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In diesem Abschnitt, der zehn Jahre später spielt, hört der Leser von Feuer und Not im Dschungel, von Eifersucht und Bosheit unter den Elefanten und vom Kampf Baumbrechers mit Schneezahn. – Es wird auch vom Mungo berichtet und vom Leoparden, der in das Pferch Toomais einbricht, und von Toomais Rache am Getüpfelten.
Heiße, dürre Trockenzeiten kamen und gingen, Naßzeiten folgten, Regen verrauschte über Bergen und Dschungeln, und die Jahre zogen dahin zurück, woher sie gekommen waren, in die Ewigkeiten der Götter. Die Zeiten sind wie die Wellen des Meeres – sie kommen, sie branden auf, sie sinken zurück und rollen von neuem herbei, immer gleich und doch stets neu. Sie sind wie der Nebel des Meeres, der aufsteigt und sich zu Wolken ballt, der sich dichtet und niederschlägt, der in Quellen, Bächen, Strömen zum Meere fließt, um wieder aufzusteigen und wieder den Kreis zu vollenden, den Kreis, den das Leben überall schlägt, den ewiggleichen Ring ohne Ende.
*
Radha, der Sohn Baumbrechers und der Palmenreiße, war schon recht stattlich geworden. Er hatte noch einiges, graurötliches Haar auf der Stirn und im Nacken, war aber grau wie die großen Elefanten und zeigte nur einen kleinen Unterschied: große, gelbweiße Flecken auf den Ohren, am Rüssel und auf der Stirn. Die alten Elefanten kamen ihm mit besonderer Freundschaft entgegen, denn er war ja Baumbrechers, des Sultans Sohn, und trug die Zeichen der Götter. Ähnliche Zeichen trug Baumbrecher nicht, und nur der alte Tusker hatte weißgraugefleckte Ohren.
Radha hatte ein Schwesterchen, mit dem er gern spielte und dem er behilflich war, wo immer er konnte. Die Kleinen schlangen oft die Rüssel ineinander und rangen zum Schein. Radha aber tat stets, als wäre er gar zu schwach, um mit der Kleinen zu ringen, denn er wollte der Schwester eine Freude machen. Er beugte den Vorderkörper tief herab und legte den Kopf in den Staub, wenn er spielte, er machte Bockmännchen und lief im Kreise herum und spielte um die Mutter herum mit der Kleinen Haschhasch. Dabei quiekten die Elefantchen und schrillten Trompetentönchen vor Vergnügen. Die Altelefanten aber sahen freundlich zu und sagten zum Zeichen ihrer Freude: »Wumpff!« Besonders der alte Tusker hatte viel Spaß an den Kleinen und gab ihnen auch mitunter Unterricht: wie man Bäumchen reißt, wie man Äste bricht und ähnliches. Auch erzählte der Alte gern von früherer Zeit, von Sagen und Überlieferungen, von denen jeder rechtschaffene Elefant wissen muß. Und von den Göttern hörten die Jungen, von den Altgöttern Indiens, von Heldenelefanten und großen Radschas und ihren schönen Frauen, die auf dem Rücken schöner, großer Elefanten ritten. Sie hörten von Tigern, von Schlangen und Nashörnern, von Affen und anderen Tieren und mancherlei nützlichen Rat. Oft aber gab es Ringkämpfe unter den jungen Elefanten. Die Alten sahen dabei zu und freuten sich. Und Radha zeigte, daß er in seiner Altersklasse der Stärkste war, zum Stolz Baumbrechers und Palmenreißes. Dann aber war Radha nicht zart und nachgiebig, denn es galt die Ehre. Und sein Rüssel packte kräftig zu. –
Die elfte große Trockenzeit brachte besonders große Hitze und Dürre mit sich. In den Niederungen herrschte Hunger bei Menschen und Tier, und die Not war groß. Es war schon längst Mittsommer vorüber, ohne daß der feuchte Monsun kam, sogar das Immergrün des Waldes wurde welk, und die kleinen Flüsse führten kein Wasser.
Eines Tages roch die Luft unangenehm, sie war beizend und schwer, und unter der Sonne zogen dichte Schleier hin. Braungelbe Wolken, weißer Dunst wogten am Himmel, und das Licht wurde gelb wie Schwefel. Nur selten blickte die Sonne schwach durch die Dünste, wie eine kleine, mattrote Scheibe.
Einmal richtete sich eine schreckliche Kobra dicht vor Radha auf und zischte. Eingedenk der Lehren der Mutter und des Tuskers hob Radha den Rüssel und suchte die Schlange zu treten.
