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Neunzehntes Kapitel

Die Wogen politischer Erregung, die auch in dieses weltvergessene Tal kleine Spritzwellen warfen, brachten Wandel in die Verhältnisse. Das Jahr 1848 war gekommen und die Worte: Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit – unter denen sich ein jeder natürlich etwas anderes dachte – setzten sich im träg arbeitenden Gehirn dieser Bauernschädel fest und verdrängten, einmal eingenistet, alle Gegenvorstellungen, welche Pflicht und Gewissen auszuwerfen versuchten. Der Schmied lief von seinem Feuer, der Seiler von seinem Rad und der Hauderer ließ das Fuhrwerk auf der Straße stehen und lief dem Wirtshause zu. Dort fand man aufgeklärte Männer, die aus einer Zeitung heraus bewiesen, daß der Schullehrer und Gendarm nur Menschen von Fleisch und Blut seien wie jeder andere, daß Holz und Streu im Walde ohne Zutun der Menschen wachse und deshalb gemeinsames Eigentum aller seien, daß ferner die Polizeistunde abgeschafft werden müsse und der Pfarrer überflüssig sei. Um diese Forderungen bewegte sich das ganze politische Vorstellungsvermögen dieser Menschen, wie sich der Zeiger um das Zifferblatt dreht und nicht vom Platze kommt, obwohl er schon seit Jahrzehnten am Laufen ist.

Auch der Stoffelsdick ließ in Erwartung all der guten Tage, die jetzt kommen mußten, die Werkbank leer stehen, eilte ins Wirtshaus und sang das Lied: »Wir sein's ja die lustigen Hammerschmiedsg'sell'n.« Seine Familie darbte einstweilen und wartete, bis mit der Proklamierung der Republik der Bauer mit dem goldenen Pflug ackern könne, und der Wein aus den Gußröhren der Gemeindebrunnen liefe. Als aber bereits vierzehn Tage ins Land gegangen waren, ohne daß das goldene Zeitalter kommen, noch auch der Meister Vernunft annehmen wollte, griff der Michael Hely zu Hause ein. Seine Stelle als Kindermädchen legte er definitiv nieder und nahm den Hobel in die Hand und das Winkelmaß. Glückte auch im Anfang nicht alles, und wurde manchmal aus einer Kleidertruhe ein Holzkasten, so half ihm doch seine natürliche Begabung und ein in der Familie Hely von Generation zu Generation forterbendes Talent zur Schreinerei bald über die mancherlei Schwierigkeiten hinweg, so daß er gleichzeitig der Familie eine Stütze wurde und an seiner eigenen beruflichen Vervollkommnung arbeitete

Als der Lehrmeister sah, daß es auch ohne ihn ginge, schaffte er schon gar nichts mehr, trank was vor ihn kam, und wenn ihn der Alkohol zu Boden geworfen hatte, so dachte er darüber nach, wie er der Freiheit auf die Beine helfen könne. Diese seine Gedankenarbeit machte ihn in ungeahnter Weise zum Erfinder einer Waffe, von der er hoffte, daß sie im gegebenen Moment in seinen Händen der Schrecken aller Tyrannenknechte werden solle. Da er nämlich sehr richtig herausgefühlt hatte, daß der Krieg in der Nähe mit zu großem Risiko für das persönliche Wohlbefinden verbunden sei, so hatte er eine Sense an eine lange Stange befestigt. Mit diesem Mordwerkzeug gedachte er, hinter einer Mauerecke oder einem Baume stehend, in gefährlicher Weise in den geschlossenen Reihen der Soldaten herumzuhantieren. Aber bei all den Gedanken an das Blutbad, das er anrichten wollte, verließ ihn doch nicht ganz seine angeborene Gutmütigkeit, zumal wenn er überlegte, daß gewiß beim Militär mancher Bürgersohn sei, der eigentlich nur gezwungen mitmache und der lieber für die Sache der Freiheit fechten würde, als im Solde der Tyrannen. Für diese Sorte von Soldaten hatte er oben an seiner Stange einen eisernen Haken angebracht, womit er die Feinde näher an sich häkeln wollte, um ihnen das Wohl des Volkes in eindringlichen Worten ans Herz zu legen und sie dann bekehrt als neue Streiter für die heilige Sache hinter die eigene Front zu schicken.

