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Vom Ende der kleinen Trockenzeit wird hier berichtet und von den Wanderungen der Elefanten, von Giftzahn, der Königskobra, und von Blähhals, der Brillenschlange, von dem, was diese Bösen im Dschungel treiben; wir hören auch von Geiern und ihrem Wesen, von Krähen und von Singvögeln, von Krokodilen, Nashörnern und vom Gaur. Wir hören von einer Jagd, die die Menschen im Dschungel machen, und von der Flucht der Elefanten, und wir erfahren, wie Stumpfzahn, der alte Tusker, wieder zu seinen Leuten im Dschungel kommt.
Die kleine Trockenzeit war diesmal so heftig, daß sich selbst die ältesten Elefanten nicht erinnern konnten, soviele Dürre im Walde und im Dschungel erlebt zu haben. Selbst im Sumpf war der Boden ausgetrocknet und zeigte breite, zackige Riffe im Schlamm. Schilf und Gras wurden gelb und braun, die Blüten verloren ihre Blätter, und viele der Bäume wurden kahl. Auch das Summen der Bienen und das Brausen der Insektenschwärme wurde schwächer von Tag zu Tag. Die Scharen der Vögel hatten sich nach den Flußauen gezogen, und viele von ihnen waren in den Hängen der Hills und der Berge im Norden. Der Wald war ohne Duft und ohne Blumen, ohne Sang und ohne Klang, und auch die Tiger und Leoparden hatten sich dem durstigen Wild zu den Tränken der Flüsse und Seen nachgezogen. Da beschloß Baumbrecher, davonzuziehen, denn in den Tümpeln fand man nirgends Wasser; besonders die Jungelefanten litten unter Durst. Baumbrecher versammelte den Rat, wie dies Elefantensitte. Er stellte sich auf eine kleine Lichtung im Dschungel, und die Altelefanten bildeten einen Kreis um ihn mit den Köpfen nach innen. Da war Spritznase, die Alte, da war auch Trampelmann und neben ihm Einzahn. Bürstenwedel war im Rat, und Stampfefuß, und noch mehrere andere Altelefanten nahmen an der Beratung teil. Bis auf Spritznase waren es lauter Bullen.
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»Hört, ihr Starken, ihr Erfahrenen«, sagte Baumbrecher, »es ist nimmer gut im Walde zu den Hills hin, denn das Wasser ist versiegt, und die Sonne brennt täglich mehr. Am Morgen ist kein Nebel, am Abend ist kein Dunst, und unsere Rüssel können schlecht wittern. In der vorgeschrittenen Trockenzeit droht viel Gefahr: die Zweibeine stellen uns nach mit Schlingen und Giftpfeilen, mit Fallen und anderer Bosheit und suchen uns zu töten und zu fangen. Auch sonst können wir Schlimmes erleben, denn manche Giftschlange klettert auf Äste und Zweige, und wenn wir mit den Rüsseln brechen wollen, sticht sie. Das ist schon oft vorgekommen und manchmal von bösen Folgen gewesen, besonders bei jungen Elefanten, deren Haut noch dünn ist und die wenig Erfahrungen haben. Auch sonst ist es schlecht im Busch hierherum. Ins Gebirge zu ziehen hat ebensowenig Zweck, wenn es auch dort kühler ist, denn es sind auf den Bergrändern viele Zweibeine, und auch dort gibt es wenig frisches Grün. Auf den Pflanzungen der Menschen ist volle Ernte, und der Boden ist meistens kahl. Darum wollen wir dem Wasser nachgehen, denn nur wo Wasser ist, ist Leben. Dort gibt es noch grüne Pflanzen, an denen man sich sättigen kann, und dort ist es angenehm; denn man kann baden und trinken, soviel man will. Drum ihr Alten, Erfahrenen, ihr Mutigen und Starken, schlage ich vor, nach den großen Strömen zu ziehen. Ich habe gesprochen!«
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Der Kreis der Elefanten schwieg, und nur Spritznase hob den langen Rüssel und trompetete zum Zeichen des Einverständnisses. Dann hoben auch die anderen Elefanten den Rüssel, und dröhnend schallten die Trompetenstöße durch den Busch. Alle Elefanten hoben erst den rechten, dann den linken Vorderfuß und scharrten den Boden zum Zeichen ihres Einverständnisses. »Wir wollen noch den alten Stumpfzahn fragen,« meinte Baumbrecher, »denn wenn er auch nicht mehr Familienelefant sein darf und abgesetzter Sultan ist, wenn er auch durch seine Zahnlosigkeit seinen Rang als König verloren hat, so ist er doch erfahren und klug. Darum bitte ich euch, jetzt auseinanderzugehen, und dich, Spritznase, bitte ich, den Alten zu holen.« Es dauerte nicht lange, bis die schlottrige Gestalt des Altelefanten erschien, er verneigte sich vor dem Königselefanten, scharrte dreimal mit dem rechten Vorderfuß, rollte den Rüssel devot, hob ihn über seinen Kopf und stieß einige dünne, schrille Trompetentöne aus. »Ich bin zur Stelle, o Sultan«, sagte der Alte bescheiden. Der Sultan hob nur wenig den Rüssel zur Begrüßung, denn er hätte sich den anderen Familienelefanten gegenüber etwas vergeben, wenn er den alten Tusker allzu freundlich begrüßt hätte. Aber er berührte mit der Rüsselspitze dennoch die Stirn des Alten und sprach: »Höre, du Weisester der Weisen, du Ältester der Alten, du Erfahrenster der Erfahrenen, du früherer Sultan und König, du Berater der Götter, höre, was ich, Baumbrecher, dein Sultan, dich zu fragen habe: Es ist trocken im Walde, und es droht Gefahr von Zweibeinen und anderen Dingen. Es droht auch Gefahr von Feuer im Dschungel; denn vor wenigen Tagen witterten wir Zweibeinfährten im Walde. Das Laub ist dürr, die Blätter fallen, wir haben kein Wasser zum Trinken und Baden, und die Tümpel riechen faul und sind schlammig. Darum hat der Rat beschlossen, die Elefantenwanderung anzutreten, weit fort in die Dschungel über den großen Strömen, und nun frage ich dich, du Weisester der Weisen, du Ältester der Alten, du Erfahrenster der Erfahrenen, was du zu dieser Wanderung meinst. Ich habe gesprochen!