlicherweise auch mein Name in desto größerer und wiederholter Dosis genommen wird, auf die nachher der Preßhafte die Materia peccans durch hundert Sekretionen von sich giebt; z. B. bei einem kleinen Unwillen muß man blos »der Teufel!« höchstens »alle Teufel!« gebrauchen; – diese Dosis aber würde viel zu wenig verfangen, wenn schon wahrer Zorn da wäre, und hier würd' ich zu einem »Satan und einer höllischen Großmutter und allen Schocken Millionen Teufel« sogar noch ein adjuvans von einigen Donnerwettern, Blitzen und Hagel setzen, weil die Heilkräfte der elektrischen Materie so groß sind; – aber völlige Hundswuth ist stets bedenklich und ich habe Patienten davon gesehen, bei denen es sogar schlecht anschlug, daß sie sich »von allen Teufeln fortführen und zerreißen und zerschlitzen ließen,« ob diese gleich noch das einzige spezifische Mittel dagegen sind. Im Ganzen aber bleibt der Teufel immer offizinell.

Aus allem aber werden Sie immer mehr gewahr werden, was Sie von meinem Dasein eigentlich zu denken haben und Sie werden sich, merk' ich, stärker auf die Seite derer neigen, die mit mir der Meinung sind, daß ich schwerlich anderswo als in den Köpfen der Furchtsamen und auf gegenwärtiger Kanzel, die leider wie ein Quersattel aussieht und heute doch mein Stativ vorstellen soll, existiren könne. Darum bestreit' ich aber nicht, sondern ich bin selbst dafür, daß demungeachtet von mir, wie von allen Tugenden und sogar von der Keuschheit, der Name wirklich existire und das Seinige wirke.

Der Teufel hat jetzt das Vergnügen, sich zu Ihnen zu wenden, meine Damen, und er verhofft, daß Sie, so sehr Sie auch mit Ihrem Dasein guter Engel ihres beweisen mögen, doch damit nicht der bösen ihres werden erhärten wollen: es hätte Niemand größern Schaden davon, als gegenwärtiger Kanzelredner selbst.

Es ist kein Wunder, daß mir oft das Herz und die Augen brachen, wenn ich hinter einem Obelisk von Hexen-Inquisitionsakten und hinter einem Kongreß von juristischen und theologischen Dämonologen saß und allem dem Unsinn zuhörte, den sie mir und der Welt weißmachen wollten; ich gesteh' es freilich, ich ließ oft gar nicht mit mir reden und ich bin häufig zu jähzornig; aber wenn solche Spitzbuben eintunken und hinschreiben, meine Existenz erhelle aus der Existenz solcher Damen nur gar zu sonnenklar, welche zaubern, und denen man die Existenz dadurch nehmen könne, daß man sie abbrät, und wenn sie von solchen tödtlichen Schreibereien durch nichts abzubringen sind: was soll man, wenn man ein philanthropisches und kosmopolitisches Wesen, z. B. der Teufel ist, bei solchen Umständen machen? Am allerschicklichsten freilich eine Rede auf einem Maskenballe, in der man mit mehr als menschlichem Scharfsinn hervorbricht und sich vor dem Tanze an die Damen mit guten Beweisen wendet, daß ihre eigne Zauberei von Niemand weniger herrühre, als vom Beweisführer oder Teufel selbst. Sie werden aber nachher selbst entscheiden, wenigstens noch sehr einer weitern Prüfung es bedürftig finden, ob Sie bei solchen Umständen in der That aufzugreifen und todtzubraten sind.