Aber auch andere ernste Männer im Dorfe rechneten mit der Möglichkeit eines Zusammenstoßes der Freiheitskämpfer mit der Militärmacht und bereiteten sich so successive auf dieses Ereignis vor. Der Schuster Ranz hatte irgendwo eine alte Feuersteinflinte aufgetrieben und verknallte in einem abgelegenen Wiesental annähernd soviel Pulver, als er selber schwer war. Der lange Stangefranz hatte eine Heugabel auserwählt und übte nun fleißig an einem Düngerhaufen das Leutetotstechen, während der fette Kappehans, der das Plündern für den einträglicheren Teil des Krieges hielt, sich nur einen gediegenen Maltersack zugelegt hatte.

Eines Morgens nun klopfte es an den Fensterscheiben der Stoffelsdickschen Wohnung. Als der schlaftrunkene Meister den Flügel öffnete und auf die Straße sah, erkannte er die drei Weisen aus dem Morgenlande, felddienstmäßig ausgerüstet, und wußte nun genau, wieviel Uhr es geschlagen. Er tastete sich mit den Füßen in seine Hosenbeine, mit den Händen in die Ärmel seines Rockes, setzte seinen Hut auf und seiner Gattin das gemeinsame Ehebett allein überlassend, rief er, eben weil er nie daran dachte, daß sich so was ereignen könne, pathetisch aus:

»Und sollt' ich nimmer kommen,
Tirol ist groß genug!«

und ging.

Als der Mann im Hausgang war, setzte das Weib sich auf und verfolgte lauschend jeden seiner Tritte. Jetzt stieg er die Hintertreppe hinunter, dann dämpfte sich der Schall seiner Tritte; er war also auf dem Kiesboden des Hofes. Jetzt hörte man das Übereinanderrollen einiger Stangen, und jetzt wußte auch die Frau genau, was vorging. Die Revolution war also ausgebrochen, und ihr Mann holte aus der Hofecke seine furchtbare Waffe, um sie gegen die Tyrannenknechte zu gebrauchen. Bei dem Gedanken an das Unheil, das er anrichten werde, lief ihr eine Gänsehaut über den Rücken. Aber auch die andere Erwägung, daß möglicherweise nicht alle Leute das wohlgemeinte Gebaren ihres Mannes geduldig hinnehmen und sich wehren könnten, jagte ihr einen jähen Schrecken durch die Glieder. Mit einem Satze sprang sie aus dem Bett und riß das Fenster auf. Gerade wollte ihr Mann um die Scheuerecke biegen, als ihn die Worte: »Dicker, Dicker«, in die das geängstigte Weib all ihre Sorge und Liebe zu legen verstand, eben noch erreichten.

Der Freischärler stutzte, drehte sich um und fragte in einem Tone, der bereits die ganze eisige Kälte des Helden offenbarte: »Was ist los?«

»Geh noch einmal zurück, nur hier unters Fenster,« lockte das Weib.

»Ich will nicht,« sagte er zuerst. Schließlich tat er's doch.

»Hüt Dich vor den Soldaten, die könnten schießen, und, Dicker, vor allen Dingen geh nicht zu nah hin,« mahnte die Stimme vom Fenster.

»Dumme Gans,« sagte der Held, »für was hab' ich die lange Stange, wenn ich nahe hingehen wollte,« drehte sich um und stieß zu den drei Weisen aus dem Morgenlande, die ihn auf seinem Kriegspfade begleiteten.

Wie sie nun so durch den Ort marschierten und mit ihren genagelten Stiefeln das Pflaster mißhandelten, daß es laut aufschrie, öffneten sich allmählich die Türen der Häuser und einer um den anderen drückte sich aus dem traulichen Familienkreise und folgte dem Rufe der Freiheit. So kam es, daß sie bereits auf der Brücke vorm Dorf, die über den Lachsbach führte, eine Rotte waren, deren Kommando der Stangefranz übernahm, weil er der längste war von allen. Dieser Grund war offensichtlich und deshalb jedem einleuchtend.