« Der alte Tusker wiegte den schweren Kopf einige Male hin und her, trat von den rechten Säulen auf die linken und wieder zurück, so daß seine Gestalt schwankte und schlotterte, blinzelte mit den kleinen Augen, rollte devot den Rüssel zusammen und erwiderte: »Es ist recht, wie du meinst, o Sultan, o Sohn der Götter, du Starker, du Allgewaltigster! Zieht zu den größten Strömen! Nur sechs Nachtwanderungen sind es bis dahin und fünf große Tagesruhen. Am sechsten Morgen werdet ihr die Tiefe des heiligen Stromes erreichen und schöpfen und baden, wie es uralte Sitte bei uns Elefanten ist. Denn das Bad im heiligen Wasser läutert von allem, es macht den Sinn klar und das Hirn klug und gibt neue Kraft für lange Zeit. Dort bleibt, bis der Regen verrauscht, bis die Nebel dampfen und bis das dichte Heer der Wolken zwischen den Bergen im Norden und den Ghats im Westen nach dem Osten schwebt. Dann zieht den großen Strom hinauf bis in die Dschungel am Flusse der Berge, und wenn der Regen stärker fällt und immer mehr, so zieht euch durch die Flußauen wieder in das Dschungel der Heimat zurück. Nur eine Bitte habe ich. Gnädigster, Stärkster, Größter und Weisester, o Sultan! Es ist das Recht von altersher für jeden greisen Tusker, der sich einem Volke anschloß, freie Zeit für sich zu haben einmal im Jahre zwischen Neumond und Neumond. In wenigen Tagen ist die Nacht schwarz, und nur die Sterne sind am Himmel. Dann aber laß mich ziehen auf einen Mond frei durch das Dschungel, wie es mir beliebt; denn ich habe eine eigene Sache. Ich habe gesprochen!« Baumbrecher stampfte dreimal mit dem Vorderfuß rechts und dreimal mit dem Vorderfuß links, dann umschlang er langsam mit seinem Rüssel den faltigen Rüssel des Alten, er trompete dreimal, warf den Rüssel über den Kopf und sagte: »Du bist frei, wie du gewünscht. Weisester der Weisen. Wenn du deine Sache beendet hast, so folge uns auf dem Pfade, denn unseren Weg wirst du finden, breit wird er sein im Dschungel. Die Götter seien mit dir.« Damit wandte sich der Königselefant und schritt zu Spritznase, der Führerin, die Kopfelefanten stießen ein donnerndes Trompeten aus, und die mächtigen dunkelgrauen Leiber setzten sich in Bewegung. Der harte Boden zitterte, Gras raschelte, Büsche rauschten, und dürre Bambusorgeln fielen knisternd zusammen. Dann waren die Elefanten im Dschungel verschwunden, und der alte Tusker blieb allein zurück. Er wendete langsam und bedächtig seinen schwarzgrauen Leib und zog in der Richtung der Hügel langsam davon. Seine kleinen Augen waren gerötet und funkelten böse ...
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Blähhals, die Brillenschlange, hatte sich nach dem Tümpel begeben, denn im Walde war es zu trocken geworden, und es war Mangel an Mäusen und Ratten. Nur noch die Flughunde und der Vampyr fanden in den Zweigen der Tamarinden manche sparsame Beute an Käfern und anderen Insekten. Am Boden aber war alles leer und tot, und selbst die Zibetkatze fand keine Beute mehr, und der Lippenbär mußte lange nach Ameisen und Bienen suchen, ehe er nur ein wenig für seinen Magen fand. Darum waren auch Bären und Katzen davongezogen, und selbst die Spinte und der indische Adler, der Brahminenkauz und die Horneule hatten den Norden aufgesucht, da es kein kleines Jagdwild mehr im Dschungel gab. Längst waren die kleinen Sumpfkrokodile aus den Bächen verschwunden, und auch die Tigerschlange hatte sich nach feuchten Gegenden verzogen. Mitunter kreischten noch einige Papageien und Sittiche in den Wäldern, aber es waren ihrer nur wenige, und die Hornvögel waren schon lange nach den Flüssen gestrichen. So waren auch für Blähhals schreckliche Zeiten angebrochen, denn Brillenschlangen leben meist von kleinen Eichhörnchen, die achtlos am Boden hinsuchen, von Mäusen verschiedener Art, von jungen unerfahrenen Affen und von den kleinen dunklen Ratten, die sich im Busche tummeln. Darum zog Blähhals den übrigen Brillenschlangen und dem Heer der Vipern und Nattern nach, die alle nach den feuchten Niederungen strebten. Eines Abends hörte es Blähhals vor sich im dürren Laube rascheln, ringelte sich zusammen und hob den Kopf. In dieser Lauerstellung verharrte die Schlange längere Zeit, ihre doppelte, spitze Zunge stichelte vor und zurück und zitterte vor den Kiefern, und der Kopf pendelte leise hin und her.