Die Kobra hackte nach den Füßen des jungen Elefanten und zischte. »Vorsicht, Radha, mein Liebling,« sagte Palmreiße, »hüte dich! Dort, wo die Hornplatten der Zehen sind, ist eine dünne Stelle! Wenn dich die Otter dort trifft, vergiftet sie dich! Hebe die Füße!«
Und die Mutter kam, um die Schlange zu zertreten. »Lasse mich es tun«, bat Radha, vorsichtig den Fuß hebend. Doch die Schlange reckte sich so hoch wie möglich, so daß Radha nicht treten konnte. Als aber Palmenreiße dicht herankam, floh sie und wollte unter eine Brettwurzel kriechen. Da traf sie ein Fußtritt Palmenreißes mitten auf den Leib. Es knallte ein wenig, denn der Leib der Kobra platzte, und ihr Rückgrat war gebrochen. Ohnmächtig zischte sie und fuhr beißend mit dem platten Kopf herum. Da kam Radha und schlug ihr den Kopf nieder. Und er trat auch mit dem anderen Fuße zu. Da starb die Schlange. Das war der erste Sieg Radhas über den Giftwurm, den alle Elefanten hassen.
Die Luft wurde immer beißender, immer übelriechender und schwerer. In der Ferne hörten die Elefanten ein Brausen und Rauschen, als ginge schwerer Regen nieder, und ein Donnern, als fetzte das Monsungewitter ein. Aber es stand keine Hochsommerwolke am Himmel – nur der gelbe Dunst wogte über dem Dschungel.
Als es Mittag war, kamen viele Vögel ängstlich schreiend angeflogen, Papageien und Atzeln, Finken, Ammern und Stare, ein paar Geier und viele Habichte und Falken. Auch Affen erschienen in Menge und schwangen sich von Baum zu Baum, ein Lippenbär flüchtete, und der Tiger brüllte ängstlich und böse. Antilopen verschiedener Art erschienen flüchtig, ein Nashorn brauste durch das hohe Gras, Pfauen schrien und Hühner gackerten.
»Es ist der rote Schein irgendwo ins Dschungel gekommen«, sagte Baumbrecher besorgt. »Wir müssen hügelwärts, denn das Feuer wird bald hier sein, und wir müssen dann ersticken und verbrennen.«
»Hügelwärts, um dort zu verhungern?« meinte Schneezahn ärgerlich und höhnisch. Er war fast ebenso groß wie Baumbrecher, hatte starke, weiße Stoßzähne und spielte in der Herde die Rolle eines zweiten Sultans.
»Es ist so, wie ich sage«, erwiderte Baumbrecher ärgerlich. »Wir werden ziehen, wie ich befehle.«
»Es ist Sitte von alters her, den Rat zu befragen«, wandte Schneezahn ein.
»Dann möge der Rat entscheiden«, sagte Baumbrecher zornig. »Rufe den Rat, Trampelmann, du Starker!«
Bald war der Rat beisammen und stand mit den Köpfen nach innen vor Baumbrecher, dem Sultan.
»Erhabene, kluge, starke Brüder und du, Spritznase, Erfahrene! Der rote Schein, das brennende Feuer ist in der Nähe, und der Wind treibt es hierher. Ich rieche es seit gestern. Wenn das Dschungel brennt, ist größte Lebensgefahr – auch für uns Elefanten! Darum schlage ich vor, ich, der Sultan, der wohl das Recht hätte, allein in Augenblicken der Gefahr zu befehlen, nach dem Hügellande zu fliehen, denn dort ist die Gefahr geringer, und Westwind und Regen kommen dorthin früher, als hierher. Ich habe gesprochen.«
Die meisten Elefanten des Rates stimmten zu, darunter Trampelmann, der Mutige, Spritznase, die Alterfahrene, Einzahn und Bürstenwedel, Stampfefuß und Kraftrüssel. Nur Schneezahn beharrte auf seiner Meinung, und Schlitzohr enthielt sich der Stimme.