Hätten die alten Theologen und Juristen nur Einmal selber auf einer Redoute getanzt, so hätten sie unmöglich die Maskenbälle und die Blocksbergischen Hexensynoden für zweierlei ansehen können, wie sie handgreiflich gethan; sie hätten es unmöglich ganz übersehen können, daß beide sich ja in nichts absondern als im Orte, – daß auf beiden die Damen entsetzlich tanzen und halb wie besessen, und mithin halb wie vernünftig, – daß sie sich auf beiden mit Verlarfungen in fremde Gestalten und Thiere belustigen, – daß sie für beide vorher sich salben mit Pomaden und Wassern und Seifen – daß sie auf beide nicht zu Fuß, sondern durch die Luft abreisen, wozu freilich nicht die zwei Teufelsroßfüße, sondern blos die sechzehn eines Postzugs auslangen, – daß der Teufel mit seiner allegorischen Noble-Maske, um den sie auf beiden tanzen, weiter nichts ist, als ein und der andere begünstigte Chapeau, – daß sie auf beiden sich umtaufen lassen, aber freilich nicht mit prosaischem Wasser, – daß die Anabaptistinnen nachher auf beiden den allergrößten Spaß haben können und wollen und die allerkleinste Tugend, – und daß der sogenannte Gottseibeiuns noch auf keiner von beiden mitgetanzt, wie Sie sich ja selber erinnern müssen, und daß ich sogar in die heutige nur hereingelaufen, um auf diesen elenden Quersattel zu springen und da gegen solchen verfluchten Unsinn ein oder ein Paar Lärmkanonen abzubrennen.

Es thut mir Schaden, daß die Konzipienten und Setzer dieses Unsinns längst begraben sind: ich kann sie jetzt nicht mit Ihnen zu ihrer Beschämung konfrontiren und sie nicht von Ihnen belehren lassen, ob eine von Ihnen noch auf einer Maskerade mit dem Satan getanzt, es sei nun eine Menuet, oder eine Anglaise, oder es sei einen wüthenden Schleifer, und ob's heute nicht zum erstenmale geschehe. Und eben so erbiet' ich mich auch, Zeugen aufzubringen, die kein Gericht abweisen kann (weil's die Professionisten zum Glücke selber sind, die die Sachen genäht und geleimt), daß Sie die heutigen Verwandlungen in Thier- und Zaubergestalten, die man allen Zauberinnen so sehr vorrückt, auf keine Weise durch einen Vertrag mit mir überkommen haben, sondern durch einen mit den zeugenden Professionisten selbst; und was die Lykanthropen-Maske anlangt, in deren Wolfsklaue dort eine weibliche Hand gekommen und die jetzt ihren Punsch bezahlt: so bitt' ich den ganzen Saal, sie zu befühlen, es ist klar ein alter Wolfspelz vom Wolfstreiben vor acht Jahren, und man kann mich wahrlich nicht darein mengen, sondern blos den Kürschner.

