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Einleitung.

Cook hielt zwar das Daseyn eines Continents in der Nähe des Südpols für möglich, indem er der Meinung war, daß sich Eis nur in der Nähe des Landes bilden könne, und daß daher die ungeheure Menge von Eis, welches man in den Südpolar-Regionen findet, nur seinen Ursprung in einem großen, in der Nähe des Südpols sich befindlichen Kontinente haben könne; aber er war auch zugleich bestimmt der Meinung, daß dieses Südpolar Land nie werde entdeckt werden

Zwei Probleme haben seit Jahrhunderten den Geographen, besonders den Seemann beschäftigt: das Auffinden eines südlichen Continents und das einer nördlichen Durchfahrt aus dem Atlantischen Ocean nach dem Süd-Meer, oder umgekehrt, aus dem Süd-Meere in den Atlantischen Ocean. Das erste Problem wurde von dem unsterblichen Cook gelöst; er vernichtete während seiner zweiten Entdeckungs-Reise das südliche Continent, dessen Existenz man für nothwendig hielt, um das Gleichgewicht zwischen beiden Hemisphären zu erhalten, und an welches die berühmtesten Geographen aus der Mitte des letzten Jahrhunderts, wie De Brosses und Dalrymple, den festesten Glauben hatten, indem sie sogar die Gränzen so wie die wahrscheinliche Volksmenge desselben bestimmten. Vor Cook sank es in den Schooß des Oceans, und ließ, gleich dem grundlosen Gewebe einer Vision, keine Spur zurück » and like the baseless fabric of a vision left not a rack behind.« Ich erfülle hiemit den Wunsch des Verfassers, eines Zöglings, auf den ich stolz bin, seiner Reisebeschreibung einige Worte von mir voranzusetzen. Es war dieß auch der Wunsch seines unglücklichen Vaters, meines unvergeßlichen Freundes, mit dem ich so Jahre hindurch in steter inniger Verbindung gelebt, den ich brüderlich geliebt habe, und dessen Tod ich, gewiß mit Vielen seiner Freunde, und wohl mit dem ganzen unpartheischen Publikum nie aufhören werde zu betrauern. Krusenstern. Das zweite Problem, ist noch bis auf diesen Tag der Gegenstand hypothetischer Theorien und praktischer Anstrengungen. Dreihundert Jahre hindurch, hat man vergebens die Verbindung der beiden Oceane gesucht, die größten Seefahrer aller Nationen haben Theil an den Versuchen genommen, dieses schwierige Problem zu lösen; doch waren es die Engländer vorzüglich, welche, wie in allen Unternehmungen zur See, sich auch in dieser auszeichneten. Ihnen verdankt man den ersten Versuch, und mit der ruhmwürdigsten Beharrlichkeit haben sie ununterbrochen bis jetzt ihre Versuche wiederholt; auch sind sie es aller Wahrscheinlichkeit nach, welchen man endlich die Gewißheit über das Seyn oder Nichtseyn dieser merkwürdigen Passage wird zu verdanken haben. Hätte das Schicksal Cook's Leben gefristet, vielleicht wäre sie schon gefunden; und wäre sie auch nicht von ihm gefunden worden, so hätte er wenigstens die Unmöglichkeit derselben bis zur Evidenz erwiesen; denn was Cook nicht möglich war, konnte einem Andern kaum möglich werden. Auch Rußland, das seit Peter dem Großen eine Marine besitzt, und nie gleichgültig gegen das gewesen ist, was zur Erweiterung der Wissenschaften beitragen kann, hat nicht andern Nationen in dem Aufsuchen einer nördlichen Durchfahrt nachstehen wollen, und während zwei auf einander folgenden Jahren, waren drei Schiffe, unter dem Befehl des verstorbenen Admirals Chichagoff, Vater des jetzt lebenden Admirals, beschäftigt, gerade im Norden zwischen Grönland und Spitzbergen, diese Passage zu suchen. Die Expedition hatte das Schicksal aller frühern Versuche dieser Art, ohne daß dem Befehlshaber irgend eine Schuld beigemessen werden konnte, eben so wenig wie dem Lord Mulgrave, welcher sieben Jahre später von England, auch in der nämlichen Richtung wie Admiral Chichagoff abgeschickt ward, und nur um 12 Minuten weiter nach Norden kam, als der Russische Befehlshaber. Cook's dritte Reise, obgleich nicht von ihm selbst beendigt, schien endlich allen Zweifeln über die Möglichkeit einer nördlichen Durchfahrt ein Ende gemacht zu haben; jedoch wissen wir nicht, ob der große Mann wirklich auch selbst daran verzweifelte. Die Untersuchungen in der Berings-Straße brachten ihn das erste Jahr bis zum 70sten Grade, wo das Eis ihn hinderte weiter vorzudringen; demungeachtet beschloß er, das folgende Jahr seine Untersuchungen