»Oben ist es dürrer als hier«, sagte Schneezahn trotzig. »Da müssen wir hungern. Und es ist noch gar nicht gesagt, daß das Feuer hierher kommt. Jedenfalls ist deine Flucht übereilt, o Sultan, und man sieht, daß dein Herz schwach geworden ist und feige! Ich biete dir Trotz, o Baumbrecher! Lange schon paßt mir deine Selbstherrlichkeit nicht mehr! Du hast die meisten Weiber, die jüngsten dazu! Ich bin stark und klug wie du, klüger und stärker vielleicht! Wohlan – es ist die Zeit gekommen, die Zeit der Auslese unter den Weibern – lasse uns ringen um die Würde des Sultans!«
Da trat trompetend der alte, riesige, magere Tusker vor: »Erhabener,« sprach er zu Baumbrecher, höflich den Rüssel rollend, »es ist nicht Zeit, zu kämpfen heute! Das Feuer ist nahe! Tragt eueren Streit aus, wenn ihr in den Hügeln seid. Du bist im Recht, Erhabenster der Erhabenen, Sohn und Liebling der Götter! In wenigen Stunden ist das Feuer hier und – der Tod! Wir müssen eilen, um uns zu retten! Und ihr Großen, ihr Starken – denkt an die Kleinen – an die schwachen Kinder! Werden sie euch folgen können, wenn ihr flieht in letzter Not? Höret, ihr Klugen, Starken! Fliehet – denn recht sprach der Sultan, Baumbrecher, der Kluge!«
»Auf ein anderes Mal denn, Schneezahn, du – ›Sultan‹ ... Zu den Hügeln, wenn du uns folgst, noch ehe der Mond voll wird! Ich stehe dir, sei unbesorgt! Doch wenn du brennen willst hier unten im Flachlanddschungel – so brenne! Wer mit mir ist, folge! Spritznase – gehe an die Spitze, weise den Pfad! In Ordnung, ihr Elefanten! Und schnell fort, ehe das Feuer kommt, doch übereilet euch nicht, denn wir haben Kinder bei uns!«
»Langsam traben, gemächlich«, trompetete Spritznase. Und sie setzte sich an die Spitze des großen Zuges, der hinter ihr herdonnerte. –
Weit hinter dem Schluß der Herde trollten Schneezahn und Schlitzohr, und fünf jüngere Kühe waren bei ihnen.
Es war aber Schlitzohr, die Altelefantin, die erst kürzlich in den Rat aufgenommen war, die sich Spritznase nicht unterordnen wollte. Sie wollte selbst die Spitze führen. Und darum setzte sie Schneezahn zu, mit dem Sultan zu fechten.
Das Feuer brauste in den Tiefen des Dschungels. Es raste in den Pflanzungen der Menschen, es tobte bis zum großen Strom, es zerstörte die Anlagen der Weißen und Farbigen und tötete viel Getier. Schwarze Rauchsäulen wogten, breiteten sich aus, Flammen zischten, leckten empor, Bäume standen in rotgelber Lohe, Dschungelgras prasselte, knickte, Bambus flackerte, brach in Garben zusammen. Und schwefelgelbe Wolken, weißer Dunst, schwarzgrauer Rauch erstickten das Leben.
Viele der Menschen verbrannten, viele ihrer Dörfer gingen in Flammen auf, und die zu Gerippen abgemagerten, schwachen Leute flohen, brachen ermattet zusammen, erstickten in Rauch und Gas. Buschhühner fielen versengt in die Flammen, Pfauen und Singvögel verbrannten, sogar Tiger und Leoparden kamen in schreckliche Rot, und viele verbrannten.
Breithorn, der alte Gaurbulle, der trotzig gewartet, floh an der Spitze des kleinen Trupps neben der alten Leitkuh. Zu lange war die Herde im Tiefdschungel geblieben – jetzt prasselte das Feuer in nächster Nähe.
Die Kühe waren teilweise schwer, das hinderte schnelle Flucht ... Zu den Hügeln, zu den Hügeln! Die Gaurherde prasselte, knatterte durch das Hochgras. Hirsche flohen, angesengte Antilopen, Affen kreischten, ein Nashorn polterte durch das Grasland, warf sich in den halbtrockenen Tümpel, fuhr wieder hoch und setzte niesend und keuchend die Flucht fort.
Der Brand donnerte, dröhnte hinter den fliehenden Tieren her.
Was sich retten konnte, rettete sich. Doch viel Getier verbrannte im Busch.