Ich verhehl' es nicht, Sie sind wirklich Zauberinnen und trennen in nichts sich von denen älterer Zeiten als darin, daß Sie nicht eingeäschert werden; allein wir wollen mit einander einmüthig untersuchen, ob diese Zauberei wohl mein Dasein und meinen Einfluß beglaubige. Wenn ich in ältern Zeiten Narren studiren wollte und in großen Partieen: so sah ich mich ordentlicherweise nur nach einer großen weiblichen Schönheit um, weil eine solche allemal einen ganzen Kometenschweif von solchen Geschöpfen nach sich schleift; – ich setzte die menschliche Bienenkönigin in die hohle Hand und der ganze Immenschwarm flog und brauste uns beiden hintendrein. So ging ich oft in Lissabon dem Kerl durch alle Gassen nach, in dessen Händen ein Stänglein voll angeketteter Papageien war und an dessen Füßen nachhüpfende Affen gekuppelt waren und der dieses närrische Personale feilbot; ich kauft' ihm aber nichts davon ab. So einem Kerl gleicht eine große Schönheit. Ein Elend ist's nur, daß große Fakultisten aus solchen Zaubereien nicht klug werden können. Solche Männer stellen sich vors Lesepult und finden im Augustin I. 18 de civitate dei c. 17. daß in Italien viele Hexen den Passagiers die menschliche Gestalt nehmen und den menschlichen Verstand lassen, damit diese transsubstanzirte Passagiers vor dem Pfluge und vor dem Heuwagen so lange ziehen, bis sie wieder in integrum restituiret sind; – solche Fakultisten sehen ferner mit Augen, daß die Zauberinnen neuerer Zeiten es noch jetzt mit den feinen Herrn so machen, nur daß sie umgekehrt ihnen den menschlichen Verstand nehmen und die menschliche Gestalt lassen und so in dieser gelassenen Gestalt die Dienste von frères servants ihnen abfordern. Ich sage, diese Fakultisten und selbst der Dekan sehen beides und lassen nicht mit sich reden, sondern reden selbst und geben mich für den versteckten Verfasser solcher Verwandlungen aus, die zuletzt zu einer Verwandlung der Zauberinnen selbst ausschlagen, wenn Verbranntwerden eine ist. So wird, meine Damen, theils Ihnen, theils dem Satan von Fakultisten mitgefahren! Sollte denn keiner von diesen juristischen Bratenköchen mit auf der heutigen Maskerade sein und es jetzt mit seinen Ohren erfahren können, daß der Teufel, weit entfernt der Mitarbeiter einer solchen zauberischen Verwandlung zu sein, vielmehr seit einer Viertelstunde selbst durch eine gegenwärtige Zauberin auf seinem Predigt-Gestelle ist verwandelt worden? und ich werd' es nachher derjenigen in die Hand schreiben, in die ich verliebt geworden, sammt meinen rechtlichen Entscheidungsgründen.

Es ist bekannt genug, daß die Blicke einer Zauberin viel tödtlicher als Arsenik oder als die verurtheilenden Blicke eines Monarchen sind, und in Kaschau wurden anno 1615 zwei Hexen zu Pulver gebrannt, die 150 Kinder und 60 Erwachsene todtgemacht hatten. Aber soll denn ich wider mein Wissen und Willen zu dieser mörderischen Firma geschlagen werden? und schrieb denn eine ganze Damenloge jemals sich: der Teufel & Compagnie? dürfen Sie sagen, daß ich Ihre Augen mit den Blicken geladen, womit Sie aus Ihrem Stechhelme hervor, wie man sieht, diese Herren gliederweise erlegen; wie ich denn selbst nicht auszunehmen bin? Können Sie mir oder andern ein Blatt Papier vorweisen, auf dem Sie sich mir mit Ihrem schminkenden Blute verschrieben, blos weil Ihre Worte bekanntlich die magische Kraft besitzen, dem, der sie hört, wie einen Dieb auf seine Stelle anzuknüpfen und zu kitten? Und was das zaubernde Nestelknüpfen anlangt: so haben's hoffentlich die unzähligen Gelehrten dahin gebracht, daß man heutzutage Spaß versteht, von St. Jago de Compostell an bis nach Bielgorod – und Ernst versteht man fast auch schon in verschiedenen Residenzstädten.

Ganze Sessionen machten sich mir verächtlich, wenn sie die Unempfindlichkeit, die Zauberinnen gegen Verwundungen bewiesen, zu einem Beweise meiner Existenz und Einwirkung verkehrten. Denn die Sessionen legten dadurch gar zu deutlich an den Tag, wie wenig sie in Ihre Gesellschaft kämen, weil sie sonst wüßten, daß die Unempfindlichkeit, mit der Sie sich vom Amor die tiefsten Wunden stechen lassen, nichts weniger als ein Werk meines Einflusses, sondern blos Ihrer Masken ist.