Auf der Höhe des Stallenkandels glühte bereits der Frühschein des jungen Tages, und die Kriegerschar, die in seinem Glänze ging, begrüßte ihn, als ob er das leibhaftige Morgenrot der Freiheit wäre, mit Trommelschlag und Pistolenschüssen. Das hatte zur Folge, daß manchem von diesen Kriegern bereits das Pulver fehlte, lange bevor noch das Schlachtfeld erreicht war.

So oft man durch ein Dorf kam, quälte man das Kalbsfell der Trommel in der unbarmherzigsten Weise, schlug mit den Kriegsgeräten an die Läden der Häuser und stieß Drohungen aus gegen alle waffenfähige Mannschaft, die sich weigern würde, dem Zuge zu folgen.

Während derartig das Gros der Armee für die gute Sache eine lärmende Propaganda entfaltete, war der Kappehans bereits bei der Tat angekommen. Er schlug sich seitwärts in die Höfe, öffnete die Hühnerställe, trank die Eier aus und füllte seinen Sack mit jungen Sprößlingen aus dem Hühnervolke, denen er die Köpfe schonend ins Genick gedreht hatte.

So kam das Kriegsheer im Weiterschreiten immer mehr anschwellend in Bonsweiher beim Wirtshause an. Hier hauste der Hans Rotärmel, ein Mann von Mut und volkstümlicher Beredsamkeit, der in der derzeitigen revolutionären Bewegung eine Rolle spielte, wie weiland der Bundschuh in den Bauernkriegen. Er hatte ein Faß Apfelwein vor seine Schenke gewälzt und schlug den Hahn ins Faß, als eben die Tete des Zugs um die Ecke bog.

Mit diesem Momente endete die Führerherrlichkeit des langen Stangefranz und ging von der körperlichen Größe auf die geistige Überlegenheit über, nicht ohne ein gewisses feierliches Zeremoniell, wie es eben bei einem derartigen Wechsel der Macht üblich ist.

Voll militärischer Strammheit legte der seitherige Feldherr die Daumen an die Hosennähte, warf die Beine in einer Art Paradeschritt weit von sich, versetzte dadurch den Hühnerhof in ungeheuren Schrecken und stand nach Überschreitung einiger schmutziger Pfützen vor dem neuen Gebieter. Der abtretende General hatte sich eine kleine Ansprache ausgedacht. Da diese aber leider mit der Formel: »Melde gehorsamst« beginnen sollte und da der Stangefranz ein Stotterer war und kein M aussprechen konnte, so blieb es bei dem guten Willen und einem geradezu gefährlich aussehenden Verdrehen der Augen, während die Lippen in einer Art Brechbewegung alle Anstrengungen machten, das fatale Wort von sich zu geben. Dem peinlichen Schweigen machte der Rotärmel dadurch ein Ende, daß er mit dem rechten Zeigefinger herablassend winkte und den Stangefranz hinter der Front verschwinden ließ.

Nachdem die Mannschaft den Wein in unglaublich kurzer Zeit getrunken hatte, stülpte sich ihr neuer Führer den Heckerhut aufs Haupt, zog den langen Chevauxlegerssäbel aus der Scheide, kommandierte: »Vorwärts marsch«, und weiter wälzte sich der Zug dieser mehr als irregulären Truppe den Berg hinauf der Juhöh zu. Als man die wenigen an dem Waldessaum hin verzettelten Häuschen hinter sich hatte und in das nach der Rheinebene abfallende Tal hinuntersah, machte man die unliebsame Beobachtung, daß auf einer vorgelagerten Bodenwelle Kanonen aufgefahren waren. Auch begegnete man hier und da einer Ordonnanz, die in vollem Galopp querfeldein nach einem Ziele eilte, das man nicht kannte, unter dem man sich aber auch nichts Gutes vorstellte. Auch sah man vereinzelte Vorposten an der Waldlinie, die schrecklich grimmig dreinschauten und doch bei weitem noch nicht so fürchterlich waren, als die, welche man nicht sah, aber in ungezählten Exemplaren, überall im Buschwerk gelagert, vermutete.