Ghautal und Mali, sein Sohn, hatten sich ins seichte Flußwasser geworfen, außer Atem fast, matt und müde zum Sterben. Sie tauchten unter, so tief sie konnten, sie beugten die Köpfe nieder zum Wasser, um atmen zu können. So verharrten sie Stunde um Stunde. Mit schrecklichem Fauchen brannte das Dschungel ringsum. Doch die Stelle war günstig: nur saftige Büsche standen am Ufer und niedriges Gras, und die Sandbank dehnte sich weit. Viele, viele Tiere suchten dort Schutz. Da war keines mehr des anderen Feind! Büffel und Nashörner waren da, Hirsche und Leoparden, Wasservögel und anderes Geflügel barg sich hier, und sogar der Tiger kam ans Wasser zur Sandbank und leckte das kühlende Naß. Er fauchte, als er die Menschen sah, aber er tat ihnen nichts, denn übergroß war die Angst. Neben ihm rauschten Schweinshirsche in die klare, kühle Flut. Und er schloß die gelblichen Augen und legte den schweren Kopf in den feuchtkühlen Sand und verharrte reglos mit zitternden Flanken, bis der Brand vorübergetobt. Am dritten Tage aber schlich er von dannen, halbversengt war sein schönes Fell. Und alles Getier verstreute sich im schwelenden Dschungel, dessen Gerippe schwarz gen Himmel starrten. Blauer Rauch stieg noch in dünnen Fahnen unter Wurzelwerk hervor, Asche stäubte, wehte im Winde ...
Das Wild zog davon – hierhin, dahin mit schmerzenden Füßen, mit brennenden Lungen, krank, traurig und hoffnungslos.
Da aber raubte der Tiger, und sein Hungerbrüllen dröhnte durch den toten Busch ...
Und die Schakale und Geier kamen, die Füchse erschienen aus ihren Schlupfwinkeln und fraßen die gedunsenen Leiber der Toten. Der Tiere und der Menschen. ...
*
In Indien kommt die Hochsommerwolke schnell, auch wenn sie sich verspätete. Es donnerte im Südwesten, große Schleier flogen, Wolken ballten sich, Blitze zuckten, und der Monsun war da – sausend, zischend, brechend, was das Feuer stehen ließ. Schwall auf Schwall strömte die Flut des Himmels und bildete Lachen und Tümpel am Boden. Blaustrahl zuckte, Einschlag prasselte, Brülldonner hallte, gellende Schläge schmetterten, und der Regen trommelte, rauschte nieder auf Kohle und Staub, auf Asche und Brennstumpf. Teiche, Sümpfe, Seen. Rasende, braune Flüsse, Ströme – und dann ein Meer!
Und der Bambus trieb Schößlinge, spitz und gelbgrün, saftig und süß, das Buschwerk schlug aus und grünte, Gras schoß aus Wasser und Sumpf, breitblättriges Grün, Schlingpflanzen rankten, Asche ward zu Schlamm, Hartboden zu Brei. Und wieder war Leben im Dschungel. Schlangen krochen, Schmetterlingsraupen kletterten, Affen turnten, Vögel zwitscherten, Büffel schnaubten, und Hirsche weideten im Junggrase. Und der Tiger raubte. ...
Gar bald vergessen ist aller Harm, alle Not. Nur die Not des Alltags bleibt: Tigerkralle und Pantherzahn. Und die Not des Mannes im Dschungel. –
*
Die Elefanten standen im Regen und ließen sich's wohl sein, denn auch am Rande der Hügel trieb frisches, saftiges Blättergrün.
Der Mond wurde voll. Aber sein Licht schien nur durch Wolkenschleier, und selten nur zeigte sich die bleiche Scheibe am tiefblauen Riß der Nachtwolken, die bleich und zackig über den Hügeln schwammen, hinabreichten in die Spitzen der Bäume.
*
Es war die Zeit des Elefantentanzes. Die geheime, die Zeit des Neuwerdens der Riesen der Wildnis. Die Zeit der Götter des Erstehens.
Nur wenige Sterbliche sahen den Mondtanz. Und wer unlauteren Sinnes ihn sah, wer nicht reinen Herzens, wessen Gewissen belastet, der muß sterben, wenn er den Tanz der heiligen Zeit gesehen, ehe der Mond sich erneuert ...
Es waren aber Mali und Ghautal, sein Vater, die sich in die Hügel gerettet hatten vor Brand und Todesnot und dort den Panther jagten. Und sie saßen in einem breitästigen Baume, sicher vor Giftzahn und Tiger. Sie nächtigten stets in hohen Bäumen, wenn sie auf Jagdzügen waren. So sahen sie im Schein des Mondes den Tanz in den Hügeln, den Tanz der Riesen.
Der Regen hatte aufgehört zu rauschen – der Sturm machte Atempause. Es war still in den Hügelreihen, und nur das schwere Tropfen von den Bäumen klang durch die laue Nacht. Leise summten einige Insekten, die sich in der Regenpause hervorwagten, irgendwo kramte ein Bär am Wurzelstock, in der Ferne mauzte ein Leopard.