Es war nur ein kleiner Bilchnager, der achtlos auf dem Pfade huschte. Als das arme kleine Tier die Schlange sah, erstarrte es vor Schreck und stieß ein jämmerliches hilfloses Pfeifen aus, streckte die Vorderfüßchen wie abwehrend nach vorn und zitterte am ganzen Körper. Die Schlange bewegte sich kaum, starr blickte sie auf ihr Opfer. Plötzlich fuhr der platte Kopf zurück, schnellte vor, ein leises Quieken tönte, und der kleine Nager streckte zitternd die vier Beinchen von sich. Die Schlange rutschte um die Beute, ringelte sich, wartete ein wenig, bis das Zucken der Füßchen aufgehört hatte, packte den Nager am Kopf und schlang ihn langsam hinunter. Dann lag sie lange Zeit, und an ihrem Körper sah man die Muskelbewegungen des Tieferschluckens, bis endlich der Schlangenleib stillag. Nur die Zunge zitterte noch spitz und mit vibrierendem Züngeln vor dem Maule. So lag die Schlange Stunde um Stunde. Endlich rollte sie sich auf und setzte ihren Weg zur tiefen Niederung fort. Als Blähhals eine Wiese überquerte, fühlte ihr Leib die Annäherung eines Feindes. Sie ringelte sich schneller vorwärts, um das Dickicht zu erreichen, aber ihre Nerven zeigten das Näherkommen des Feindes an, und ihr Schlangenhirn erkannte die Gefahr: trotz des Schlangenadlers und anderer Feinde war dies der schlimmste, der ihr folgen konnte, schrecklicher selbst als der Mungo – es war die Königsschlange, die Königskobra, die auf ihrer Spur jagte! Als Blähhals einsah, daß die andere sie doch einholen würde, rollte sie sich zischend zusammen und hob drohend den kleinen platten Kopf mit dem breitgefleckten Halse. Sie züngelte leise, ein sausendes Zischen tönte, und ihre Augen wurden rot vor Wut und Angst. Da schoß auch schon die große graugelbe Königsviper heran, doppelt so groß wie Blähhals und fürchterlich anzusehen. Ihre Augen waren dottergelb, ihr Hals glänzendschwarz und aufgebläht, ihr stumpfer Kopf mit dem breiten Maule ließ die vor- und zurückzuckende, schwarze Zunge sehen. Hoch richtete sich die Königskobra auf, verzweifelt schob die Brillenschlange ihren Kopf vor, um den Bauch der Feindin zu packen; ihre Zähne glitten an den Panzerplatten ab, wütend zischend richtete sie sich wieder auf, schnellte zum zweiten, zum dritten Male vor und biß. Aber die Königskobra packte sie dicht oberhalb des Schwanzendes und schlug ihre großen Giftzähne unter die Haut. Ein Schmerz, wie ein zuckender Schlag, durchfuhr Blähhals. Verzweifelt rollte sie sich, biß in wilder Wut, doch abermals fuhr ihr der schreckliche Giftzahn in den Leib. Sie fühlte glühende Hitze durch den Körper schießen, sie fühlte Frost und Starre. Als sie sich kaum mehr bewegte, sperrte die Königsschlange das breite Maul auf und nahm ihren Kopf zwischen die Zähne. Langsam und bedächtig schluckte der Schlangenjäger die Artverwandte. Der Körper der Königskobra zog sich wellig zusammen wie in Ringen. Kopf und Hals machten würgende Bewegungen, und langsam, aber stetig glitt der Schlangenleib in den Schlund und tiefer hinab. Stundenlang währte das Schlucken, dann rollte sich die Königskobra ein wenig zusammen; denn gänzlich konnte sie es nicht. Wie ein großer gebogener Halbring lag die dicke Schlange und verdaute.
So ist stets Gift gegen Gift in der Welt gesetzt. Böses gegen Böses, Räuber gegen Räuber.