Im Angesichte solcher Vorkehrungen wurde die Gesellschaft etwas kleinlaut. Verstummt waren die Pistolenschüsse und der laute Freudentaumel vom Vormittag und der Einzug der stillen Schar in Oberlaudenbach glich eher einem Leichenkondukt, als dem Zuge eines Heeres, dem der Sieg auf den Fersen folgt.

Der Kappehans, der mit seinem Sacke mehr als seinem Kriegsruhm förderlich in die Nachhut gekommen war, fühlte seinen Beruf zum Helden immer mehr und mehr entschwinden. Er revidierte deshalb in aller Eile noch die Hühnerställe der am Wege stehenden Bauernhöfe, schüttelte auf den Baumgärten die Stämme der Obstbäume und als er seinen Sack zu seiner Zufriedenheit gefüllt hatte, beschloß er zugunsten der übrigen auf weiteren Kriegsruhm zu verzichten und trat unter Vermeidung der Hauptstraße auf kleinen Seitenpfaden den Heimweg an.

Unterdessen waren die anderen auf einer Wiese angekommen, wo noch hunderte ihresgleichen in abenteuerlicher Bewaffnung Aufstellung genommen hatten. Beim Anblick so vieler hob sich der Mut des einzelnen in erfreulicher Weise wieder und da man im Augenblick nirgends die verhaßten Uniformen entdeckte und nur ganz vorn auf einer Bühne einen Menschen sah, der nach seinen Gesten zu schließen, etwas redete – was die Nächststehenden hören konnten – so fühlte man sich wieder einigermaßen der Situation gewachsen, klatschte Beifall zu den Ausführungen des Redners, wenn Beifall geklatscht wurde, und murrte, wenn gemurrt wurde.

Da hob mit einem Male aus der Menge ein Mann, den später niemand gesehen haben wollte, den Gewehrkolben an den Kiefer: ein Schuß krachte und eine Kugel zischte über die Köpfe der Versammelten hinweg. Auf der Bühne schwankte der Redner einen Augenblick, dann knickte er in sich selber zusammen, und ehe noch jemand so recht wußte, was geschehen war, stürzte er von einer Kugel mitten in die Stirne getroffen tot zur Erde nieder.

So starb der Landeskommissar Christian Prinz.

»Im Leben treu, ward ihm der Lohn, auch sterbend noch dem Vaterland zu nützen.«

Sein Tod bereitete dem revolutionären Drange der Odenwälder ein Ende mit Schrecken. Denn bevor noch irgend jemand aus dem Haufen dazukam, seine Spezialwaffen irgendwie zu verwenden, krachten Salven, und ein Hagelschauer von Flintenkugeln prasselte auf die Menge nieder. Wie eine Gazellenherde, in die der Tiger einbricht, stob die tolle Schar auseinander. Ein Paar gute Beine, das war das einzige, was sich in diesem Augenblick ein jeder wünschte, damit er die Zeit, welche die Soldaten zum Laden ihrer Gewehre brauchten, zu seiner Rettung möglichst weitläufig ausnützen könne.

Der Platz, auf dem die Volksversammlung stattgefunden, war wie mit Besen gekehrt. Am Boden wälzten sich einige Verwundete und beneideten jene, die neben ihnen still und ruhig lagen, um ihr leichteres Ende. Auf den Höhen, die das Tal umsäumten, sah man die Silhouetten fliehender Menschen scharf in das Blau des wolkenlosen Himmels eingezeichnet, für einen Augenblick auftauchen und wieder verschwinden. Auf allen Pfaden wimmelte es von Menschen, die alles, was sie trugen, weggeworfen hatten, um vorwärts zu kommen, die sinnlos einander überrannten und niedertraten, die nirgends Rast machten aus Furcht, eingeholt zu werden und nur das eine Streben kannten, womöglich mit jedem Schritt ganze Breitengrade zwischen sich und den schrecklichen Kriegsschauplatz zu legen.