Da schoben sich große, graue Leiber auf die Wiese, gewaltige Gestalten. Silbern glitzerten breite, bucklige Rücken, Zähne blinkten, mächtige Rüssel schwenkten, schwere Tritte ließen das Erdreich zittern.
Kein Trompeten, kein Schnauben, kein dumpfes Brummen. Feierlichstill ist der Beginn des Festes der Elefanten des Dschungels.
Viele, viele Gestalten. Nur große Tiere, ältere und jüngere. Hier rechts die Bullen mit blitzenden Zähnen – dort die Altmütter, die Großmütter der Herde – abseits die jungen Kühe in drei, vier Reihen. Um sie geht der Tanz. Eine riesenhafte, uralte Kuh steht mitten im Kreise. Sie hebt den Rüssel, sie bringt gurgelnde Töne hervor. Und zieht sich zurück. Die Elefanten schwenken die Rüssel.
»Sie sprach, Vater«, flüsterte Mali.
»Ja, lieber Sohn,« antwortete Ghautal leise, »sie sprach von dem Willen der Götter. Und nun wirst du sehen, welch Fest die Elefanten feiern. Es gilt heute, die jungen Elefantenfrauen, die Mädchen der Herde, zu verteilen, denn sie sind mannbar. Und sie sind der Preis der Starken. Siehe – dort sind die jüngeren Bullen – auch sie sollen bedacht sein – zum ersten Male. Die aber, die da sprach und das Fest eröffnete, ist die Altmutter des Stammes. Ihr liegt es ob, die Jungfrauen zu mahnen und sie zu unterrichten. Nun kommt der Großelefant, der Sultan. Siehst du seine gewaltigen Zähne? Der Sultan aber ist der Vater der Herde – er mahnt die Jungen, die mannbaren Bullen ... Sitze ganz still, bewege dich nicht, damit die Elefanten nicht erschrecken. Sie könnten furchtbar werden in ihrem Zorn, wenn sie merken, daß sie belauscht werden!«
»Wumpff, wumpff!« sagte der Riesenelefant. Seine mächtigen Stoßzähne blinkten im Mondlichte. Dann murmelte der Sultan dumpfe Worte in der Sprache der Elefanten und hob den Rüssel steil in die Höhe.
Und er begann, seine schweren Füße zu heben, zu senken, im Takt. Sein mächtiger Rücken, mondlichtumflossen, wogte auf und ab, sein Haupt pendelte, sein Rüssel schwankte. Er trat, als liefe er Paß auf der Stelle, sein Tritt dröhnte. Und alle Elefanten im Kreise trabten, paßtrotteten, ohne sich von der Stelle zu bewegen, trampelten. Es donnerte dumpf, und die Erde bebte. Unzählige Rüssel hoben, senkten sich, schwenkten, unzählige Häupter, Rücken bewegten sich im Takt. Tum, tum, tum, tum, tum, tum! Nur eine Gruppe stand abseits und beteiligte sich nicht am Tanze. Silberweiß blitzten im Mondlichte die Stoßzähne des schweren Bullen.
»Der Bulle dort ist dem Sultanbullen feindlich«, flüsterte Ghautal. »Es wird zum Kampf um die Herrschaft kommen.«
Der Tanz war zu Ende. Der Sultan trat in die Mitte. Ein alter, schlotteriger, stummelzahniger Elefant ging auf ihn zu. Die Elefanten sprachen miteinander.
»Bei den Göttern der Hügel – es ist der alte Tusker, der Stumpfzahn!« wisperte Ghautal seinem Sohne zu, »derselbe, der damals, vor vielen Jahren, in unserem Dorfe war ... Ich kenne ihn an den weißen Ohrflecken!«
Die Unterredung des alten, schlotterigen Elefanten, der fast noch höher war, als der Sultan, dauerte lange. Es war, als ob der Tusker dem Sultan Ratschläge gab, denn jener hörte aufmerksam zu und dankte dem Alten durch Umschlingung mit dem Rüssel. Der Alte zog langsam fort und stellte sich in der Nähe auf.
»Der alte Rogue hat den Hauptelefanten beraten«, meinte Ghautal. »Jetzt wird der Kampf gleich beginnen. Du wirst sehen, o Mali, mein Sohn, daß der Elefantensultan siegen wird, denn der Tusker hat viel erfahren in der Welt und früher nicht nur selbst viele Kämpfe durchgemacht, sondern Klugheit von den Menschen gelernt und wohl auch Tücke. Wäre der Tusker jünger und in Vollkraft, so würde ihm kein Elefant des Dschungels gleichkommen, denn die Menschenarbeit stärkt die Kraft der Arbeitselefanten und unsere großen, zahmen Tusker sind viel stärker als die stärksten Wildelefanten! Sieh, – jetzt betritt der Elefant mit den weißen Zähnen den Ring! Wie groß und stattlich er ist! Fast so stattlich wie Kara-Nagh, der größte der Elefanten des Sahib, der unten am Meer arbeitet und oft als Jagdelefant dient.«
Die beiden Riesen näherten sich langsam. Plötzlich stieß der Weißzähnige ein wildes Trompeten aus und stürzte sich auf den Sultan!