Sonst barbirte man den Zauberinnen die Haare herab, weil ich drinnen säße und dadurch wirkte. Es ist aber so verflucht erlogen als irgend etwas. Denn ich kann vielmehr Kaution und Bürgschaft leisten, daß Sie, wenn Sie sich auf einen Stuhl und in einem Pudermantel hersetzten und Ihnen einer von uns mit einer kurzen Scheere das Pultdach oder die Haar- Manschette Mir gefällt, die Wahrheit zu sagen, dieses modische Stirnblatt aus Haaren, wenn es anders weit genug herabgedachet ist, weit mehr, als dem Teufel. Dieser scheint nicht zu bedenken, daß dieser Haar-Kordon und Hof um die Sonne, wenn dazu noch die zwei Quasten und Schärpen der Seitenhaare gethan werden, dem Frauenzimmer den Vortheil gewährt, daß man niemals gewiß weiß, sieht man dessen Kopf von vornen oder von hinten. Und überhaupt fällt es mir auf, daß man von H. Sykes im Palais royal so viel Rühmens macht, weil er Portraits aus Menschenhaaren verkauft, da doch unsere Damen wirkliche lebendige Gesichter blos aus ihren Haaren offenbar formiren, wie ich mich denn, ohne Ruhm zu melden, auf das Gesicht meiner eigenen Frau berufe, in das ich noch einen kleinen Schnurr- und Knebelbart gepicht und das ich so ganz hären gemacht. herunterschöre, die die Augenbraunen verdoppelt und bedeckt – gerade erst dann am allerärgsten bezaubern würden. Was würde aber nachher der arme Teufel dafür können? Und soll künftighin nicht besser mit ihm umgesprungen werden?

Es läßt sich disputiren, ob Sie darum zu verbrennen sind, weil Sie wie alle Zauberinnen, wenn man Sie ins Wasser würfe, nicht untersinken. Ist denn dieses Obenschwimmen bei der Wasserprobe mehr eine Wirkung des Teufels, als Ihrer Floßfedern und Schwimmblasen, ich meine Ihrer Robben und Bouffanten? Und hätten nicht ganze Schöppenstühle sich sonst darnach bei Putzjungfern, und Hydraulikern erkundigen sollen?

Ueberhaupt ist aus den besten Abzeichen der Hexerei nichts festes zu schließen, denn sie verändern sich zu sehr. Sonst vermochten nur die ältesten Damen in der Stadt als weibliche Archaismen zu behexen; – allein jetzt bezaubern Sie schon ungemein, ungeachtet wir alle sehen, daß Sie wirklich noch in der Blüthe Ihrer Jahre, Ihrer Wangen und Ihrer Masken sind, und es ist freilich in mancher Hinsicht ein recht erhebliches Problem. – Noch mehr: sonst merkten es die Gerichtschreiber in allen Hexenprotokollen an, daß die Hexe durch den Teufel das Vermögen zu weinen eingebüßet; jetzt steht's anders. Jetzt sitzen in vielen Romanen und Städten ganze Reichsstandschaften von Männern, welche ein fatales Gesicht machen und sagen, daß ihrer Frauen ihres ihnen mit nichts so viel anhabe, als mit den Augen, durch deren Wasserkunst sie die schwersten Maschinen, besonders den Mann so außerordentlich geschickt zu treiben vermögen. Von solchen wässerigen Meteoren ist hernach die größte Zauberei niemals sehr fern. Es wäre aber schlecht vom Teufel gedacht, wenn er noch besorgen wollte, daß die drei christlichen Konfessionsverwandten diese Thränen-Brauerei ihrer Konfessionsverwandtinnen noch ihm anrechnen wollten, und nicht der Thränendrüse; ja sogar den Drüsen der conjunctiva, der Hornhaut, der Thränenkarunkel und den Meibomischen Drüsen; denn Janin hat wohl die Sache gut genug auseinandergelegt und Sie müssen ja alle seine von Selle verdeutschten »Betrachtungen über's Auge,« 1788, gelesen haben.

