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Elftes Kapitel.

Hier hören wir von Büffeln und Tigern, von dem Königskampf der Elefanten und von Radhas Sieg, von Sir Francis und seinen Erlebnissen und vom tapferen Obersten Hutchison, von der Keddah und Savis Mißerfolg, von einem Taifun und der Flucht der Elefanten. Dann lesen wir, wie Ghautal und Mali den wilden Radha finden, doch wie Radha vor ihnen flüchtet. Kara-Nagh zeigt Sir Francis den Sterbeplatz der Elefanten im Dschungel und das viele Elfenbein. Sudu versteht Kara-Naghs Sprache. Wie Francis zurückkehrt ohne Radha und wie der Oberst seinen Freund findet ...

 

Die dicken, schwärzlichen Büffel lagen grunzend im Fluß, wühlten sich in den breiigen Schlamm, kauten Lotosstengel und Wasserrosen, schnauften und versanken, bis nur ihre mächtigen Nacken, ihre breiten Stirnen, ihre kauenden Mäuler und flachen Hörner zu sehen waren und kümmerten sich nicht um die Schar der Hutaffen, die mit vollen Backentaschen in den Uferbäumen hockten und mit Früchten nach ihnen warfen.

Zwei Tiger jagten gemeinsam nach Schweinen. Sie waren satt und kamen zum Fluß, um mit durstigen Zungen das Wasser zu lecken. Als sie die Büffel sahen, fauchten sie grimmig und zogen sich zurück – denn furchtbar ist des Büffels Zorn, und viele Büffel sind eine Macht.

Plötzlich aber erhoben sich auch die Büffel grunzend und schnaubend; es brach im Unterholz, und ein ungeheurer Elefant erschien. Die Büffel kamen langsam ans Ufer und zogen gemächlich fort – denn Herr über alles im Dschungel ist der Große, der Mächtige. Der Elefant verschwand, leise, wie er gekommen war, kehrte nach einer Weile zurück, und hinter ihm erschienen alte, gewaltige Kühe, mächtige Bullen mit weißen Zähnen und dann die Herde der Jungen. Zum Schluß kamen eine riesige, alte Kuh und ein heller, schöner Elefant, schlanker, als die anderen, höher. Ein Elefant mit Goldbändern um die weißen Stoßzähne und goldenen Zahnspitzen, ein Elefant mit weißen Flecken an Nacken und Ohren ...

Die Riesen tranken, spritzten sich, wedelten sich mit Zweigen, badeten. Und dann zogen sie langsam, wandelnden Hügeln gleich, ins Dschungel der Hills zurück.

Vom Dunkel des Dickichts aber lösten sich braune Gestalten, Männer mit Turbanen und weißen Schurzbinden, drei Männer.

»Es ist Radha,« sprach Ghautal, »er ist es – jetzt habe ich ihn gut gesehen«.

»Ja, Vater – es ist Radha«, bestätigte Mali. »Und er wird bei Vollmond Herr der Herde werden. Wie er groß ist und stark und hoch!«

»Wir müssen der Herde folgen«, mahnte Toomai zur Eile. Und der alte Jäger huschte hinter den Elefanten her, vorsichtig unter dem Winde.

»Hundert, zweihundert Schikaris und Trachus sind in den Hills«, sagte Mali beim Weiterschleichen. »Sie haben eine Riesenkeddha gebaut, klug angelegt beim Brown-Hill. Kaum, daß man sie sieht, selbst wenn man weiß, wo sie ist. Werden sich die Elefanten fangen?«

»Frage die Götter«, flüsterte Toomai. »Wenn Radha und Palmenreiße nicht bei der Herde wären ...«

»Ja – wenn ... Das kluge Tier wird gewitzigt, wenn es bei dem Menschen lebt und seine Tücken, seine Schlauheiten lernte! Weißt du noch, wie klug Pudmi war? Wie er aus der besten Keddha entkam, obwohl sich die anderen fingen? Klüger aber noch als Pudmi ist Radha, der Liebling der Götter und Menschen! Wir werden ihn in keiner Keddha fangen«, sagte Ghautal sicher. –

 

Wolken schwebten unter dem runden, goldschimmernden Mond. Große Leuchtkäfer brummten durch die Büsche, Nachtaffen lärmten in den Bäumen, und im Elefantengrase des Tales brüllte ein Tiger. Eine Herde Gaure brach durch das Gewirr der Kardomone- und Gambogebäume, prasselte plump im Itahdschungel und stieg langsam hinab zu den Auen.

Irgendein Tier kreischte seinen Todesschrei unter der Pranke des Leoparden, ein verschlafener Vogel gellte erschreckt, eine Eule kläffte, Fayu, das Füchschen, heulte im Rhododendron. –

Auf großer Wiesenebene, hoch in der Hügelkette, erschien eine ungeheure, mondbeschienene Gestalt – ein Elefant mit großen, weißen Zähnen. Hinter ihm wogten Leiber, ungeschlachte Massen, sie glitten auf die Halde, lautlos wie Geister ... Ein hoher, heller Elefant kam zuletzt, Gold glänzte auf Weiß im Mondschein.