Die Elefanten prallten aneinander und beide wankten zurück. Dann verschlangen sich ihre Rüssel, und die gewaltigen Körper schoben sich hin und her, drehten sich im Kreise, wendeten schnell, stöhnten, ächzten. Die Stoßzähne rasselten und klapperten gegeneinander, Erdreich flog, Dampf ging von den Kämpfern aus.
Jetzt gelang es dem Angreifer, seine Stoßzähne in die Seite des Sultans zu stoßen. Der Getroffene trompetete wild, warf sich herum und stieß seinerseits zu! Die Elefanten wirbelten jetzt umeinander, die Rüssel suchten günstige Stellen zum Packen, würgten, schlangen sich wieder raschelnd ineinander, ließen ab und verschlangen sich von neuem.
Jetzt hatte der Hauptelefant seinen Feind bis in die Nähe des Baumes gedrängt, auf dem Ghautal und Mali hockten. »Nimm dich in acht, Sohn,« warnte der Vater. »Wenn die Elefanten an den Baum stoßen, wird es einen furchtbaren Ruck geben – halte dich!«
Da krachte auch schon, von einem Gegenstoß des Feindes wankend gemacht, des Hauptelefanten mächtiger Leib gegen den Stamm! Fast wäre Mali herabgestürzt, so schwankte und zitterte der starke Baum!
Der Sultanselefant raffte sich auf, wandte sich, schob sich plötzlich zur Seite, stieß mit seinen Zähnen eine tiefe Wunde ins Vorblatt des Feindes und raste dem Taumelnden nach, mit der Stirn stoßend!
Der Zusammenprall knallte, als bräche der Sturm einen Baum. Der Weißzähnige wankte, strauchelte, stürzte, fiel rollend zu Boden!
Trompetend stand der andere über ihm. Der Geschlagene richtete sich mühsam auf, bekam noch ein paar Stöße und brach durch die Büsche. Der Sultan war allein im Ring!
Da hoben sich viele, viele Rüssel wie mächtige Schlangen, und ein Trompeten erschütterte die Luft.
»Es ist der große Ruf, der Sultansruf«, erklärte Ghautal. »Unsere zahmen Elefanten grüßen so den großen Sahib, den Gouverneur, wenn er kommt.« Der Sieger stand in der Mitte der Herde. Und langsam, im Takt, hob er die Füße und tanzte. Und der Ring stampfte und trabte auf der Stelle, Riesenleiber schaukelten, Rücken glänzten, hoben, senkten sich, Rüssel schwankten im Sultanstanz. Dann aber rangen zwei Paare junger Bullen miteinander um junge Weibchen. Erst als der Morgen rosig dämmerte durch die Schleier der nassen Wolken, war das Tanzfest zu Ende, und die Elefanten zogen von dannen.
Als der alte Rogue als Letzter unter dem Baume Ghautals und Malis durchzog, rief Ghautal leise: »O Herrlichster, Liebling der Götter und Menschen! O Kara-Pudmi, du Perle unter den Elefanten!«
Da blieb der alte Tusker stehen und hob die Ohren und lauschte.
»O Kara-Pudmi, Herrlichster von allen, Stärkster! Aia, jai! Weißt du noch von Ghautal, deinem Führer? Hörst du noch das Meer? Kara-Pudmi, Kara-Pudmi, Radha!«
Lange waren die anderen Elefanten fort. Kara-Pudmi aber stand unter dem Baum und lauschte. Und dann stieß er ein schrilles, klagendes Trompeten aus und lief den anderen nach. –
»Es ist Kara-Pudmi, meines Großvaters Elefant«, sagte Ghautal. »Es kann kein Zweifel sein. O – wir sehen uns wieder, Pudmi ... Du aber, Mali, bist ein Bevorzugter der Götter, denn du sahest den Tanz der Elefanten.«
Ghautal und Mali kletterten vom Baume. Und sie schlugen den Wog ein zur fernen Stadt. Denn bald mußte der große Regen kommen.