Die alten Dämonologen bestanden darauf, daß eine Schöne, die häufig in die Kirche ginge und mit großer Andacht darinnen verweilte, es nicht ihres Taufbundes, sondern wegen eines Bundes mit dem Teufel thäte; daher man damals Betschwestern so gut wie Atheisten briet. H. Hermes selbst (welches zu verwundern) schickte neulich die Meinung in die Buchdruckerei, daß das Beten schöner mache und daß er das aus den katholischen Gesichtern ersehe, mithin muß er beten für ein neues Mittel der weiblichen Zauberei und der weißen Magie so vieler Gesichter anschauen. Der Teufel ist aber in seinem Gewissen rein, er ist sich bewußt, daß er niemals ein Lockvogel zum Gebet gewesen; und wie wenig Haltung überhaupt die ganze Präsumzion gehabt, sieht man in unsern Tagen, wo die Damen, die sich auf Bezauberung legen, viel weniger Gebete thun als – erhören.

Ich muß bei dieser Gelegenheit die Ehre eines jungen Grafen retten, den wir alle wohl kennen und von dem man überall die Verläumdung herumbeut, er habe in Italien einmal eine ganze Viertelstunde gebetet. Diese Nachrede wird häufig geglaubt und da Niemand die eigentlichen Umstände seines Gebetes weiß: so ist ohnehin kein Mensch menschenfreundlich genug, zur gelindern Hermeneutik zu greifen und etwan von seinem gräflichen Nebenmenschen anzunehmen, er habe es blos aus Spaß gethan. In Genova S. Keyßlers Reisen: Die Patres Oratorii erlauben in ihrem Garten Dame, Schach und Billard zu spielen, aber blos um Gebete, Paternoster etc. Der verlierende Spieler muß dann vor einem Marienbilde niederknieen und ihm die Gebete auszahlen, die er verspielte. Und auf diese geschickte Weise entwöhnen die Patres die Menschen vom Spielen, wie durch Bestreichen mit Wermuth die Mutter den Säugling vom Säugen. war's und zum Glücke war ich Augenzeuge davon, aber zum Unglück auch Gelegenheitsursache davon. Die Patres des Oratoriums haben nämlich außen vor dem Thomasthor einen hübschen Garten, wo Jeder Sonntagsnachmittags Schach und Billard spielen darf, aber blos (und das ist das fatalste) um Gebete, um Ave Maria und dergleichen. Ich habe noch keinen Menschen gesehen, der so unglücklich spielte, wie der Graf jenen Abend – oder so glücklich wie ich: denn ich war sein Gegenspieler. Ich berufe mich auf den Frater Marqueur, ob der Graf mehr als fünf Bälle gemacht, ob er sich nicht eilfmal verlaufen und ob seine Löcher zu zählen; ich machte ihn deswegen ganz natürlich viermal matsch, brachte die Partie einmal zum Innestehen und gewann die übrigen alle. Viele Patres schwuren daher und sagten, ich spielte nicht anders wie der lebendige Teufel selbst, wiewohl ich ja auch nichts anderes war. Nun mußte der fallite Graf an die Abtragung seiner andächtigen Spielschuld gehen, und wir zogen ihm alle hintendrein und hörten zu, was er betete; unglücklicherweise mochte auch sein Bedienter mit hintendrein gezogen sein, und diesem ist's Schuld zu geben, daß man in Deutschland die Sache weiß. Mich dünkt aber, so wie ich die Sache erzählt, ist der Graf bei Gutdenkenden großentheils entschuldigt, daß er, obgleich er auf Reisen war, doch gebetet, und es war wohl nicht anders zu machen. Zwar hätt' ihn zum Gebet, weil's eine Spielschuld war, nach den Gesetzen kein Henker, der eben sonst unter die Richter gehörte, nöthigen können; allein seine Agnaten sollten bedenken, daß seine Ehre außerordentlich dabei im Spiele war: und ein Edelmann kann das längste Gebet nirgends ablehnen, sobald es eine Ehren- und Spielschuld ist. Daher war's ihm nicht einmal anzusinnen, es dadurch wieder gut zu machen, daß er (und er that's doch) auf dem Postwagen entsetzlich fluchte, und der piemontesische Schwager konnte ohnehin auf seinem Bocke keinen einzigen Fluch exponiren und vertiren. Uebrigens bin ich an diesem Beten so wenig als an dem der Zauberinnen schuld, sondern blos mein gutes Glück.