daselbst fortzusetzen, was freilich leider nicht er selbst ausführte; indeß beweist der von ihm gefaßte Entschluß, daß er nicht an der Möglichkeit, wenn auch nicht eines vollkommenen Gelingens, doch wenigstens weiter nach Norden und Osten vorzudringen als das Jahr vorher, verzweifelte. Man kann die dritte Reise Cook's für den letzten Versuch ansehen, den man im vorigen Jahrhunderte zur Lösung des berühmten Problems gemacht hat; denn der Zweck der Reise des Capitain Vancouver war nicht das Aufsuchen einer nördlichen Durchfahrt, wie man nach dem Titel der Reise es glauben konnte, sondern eine genaue Untersuchung der ganzen Küste von Amerika von 30º Breite bis zur Cook's-Einfahrt. Es verstand sich von selbst, daß, hätte man bei dieser Untersuchung eine Verbindung irgend eines tiefen Einschnitts mit der Baffins- oder Hudsons-Bay gefunden, eine solche von Vancouver wäre erforscht worden; es war aber mehr als wahrscheinlich, daß eine solche Verbindung südlich von Cook's Einfahrt nicht gefunden werden würde, denn schon bei der Abfertigung von Cook hatte man anerkannt, daß eine Verbindung, falls sie existire, nicht südlicher als 65º zu finden sey, indem die genauen Untersuchungen des Capitain Middleton und der Capitaine Smith und Moore erwiesen hatten, daß von der Hudson's-Bay aus, eine Verbindung mit dem Süd-Meere unmöglich sey. Die höchst genaue Untersuchung Vancouvers der westlichen Küste Amerika's bewies, daß diejenigen, welche Cook's Instruction verfaßt, nicht Unrecht hatten vorauszusetzen, daß die Durchfahrt nur im Norden von dem 65sten Grade der Breite zu suchen sey.

Nur wenige Jahre nach Beendigung der Cook'schen Reise, trat in Europa ein Zustand der Dinge ein, welcher solchen Forschungen höchst ungünstig war. Die französische Revolution brachte eine solche Masse von Unglück über alle Länder Europa's, daß man an dringendere Bedürfnisse zu denken hatte, als Unternehmungen zu veranstalten, deren Erfolg so problematisch schien; ja selbst bei den während dieser Zeit unternommenen, die sicherern Gewinn für die Wissenschaften versprachen, waren die Folgen des allzerstörenden Revolutionsgeistes nur zu sichtbar. Wenigstens war dieß der Fall bei den von Frankreich aus, abgefertigten Entdeckungs-Reisen, indem z. B. die zum Aufsuchen von La Perouse abgefertigte Expedition unter dem Befehl eines der geschicktesten Offiziere der französischen Marine, sich vor ihrer Beendigung auflöste; und daß die einige Jahre später ausgerüstete, ebenfalls mißlang, daß wenigstens die Resultate nicht so glänzend waren, wie man sie von einer mit allen Hülfsmitteln reichlich versehenen Ausrüstung erwarten mußte, davon lag wohl auch nur der Grund in dem noch nicht zur alten Ordnung zurückgekehrten Geiste der Kaiserlich-französischen Marine. Ja wenn wir auch das Mißlingen derselben nur der Unwissenheit des vom Geiste der Entdeckung und der Wissenschaften durchaus gar nicht beseelten Befehlshabers Es ist merkwürdig, daß in dem, von Perron herausgegebenen Journale der Reise der Schiffe Geographe und Naturaliste der Name des Chefs auch nicht einmal genannt ist, gleich als ob man fürchtete daß der Name eines Mannes, dem unverdienter Weise das Schicksal so wohl wollte, an die Spitze einer Entdeckung-Reise gestellt zu werden, auf die Nachwelt komme. zuschreiben wollten – so läßt sich doch wohl denken, daß bei einer andern Ordnung der Dinge keine solche Wahl getroffen worden wäre. Und nun die Behandlung des Capitain Flinders. Vertrauend auf die Heiligkeit der ihm gegebenen Pässe, und nicht ahnend daß es möglich sey, die französische Regierung durch den Arrest, eines auf Entdeckungen begriffenen Schiffs, zu prostituiren, übergab Capitain Flinders sich und sein kleines im Sinken begriffenes Schiff, dem Schutze des Gouverneurs, welcher sich nicht nur Seiner und des Schiffs, sondern auch seiner Journale bemächtigte. Einen Mann wie Flinders, den größten Seemann, den es nach Cook gegeben, zu einer solchen Zeit seiner Freiheit berauben, hieß ihn tödten; auch überlebte er nur kurze Zeit die grausame Unterthätigkeit seiner Gefangenschaft, zu welcher er über sechs Jahr verdammt war. Es gibt wohl schrecklichere Thatsachen in den Annalen der Seegeschichte, aber ich kenne nichts Empörenderes, als diese Behandlung des unglücklichen Flinders.