Die Tiere richteten sich. Die Alten stellten sich in eine Reihe, die jüngeren Kühe, die Mütter, die Kälber standen abseits. Nur einige der Jungkühe blieben nahe dem Kreise der Gewaltigen.

Und es hoben sich viele, viel Rüssel wie schwarze Riesenschlangen zum sternfunkelnden Himmel, zu den silbersäumigen Wolken, zur bleichen Mondscheibe empor, und ein Ruf gellte, ein Trompeten, daß der Wald schallte bis zum fernen Brown-Hill und bis in die Blue-Mountains hinein, ein Ruf, der alles übertönte, Tigerbrüllen und Affenkreischen, Nachtvogelruf und Büffelgrunzen: Schriiii–äu–üüüü!

Und die Elefanten hoben die Säulenbeine im Takt und tanzten. Ihre mächtigen Glieder schwankten, ihre Rüssel baumelten, ihre Ohren flatterten. –

Lange, lange währte der Tanz. Bis der Vollmond weit hinten an den Wipfeln des Brown-Hill stand, durch das Geranks ferner Baumkronen schimmerte.

Dann aber stellten sich die Elefanten im Kreise auf, und der Sultan stieß einen herausfordernden Ruf aus ...

Da sagte Palmenreiße zu Radha, ihrem Sohn: »Radha – vergiß nicht, wie Baumbrecher, dein Vater kämpfte! Wie er sogar den mächtigen Schneezahn besiegte! Setze alle List ein in den Kampf, alle Klugheit, die dir Pudmi gab, alle Lehren, die du von Kara-Nagh bekommen hast!«

Und Radha antwortete mit schrillem, zornigem Trompeten und schritt mit hocherhobenem Rüssel auf den Häuptling zu. –

Eine Weile standen sich die Elefanten gegenüber. Der Sultan war fast schwarz, hoch und massig, seine Stoßzähne waren gewaltig. Er war viel stärker als Radha, der ja ein Jüngling wider ihn war.

Aber Radha war hoch und hatte lange Beine, mächtige, lange, wenn auch noch dünne Zähne, und seine Muskeln waren gehärtet durch jahrelange Arbeit.

Dumpf prallten die Fleischhügel aufeinander. Die Rüssel packten zu – Zähne stießen, bohrten sich in Panzerhaut. Elfenbein klirrte gegeneinander und Rüssel rangen. Radha, dessen Nacken stark war vom Schleppen mächtiger Teakholzblöcke, der mit dem Rüssel früher Balken geschleppt hatte, bekam das Übergewicht im Rüsselringen. Der Hauptelefant stöhnte und suchte, mit seinen kräftigeren Zähnen Radha zu verletzen. Aber der hellfarbige Elefant wich geschickt aus, und als sich die Zähne seines Gegners gegen seinen Schlund zu richten drohten, drehte er den Rüssel mit aller Kraft und bog den Kopf des Feindes zur Seite. Dann ließ er plötzlich los, mit einem mächtigen Ruck den Gegner schleudernd, stieß mit der Stirn vor, rammte die Flanke des Sultans ...

Es gab einen dumpfen Krach – ein Schwanken – Beine taumelten, stemmten sich – taumelten zurück ... Und der wuchtige Körper des Hauptelefanten rollte polternd auf den Boden!

Ein gewaltiges Trompetenkonzert hob an: »Heil dem Sieger!« Die Elefanten scharten sich um Radha. Und der Besiegte zog mit drei Kühen davon. –

Wieder ordneten sich die Elefanten in einer langen Reihe, mächtige Rücken standen nebeneinander, kamen ins Schwanken, wogten auf, nieder, und Hunderte gewaltiger Beinsäulen stampften den Takt des Tanzes der Jahrtausende, dröhnend wie ferner Donner, wie Beben der Erde. –

Vor allen aber tanzte der Sultan, der neue Herr. Der Elefant mit den vergoldeten Zähnen, der Hellfarbige mit den weißen Flecken auf Nacken und Ohren.

Dann zogen sie zu Tal, die Riesen: voran Palmenreiße, die zahnlose Alte, dann Radha, der König, und dann die anderen.

 

»Das war ein Kampf«, flüsterte Mali.

»Ja – Radha, Baumbrechers Sohn ...« Ghautals Stimme war heiser.

»Nur einer könnte ihn besiegen,« sagte Toomai, »Kara-Nagh, der Gewaltige und Kluge. Nur einem wird er folgen – Kara-Nagh, dem Meister.«

Die drei Jäger schlichen hinter den Elefanten her. –

 

Die Keddha war wohl gerichtet. Aber es sollte auf Wunsch des Maharadschas kein Schaufest werden, Lust und Nervenkitzel für Müßige, sondern ein Keddhafang, ernst und still. Sie wußten, mit wem sie es zu tun hatten, Singh und Savi, die Erfahrenen, Toomai, der alte Schikari. – Sie wußten, daß der geringste Verdacht diesen Elefanten hindern würde, auch schon den Keddhaeingang zu betreten ...