*
Toomai hatte sich während der Dürre und Hungersnot in das Dschungel begeben und hatte Appa bei sich, den Alten, und sein Weib und seine Söhne und deren Kinder. Und er baute sich für die Seinen Hütten im Walde, unweit des Flusses, und rodete ein Stückchen Land und pflügte es mit dem Dornpflug. Aber er hatte einen zahmen Büffel und zwei Zebus bei sich und sieben Ziegen und einige Schweine, denn Toomai aß Fleisch, nur das des Zebus nie. Auch zwei Hunde waren bei Appa und Toomai, und ein Hausaffe und ein Mungo als Wächter. Denn Affen sind neben Hunden die besten Wächter gegen jede Gefahr, und der Mungo schützt gegen Schlangen.
Aus starken, eisenharten Balken hatte Toomai den Stall für die Rinder gebaut. Da hinein trieb er die Tiere, wenn die Sonne sank, denn dann erwacht das Nachtleben des Dschungels. Hier waren die Rinder sicher vor Tiger und Leopard. Auch einen kleinen, aus hohem Bambus gefertigten Ziegenstall ohne Dach baute Toomai. Nur an der Seite war im Innern eine Hütte, in der die Ziegen Schutz bei Regen finden konnten. Ähnlich hatte er auch die Schweine untergebracht, die Hunde aber und Mungo und Tati, der Affe, lebten nächtens im Haus. Das Haus selbst stand auf doppelten mannshohen Pfosten, damit die Schlangen nicht so leicht hineinkonnten und auch die Raubtiere nicht. Nachts war die Tür verrammelt, und die Leiter wurde heraufgezogen. Unter dem Dach gab es eine zweite Plattform, die den Boden machte für leichtes Gerät und wo die Hühner ihre Wohnung hatten. Eine kleine Leiter führte auch dort hinauf, damit die Hühner abends heim und morgens herunter konnten. Nachts nahmen dann die Frauen die Leiter fort, damit kein kleiner Räuber zu den Hühnern hinaufstiege.
So hatte Toomai alles vorbereitet. Er hatte einige Rupien gespart, denn er war ein fleißiger, kluger Mann. Darum mangelte es ihm nicht an Saat und Samen für das kleine Land, und Vorrat war auch noch ein wenig da. Der große Dschungelbrand hatte den Boden der Rodung gut vorbereitet, und bald war der Acker fertig. Sorgfältig wurde gesät und gepflanzt; in der Regenzeit gingen der Reis und das andere Korn herrlich auf. Auch die Baumpflanzung gedieh prächtig, und Toomai und die Seinen sahen getrost in die Zukunft.
Rings um die kleine Siedelung und den Acker baute man hohe Verhaue. Wo Durchlässe waren, legte man Fallgruben an gegen Nashorn, Panther und Büffel und gegen den schrecklichen Tiger. Manche der Fallgruben, die alle sehr steilwandig und tief waren, hatten unten einen zugespitzten Bambus, auf den sich das Tier beim Hineinfallen spießen sollte. Oben waren die Fallgruben mit kreuzweise gelegten Bambusstäben zugedeckt, Blätter, kleine Zweige und Farnkraut, Moos und Gras waren darüber gedeckt. Wenn ein Tier auf die trügerische Decke trat, so fiel es sicher in die Grube; drei Leoparden hatten sich schon so gefangen und ein junger Gaur, der willkommen als Fleischvorrat war.
Auch eine schreckliche Schlagfalle war hergerichtet: wehe dem Tier, das unter ihr durchkroch und die Abzugleine berührte! Dann fiel das schwere Balkengerüst nieder, und spitze Bambusdolche durchspießten den Eindringling. Hier hatte sich schon in der ersten Zeit ein Bär gefangen, der gleichfalls willkommenen Braten gab. Rings aber auf Buschpfaden waren Schlingen gestellt, die ihr Opfer festhielten, wenn es mit der Pranke hineintrat. Dann kam Appa, der Alte, mit der rostigen, schweren Vorderladeflinte und schoß den gefangenen Räuber tot. Oder Toomais Söhne kamen mit Pfeil und Bogen und Toomai selbst mit der Lanze. Gegen die Leistenkrokodile hatte man eine pferchartige Vorrichtung getroffen, die einen kleinen Bogen im Fluß am Ufer absperrte, so daß Mensch und Vieh getrost baden und schöpfen durften – kurz, Toomai hatte für alles gesorgt.
Aber eines Nachts erwachte Toomai von einer Berührung. Er lag still, ganz still, denn er merkte, daß eine Schlange in der Hütte war. Er zitterte in dem Gedanken, eines der Kinder könnte erwachen, denn bei der geringsten Bewegung wäre die Schlange erschreckt und hätte gebissen. Wehe aber, wenn es eine Giftschlange war!