Als die Elefanten im Dschungel an einem der großen südlichen Nebenflüsse des heiligen Stromes halt machten, waren sie mitten im Flachlande. Auch dort gab es wenig menschliche Ansiedlungen, und nur an einigen Stellen hatten die Eingeborenen Reisfelder vorbereitet und Pflanzungen mit verschiedenen Früchten angelegt. Trotz der Trockenheit fand sich im Walde und in den Sümpfen genügend Nahrung, so daß die Elefanten nur selten in die Pflanzungen der Eingeborenen kamen, besonders da diese meist öde und leer lagen. Die Herde traf dort im Tiefland auf andere Elefanten, die von den Hügelländern gekommen waren, und auf solche, die meist in der Ebene lebten. Hier hatte sich viel Wild herangezogen, allerhand Hirsche standen in den Flußauen, kleine bunte Axis und große braune Schweinshirsche waren da, auch Antilopen verschiedener Art, Nashörner und Lippenbären, große Scharen von Affen und ungeheuer viel Schwärme von allerlei Vögeln; auch die Tiger aus den Hochländern und Hügeln hatten sich nach Norden und Osten gezogen, um dem Wild zu folgen, und überall witterten die Elefanten die Fährten der Leoparden. In der Nacht hörte man Schuppentiere rascheln, große und kleine Fledermäuse und Flattertiere bewegten sich zwischen den Bäumen; wenn aber die Sonne in Wald und Dschungel schien, schwirrten überall Zuckervögel und Blumensauger, Kleiber und Baumläufer verschiedener Art huschten an den Stämmen, Ammern pfiffen, Wiedehopfe riefen am Fluß mit Racken, Spinten und Staren um die Wette, und über den Wipfeln jagten Sperber und Schikrahabichte nach Vögeln und anderem kleinen Getier. In der Flußaue jagte der Fischadler, Bussardweihen schwebten überall, und die Schlangenhabichte lauerten aus Vipern und Nattern. An den trägen Flußläufen hockten Reiher und Kropfstörche, Leistenkrokodile sonnten sich in dem Schlamm und auf den Sandbänken; manchmal kam auch ein Gavial aus der Tiefe und schob seinen gepanzerten Leib auf den Sand. Die Raubtiere hatten guten Fang, und solange die Füchse und Schakale an ihrem Schlaforte waren, lag der Rest der Beute im Dickicht, umschwirrt von Tausenden schillernder Käfer und Fliegen. Dann aber kamen aus schwindelnder Höhe Schmutz- und Gänsegeier und auch der bengalische und der Kahlkopfgeier rauschten aus der Höhe, um das Aas zu vertilgen. Wenn irgendwo auf breiter Flußaue ein Aas lag, dann sah man plötzlich am hellblauen Morgenhimmel einen windziehenden schwarzen Punkt; der wurde größer, wuchs schnell, und plötzlich schoß mit Sausen und Brausen ein riesiger Geier herab. Wie durch einen Zauber herbeigerufen, zogen von allen Seiten die Tiere herbei, und bald rissen und hackten unzählige häßliche Vögel an den starrenden Rippen und an den stinkenden Därmen. Sie sind die heiligen Vögel Indiens, die Geier, und niemand wird es wagen, ihnen ein Leid anzutun; denn sie reinigen die Dorfstraßen der Eingeborenen von allem Kot und Schmutz, sie vertilgen die faulenden Kadaver, sie hocken auf den Dächern in den Städten und reinigen die Straßen, sie schweben über dem Dschungel und vertilgen die Reste faulenden Raubtierraubes.
An den Flüssen war am meisten Leben. Auch dort sah man überall Geier, Habichte und Weihen; schöne Milane schwebten umher, überall krächzten Reiher, auf den Blättern der Wasserrosen und Lotospflanzen liefen Teichhühner verschiedener Art, und am Abend ließen die Sumpfhühnchen ihr melodisches Pfeifen hören. In Mengen schwirrten Enten auf und nieder, Kormorans und Gänse, und auch fremde Vögel aus dem fernen Norden lebten im Dschungel und in den Auen.
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So vergingen die – Tage, die Wochen, die Monate. Auch im Flachlands wurde das Dschungel immer trockener, und das Laub wurde welk; immer dichter drängte sich das Wild nach den Flüssen, Bächen und Sümpfen hin. Je trockener es wurde, desto wachsamer wurden die alten Leitelefanten, desto mißtrauischer und vorsichtiger. Denn mitunter zeigten sich auf den Flüssen Fischer, und überall lauerten Tiger. Da galt es vor allem, die kleinen Jungelefanten zu schützen. Die Elefantenkinder hatten schon eine graue Haut, fast so wie die Altelefanten; sie waren auch gewachsen und zeigten eine gewisse Selbständigkeit, die den Müttern und Vätern große Sorge machte. Denn wenn Kinder vorzeitig selbständig werden, geraten sie leicht in Gefahr, und ein böses Nashorn und ein zorniger Gaur können viel Unheil anrichten, und selbst der Tiger, der große Elefanten scheut, kann versucht sein, die Kraft seiner Tatzen und Zähne an jungen Elefanten zu erproben. Palmenreiße fürchtete deshalb sehr für ihren Radha, der von allen Elefantenkindern am frechsten und mutwilligsten war. Es bedurfte häufiger Ermahnungen mit dem Rüssel und manchmal auch härterer Strafen. Dann trompetete der Kleine schrill, stellte sich unter den Leib der Mutter und reckte seinen kleinen Rüssel nach oben; und die Alte streichelte seinen Rüssel und seinen Kopf und fuhr mit dem Finger der Rüsselspitze sachte zwischen seinen Ohren und auf seiner Stirn aus und nieder.
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So standen die Elefanten eines Tages in einem tiefen Dschungel zwischen halbvertrockneten Sümpfen. Weithin war das Kollern ihrer mächtigen Bäuche zu hören.
»Es ist heute etwas nicht in Ordnung,« meinte Baumbrecher, »überall riecht es nach Zweibeinen, und schon am frühen Morgen waren Spuren von ihnen zu wittern.« Die alte Spritznase schwenkte bejahend den Rüssel aus und ab. »Wenn mich nicht alles täuscht, o Stärkster der Starken, haben die Zweibeine etwas Besonderes vor. Denn ich witterte Elefantenfährten, die einen anderen Geruch haben als die unsrigen. Vielleicht haben die Zweibeine vor, uns zu fangen, oder sie wollen Streifenfell zu Leibe gehen, dem Tiger.«
»Das letztere könnte mir recht sein,« meinte Baumbrecher grimmig, »denn Streifenfell und seine Sippe sind gar zu zahlreich geworden im Lande, und die friedlichen Tiere haben viel unter ihnen zu leiden.«
Es blieb aber lange alles ruhig, man hörte nur das Schreien der Vögel, das Schnattern der Affen und das Brummen der zahlreichen Insekten.