Die Jäger, die Treiber gingen mit äußerster Vorsicht zu Werke. Sir Francis und der Oberst, der Maharadscha und noch ein Brite hielten die Wacht an der Keddha, nur vierzig Mann waren am starken Zaun. Vierhundert Treiber in zwei Ketten drückten die Elefanten leise der Falle zu ...

Überall, im Halbkreise hinter der Herde, brannte das Dschungelgras. Alles Getier flüchtete, und Sauen, Hirsche, Panther und Tiger, Gaure und Büffel rannten zwischen den dichtgestellten Treibern durch, um sich zu retten, so daß Zusammenstöße unausbleiblich waren und vier Mann ums Leben kamen.

Weit hinter der Keddha, nasse Tücher um Kopf und Rüssel zum Schutz gegen den beizenden Rauch, standen Kara-Nagh, Bürstenwedel und mehrere andere Tusker, auch der mächtige Trampelmann. Sudu war bei ihnen und Machua, Rakhna und Ghautals Halbbruder, und andere Mahouts mit ihren Tuskern warteten auf das »Boxen« im »Ring«, in der Keddha. Diesmal würde man ihn bekommen, den schlauen Radha, meinte Mister Singh gutgelaunt, diesmal sei alles so gut eingefädelt ...

Sir Francis und der Oberst waren dicht am Keddhaeingang. Sie wollten selbst mit den geschicktesten Trachus die Knallkörper hinter den Elefanten entzünden, um sie vorzutreiben in den Ring. Sie wollten sich selbst am Noosen, dem Fesseln, beteiligen – solchen Sport gab es nicht oft!

»Er wird sich der Schwärmer erinnern, die ihn »mast« machten am Strom«, meinte Savi, die Feuerwerkskörper verteilend. »Gebranntes Kind scheut das Feuer – und sein Schwänzchen wird ihn jucken, wenn er an den Tag zurückdenkt!«

 

Graue Welle wogt – die vorderen Elefanten, gedrängt ... Ein hellfarbener Bulle mit Goldzähnen führt: Radha!

Die Herde donnert heran. Steil aufgerichtete Rüssel ...

Es ist still um die Keddha. Langsam, zögernd kommen die Elefanten in den Hals der Keddha – stutzen, ziehen weiter, drängen sich ...

Bumm! Ein Kanonenschlag hinter ihnen! Schwärmer zischen, prasseln, Raketen knallen, fauchen, leuchten!

Trompetend flüchtet die Masse vor!

Da löst sich ein mächtiger, grauer Leib von den übrigen – ein wildes Trompeten tönt – Goldzähne blinken – Staub wirbelt auf ...

Der Oberst steht tollkühn in der Mitte der Treiberwehr – wirft einen knatternden Frosch – eine Rakete zischt!

Ein vielstimmiger Schrei! Der Körper des Weißen wirbelt durch die Zweige – schlägt in die Äste der Teakholzbäume, fällt.

Ein riesiger, heller Elefant setzt seine rasende Flucht fort, mitten durch Flammen, Rauch, Menschenleiber – hinein in die Wildnis!

Eine alte Kuh folgt dem Goldzähnigen. Die Herde ist in der Keddha, bläst, trompetet, brüllt, tobt.

Eine kleinere Herde nur, an dreißig erwachsene Tiere. Da gibt es nicht viel Arbeit für Kara-Nagh, Trampelmann und Bürstenwedel, die »Boxer« und für die »Nooser«. Hunderte von Händen löschen den Dschungelbrand, Lungen keuchen, Kehlen schreien, fluchen. Der Brand glimmt, verlischt.

Die Nooser, die Boxer arbeiten. Eine kleine Schar aber zieht zum Fluß. Der Maharadscha, Sir Charles und ein paar andere. Mit dem schwerkranken Obersten Hutchison, dem heute der fremde Freund nicht zur Seite gewesen ...

Sir Francis lenkt die Fesselung mit Savi und Singh. Er ist froh, als die starken Tiere gefesselt, die jungen, die Mütter, die Kälbchen freigelassen sind ...

»Wir fangen ihn nie«, sagt er zu Singh.

»Wir fangen ihn nie«, sagt Savi.

»Nie ohne Mali, Toomai und Ghautal. Wo sind sie?« fragt Francis.

Man sucht sie. Doch niemand hat sie gesehen. Tief drinnen, im Berglande ziehen sie auf der Fährte des goldzähnigen Elefanten und Palmenreiße, seiner Mutter. –

Tiefe, schwarzgelbe Wolken ballten sich über der See, zogen ins Land.

Der Taifun war über Nacht gekommen von Bengalen her, von der sturmgepeitschten, schäumenden See. Er krachte die Bäume durcheinander, er wirbelte ihre Kronen zusammen, brach sie, drehte sie ab, Holz splitterte, ächzte ... Vögel wirbelten wie totes Blattwerk in der nassen, schwülen Luft, Blitze knatterten, Feuer flammte, Donnerschläge brüllten, tobten, rollten ... Rauschend fuhr der Regen nieder, brechend, schlagend, schwemmend. Die Bäche schwollen zu Flüssen, Flüsse wurden zu Strömen, Ströme zu Meeresarmen. Gelbschwarz der Himmel, finster der Tag. Taifun!

