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Wen ein anmutiges Schicksal nach dem Mittagessen in den Bois de Vincennes hinausführt, der kann sich auf der Insel Dumesnil mannigfach belustigen: Er kann sich in einen der Büsche am Seeufer legen, auf den weichen Rasen und sich einfach seines Schicksals freuen. Oder er kann den Knaben zusehen, die aus dem Gymnasium direkt ins Gymnase hierhergeeilt sind, um unbeaufsichtigt und unkommandiert und unbekleidet (bis auf Schwimmhose) zu turnen. Oder kann sich der obbemeldete Glückliche an den unterschiedlichen Vergnügungsautomaten ergötzen, zum Beispiel am Elektrisierapparat, dessen Strom allerdings sein eingangs erwähntes anmutiges Schicksal aufkreischen läßt, damit die Aufmerksamkeit der vorübergehenden Herren erregt werde.
Auf einem Rasenplatz treiben dreizehn Burschen in Hemdsärmeln allerhand unvernünftiges Zeug. Der eine versucht, auf einen werten Freund hinaufzuklettern, ein anscheinend noch werterer Freund zieht ihn am Hosenboden und fällt selbst auf den Allerwertesten. Einer läuft auf den Händen, überschlägt sich aber plötzlich und bleibt nach einigen verzweifelten Zuckungen leblos liegen. Anlauf zum Sprung nimmt ein dritter, stolpert dabei und stürzt hin. Anfangs glaubt der Passant, einige besonders ungeschickte Parterregymnasten vor sich zu haben. Es stellt sich jedoch bald heraus, daß die jungen Männer den Ehrgeiz, Akrobaten zu werden, einmal besessen haben mögen, aber nun von einem anderen beseelt sind. Ihre gekrümmte Haltung ist Absicht, ihr Gang mit durchgedrückten Knien ist Absicht, und Absicht ist ihr Stolpern und Liegenbleiben. Man erkennt es, wenn sie bei einem Sturze mit Fistelstimme »o la la« rufen oder sich hinten an den eigenen Beinkleidern wieder in die Höhe zu ziehen versuchen: die dreizehn ahmen Zirkusclowns nach.
Wenn sie müde sind vom Handstand und vom Hinfallen, dann holt jeder seinen Hut von dem Kleiderhaufen, neben dem sehr viele große Geschäftsschlüssel liegen, und sie werfen den Chapeau mélon in die Höhe, um ihn mit dem Kopfe aufzufangen, o la la!, oder lassen ihn den Arm hinabgleiten und fangen ihn mit der Fußspitze auf, o la la! Zwei proben die Parodie des Boxkampfes zwischen Clown und dummem August: wie der Clown nach jedem gelandeten Hieb »stop« ruft und der gerade zum Stoß ausholende August daraufhin die Arme hochheben muß, bis der Kampf in eine Prügelei ausartet und schließlich damit endet, daß die beiden Champions weit voneinander entfernt auf der Erde liegen, beide halbtot, nur noch unsäglich matt mit den Händen in die Luft schlagend. Zwei andere spielen die Duoszene, in der sich der dumme August mit dem Clown »telefonisch« unterhält, bis ihn der Clown um hundert Franken anpumpt; da hört er plötzlich zu hören auf, der Apparat funktioniert nicht mehr, o la la! Und was der infantilen Scherze mehr sind, die uns im Zirkus so gefallen, weil sie eben infantil sind, derart überraschend blödsinnig, daß man lachen muß.
Die dreizehn jungen Leute sind samt und sonders Handlungsdiener. Sie sind Pariser und lernen diese alten Manegewitze im Tonfall der englischen Sprache und mit großem Ernst. Aus der inneren Stadt sind sie in der Mittagspause mit der Untergrundbahn hierher nach Vincennes gefahren, drei Viertelstunden nimmt die Reise hin und zurück in Anspruch. Eine Stunde lang können sie üben. Sie sagen, daß sie das nur zum Sport tun. Aber aus Sport kann man wohl einen Sport betreiben, aber nicht die Parodie eines Sports. Und sicherlich wird jeder von ihnen eines Abends dem Buchhalter die Ladenschlüssel hinwerfen und in einem Vorstadtzirkus als Diener Beschäftigung suchen, dort wird ihn der Clown als Zielscheibe seiner Witze bald herausgefunden haben, und einst wird kommen der Tag, an dem der heutige Geschäftsdiener in grellseidenem Narrengewand, die Kegelkappe über weißgepudertem Gesicht und kugelglattem Schädel, in die Manege tappt. Er wird kein so berühmter Clown werden wie Little Pitch oder Chaplin oder Mr. Chocolade oder die Frattelini oder ein anderer der Großen, die in Paris populär sind: Die können das alles wirklich, was sie parodieren, die sind gewiß schon als zweijährige Kinder von Papa den Zirkusgästen vorgeführt worden und kennen ihr Publikum und bringen ihm, was es will. Doch die dreizehn Handlungsdiener sind gelernte und geborene Handlungsdiener, und was sie hier allmittäglich am Ufer des Dumesnilsees im Bois de Vincennes tun, ist nichts als eine mehr oder minder gute Kopie abgebrauchter Zirkusscherze, von denen dreizehn auf ein Dutzend gehen.
In allen Schichten gibt es Sehnsucht nach Kunst. Der Arbeitersohn hat oft den Ehrgeiz, ein berühmter Koch zu werden. Der junge Geschäftsdiener will es zum meisterhaftesten Akrobaten bringen. Und der Gymnasiast träumt davon, unsterbliche Dramen zu dichten. Nichtsdestoweniger wird zumeist jener Arbeitersohn nicht mehr als ein Kellner in einem kleinen Gasthaus, jener Geschäftsdiener nur ein Clown im kleinen Zirkus und jener Gymnasiast bloß ein Reporter, der über die kleinen Clowns einen Artikel von fünfundachtzig Zeilen schreibt.