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Streifenfell hatte auf einer kleinen Insel im Dschungel geruht, im halbdürren Rohrwald. Er erhob sich am Abend, gähnte, machte den Rücken krumm, schlug mit dem Schwanz, reckte sich wieder gerade und ließ ein tiefes, grollendes Mauzen hören. Dann zog er langsam auf dem alten Elefantenpfade zum Fluß. Als er erschien, kreischten die Affen in den Bäumen, Vögel schrien, und selbst die Kropfstörche reckten den Kragen und liefen mit stelzenden Schritten beiseite. Am Rande des Dschungels schnupperte der Gestreifte, wandte seinen schweren Kopf nach allen Seiten, um zu sichern, und zog zum Wasser. Dort trank er ausgiebig, reckte sich nochmals und schritt würdevoll in den Wald zurück. Es wurde dunkel, und nur im Westen leuchtete noch ein roter Streifen durch die Stämme der Bäume. Mit dem Kopf am Boden zog der Tiger langsam auf dem Wildpfad entlang. Im feuchten Schlamme fand er Witterung von Wildschweinen. Die Fährte war frisch. Langsam folgte der Tiger, immer schnuppernd und lauschend. Seine runden Gehöre strafften sich nach vorn, legten sich eng an den Kopf, zuckten und standen wieder lauschend nach oben. Der ganze Körper der großen Katze schien zu zucken, zu vibrieren. Ein Hirsch prasselte fort, in den Wipfeln der Coobäume kreischten Affen, ein Pfau polterte in den Ästen und flatterte durch die Lianen. Der Tiger schlich geduckt. Jetzt hörte er ein Brechen, Schmatzen, Grunzen und Schnauben ... Warm ist die Witterung, die Schweine müssen nahe sein. Ganz langsam und geduckt schiebt sich die Gestalt des Tigers weiter; in der blauen Dämmerung des Mondlichtes sieht er dunkle Gestalten, Schweinswitterung kommt ihm warmdunstig entgegen. Schlamm schmatzt, Blätter von Wasserpflanzen rascheln ... Noch einige Schritte schiebt sich Streifenfells mächtige Gestalt vor, dann duckt sie sich. Die Augen des Tigers glühen phosphorierend aus.
Prasseln und Poltern, Rauschen, dann ein furchtbares Knallen, ein mauzendes Murren und ein schrecklicher Schrei. Schrill klingt das Klagen des gerissenen Schweines durch das Dschungel. Die Keiler und Sauen rasen durch die Büsche, poltern in den Wald hinein mit Schnauben und Quieken. Noch lange hört sie der Tiger prasseln und blasen. Doch er hat keine Zeit, er hat Hunger, viel Hunger, und er zerreißt sein Opfer an Ort und Stelle, mitten im Schlammtümpel. Die helle Brust, der weiße Fang des Gestreiften sind rot besudelt, als er sich endlich satt und vollgefressen erhebt. Er reckt sich, macht einen runden Buckel, öffnet den Fang wie zum Gähnen und stößt ein zufriedenes, dumpfes Grollen aus: Arr-oh! und dann zieht er langsam wieder zum Fluß, um sich mit kühlendem Wasser voll zu schlappen.
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Es war ein kleiner, dunkelhäutiger Mischling, der im Dorfe unterhalb des großen Dschungels ein Stückchen Feld bearbeitete. Das war dürr, seine Ernte war schlecht, und darum nahm der Mann Pfeil und Bogen und seinen langen spitzen Dolch und zog in den Wald, um auf Hirsche zu passen und auf die kleine Vierhornantilope. Sie sehen's nicht gern, die Ältesten im Dorf, wenn der Eingeborene jagt, denn der große Sahib, der Brite, der seine Pflanzungen am großen Strome hat, betrachtet Jagd und Wild, Dschungel und Wald als sein Eigentum. Darum schleicht sich der braune Mann heimlich fort, wenn er zur Jagd geht, und er bringt heute eine Gans, morgen eine Antilope und am anderen Tage gar einen Pfau mit, den er vom Baume schoß. Pfauwildbret schmeckt zart, doch gerade den Pfau muß er vor den frommen Leuten im Dorfe verbergen, denn die Inder verehren den Pfau, weil er schön ist und Brahmas Liebling und weil er Schlangen frißt, gleich dem Schlangenadler.
Es ist Abend – Mücken spielen und tanzen in großen Schwärmen im tiefen Strahle der Sonne, Fliegen brummen, große Käfer schnurren auf und ab, und zwischen den Büschen des Dschungels fliegen irrende Lichter, rot und grün, die leuchtenden Käfer. Der Tiger richtet sich von seinem Lager auf der kleinen Schilfinsel auf, seine Gehöre spielen, die Spitze seines Schwanzes zuckt. War das nicht ein schleichender Schritt? Das mag eine Beute sein – vielleicht ist es ein Hirsch, der dort auf den Wechsel zieht ... Der Eingeborene sieht zwischen den Stengeln des Rohres einen dunklen Körper. Ist's Hirsch? Ist's Wildschwein? Die Dämmerung trügt. Niedrig sieht das Tier aus, es kann nicht allzu groß sein. Jetzt ist es in der Nähe. Hier am Bach. Die Sehne des Bogens strafft sich, der Pfeil schwirrt ... Da tönt ein gräßliches, hustendes Grölzen, Schilfhalme knattern!
Ein schrecklicher Aufschrei – der Tiger schlägt seine gelben Zähne, seine mächtigen Krallen in zuckendes Fleisch. Streifenfell packt den braunen Mann mitten am Leib, und als wär's ein Hammel aus dem Dorfe, trägt er ihn mit langen, federnden Sätzen zum Bache.
Nur eine Schramme machte ihm der schwache Pfeil, eine kleine Wunde am Fell des Nackens.
Endlich, seit vielen Jahren zum ersten Male wieder, hat Streifenfell Menschenfleisch genossen. Es schmeckt gut und riecht süßlich und angenehm und schrecklich zugleich. Und der Tiger frißt sich voll, fast bis zum Platzen.