Drei Männer hocken unter dem Blue-Hill. Sie warten. Um sie ist die Hölle.

*

Unten im Dschungel überraschte der Orkan auch die Elefantenkarawane. Das Poltern und Krachen machte sogar auch die besonnensten Elefanten ängstlich. Nur die alte Pyari, die mit dem schwerkranken Obersten und einem der Briten nach der Küste unterwegs war, hatte schon so viel Vorsprung, daß sie ziemlich aus dem Busch heraus war. In einem Tal wartete der erfahrene Mahout den Sturm ab. Die Karawane wurde mitten im Dschungel überrascht. Die Bäume wogten durcheinander, ihre Wipfel peitschten. Da war es schwer, Rast zu machen, um das Unwetter abzuwarten, denn die »Nooser« und »Boxer« versahen den Dienst sehr schlecht, selbst ängstlich und scheu gemacht, legten sie sich einfach an die Erde. Da half die Arbeit Kara-Naghs nur wenig und auch Trampelmanns Besonnenheit und die willige Hilfe des schweren, phlegmatischen Bürstenwedels – viele der Gefangenen rissen sich los und verschwanden trompetend im Busch! Beinahe hätte der mutige Singh dabei sein Leben eingebüßt, und auch Savi und Rakhna kamen in Gefahr.

Erst am dritten Tage erreichte die Karawane mit neun gefesselten Wildelefanten die Küste und die Arbeitsplätze. Die stärkeren Bullen waren sämtlich bei dem Durcheinander entwichen.

Ein Taifun ist mehr als ein Sturm – er ist ein Orkan ein Wirbelsturm, der schlimmer ist als ein Wirbelwind in den nördlichen Meeren, böser als ein »Hurrican« in Nordamerika oder ein Wirbelsturm in der Steppe Asiens, denn ein Taifun ist ein tropischer Sturm, und in den heißen Ländern und Meeren toben die Elemente ärger als im kühlen Norden. Solch Taifun trifft meist irgendwo im mittleren oder südlichen tropischen Ozean auf, kann aber auch im Indischen Meere furchtbar wüten. Durch Schwankungen der Wärme entsteht ein Luftwirbel, breitet sich aus, nimmt Riesenformen an, bewegt sich, immer sich um sein Zentrum drehend, langsam vorwärts und richtet ungeheure Verwüstungen an. Meist bewegen sich die Taifune von Ost nach West und von Südost nach Nordwest, um dann im Lande zu verlaufen, nicht ohne vorher schlimmen Schaden an Schiffen, Häusern, Wäldern angerichtet zu haben. In der Ostmonsunzeit, im Winter, sind Taifune sehr selten, treten im Frühling häufiger, im Sommer oft auf und sind stets mit ungeheurem Regen und oft mit Gewittererscheinungen verbunden. Die Wetterwarten melden solche Taifune mit Sicherheit voraus – darum kann ein geschickter Schiffer ihrem Wirbel und der gefürchteten Mitte ausweichen, wenn er verständigt wird. Wehe aber den kleinen Schiffen, den Fischern, wehe den Pflanzern, den einsamen Häuslern! Große Gebäude werden auseinandergerissen, Dächer, Hauswände fliegen hoch durch die Luft, Bäume wirbeln durch die Landschaft, Tiere und Menschen ...

Das sind die Taifune des Stillen Ozeans, der indischen Meere, des südlichen Atlantischen Ozeans, die »Tornados« des Südens ...

Niedergeschlagen, müde und mutlos erreichten die Leute Sir Francis' die Küste. Es war kein Triumphzug wie sonst, wenn die Elefanten kamen ...

*

Eine Woche nach dem mißglückten Elefantenfang ging Sir Francis mit Rakhnas Bruder, seinem indischen Diener, um nach dem alten Hutchison zu sehen. Der Oberst war nicht zu bewegen, ins Krankenhaus zu fahren; er lag, in einen Liegestuhl gebettet, in seinem Bungalow am Strom und ließ sich von Bill, dem alten Diener, pflegen. Es waren dem Alten mehrere Rippen und ein Bein gebrochen, und die Ärzte hatten wenig Hoffnung, ihn am Leben zu erhalten.

*

Sir Francis, dessen alter Vater gleichfalls krank war und dessen Tage auch gezählt waren, hatte nach jahrelangem Urlaub den Abschied vom Militärdienst genommen, da er sich um Farmen und Holzplätze zu kümmern hatte und sich in die Geschäfte der Firma einführen mußte. Ihnen widmete er sich ganz und – der so geliebten Jagd im Dschungel. Trotz der Mahnungen seines alten Vaters hatte er sich kein Weib genommen: er war weltfremd geworden und fast menschenscheu. Ein Träumer, Jäger und Sonderling war Francis Bridgeman, der echte Sohn seiner Mutter, der Deutschen ... »Dream-Francis« nannten ihn seine britischen Freunde, »Dschungel-Francis«. –

Francis ging langsam die Stufen zum Bungalow des Obersten hinauf. Sein Diener trug allerlei Gutes: junge, gerupfte Dschungelhühnchen, alten Portwein und die ägyptischen Zigaretten, die der alte Soldat so gern mochte ...