Es war fast dunkel, und Toomai konnte nichts unterscheiden. Plötzlich schrie der Affe auf! Die Schlange zischte. Der Affe keckerte und schnatterte ängstlich. Da hörte Toomai die Schlange weitergleiten, zur anderen Seite hin, wo der Hausrat lag ...
Wie eine schwere Last fiel es von Toomais Seele. Er schrie, weckte die anderen, machte Licht mit einem Span und sah eine Kobra!
Aber es war nicht die Kobra allein, die sich im Winkel bewegte. Mit glühenden Augen, mit gerundetem Rücken, gesträubten Haaren ging der Mungo vor der fauchenden Schlange auf und ab. Er stieß ein sonderbares Knurren aus, fast wie das Schnurren einer Katze. Er stellte sich hochbeinig, er wippte mit dem buschigen Schwanze. Die Kobra blies ihren Hals auf, richtete sich steil empor und folgte mit dem Kopf jeder Bewegung des Gegners. Sie wußte daß er der furchtbarste, unentrinnbarste Feind jeder Schlange ist, der Mungo, trotz Pfau und Schlangenadler. ... Zisch! fuhr sie auf den Mungo zu. Der aber sprang beiseite, als wollte er spielen, und stelzte wieder mit rundem Buckel umher. Plötzlich fuhr der Mungo auf die Schlange zu – die Kobra biß, fehlte im Stoß – wollte sich wieder aufrichten ... Doch mit einem Satz sprang der Mungo über sie hinweg und schlug seine spitzen Zähne in ihren Rücken! Zischend wandte sich die Schlange. Doch der Mungo ließ nicht los. Verbissen in ihren Nacken, rollte er mit dem windenden Leib des Gegners auf den Kokosmatten herum. Die Bewegungen wurden schwächer – Mungo hatte gesiegt. Er begann ruhig seine Mahlzeit ...
»Wie mag nur die Kobra hergekommen sein?« fragte Appa erstaunt. »So hoch klettert doch nur die Baumschlange und die große Tigerschlange!« Lange blieb das Erscheinen der Kobra ein Rätsel. Da entdeckte eines Tages Toomais ältester Sohn einen Schlangenleib in einer der korbgeflochtenen Stachelschwein- und Baumrattenfallen, die man zum Ausbessern heimgebracht hatte! Nun war das Rätsel gelöst: die Leute hatten die Schlange selbst mit einer solchen Stachelschweinfalle nach oben gebracht ...
*
Tüpfelbalg, einer der großen Leoparden, war eines Nachts über die Fenz gesprungen und hatte die Tür zum Ziegenstall aufgerissen. Die Hunde bellten in der Hütte und heulten vor Furcht, denn der Hund kennt den Panther als seinen schrecklichsten Feind, der Affe kreischte und die Rinder brüllten. Es war eine dunkle Nacht.
Tüpfelbalg riß drei der armen Ziegen und floh mit der einen aus der Fenz. Am anderen Morgen sahen die Männer den Schaden und hielten Rat: dieser Panther war schlau; er ging nicht in die Fallen ...
Appa wußte Rat: er band eine Jungziege mitten im Stall an und ließ die Tür offen. Die anderen Ziegen brachte Toomai in einem festen Verschlage unter. Appa machte eine sinnreiche Maschine: kam der Leopard wieder, so mußte er durch die Tür. Sobald er aber eine der feinen Schnüre berührte, die in kleinen Abständen hinter der Tür gespannt waren, schlug die schwere Dornfalle nieder, die Appa gezimmert hatte!
Zwei Tage vergingen. Dann – in einer Mondnacht hörte Toomai plötzlich jämmerliches Ziegengemecker! Und gleich darauf einen gräßlichen Schrei, ein schreckliches Todeskreischen, Fauchen, Brüllen!
Tüpfelbalg war in der Mordfalle! Er war gespießt von scharfen Bambusspitzen – wie eine Egge war die Prügelfalle auf ihn niedergestürzt! Wohl eine Stunde klagte die gespießte Katze. Dann war es still, und man hörte nur das aufgeregte Geschwätz der Nachtaffen im Walde.
Am nächsten Morgen holte man den Leoparden aus der Falle und balgte ihn ab, wenn auch sein Fell arg zerstochen war. Dann stellte man die Falle wieder auf.
An demselben Abend aber fing sich das Weibchen. Nun hatte Toomai für lange Zeit Ruhe. –