Wenige Tage später spielen Kinder am Dorfrand auf der Straße. Da springt plötzlich ein großes, gestreiftes Tier mitten unter sie, Dorfhunde bellen, Weiber schreien, eine Männerstimme grölzt dazwischen ...
Die Kinder sind auseinandergestoben wie Spreu. Der Platz, wo die kleine Maya, die Tochter des Dorfältesten spielte, ist leer; nur eine Blutlache zeigt, was geschehen ist. Die Eingeborenen hocken zitternd hinter verschlossenen Türen, und ihre Hunde haben sich unter die Schuppen verkrochen.
So trieb er's monatelang, der Gestreifte, und Schrecken war im Lande. Denn wenn ein alter Tiger einmal Menschenfleisch frißt, so wird er zum »Mankiller«. Menschentöter. Im ganzen Bereiche war Aufregung. Schon mehrere Eingeborene waren zerrissen worden. Im allgemeinen sind die Hindus und besonders die Mohammedaner den Tigern nicht gram, da die Gestreiften sich meist an die wilden Schweine halten oder höchstens einmal einen Hirsch, eine Ziege oder ein Rind schlagen. Dieser alte Kerl aber, der im großen Gandal lebte und morgen am Rapti, dann wieder im Süden streifte bis an die Blue-Hills, der trotz der Eisenbahnen, die das Land durchzogen, trotz der breiten Straßen heute hier war und morgen da, und für den hundert Meilen keine Entfernung bedeuteten, bekam etwas Sagenhaftes, etwas unheimlich Schreckliches für, die Inder in der Tiefe der Flüsse. Sie wußten es ja nicht, die Hindus und die zugewanderten Gurkhas im Norden, die Weddhas, die vereinzelt nach den Hügeln im Süden zu wohnten, daß es mehrere der Gestreiften waren, die da raubten, und sie rechneten alle Missetat dem einen zur Last, der sich eben im Elefantendschungel niedergelassen hatte, wo tief unterhalb der Blue-Hills Baumbrecher und seine Herde wohnten. Der Telegraph spielte nach allen Richtungen, Hunderte von Eingeborenen spürten die Gegend im Norden, fährteten zweihundert Meilen südlich die Dschungel ab. Einen Schaitan nannten die Mohammedaner den alten Tiger, eine Strafe der Götter wurde er von den Hindus genannt. Streifenfell fraß Vieh und Pferde, wo er sie bekam, aber nichts so gern wie Menschen. Und es kümmerte ihn nicht, ob es Täuflinge des Missionars waren oder Heiden, ob Anhänger des Propheten oder brahmanische Inder.
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Endlich hatte man Streifenfells Paß und Heimat erspürt, und wenn auch die Leute telegraphierten von anderen Menschenfressern im Norden, beschloß der Herr Resident doch, im Dschungel unterhalb der Blue-Hills zu jagen. Tagtäglich waren viele Hindus unterwegs, erfahrene Dschungeljäger, um den »Mankiller« zu bestätigen. Aus allen Dörfern strömten die Treiber herbei, britische Jäger waren gekommen und der Herr Resident selbst aus der Stadt am heiligen Strom, und viele Elefanten wurden aufgeboten.
Die Europäer wurden auf ihren Reittieren an einem Bach aufgestellt. Dort war, trotzdem der Wasserlauf sehr geschlängelt und die Ufer mit hohem Schilfe bestanden waren, leidliches Schießen möglich, und die Treiberwehr, je zu drei, vier Mann gehend, wurde zwischen die Elefanten verteilt. Ein Schuß kündigte den Beginn des Treibens an. Tamtams heulten, Schreckschüsse knallten, und immer in Gruppen gehende Treiber machten ein schreckliches Geschrei. Klappern und schrille Pfiffe tönten, die Elefanten trompeteten und schnaubten. In breiter Linie, zwischen die Treiber aufgestellt, bewegten sich krachend und prasselnd die Treiberelefanten, und ihre Mahouts, die auf dem Rücken der großen, grauen Tiere saßen, schwenkten die Ankusstäbe und schrien: »Jai, jai! Ei, ei!« Es war ein heißer, windstiller Vormittag, Moskitos schwärmten trotz der frühen Tageszeit, Fliegen machten sich lästig bemerkbar, schwere, trockene Luft lagerte über dem Dschungel.
Der letzte Schütze auf dem rechten Flügel war noch jung. Seine Nerven waren erregt und aufs äußerste angespannt, denn andere Erzählungen und Berichte alter Jäger kamen ihm in den Sinn, Schreckensgeschichten von Tigern und Leoparden. Das leise Raunen und Flüstern im Dschungel wirkte unheimlich, und wenn ein Pfau schrie oder ein Buschhuhn gackerte, fuhr der Mann erschreckt zusammen. Der alte Mahout vor ihm saß still und anscheinend teilnahmslos auf dem Nacken seines mächtigen Elefanten, seine bronzene Haut glänzte in der Sonne, als wäre der Mann ein metallener Götze seiner Heimat. Wären nicht die krausen Haare des Bartes gewesen, hätten nicht die blitzenden, beweglichen Augen des Eingeborenen Leben gezeigt, so hätte man den Mahout für ein Standbild aus einem Tempel halten können, so unbeweglich saß er auf dem Jagdelefanten. Der Riese unter ihm stand still wie eine Mauer. Rur hin und wieder bewegte er die Klappohren oder hob den Rüssel ein wenig, um Wind zu nehmen.