Bei dem emsigen Bemühen der Masse, um jeden Preis vorwärts zu kommen, war der Vorsprung, den der Kappehans auf der Rückzugslinie anfangs hatte, bald überholt und wie auf dem Herwege befand er sich auf dem Heimwege bei der Arrieregarde. Da er außer dem beträchtlichen Gewicht des eigenen Körpers auch noch das der geraubten Hühner und Äpfel zu schleppen hatte, so bewegte er sich mit der ungefähren Geschwindigkeit eines Frachtfuhrwerkes schwerfällig durch das Weschnitztal und kam bei den Buchenwäldern des Stallenkandels an, als es eben zu dunkeln begann. Hier raffte er in aller Gemächlichkeit noch soviel dürres Holz zusammen, als er für nötig hielt, um einen Teil seines Federviehs bei Flackerfeuer braten zu können und schritt dann bedächtig der Heimat zu, mehr als die anderen zufrieden mit dem ersten Tage seiner kriegerischen Laufbahn.

Als er aus dem mondbeschienenen Wiesentale in den Schatten einbog, den die Häuser über die Dorfstraße warfen, hörte er Weinen und Klagen durch die geöffneten Fenster und sah Gestalten scheu und verschüchtert, mit allerlei Hausrat beladen längs der Dunghaufen, die vor jedem Hause saßen, hinhuschen. So sehr ihm diese Unruhe seines sonst so stillen Heimatsdorfes auffiel, so wußte er sich dieselbe keineswegs zu erklären, und daß das kopflose Gebaren der Leute irgend etwas mit der Schlacht von Laudenbach zu tun haben könnte, fiel ihm nicht im Traume ein. Mit sich und seiner Habe beschäftigt, hatte die Welt für ihn ihre Bedeutung verloren.

Wie er so im Dunkeln weiter lief, hörte er gerade vor sich ein unterdrücktes Schluchzen und im selben Augenblick stieß er mit einer Frau zusammen, die im Gehen die Augen mit der Schürze verdeckte.

»Ach Gott, Hans, Du bist's, hast Du meinen Mann nicht gesehen?« rief die Weinende, indem sie laut aufschrie und sich in ihrer Angst und ihrem Schmerze krümmte und wand, als ob der Kummer etwas wäre, was man wie ein schweres, auf uns lastendes Gewicht durch Muskelkraft von sich wälzen könnte.

Ob er den Stoffelsdick nicht gesehen habe? Das war eine seltsame Frage für den Kappehans. Freilich hatte er ihn gesehen, heute morgen noch, und da hatte sie ihn ja auch gesehen, und wenn sie nun zehn Stunden lang seinen Anblick entbehren mußte, so war das für den ausgetrockneten Junggesellen kein Grund, um die übertriebenen Klagetöne eines Weibes zu rechtfertigen. Er gab sich deshalb auch keine Mühe, die ihm angeborene Grobheit zu verbergen.

»Wart's ab,« herrschte er die Weinende an, »er wird kommen; wenn ich ihn in meinem Tabaksbeutel verpacken könnte, dann hätt' ich Dir ihn mitgebracht,« schob das Weib zur Seite und ärgerlich über den Zeitverlust, der den verlockenden Abendschmaus immer wieder um einige Minuten in die Ferne rückte, eilte er seiner Wohnung zu, die sich im Nebenhause einer Wirtschaft über einer baufälligen Stiege befand.

Als er durch das Hoftor trat, sah er aus dem Erdgeschoß einen ungewohnten Lichtschein dringen, der seine Neugierde stachelte, so daß er vor einer der Scheiben des Kellerfensters die Spinnweben entfernte und durch das von Schmutz und Alter geblendete Glas in die Tiefe zu sehen versuchte. Unten auf dem tiefen Schwarz des feuchten Bodens sah er im Scheine der Laterne seinen Hausherrn, den Bangertsfranz, vor einem Loche stehen. Mit besorgter Miene zählte der alte Graukopf sein Geld in einen Milchtopf, versenkte diesen in die ausgehobene Öffnung und verwischte die Spuren seiner Tätigkeit, indem er die Erde mit den Füßen wieder gleichtrat.

 


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