Theils der fast immerwährend fortdauernde Kriegszustand Europas, theils die Ueberzeugung, die man nach den letzten Versuchen der Engländer glaubte gewonnen zu haben, daß keine nördliche Durchfahrt möglich sey, waren die Ursachen, daß man dieses Problem als ein unauflösbares bei Seite gelegt hatte, und es frägt sich, ob je ein neuer Versuch wäre gemacht worden, wenn nicht der Graf Romanzoff, dem große Ansichten eigen sind, für den kühne Unternehmungen besondern Reitz haben, den ersten Schwung dazu gegeben hätte. Oft unterhielt er sich mit mir über diesen Gegenstand und äußerte seinen Wunsch, solchen Versuch nochmals unternommen zu sehen. Der politische Zustand Rußlands, auch vor dem schrecklichen Kriege von 1812 und 1813, schloß freilich jede Möglichkeit einer solchen Unternehmung, selbst von Seiten der Regierung aus, indeß die Idee verließ den Grafen nicht, und um selbst mehr Licht über diesen Gegenstand zu bekommen, so wie auch um den Capitain, welchem das Commando der projectirten Unternehmung übertragen werden sollte, mit allen Versuchen früherer Seefahrer, die nördliche Durchfahrt betreffend, so wie mit den Meinungen derer, welche sich mit diesem Gegenstande besonders beschäftigt haben, bekannt zu machen, unternahm ich auf seinen Wunsch eine Uebersicht aller Polar-Reisen auszuarbeiten, seit dem ersten Versuche des berühmten Sebastian Cabot im Jahr 1497 bis zur letzten Reise Cooks. Aus dieser Uebersicht ward es klar, daß eine Durchfahrt im Norden mehr als zweifelhaft, ein nochmaliger Versuch aber sowohl von Westen nach Osten, als von Osten nach Westen, vielleicht kein eitles Unternehmen seyn würde, und sobald daher der Krieg mit England beendigt war, beschloß der Graf Romanzoff zur Ausführung zu schreiten, und die Unkosten dazu selbst zu tragen.

Ueber die Möglichkeit des Gelingens einer solchen Unternehmung, ist bei Gelegenheit der von der Englischen Regierung veranstalteten Expedition nach dem Nordpol, so viel dafür und dawider gesagt worden, daß es mir unnöthig schien, jene Argumente hierzu wiederholen. Meiner Ansicht nach, scheint die Durchfahrt im Norden unmöglich zu seyn; so viele Versuche sind von den unerschrockensten Seemännern Englands und Hollands gemacht worden, sich dem Pol zu nahen, und kein Einziger von ihnen hat bis zum 81º vordringen können. Es sollen zwar, seitdem die Ostküste von Grönland von Eis befreit ist, Schiffe bis zum 83sten Grade gekommen seyn; allein diese seltenen Beispiele, die überdem in Verbindung mit einem Phänomen stehen, von welchem es nur zu wahrscheinlich ist, daß es bald wieder verschwindet, nämlich die Befreiung der Küste Grönlands von Eis, beweisen noch nicht die Möglichkeit, bis zum Pol selbst zu kommen. Anders verhält es sich mit der NW Durchfahrt, die weniger unmöglich scheint. Um sicher zu gehen, war es nothwendig diese Durchfahrt sowohl von Westen nach Osten, als auch von Osten nach Westen zu suchen; der erstere Weg hatte das für sich, die westlichen Gränzen der Bassins-Bay und die Länder nördlich von der Hudsons-Straße zu untersuchen, die eben nicht zur Ehre des 19. Jahrhunderts, noch gänzlich unbekannt waren; der andere hatte dagegen den Vortheil, daß er eine Fahrt durch das Südmeer voraussetzte, und die Untersuchung der nördlichen Küste Amerika's für unsere Besitzungen in jenen Regionen von Nutzen seyn könnte. Der Graf Romanzoff beschloß, beide Unternehmungen zu gleicher Zeit zu machen, nur mit dem Unterschiede, daß die Untersuchung von Westen nach Osten auf einem von Rußland abzufertigendem, wiewohl nicht großem Schiffe geschehen, und daß die andere ein Jahr später von irgend einem unternehmenden Seemanne Amerika's von dort aus, auch auf seine Kosten, unternommen werden sollte, worüber der Graf bereits in Amerika eine Correspondenz angeknüpft hatte. Diese indeß unterblieb, weil meiner Ansicht nach, sie nicht eher beginnen mußte, bis die erste zurückgekehrt war; sie hatte alsdann auch den Vortheil, daß sie so wie die frühere, ebenfalls von Rußland aus und nicht von Amerikanern sondern von Russen unternommen worden wäre. Die zwei Jahre später