Wie Träumer es oft haben, quälten Sir Francis trübe Vorstellungen. So innige Freundschaft ihn mit dem vornehmen, gebildeten Maharadscha verband – eine Freundschaft, der anfängliches, natürliches Mißtrauen des Inders gegen den Briten erst nach Jahren wich – so nahe stand ihm Oberst Hutchison, der einfache, tapfere, alte Soldat. Hutchison war ihm der nächste nach dem greisen, gutherzigen Vater, stand ihm aber vielleicht geistig, seelisch näher, denn der Oberst war Idealist und Schwärmer gleich ihm – kein Kaufmann wie der herzensgütige, doch aber britisch-trockene Sir Charles ...

Francis beschleunigte seine Schritte. »Weißt du noch, Mathua, wie der Gaukler auf dem großen Platz bei Benares vor uns allen in die Luft stieg? Wie er die endlose Leiter erkletterte, immer höher kam, in den Wolken verschwand? Du sahst es, und das ganze, indische Volk sah es. Auch ich habe es gesehen und Sir Hutchison ... Aber wie mein Vater und Sir Albert den Kopf schüttelten über diese »Narrheit«, weil sie den Gaukler auf dem Platz stehen sahen und nichts von Leiter und Aufsteigen? Und wie der Gaukler den Kern in den Blumentopf steckte und vor unseren Augen das Bäumchen wuchs?« »Ja, Sahib – ich weiß. Wir sahen es mit den Augen des Geistes unserer Heimat. Wer in Indien geboren wurde, der sieht es, der sieht die Gedanken, die Wünsche ... Sahib – wir sehen vieles, was das Auge der Kalten nicht sehen kann, denn wir sehen eine andere Welt ... Die anderen sehen nur das Tatsächliche, das Alltägliche, das, was man greifen kann ...«

»Sie sind besser daran als wir. Auch wir Europäer, die wir unter Indiens Himmel geboren wurden, sehen nicht, was ihr seht! Nicht alles ... Was ist – das »Tatsächliche«? Was ist – Wille? Es ist alles nur Vorstellung und Wille: wie wir uns die Dinge vorstellen, sehen wir sie, wie wir sie sehen wollen! Wer sagt uns, was »richtig« ist?«

»Sahib – es ist nichts richtig! Unsere Augen lügen wie unsere Ohren, und wir fassen nur, was wir vergleichen können, vergleichen wieder mit Dingen, die wir uns vorstellen ... Richtig werden wir sehen, wenn wir einmal die große Wanderung beendet haben ...«

Unten im Bungalow war Licht. Francis und Mathua-Soghal umschlichen auf Zehenspitzen das Haus, um nicht zu stören, wenn der Alte schlafen sollte. Der matte Schein einer Lampe mit grünlichem Schirm fiel auf die Straße – hier war das Arbeitszimmer, in das die Ärzte den kranken Oberst gebettet hatten – im Lehnstuhl, damit der Alte Luft holen konnte, denn das Liegen machte ihm Atemnot. –

Die beiden standen am Gartenzaun. Hier war der Boden höher – man konnte ins Zimmer sehen. Deutlich zeigten sich alle Gegenstände im schwachen Licht der Tischlampe. Der alte Herr saß am runden Tisch – augenscheinlich war ihm wohler, denn er trank Tee. Er rauchte eine seiner dicken Zigaretten dazu und sprach lächelnd mit dem alten Diener, der ihm Decken und Kissen zurechtschob. Weiß schimmerten die Köpfe der beiden Alten. Der Colonel mußte etwas Heiteres gesagt haben, denn beide lachten. –

So lag der Oberst eine kleine Weile. Es war, als schliefe er ein – der Diener ging in den Nebenraum. Man sah ihn dort hantieren. –

Plötzlich sprang drüben die Tür auf!

Francis erschrak: im Rahmen erschien ein Herr – ein hochgewachsener, dunkelbärtiger Mann in langem, schwarzem Rock ...

»Er« – der »Fremde« ...!

»Siehst du ihn?« fragte Francis den Inder.

»Ja – Sahib! Es wird ein Arzt sein ...«

»Nein – kein Arzt ...«

Der Fremde ging langsam auf den Obersten zu, schaute ihn freundlich an, ernst und gütig. –

Ja – ein schöner, feiner Kopf ... So hatte ihn der Oberst geschildert – er war's – »Er« ... Jetzt stand der Fremde vor dem Colonel, lächelte gütig. Der Kranke schlug die Augen auf – fuhr empor – breitete die Arme aus ... Ein Ausruf – ein Schrei! Der Oberst sank in die Kissen zurück. Der Fremde stand vor ihm. Trübe, traurig lächelnd. Er hob die Hand – er strich dem Alten über die Augen ...

