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Siebzehntes Kapitel

Dieser ehrenwerte Meister war gewissermaßen die Ergänzung des alten Hely in der Kunst der Holzbearbeitung. War letzterer auf der primitiven Stufe der Sargtischlerei stehen geblieben, so strebte der erstere nach etwas Höherem, und da er der sehr vernünftigen Ansicht war, daß dem Leben durch die Herstellung von Särgen nur wenig gedient sei, so verlegte er seine Tätigkeit an das andere Ende der menschlichen Laufbahn: er machte Wiegen. Wiegen auf Rollen, die man auf Spaziergängen im Freien vor sich herschieben konnte, und Wiegen auf Schaukelkufen, die man durch einen Strick und ein einfaches Loch in der Riegelwand mit der bewegenden Kraft eines Kuhschwanzes im Stall in Verbindung bringen konnte, so daß sich die sparsamen Mütter ein Kindermädchen und das eigenhändige Schaukeln der kleinen Schreihälse ersparten. Der fortschreitenden Entwicklung des Kindes folgte er mit Laufstühlen, deren Beine in kleine Gußrädchen ausliefen. Dann kamen Schulbänke, Kisten für Dienstmädchen und Koffer mit Eisenbeschlägen für Auswanderer; dazu Ehebetten ein- und zweischläfriger Natur und so weiter, bis zum Sorgensessel des Großvaters.

So begleitete dieser geniale Meister wie Schillers Glocke den Menschen auf seinem wechselvollen Gange und verabschiedete sich erst von ihm, wenn sein weniger gefühlvoller Kollege kam, um das Maß zu nehmen für die letzte Wohnung des Erdenpilgers.

Bei diesem Manne also, der es verstand, mit seiner Kunst so mannigfachen Anforderungen zu genügen, begannen die Lehrjahre des jungen Hely damit, daß man ihm eine blaue Schürze umband und ihm auf jedes Knie einen der zahlreichen Sprößlinge seines Lehrherrn setzte, die er nun, je nach der Laune seiner Pflegebefohlenen, bald in eine reitende, bald in eine wiegende Bewegung zu versetzen hatte. Denn gerade an dem, womit der Meister alle Welt versorgte, an Wiegen, litt er selbst bedauerlicherweise Mangel. Es hatte für ihn, wie für die meisten Handwerksmeister der alte Spruch seine Gültigkeit: »Da, wo im Dorf das Tor an einer Angel hängt, wohnt der Schmied.«

War der Andrang der Stoffelsdickschen Deszendenz ein allzugroßer, so daß der Lehrling nicht so viel Schenkel zur Verfügung stellen konnte, als zu Sitzplätzen verlangt wurden, so warf er sich auf alle viere, und auf dem Boden weiterkriechend überließ er seinen Rücken der gefälligen Benützung aller derer, die darauf ein Unterkommen suchten und es war ihm einerlei, ob die jugendlichen Reiter sich einbildeten, sie säßen auf einem Pferd, einem Esel, einem Kamel oder einem anderen Vieh.

Kam es ja einmal vor, daß keines der Kinder den Lehrling als Reittier zu benützen Lust hatte, so band die Meisterin die Ziegen von der Krippe und jagte ihn mit diesen vors Dorf auf die Weide.

Zur Winterszeit kam Pater Seraphikus aus einem fernen Kapuzinerkloster ins Land und logierte sich im Pfarrhause ein. Sein Zweck war, von Bauernhof zu Bauernhof zu ziehen und die Einwohner zugunsten seines Konvents an allerlei Naturalien zu brandschatzen. In einer solchen Notstandslage verlieh der Meister seinen Lehrling wie einen Sklaven gerne an das Pfarrhaus. So zog der Dorfteufel mit einem Sacke über den Schultern neben Gottes Sendboten her und schleppte Linsen und Bohnen, Kraut und Rüben, Hutzel und Schnitz aus dem ganzen Kirchspiel zusammen.

Zum Lohn für seine Mühe verlieh ihm der Kapuziner nach Beendigung ihrer Bettelgänge einen vollkommenen Ablaß, einige Heiligenbilder und versprach ihm nach seinem Tode noch ein paar Quadratmeilen vom bessern Jenseits zu Erb und Eigen. Daß der Lehrling oft im tiefsten Schnee ohne Sohlen an den Schuhen ging, erhöhte noch seine Ansprüche an das Himmelreich, das man ihm auch in anderer Weise näher zu bringen suchte.

 


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