von England aus ausgerüstete Expedition, machte natürlich die Ausführung dieses Theils des Plans ganz unnöthig. Was nun die Unternehmung von dem Kamtschatkaschen Meere nach dem Atlantischen Ocean, oder von Westen nach Osten betraf, so ließen freilich die Erfahrungen von Cook und Clerke in der Berings-Straße wenige Hoffnung übrig, weiter nach Norden vorzudringen, als sie es gethan haben; allein es waren an der Küste von Amerika im Norden und Süden von der Berings-Straße, Stellen vorhanden, welche jene berühmten Seefahrer nicht untersuchen konnten; ein Umstand, der wenigstens einen Funken von Hoffnung übrig ließ, in diesen Gegenden einen Einschnitt zu finden, welcher in Verbindung, wenn auch nicht gerade mit der Bassins-Bay steht, vielleicht aber mit irgend einem in das Eis-Meer sich ergießenden Flusse, deren wir bereits zwei kennen: der Kupferbergwerk-Fluß und der Mackenzie-Fluß, von wo es leichter seyn würde, in den Atlantischen Ocean zu kommen, als durch die Berings-Straße um das Eis-Vorgebirge herum. So wenig wahrscheinlich es scheinen möchte, gerade hier die Durchfahrt zu finden: so läßt sich ihrer Existenz doch nicht eher positiv widersprechen, als bis diese Strecke, besonders die im Süden der Berings-Straße, die 100 Meilen beträgt, untersucht worden ist. Angenommen aber auch, daß die gewünschte Entdeckung einer Verbindung zwischen den beiden Meeren auf der projectirten Reise nicht gemacht werden sollte: so würden gewiß mehrere nicht unbedeutende Vortheile für die Wissenschaft, besonders für die Nautik durch sie erlangt werden. 1) Die durch eine abermalige Erfahrung gewonnene Ueberzeugung, daß es unmöglich sey, weiter im Norden von der Berings-Straße vorzudringen, als es schon Cook und Clerk gethan haben, und daß folglich eine Durchfahrt daselbst nach dem Atlantischen Ocean nicht existiren könne. 2) Die Untersuchung des von dem berühmten Englischen Seefahrer des seichten Wassers wegen nicht gesehene Küste von Amerika, welche jetzt sowohl zu Wasser auf Baidaren, als auch zu Lande geschehen sollte. Die Untersuchung dieses Theils von Amerika, zwischen Schoal Neß und Point Schallow water war auch dem Capitain Golownin im Jahre 1811 aufgetragen; allein ehe er diesen Theil seiner Instruction ausführen konnte, gerieth er in Japanische Gefangenschaft. 3) Es lag im Plane, wenn die Untersuchung der Küste von Amerika im Norden der Berings-Straße, nicht bis zum Eis-Cap gemacht werden könnte, was der geringen Große des Schiffs wegen, nicht anders als unter sehr günstigen Umständen möglich war, diese Untersuchung zu Lande unternehmen zu lassen, um zu erfahren, wie weit sich die Küste nach Norden zu erstreckt, und in welchem Grad der Breite sie ihre Richtung nach Osten zu nehmen anfängt. Diese Land-Reise, falls sie der unwirthbaren Regionen wegen in welchen, sie geschehen sollte, möglich wurde, mußte interessante Aufschlüsse über den innern Zustand dieses gänzlich unbekannten Theils von Amerika geben. 4) Eine zweimalige Durchschiffung der ganzen Südsee in ganz verschiedenen Richtungen, würde unstreitig nicht wenig zur Erweiterung unserer Kenntnisse von diesem großen Ocean, so wie von den Bewohnern der hier in großer Menge zerstreuten Inseln beitragen, so wie auch eine wahrscheinlich sehr reiche naturhistorische Ernte zu erwarten wäre, da der Graf außer dem Arzte des Schiffs, noch einen geschickten Naturforscher für die Expedition bestimmt hatte. Die projectirte Unternehmung war also in wissenschaftlicher Hinsicht von der höchsten Wichtigkeit und ohne Partheiligkeit gesprochen, des größten Ruhms Werth, indem sie ohne Beispiel ist. In dem ersten Jahrhunderte nach Vasco de Gama's Umschiffung des Vorgebirgs der guten Hoffnung, und Magellans Reise in die Südsee, hat man zwar reiche Particuliers gesehen, welche auf eigene Kosten Schiffe ausrüsteten, von Entdeckungen in den neu bekannt gewordenen Meeren zu machen; doch schon längst ist dieser Eifer verschwunden; auch lagen den Entdeckungs-Reisen der frühesten Zeiten nicht so edle Motive zum Grunde wie die sind welche den Unternehmer dieser Expedition beseelten.