Er nickte dem Toten zu – ging. –

Bill, der alte Diener erschien – erschreckt. Sah seinen Herrn zusammengesunken im Lehnstuhl – wächsern, bleich ...

Weit stand die Tür offen. Die große, englische Standuhr schlug, blieb stehen ...

Als Francis die Stube betrat, kniete der alte Diener vor seinem toten Herrn. Über des Obersten Zügen lag ein merkwürdiges Lächeln – wissend, glücklich ...

Es war still im Zimmer. Nur ein paar Nachtfalter summten um die Lampe. »Bill,« flüsterte Francis, »er ist glücklich, Dein Herr. Denn er hat seinen Freund gefunden – weißt Du – den, von dem er so oft sprach ...«

»Den – Freund ...? Ja – Herr – er sprach oft von ihm ... Was ist ...«

Francis nickte ernst. »Ja – seinen Freund. Weißt du nun, Bill, wer sein Freund war ...?«

*

Indien – Land der Geheimnisse, Land der Wunder! In deinen Hügeln weben die Geister, in deinen Bergen leben die Götter. In deinen Dschungeln rauscht der Odem der Vergangenheit, raunt der Hauch der Zukunft. Indien – Land der Ewigkeit, Land des Todes und des Lebens, der Vernichtung und der Auferstehung, Wiege der Tiere, Wiege der Menschheit.

Ewig sind deine Berge, deine Wälder, deine Dschungel. Denn die Götter sind bei ihnen. Lange, ehe es Menschen gab, warst du, Land der Träume, lange, nachdem der letzte Seufzer der Letzten verklungen, wirst du sein, du – deine Wildnis, dein Himmel, deine Seele ...

*

Ghautal, der weißbärtige Alte, und Mali, sein Sohn, hatten die Fährten der Elefanten im Sturmregen verloren. Umsonst suchten sie – traurig zogen sie ins kleine Jägerdorf, traurig vergingen die Monde, die Jahre. Es war dreimal Sommer, dreimal Winter. Sie kehrten nicht zurück zu ihren Herren. –

Eines Tages zur späten Monsunzeit fanden die Jäger die Fährten vieler Elefanten, die nach den Hills führten. Sie folgten – wenn sie auch wenig Hoffnung hatten, Radha zu finden. –

Am vierten Tage mühseliger Wanderung kamen die Jäger auf einen freien Platz im Itahdschungel. Hier war die Losung der Elefanten warm – starker Geruch der Riesen lag im Dunst des Abends ... Und die donnernden Geräusche verdauender Leiber rollten. –

Ghautal und Mali pürschten sich unter dem Winde an.

Da sahen sie – ihn, Radha, den Großen! Im Schein der letzten Sonnenstrahlen, die sich mit dem Silberglanz des Mondes mischten, stand Radha mitten auf der Blöße, umgeben von vielen Elefanten! Seine Zähne blitzten weiß und golden, die hellen Male schimmerten ...

»O Radha, Radha – Liebling der Götter und Menschen«, sprach Mali. »O Radha – kehre zu uns zurück. Erhabener, du Perle der Elefanten!«

Radhas Ohren klappten sich weit auf, sein Rüssel hob sich. Radha hörte die Stimme seines Freundes. Schon schien es, als wollte er näher kommen – da kehrte er plötzlich um, legte die Ohren zurück, stieß ein schrilles Trompeten aus, floh krachend durchs Unterholz. Und die Herde folgte ihm.

»Wir werden ihn nie bekommen«, sagte Mali trostlos. »Er ist wild geworden, er verzeiht die Beleidigung nicht! Denn die Menschen haben ihn dumm gesehen, sahen seine Angst! Nichts aber verzeiht ein Elefant so wenig wie die eigene Furcht und Schwäche, die er zeigte!«

»Sahst du die alte Kuh, die Mutter? Sie war nicht da, Palmenreiße, die Alte! Wo mag sie sein? Wenn wir sie fänden ...« Toomai sagte es – er machte sich selbst keine Hoffnung, er, der Unentwegte. –

»Wir müssen Kara-Nagh holen«, sprach Ghautal. »Er ist der einzige, der uns Radha bringen kann.« –

Ghautal und Mali blieben im Dschungel auf der Elefantenfährte. Toomai aber eilte, um Kara-Nagh zu bringen. Denn bald mußte der Reigen der Elefanten kommen, der Hochzeitsreigen und der Mondscheintanz. Kara-Nagh mußte dabei sein mit Bürstenwedel, Trampelmann und Pyari, der Klugen.

*

»Sahib,« sprach Toomai, sich tief vor dem Herrn verneigend, »gib uns Kara-Nagh und Sudu, gib uns die größten deiner Elefanten und Rakhna, Rakhnas Sohn! Dann wollen wir ihn fangen, den Schönen, und dein Freund, der Hohe Herr und Fürst, wird glücklich sein!«

Da ließ Sir Francis seine besten Elefanten satteln und zog mit ihnen ins Dschungel, um Mali und Ghautal zu suchen, die auf Radhas Spuren waren.