Prasselnd fährt ein Hirsch durch das Rohr, überquert den Bach. Der Jäger reißt das Doppellaufgewehr an die Backe, läßt es wieder sinken. Es ist nur ein Schweinshirsch; der ist heute kein Wild für ihn ... Irgendwo im Dschungel kreischen Atzeln, Massen von Finken schwirren vorüber, ein schöner, rotweißer Bussard kreist hoch im Blau über dem Bach.
Plötzlich ertönt lautes Treibergeheul; die Leute haben die große Katze gesehen! Ein Elefant trompetet schrill, Vögel kreischen, ein Schuß dröhnt, die Gongs machen einen Höllenlärm. »St-st!« macht der Mahout leise, hebt langsam die braune Hand und zeigt nach dem Dschungel. Leises Knistern, Knacken ... nichts zu sehen. »Schieß ihn«, flüstert der Hindu. Dem Jäger flimmert's vor den Augen. »Wo ist er?« Der Mahout zeigt jetzt weiter nach links. »Dort – der Tiger!« ... Das Gewehr des Schützen wackelt. Jetzt ist auch der Elefant erregt, er wittert das Raubtier, er hält den Rüssel hoch, er rollt ihn zusammen, steckt den Greifer ins Maul. Wieder Knistern – Rauschen, der Tiger steht frei am Bach. Einen Augenblick nur, dann überquert er ihn in leichtem Trabe. Ein Schuß – Rauschen, Knistern, Brechen Poltern – und dröhnend zwei Schüsse von drüben, wo der Kapitän Hutchison von den Lancers mit seinem Elefanten hält. Ein fürchterliches Brüllen! Affen, Hühner, Vögel zanken, und dazu ein Lärm der Treiber, als müsse die Welt untergehen oder die Paria hielten Volksfest.
Das Treiben ist zu Ende, Elefanten stampfen, schnauben, Vögel schreien, und am Sammelplatz liegen zwei der Riesenkatzen, vom Blei gefällt. Ein starkes Weibchen und ein jähriger Tiger. Aber Streifenfell, der »Mankiller«, ist nicht dabei.
Wieder umgehen die Treiber mit ihren Elefanten ein großes Dschungel und einen Waldabschnitt, wieder werden die Jagdelefanten mit den Schützen angestellt. Es ist ein Riesendschungel zwischen zwei Flüssen.
Und wieder Knattern und Rascheln, Scheuchen, wieder donnern die Los-Schüsse, schrilles Elefantentrompeten tönt, Affen schnattern und Vögel kreischen.
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Das wilde Elefantenrudel hat sich zusammengedrängt. Baumbrecher und Spritznase halten die Rüssel steil in die Höhe, um Wind zu nehmen. Im weiten Halbkreis hinten im Walde tönt der Lärm. »Wir wollen zur Seite ausbrechen,« sagt Baumbrecher, »wir schwimmen durch den Fluß und laufen drüben ins dichte Dschungel; dort sind wir sicher.« Die alte Spritznase schüttelt den Kopf, daß ihre Ohren klatschen. »Nicht so. Gewaltigster der Gewaltigen, Weisester der Weisen! Wenn wir nach der Seite zu ausbrechen, dorthin, wo es so still ist, laufen wir den Zweibeinen direkt entgegen. Die, die da so still sind, dort vorn im Dschungel und an den Seiten, das sind die gefährlichen Zweibeine. Die anderen, die da Lärm machen, hinten im Walde, das sind die Helfer der Zweibeine, die das Wild den bösen Jagdzweibeinen zutreiben. Folgt mir, doch wartet noch ein wenig. Ich nehme die Spitze, dann kommst du, Stärkster der Starken, und wir brechen alles nieder, was sich uns in den Weg stellt. Ihr anderen haltet euch dicht zusammen und nehmt die Kleinen in die Mitte, und wenn ich trompete, dann los!« So stand die Elefantenherde dichtgedrängt mit hoch erhobenen Rüsseln und wartete auf das Signal. Schüsse fielen ringsum, ein Pfau kam herübergestrichen, Buschhühner gackerten und hoch über dem Dschungel kreisten aasgierige Gänsegeier. »Sie wittern Beute«, meinte Spritznase. Hirsche flüchten an den Elefanten vorbei, ein Leopard jagt in langen Sätzen vorüber. Und wieder Schüsse, und näher das Gebrüll und das Schlagen der Tamtams. »Sie haben Elefanten bei sich, gefangene, die ihnen helfen müssen«, sagte Baumbrecher entrüstet.
»Ich glaube, es gilt nicht uns,« meinte Spritznase, »es gilt den Gestreiften heute.«
Da bewegte sich wellig das Dschungel, ein rotgelber Körper erschien, eine schwärzlichgestreifte Gestalt. »Das ist er«, meinte Trampelmann leise. »Bring ihn auf den Schwung«, befahl Baumbrecher, und Trampelmann rannte prasselnd einige Schritte auf den flüchtenden, erschreckten Tiger zu. Dann aber tönte das Ausbrechsignal der alten Führerin. Gellend klang der dreimalige Trompetenstoß – und wie eine ungeheure schwarzgraue Mauer setzten sich die riesigen Leiber der Wildelefanten in Bewegung.
Die Elefanten drüben blieben stehen, schüttelten sich, so daß sie fast die Mahouts abwarfen, hoben die Rüssel und trompeteten schrill, als die Wildelefanten ankamen. Doch schon war die prasselnde, donnernde Welle zwischen ihnen durch, polterte und krachte durch den Wald und war im Dschungel hinter dem Treiberringe verschwunden.