Es war natürlich, daß ein Particulier keine sehr bedeutende Summe zu einem solchen Unternehmen anwenden konnte; am wenigsten war dieß von dem Grafen Romanzoff zu erwarten, da er ohnehin den größten Theil seiner Revenüen zu den kostspieligsten wissenschaftlichen und vielen patriotischen Unternehmungen verwendet; es war daher vielleicht ein eben so schwieriges Problem, wie die nördliche Durchfahrt selbst, eine solche Unternehmung zweckmäßig zu veranstalten, ohne daß sie die Kräfte des Grafen überstieg. Zuerst ward beschlossen, das Holz zu einem kleinen Fahrzeuge von 25 bis 30 Tonnen am Bord eines der Amerikanischen Compagnie zugehörigen Schiffes nach den Colonien an der NW Küste von Amerika abzufertigen; der Offizier, dem der Auftrag gegeben werden sollte, die Untersuchung zu machen, sollte sich mit einem Steuermanne als seinem Gehülfen und einigen ausgesuchten Leuten mitembarquiren, und das Fahrzeug in Unalaska oder Kodiak zusammen fügen lassen. Dieser Plan, welcher der am wenigsten kostbare gewesen wäre, unterblieb, weil das zu embarquirende Fahrzeug zu vielen Raum auf dem nicht großen Schiffe der Compagnie eingenommen hätte. Es ward nun beschlossen, ein Fahrzeug von 70 bis 80 Tonnen mit beweglichen Kielen nach dem System des Englischen Capitain Shank in der Kaiserlichen Admiralität durch den geschickten Schiffs-Baumeister Rasumoff von Eichenholz bauen zu lassen; dieser Plan konnte indeß auch nicht ausgeführt werden, und da es keine Privat-Werften in St. Petersburg gibt, und das Eichenholz ausschließlich im Besitze der Admiralität ist: so mußte man sich entschließen, entweder im Auslande ein Schiff von Eichenholz zu kaufen, was zu kostbar gewesen wäre, oder eins von Fichtenholz bauen zu lassen; und da in Finnland sehr dauerhafte Schiffe von diesem Holze gebaut werden, so entschloß man sich, ob es gleich gewagt schien, eine Reise die drei bis vier Jahre dauern sollte, auf einem Schiffe von Fichtenholze zu machen, in Abo oder Wasa ein solches bauen zu lassen, und zwar größer als es zuerst der Plan war, nicht nur weil für den zum Ankauf des Schiffs bestimmten Preis ein Schiff von doppelter Größe von Fichtenholz gebaut werden konnte, sondern auch ein Umstand besonders in Erwägung gezogen werden mußte, worauf, wenn das Schiff von Eichenholz gewesen wäre, wie es ursprünglich bestimmt war, nicht Rücksicht genommen werden durfte. Man gab ihm nämlich nun auch die Bestimmung den großen Ocean zu durchschiffen, und so mußte es oft mit den wilden Bewohnern, sowohl früher bekannter, als neu entdeckter Inseln Gemeinschaft haben. Bey einer geringen Größe des Schiffs aber hätte auch die Mannschaft im Verhältnisse nur gering seyn können, und dadurch hätte es sich der Gefahr aussetzen müssen, von den Insulanern angegriffen zu werden. Beispiele, deren es bereits im Südmeere gegeben hat. Die Größe des Schiffs wurde von 80 Tonnen auf 180 festgesetzt, mit einer Mannschaft von 20 Matrosen. Für eine solche Reise ist freilich auch ein Schiff von 180 Tonnen nur klein, nicht der Gefahr wegen, von den Wellen bei einem starken Sturme verschlagen zu werden, wie Leser glauben könnten, die keine Seeleute sind, sondern wegen der wenigen Bequemlichkeit, welche Offiziere und Gelehrte sowohl zu ihrer Ruhe, wie zu ihren wissenschaftlichen Arbeiten haben: kein unwichtiger Gegenstand auf einer beschwerlichen und lang dauernden Reise, so wie auch des geringen Raums wegen, zu den naturhistorischen Sammlungen. Jedoch ist von der andern Seite die geringe Größe eines zu einer Entdeckungs-Reise bestimmten Schiffs, wiederum mit andern Vortheilen verknüpft, die selbst für die Wissenschaften nützlich sind; ein kleines Schiff kann z. B. dem Lande um Vieles näher kommen, ist folglich im Stande, Manches zu erforschen und genauer zu bestimmen, als es auf einem größern Schiffe möglich ist. So z. B. sind auf dieser Reise die Korallen-Inseln genauer und schärfer untersucht worden, als es je früher geschehen ist; auch die Entdeckung der großen Bay an der Küste von Amerika im Norden der Berings-Straße, welche dem Capitain Cook und Clerk entgangen war, wäre auf einem größern Schiffe, als der Rurick, nicht gemacht worden.

Zum Chef dieser Unternehmung schlug ich den Lieutenant Kotzebue von der Marine, Sohn des berühmten Schriftstellers vor; er hatte, wiewohl sehr jung, nämlich als Kadet mit mir die Reise auf der Nadeshda gemacht, und auf dieser einen guten Grund zu dem Dienst, dem er sich zu widmen beschlossen hatte, gelegt; besonders hatte ich bemerkt, daß er sich in astronomischen Beobachtungen und im Zeichnen von Charten zu üben pflegte und auch nie unterließ, an den trigonometrischen Arbeiten Theil zu nehmen, was ihm sehr zu Statten kam, da er diesen Theil des Seedienstes auszubilden nach Beendigung der Reise keine Gelegenheit haben konnte, dahingegen, so viel es die Schifffahrt in der Ostsee möglich macht, er sich im Praktischen Dienste jährlich vervollkommen konnte; auch war er so glücklich, im Jahre 1812, als er unter dem Befehl des Admirals Crown und des Capitains Hamilton, von Archangel nach der Ostsee segelte, die Zufriedenheit beider Chefs in einem hohen Grade zu erlangen. Längst war es sein Wunsch, diejenigen Meere wieder zu besuchen, die ihm zuerst Sinn für den Seedienst eingeflößt hatten; er bot sich der Amerikanischen Compagnie an, das im Jahre 1813 absegelnde Schiff Suwaroff, nach ihren Colonien zu führen; sein Anerbieten ward indeß von den Direktoren dieser Gesellschaft nicht angenommen, weil man fürchtete, er sey zu jung. Der Graf Romanzoff hingegen ward jedoch gleich bei der ersten Bekanntschaft sosehr von dem enthusiastischen Eifer dieses jungen Mannes für seine Profession ergriffen, daß er kein Bedenken trug, ihm das Commando der Expedition nach der Berings-Straße anzuvertrauen, indem er keinen Zweifel hatte, daß sein Eifer mit den dazu nöthigen Kenntnissen und Eigenschaften gepaart seyn werde.