*

Es ist ein Tal im Walde von Naghpur-Hills, dort, wo ein Bergbach durch Felsgewirr dem Rehafluß zuströmt. Das Tal ist heilig, denn es ist das Tal des Todes, das Tal der toten Elefanten, die ihre Zeit gegangen sind unter Schiwas Himmel und unter Krischnas Gesetz. Dort sterben die alten Männer der Elefanten seit uralter Zeit, wenn ihre Tage erfüllt sind. Wer den Todespfeil, das Gift des tückischen Waldmannes, im Fleische hat, lenkt seine eiligen Schritte dorthin, denn er geht ein zu der Götter Herrlichkeit, wenn er es erreichte und in ihm starb. Wer aber starb unter Pfeil und Kugel, fern von dem Göttertale, der muß wiederkehren in die Welt der Plagen, sein Karma durchgehen, bis er seine Zeit erfüllt hat. Auch die Mütter, die vielen Elefanten das Leben gaben und dann ihre letzte Stunde kommen fühlen, wandern nach dem Tal der Erfüllung.

Nun wanderte Palmenreiße nach dem Tal – das Gift des braunen Waldmannes im Leibe. Vielen Elefanten hatte sie das Leben gegeben, lange die Herde geführt, viel gesehen, viel erduldet. Sie wanderte, wanderte ...

Es war Sehnsucht in ihr. Und sie wußte nicht, warum. Wußte nur, daß etwas sie drängte, etwas sie zog – weit fort – jenen Hügeln zu ...

Sie hörte den Schrei der bunten Vögel nicht, nicht das Gelächter der Affen und das Kreischen der Pfauen. Sie ging, ohne zu fühlen, ohne zu denken. Und es war seltsam leer und doch klar in ihrem Hirn – eine Kühle. Sie folgte uralten, längst bewuchertem Pfad. Sie kam zum Rehafluß, sie trank in ihm und zog weiter, hügelan, weiter. –

Und stand bei Aufgang der Sonne nach dreitägiger Fahrt im Tal. Bunte Falter fliegen hier, bunte Blumen blühen. Und marmorweiß sind die Felsen, die sich steil über den Grund erheben wie Mauern. Hier ist es still. Nur das Summen der Bienen und Sommerkäfer tönt und das Singen kleiner Vögel. Kein Affenkreischen klingt häßlich durch den ruhigen Wald der Coohölzer, des Ebenholzes und der Lianen, der blühenden Büsche. Höher als auf den Hügeln sind hier die Stämme, die zum Licht aufsteigen, und die Blumen haben einen eigenen Duft. Und hinten, wo sich das Tal im Kessel schließt, blüht die Lotosblume im blinkenden Teich. Hohe Palmen und die weißen Mauern des uralten Tempels spiegeln sich im Wasser. Krischna zu Ehren errichtete ihn ein Maharadscha, dessen Gebeine längst vermoderten, dessen Name längst verklang.

Palmenreiße tat sich nieder und dachte an das ewige Gesetz. Es war ihr wohl, wenn auch Todesschauer durch ihren mächtigen Körper zitterten und ihr Herz in zuckenden, dumpfen Schlägen schlug, die ihr wie ferner, dumpfer Glockenton im Hirn klangen. »Es ist wie das Mittagsläuten am Meere,« dachte sie, »wie das Klingen von den Schiffen der Menschen ...« Und Palmenreiße sah die Elefanten an den Baumstapeln, hörte die Rufe der Mahouts, das Klingen der schweren Hölzer, sah Kara-Nagh ...

Kara-Nagh! Da stand er – dicht vor ihr – hier im Tal. Er hob den Rüssel, streckte ihn aus, betastete ihre fieberheiße Stirn ... Kara-Nagh ...

Und Palmenreiße reckte ihren Rüssel dem Freunde entgegen, dem mächtigen Tusker, dem Vater, dem Führer der Elefanten. Und achtete nicht der beiden Männer auf Kara-Naghs Nacken, Sudus und des Weißen. –

Das Tal des Todes, der Erfüllung, birgt Wunder. Dem fremden Manne sind sie verschlossen und nur dem Sohn der Wildnis, dem Inder, der Brahmas Glauben im Herzen trägt, tun sie sich auf ...

Und Sudus Ohren hörten die Stimme Kara-Naghs wie aus unendlicher Ferne, und die Rede der Sterbenden. Und sein Hirn wurde hell, denn der Geist war über ihm und in ihm, der Hauch der Götter seiner Heimat.