Aufgeregtes Sprechen, Schwatzen der Treiber, Zuruf, Flüche. Dann Stille. – – – Vorn noch ein paar Schüsse, Pfauenruf, Affenkreischen. Dann rasseln wieder die Tamtams, die Pauken dröhnen, und das Treiben nimmt seinen Fortgang.
Streifenfell war nur wenige Sätze geflüchtet, als er die Elefanten davonbrechen hörte. Als er sah, daß die Masse gerade auf den Lärm zu flüchtete, faßte er schnellen Entschluß; denn ein erfahrener Tiger weiß, daß die Elefanten klüger sind als alle anderen Tiere der Wildnis. Mit mächtigen Sätzen schoß er hinter ihnen her. Er jagte zwischen den trompetenden Jagdelefanten durch, er kümmerte sich nicht um das Geschrei der Treiber und Mahouts, er roch nicht das Blut der zerstampften Männer, die unter die Füße der rasenden Elefanten gekommen waren, er jagte durch das Dschungel, bis die Sonne tief im Westen sank. Er setzte seine Wahnsinnsfahrt fort, bis die Nachtvögel kreischten, bis die Fledermäuse und fliegenden Hunde flatterten und die Horneule über den Wipfeln klagte. Dann erst legte er sich bei einer kleinen Sumpfinsel tief im tiefsten Dschungel zur Ruhe nieder mit keuchenden Lungen und schlagendem Herzen. Zum ersten Male in seinem langen Leben hatte er Angst empfunden.
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Viel früher als der erschreckte Tiger hatten die Elefanten halt gemacht. Sie flohen nach dem Ansturm nur noch langsam, kamen an einen Fluß, badeten, kühlten sich ab und tranken. Und dann rauschten sie Leib an Leib durch die kühlende Flut, stiegen am anderen Ufer empor und nahmen gemächlich ihre Abendmahlzeit am Flußufer ein. Als die Sonne sank, hatten sie schon fast das ganze Abenteuer vergessen, und nur die Alten erinnerten sich des Schreckens vom vergangenen Tage. Baumbrecher, der neben Spritznase, Schneezahn und Bürstenwedel etwas abseits stand, um besonders saftige Bäume zu brechen, hörte plötzlich auf dem Pfade einen Elefanten kommen.
»Es kommt einer aus dem Dschungel«, meinte Baumbrecher zu Spritznase, »ja, ein einzelner, ein alter Fremdelefant. Ich rieche ihn deutlich, er muß schon ganz nahe sein.« Da tönte plötzlich ein schrilles, plärrendes Trompeten; die Altelefanten erkannten die Stimme des alten Tuskers. Schon hörte man das Schaben der Haut an den Stämmen, das Schmatzen des Schlammes, und nach einer Weile schob sich der borstige, runzlige Rüssel, der schwere, dicke Kopf des alten Tuskers aus dem Dickicht. Da erhoben die Elefanten ihre Rüssel und begrüßten den Alten mit fröhlichem Trompeten. Selbst Baumbrecher, der Sultan, vergaß ein wenig seiner Würde, schlang seinen Rüssel um den Hals des Alten und liebkoste ihn. »Da bist du ja wieder,« sagte der Sultan, »nach langer Fahrt, den Göttern sei Dank!« »Ja, da bin ich wieder, und ich habe viel gesehen und erlebt, sehr, sehr viel. Ich bin den Weg der Rache gegangen und habe gesiegt, und die Zweibeine zittern vor dir, o Stärkster der Starken, o Gewaltigster der Gewaltigen; denn ich bin dein Diener und der Diener des ganzen Stammes, und ich habe Rache an ihnen genommen für ihr Feuer!« Der Sultan dachte eine Zeitlang nach. Jetzt dämmerte ihm die Erinnerung. – Ja, richtig, die Pflanzung der Zweibeine, das Schilf, das Feuer und der Schreck! – »Erzähle«, befahl der Oberelefant. »Du hast recht getan, o Erfahrenster der Erfahrenen.« Der Altelefant blinzelte zum Himmel und meinte: »Noch ist der Mond nicht neu; ich kam rechtzeitig zurück, und es ist gut, daß ich wieder bei euch bin und euch wieder dienen kann. Doch zunächst erzählt mir, was ihr heute oder gestern erlebt habt, denn ihr riecht nach Aufregung und Zorn. Dann werde ich mein Abenteuer berichten, denn es ist wichtig, daß ich weiß, was euch am vorigen Tage geschah. Vielleicht kann ich euch raten, wenn ihr meines Rates bedürft. Was ich vollbracht, erzähle ich euch morgen; das ist so wichtig nicht.« Da nickte Baumbrecher und streichelte den alten, bescheidenen Elefanten mit dem Rüssel, und dann berichtete er von der Menschenjagd im Dschungel, von den Menschenelefanten und von Streifenfell, dem Tiger, und was die Herde sonst gesehen. Der alte Elefant hörte gespannt zu: »Ich glaube, wir müssen fort aus dieser Gegend«, meinte er dann; »wir wollen durch die Nacht wandern, ganz langsam nach den Hügeln zu, denn ich rieche es; bald kommt der Wind von Südwest und mit ihm der Regen. Dann werden hier die Flüsse hochgehen, und das Dschungel wird tiefer Sumpf, doch oben im Hochlande und in den flachen Tälern werden Wald und Dschungel grünen, und es wird Nahrung geben in Hülle und Fülle. Wenn aber morgen das Licht steigt, und die Pfauen rufen, wenn wir rasten werden von unserem Nachtmarsch, dann, o Erhabenster der Erhabenen, rufe die Ältesten des Stammes zusammen und höret den Bericht Stumpfzahns, des Alten!«