Da ich im Anfange des Jahrs 1814 von Sr. Majestät dem Kaiser die Erlaubniß bekommen hatte, eine Reise nach England zu machen, so beschloß ich, meinen Weg durch Schweden zu nehmen, um in Abo nach einer Zeichnung des Schiff-Baumeisters Rasumoff die Bestellung des Schiffs zu machen. Der Lieutenant Kotzebue begleitete mich bis Abo, und in den letzten Tagen des Mays schloß ich mit dem Schiff-Baumeister Erick Malm einen Contract, für die Summe von 30 000 Rubel ein Schiff von 180 Tonnen Größe zu bauen, das in den ersten Tagen des Mays des kommenden Jahrs vom Stapel gelassen werden sollte. Dem Wunsche des Grafen Romanzoff zufolge, sollte dasselbe den Namen Rurick führen. Man muß dem Herrn Malm die Gerechtigkeit widerfahren lassen, daß er von seiner Seite nichts verabsäumt hatte, das Schiff so dauerhaft zu bauen, wie man es kaum von einem Schiffe von Fichtenholze erwarten konnte, und es kann keinen größern Beweis von der Vortrefflichkeit der Arbeit und von der Sorgfalt, mit welcher man das Holz dazu präparirt hatte, geben, als daß dieses Schiff nach der Rückkunft bei einer genauen Besichtigung desselben, so gut befunden ward, daß die Käufer Da der Graf Romanzoff keinen Gebrauch mehr von dem Schiffe machen konnte, so überließ er es der Amerikanischen Compagnie mit allem Material, sogar mit den Chronometern und den astronomischen Instrumenten. beschlossen, es nochmals eine Reise nach dem Süd-Meere machen zu lassen.

Die astronomischen und physikalischen Instrumente bestellte ich in England bei dem mit Recht berühmten Troughton: sie bestanden aus mehrern Sextanten, Compassen, zwei Marine-Barometern, einem Inclinatorium, einem Aerometer, mehrern Thermometern, Hygrometern etc. zu diesen fügte ich noch die von Massey erfundene Log- und Sondir-Maschine, einen Sir-Thermometer, einen Berg-Barometer, eine Camera Lucida; letztere Artikel des geschickten Künstlers Thomas Jones, ein Eleve des berühmten Ramsden, so wie auch zwei Telescope von Tully. Ich bestellte zwei Chronometer: einen Taschen-Chronometer bei Barroud, welcher von allen Künstlern die meisten Chronometer verfertigt, und schon aus dieser Ursache das größte Zutrauen verdient; auch war die Uhr die er lieferte vortrefflich, und um Vieles besser als eine andere von ihm für den nämlichen Preis die ich für die Admiralität bestellt hatte, die bald nach meiner Ankunft in Petersburg stehen blieb, und dem Uhrmacher Wenham dem Compagnon von Breguel zur Reparatur übergeben werden mußte. Jeder von diesen Chronometern kostete 60 Guineen. Den andern Chronometer ließ ich von Hardy machen, welcher durch eine sehr schöne astronomische Uhr, die er für die Sternwarte von Greenwich verfertigt, und durch einige neue Erfindungen, von denen ich nur die einer neuen Compensation anführen will, einen großen Ruf erlangt hatte. Chronometer hatte er zwar nur einen in seinem Leben gemacht, von dessem Gange kein Journal nach England gekommen ist, indem das Schiff auf der Reise nach Westindien unterging, und aus dieser Ursache hatte man mir ihn nicht empfehlen können; allein ich hatte ein so großes Zutrauen zu der Geschicklichkeit dieses ämsigen fleißigen Künstlers, daß ich demungeachtet einen bei ihm machen ließ. Der Erfolg hat bewiesen, daß ich nicht Unrecht hatte, großes Zutrauen in seine Geschicklichkeit zu setzen; die Uhr (ein Bor-Chronometer) war vortrefflich, wie man es aus dem Reiseberichte ersehen wird. Der Preis war 80 Guineen.