»O Kara-Nagh, du Kluger, du Gebieter,« sprach Palmenreiße, o Kara-Nagh, du Liebling der Götter! Lasse mich sterben hier im Tal, denn süß ist der Tod nach der Erfüllung des Lebens! Und golden ist der Tod in der Freiheit! Ich gehe ein in die ewige Ruhe, denn mein Geschick erfüllte sich. Fern von den Menschen will ich sterben – störe nicht meinen Heimgang! Ich habe mein Karma hinter mir – das Gute und das Böse. Und ich sah zurück in alte Zeit, sah die Wandlungen des vielfältigen Ich, ging zurück die Wanderung meiner Seele durch viele Gestalten und Leiber ... Und vor mir liegt das Land der Geisternebel, aus dem niemand zurückkehrt ins Sein, das Land der Ewigseligen, der Frommen, der Guten, das Land der ewigen Lotosblume, in dem die Götter leben und die Seelen der Väter. Dort hat Ganesa keine Macht, denn verschlossen sind dem Gotte des Todes die Pforten. Kara-Nagh! Grüße mir Radha, meinen Sohn, grüße ihn, wenn du ihn siehst. Und ist es sein Geschick, daß er zurückkehre zu den Menschen, so führe ihn zurück ... Doch wollen die Götter, daß er bleibe im Dschungel, so lasse ihn ziehen, o Kara-Nagh!«

»Weise sprachst du, Gebieterin, o Gefährtin meines Lebens während vieler Jahre, göttliche Klugheit spricht aus deinen Augen! Glücklich bist du, o Mutter Radhas, daß dein Geschick erfüllt ist! Meiner aber harrt noch langes Karma, denn ich habe zu büßen. Noch dauert der Fluch, den die Götter sprachen über alle Kreatur. Auch Radhas Geschick hat sich nicht erfüllt – noch muß er sein Karma gehen, bis nach vieler Wiedergeburt seine Seele reif ist, die Götter zu sehen! Ich werde ihn suchen, ich werde ihn finden, ich führe ihn zurück zu denen, die ihn lieben, ihn ehren. Viel Leid brachte er, der Tränen sind viele, die um ihn flossen! Ich werde sie zum Versiegen bringen, o Gefährtin! Was frommt es ihm, dem Schönsten, dem Liebling der Götter und Menschen, im wilden Dschungel zu schweifen? Er hat den Göttern zu dienen und ihrem Statthalter auf Erden, seinem Freunde und Herrn! Denn es war Wille der Götter, daß die Menschen über uns herrschen, die Weisen der Menschen. Und wir, die Mächtigsten des Dschungels, sollen ihnen dienen, Gehilfen sein, Freunde, bis sich das Geschick erfüllt und das Alte stürzt, bis das Heilige sinkt und die Tempel der Götter fallen, bis die Heimat nicht mehr Heimat ist und die Kalten siegen über das Letzte, den Geist ... Dann ist unser aller Schicksal erfüllt, o Freundin! Und dann wird auch uns sich die ewige Pforte auftun – das Tor zu dem Lande, in das du ziehst!«

Also sprach Kara-Nagh, der Mächtige, der Weise.

»Du sprichst wahr. Göttlicher«, antwortete Palmenreiße, die Sterbende. »Pflücke einen Kelch der Lotosblume am heiligen Teich und bringe ihn Radha. Dann wird er erkennen, daß die Mutter es war, die ihn grüßte, daß sie ihn mahnt, zurückzukehren, denn seine Zeit ist noch nicht erfüllt. Wandere, Kara-Nagh! Und lebe wohl. Stärkster und Weisester!«

Kara-Nagh schlang seinen Rüssel um der Sterbenden Haupt. Der gewaltige Körper der alten Elefantenmutter richtete sich nochmals auf, sank langsam zurück in sitzende Stellung, fiel ...

Es war zu Ende. Radhas Mutter ging ein zu den Göttern. – Um ihm, dem Sohn, den Weg zu bereiten, die Pforte zu öffnen, wenn sein Karma erfüllt. –

Kara-Nagh stieß einen wehen Laut aus, einen schreienden Ruf. Dumpf hallte der Ton von den Felsen zurück, brach sich im Walde.

Und dann schritt der Elefant zum Lotosteich, brach einen Kelch, reichte ihn Sudu hinauf. Und wandte sich dem Talausgang zu.

Rings um Tempel und Teich bleichten die Knochen vieler, vieler Elefanten. Stoßzähne blitzten, alte und neue, große und kleine. Auch solche, deren Elfenbein mit Gold beschlagen, mit Kupfer ...

Keiner der Männer dachte an das Elfenbein, das Gold. Heilige Scheu war in ihren Seelen, Scheu vor dem Ehrwürdigen. Und sie warfen keinen Blick zurück auf die weißen und grünschimmernden Knochen, als Kara-Nagh sie aus dem Tale trug. Eilig war Kara-Naghs Schritt.

Als die Höhe der Hills erreicht war, breiteten die Männer die Arme der sinkenden Sonne entgegen und grüßten sie.

Sonne, Licht des Lebens,
Heilige Flamme des Himmels!
Nieder sinkst du in Ganesas Reich.
Kehre wieder, heiliges Feuer,
Lasse die Berge glühen, die Herzen der Menschen!
Erwecke das Leben, spende uns Licht!
Und führe uns aus dem Schatten des Todes.«

Also betete Sudu. Und Kara-Nagh beugte die Knie.


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