Auf solche Gründe nun steuer' ich mich, wenn ich an meinem Dasein zweifle. Unmöglich kann hierin Mönchen und Orthodoxen mehr zu glauben sein, als dem Teufel selbst, der es doch hoffentlich am ersten wissen müßte, daß er existirte. Ich müßte alsdann doch das Selbstgefühl des Daseins haben, das, soviel ich und die Philosophie bemerken, schlechterdings keinem einzigen lebendigen Wesen abgeht.

Nun mag der exegetische Kampfplatz wieder der Tanzplatz werden und ich will von meinem Kontroverspostament hinunterspringen und die Nacht vertanzen. Den Damen wird doch noch versprochen, daß eine hübsche Widerlegung der verdammten theologischen Lüge, als ob der Teufel ganz kalter Natur und nicht einmal warm anzufühlen sei – beiläufig eingeschoben werden soll, aber unmöglich auf dieser Kanzel. –

 

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Als ein Kreuzerkomödiant hab' ich die Supplik großer Gulden- und Maxd'orkomödianten in mein Theater lassen müssen und wollen. Jetzt muß schon wider alles hinaus, nicht des bloßen Groschens wegen, den ich für jeden Bogen erhebe, sondern der Tugend wegen, die im nächsten Zwischenakt agiren und debütiren will und hinter der – wenn ich meinem und fremdem Urtheil trauen soll – doch wenig oder nichts ist. Ich will auf keine Weise der Tugend etwas nehmen; aber ich kann doch meine Ueberzeugung nicht so sehr verleugnen, daß ich sie für etwas besseres ausgäbe als für die Gesundheit der Seele. Nun weiß jeder Chemiker, Glasmacher, Bergmann und Professionist sogut wie sein Physikus, daß seine Handthierung seiner körperlichen Gesundheit schade; allein er leget Arbeiten, die sein Leben erhalten, nicht deswegen unvernünftig nieder, weil sie es auch verkürzen. Gerade so kann man hoffen, daß der Lehr-, Wehr- und Nährstand sich nicht durch Kenntniß des Schadens, den seine Lebensart seiner geistigen Gesundheit oder Tugend bringt, von dieser Lebensart werde abreißen und abzerren lassen, und mich dünkt, die Menschen haben uns niemals Anlaß gegeben, ihnen etwas so unbedachtes zuzutrauen: auch bringen große körperliche Vortheile es wieder ein, wenn der Kaufmann seine Seele von Eigennutz und Geiz inficiren läßt, der Weltmann von Falschheit, der Wollüstling von Wollust, der Gesandte von Ränken, der Minister von Härte und der Konsistorialrath (dessen Tochter ich freilich habe) von allem auf einmal. Inzwischen decken die Menschen über diese nothwendigen Kontusionen und Schrammen der Seele solche breite Pflaster, daß es Kasuisten rühren sollte: gerade wie der gedachte Professionist, der sich auf eine Art krank macht, sich auf jede andere krank zu machen scheuet, wie der Säufer seinen Leib nicht vor Wein, aber wohl vor Zugwind und Erkältung zu verwahren sucht: ebenso machen sich viele ein Gewissen daraus, andere Laster zu begehen als die nöthigsten und gewohnten, und der Stolze befehdet die Lüge, der Geizige die Unordnung, der Sinnliche die Grausamkeit, und der Autor, dem zur Uebung der Tugend die Flügel abgehn, strengt wenigstens zu ihrem Lob die Federn an. Kurz die ganze beste Welt ist gut genug und es kömmt keine bessere nach.

 

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