Außer den astronomischen und physikalischen Instrumenten und einer reichhaltigen Sammlung Karten von Horsburgh, Arrowsmith und Purdy ließ ich das Schiff noch mit manchen andern zu einer solchen Reise unumgänglich nothwendigen Dingen versehen, die man nirgends besser und wohlfeiler bekommen kann, als in London, wie z. B. chirurgische Instrumente, Medikamente, Gewürze, Kleidungsstücke u. s. w. Auch ward das Schiff mit einem Lebens- oder Rettungs-Boote versorgt, das die Englische Admiralität auf meine Bitte für den Rurick bauen ließ. Ich hatte während meines Aufenthalts in England, auch den Hafen von Plymouth besucht, und dort ein Lebens-Boot gesehen, das von dem Schiff-Baumeister Fincham erfunden worden war. Die Zweckmäßigkeit und die geringe Größe dieses mit Luft-Kasten versehenen Bootes, ließen mich ein solches für die Expedition des Lieut. Kotzebue wünschen; die Strenge der Englischen Ordnung erlaubte es indeß H. Fincham nicht, da er in Diensten der Regierung steht, ohne Erlaubniß der Admiralität eine solche Bestellung zu übernehmen. Ich wandte mich daher bei meiner Rückkunft in London schriftlich an die Admiralität, und erhielt noch am nämlichen Tage eine Antwort von dem Secretär derselben, dem als Reisenden und Schriftsteller rühmlichst bekannten Barrow, daß die Lords der Admiralität sogleich den Befehl hätten ausfertigen lassen, für die Expedition des Grafen Romanzoff ein solches Boot, nach den von mir anzugebenden Dimensionen zu bauen. Dieses geschah, und wie der Rurick in Plymouth auf seiner Reise einlief, so wurde dem Lieut. Kotzebue das Boot abgeliefert, ohne die geringste Bezahlung dafür zu fordern; die Kosten desselben beliefen sich auf 1000 Rubel.

Eine kürzlich in England gemachte Erfindung schien mir zu wichtig, als daß sie bei der Expedition nicht auch ihre Anwendung finden sollte. Diese von einem H. Donkin gemachte Erfindung bestehet darin, frisches Fleisch, Gemüße, Suppen, Milch, kurz alles Eßbare mehrere Jahre in einem vollkommen frischen Zustande zu erhalten, und, was man für eine Uebertreibung halten möchte, es aber nicht ist, das Fleisch ist besser als frisch, indem die blechernen Büchsen, in welchem es aufbewahrt wird, mit starker Brühe gefüllt werden, die sich in das Fleisch hineinzieht. Ich ließ das Schiff mit einer ansehnlichen Quantität davon versehen, auch ist es dem Lieut. Kotzebue und seinen Begleitern von dem größten Nutzen gewesen, indem oft gerade dieses Fleisch das einzige Erquickende war, das man den Kranken geben konnte. Die Erfindung des H. Donkin, so unbedeutend sie auch zu seyn scheint, ist gewiß für die Navigation eine der wohlthätigsten. Abgerechnet wie wichtig es ist, sich auf den längsten Reisen mit frischen Lebensmitteln zu versehen, ohne daß man einen großen Raum dazu nöthig hat, etwas, das man sonst und zwar verhältnißmäßig auf kurze Zeit, nur dadurch erreichen konnte, daß man eine Menge lebendiger Thiers mit nahm, die auf einem Kriegs-Schiffe immer im Wege sind, für die man auch noch einen großen Vorrath von Futter, Heu und Wasser mitnehmen muß, Daß solche Vorräthe auch gefährlich werden können, davon haben wir an dem Englischen Schiffe: die Königin Charlotte von 120 Kanonen, das im Jahre 1806 auf der Rhede von Livorno aufbrannte, ein furchtbares Beispiel gehabt. Das Feuer war bloß dadurch entstanden, daß das an Bord gebrachte Heu nicht gleich aufgeräumt, durch ein mit nicht gehöriger Vorsicht vorbeigebrachtes Licht entzündet worden war. und die man trotz aller Vorsicht doch plötzlich z. B. in einem starken Sturme verlieren kann; abgerechnet alle diese großen Vortheile, ist diese Erfindung für Kranke von der höchsten Wichtigkeit, vorausgesetzt, daß die Erhaltung der Gesundheit der Schiffs-Equipage für wichtig gerechnet wird. Durch eine kräftige Suppe, oder durch irgend eine nahrhafte Speise, kann oft das Leben eines Kranken gerettet werden, wenn Medizin keine Hülfe mehr bringt; dieß ist besonders bei skorbutischen Kranken der Fall, deren es freilich jetzt auf den Schiffen wenige mehr gibt, seitdem man die Erfahrung gemacht hat, daß es nicht der Gebrauch von Salzfleisch, auch nicht die Seeluft ist, die den Skorbut hervorbringt, sondern der Mangel an gesunden Lebensmitteln, Mangel an Wäsche und Kleidungs-Stücken, der es den Leuten unmöglich macht, die oft durchnäßten Kleider zu wechseln, Mangel an Reinlichkeit und frischer Luft in ihren Wohnungen, besonders aber Mangel an gehöriger Vorsorge und Theilnahme, welcher immer bei den Leuten eine traurige Stimmung hervorbringt, daher eine entgegengesetzte Behandlung in der That als das wirksamste Mittel gegen den Skorbut anzusehen ist. Es werden aber die ebenangeführten Maßregeln noch nicht überall in einem hinlänglichen Grade angewandt, und so hat man noch jetzt furchtbare Beispiele von den Zerstörungen, welche diese Krankheit auf den Schiffen anrichtet; auf solchen ist der Gebrauch des Donkinschen Fleisches nicht genug zu empfehlen, und in der That von der höchsten Wichtigkeit. Hätte Lord Anson auf seiner Reise ums Cap Horn (1740), hätten unsere Schiffe in den Jahren 1812 und 1813 auf der Fahrt von Archangel nach der Ostsee einen Vorrath von diesem Fleische haben können: so viele in der Blüthe ihres Alters wären nicht ein unzeitiges Opfer dieser schrecklichen Krankheit geworden. Da frische Lebensmittel in Westindien in sehr hohem Preise sind, so hat es die Englische Admiralität für weniger kostspielig gehalten, die Hospitäler daselbst mit dem Donkinschen Fleische von England aus zu versorgen, als an Ort und Stelle frisches Fleisch zu kaufen; auch ward während meines Aufenthalts in England in den Jahren 1814 und 1815 eine große Menge des Donkinschen Fleisches zur Flotte des Admirals Cochrane an die Küste von Amerika geschickt. Da man nun auch in der Destillation des Seewassers wichtige Fortschritte gemacht hat, Der Lieutenant Kotzebue sah am Bord des Schiffs des Capitains Freycinet, das in diesem Augenblicke eine Entdeckungs-Reise macht, und das der Lieut. Kotzebue am Vorgebirge der guten Hoffnung antraf, einen solchen Apparat, vermittelst dessen die Consumption von 3 Tagen für die ganze Equipage in einem Tage bestritten ward. so können Mangel an frischen Lebensmitteln und süßem Wasser und Furcht vor dem Skorbut, nie einen Vorwand zu Relachen geben, die oft dem Zwecke der Reise sehr nachteilig sind. Ich kann nicht umhin, hier auch der schönen Erfindung des großen Physikers Leslie Erwähnung zu thun: selbst im heißesten Zimmer Eis vermittelst der Evaporation hervorzubringen, wodurch es folglich möglich gemacht wird, sogar unter dem Aequator den Luxus eines kühlen Getränks zu haben, das nicht anders als sehr wohlthätig auf die Gesundheit wirken muß, besonders in den Regionen der Windstillen, wo man sich vergebens nach einem Lüftchen sehnt, die alle Kräfte abgespannende Hitze zu mildern. Auch diese Erfindung hat in der Englischen Marine eine Anwendung gefunden. Man hat bereits alle Hospitäler in den tropischen Gegenden mit großen Apparaten zur Hervorbringung des Eises versehen.

Was die Erhaltung der Gesundheit der Mannschaft, während der Expedition des Lieut. Kotzebue betrifft, so muß man ihm und dem Arzte des Schiffs, dem Dr. Eschholz die Gerechtigkeit widerfahren lassen, daß dieser Gegenstand beiden sehr am Herzen gelegen, wie der Erfolg so überzeugend bewiesen hat. Ungeachtet einer dreijährigen Navigation, während welcher verhältnißmäßig man nur wenige Zeit am Lande zugebracht hat, ungeachtet eines längern Aufenthalts in den stürmischen kalten und feuchten Regionen des Kamtschatkaschen Meeres, ungeachtet der wenigen Bequemlichkeit, welche ein Schiff von 180 Tonnen gestattete: so ist doch während der ganzen Reise nur ein Einziger und zwar im Anfange der Reise, gestorben: ein Schwindsüchtiger, dessen Leben auch am Lande nur ein kurzes Ziel gesteckt gewesen wäre. Die übrigen kehrten gesund und frisch, man kann sagen, gesunder und frischer nach ihrem Vaterlande zurück, als zur Zeit ihrer Abreise, den Chef und ihre Offiziere für die sorgsame und väterliche Behandlung segnend.

Das Personal des Ruricks bestand außer dem Capitain, aus einem Lieutenant der Marine, zwei Naturforschern, einem Arzt, einem Maler und zwei Untersteuerleuten. Der Lieutenant Shischmareff war ein vieljähriger Dienst-Kamerad und Freund des H. v. Kotzebue und obgleich älter im Dienst, unterwarf er sich gern auf dieser Reise seinen Befehlen. Die vollkommene Harmonie, die während der ganzen Reise zwischen beiden Statt gefunden hat, ist ehrenvoll für Beide, und wir sind für die glückliche Beendigung der Reise nicht weniger dem Lieutenant Kotzebue für seine Leitung schuldig, als dem Lieutenant Shischmareff, für die Unterstützung, die sein Capitain in ihm fand. Fast die ganze Reise hindurch war der Lieutenant Shischmareff, der einzige Seeoffizier auf dem Rurick, Sein Kamerad ward schon in England krank und verließ das Schiff in Kamtschatka. und nur ein Seemann kann sich eine deutliche Vorstellung von den Anstrengungen machen, denen man unterworfen ist, drei Jahre hindurch alle Beschwerden einer oft gefährlichen aber immer schwierigen Navigation, bald in den stürmischen Meeren Kamtschatkas, bald in den Eis-Regionen der Berings-Straße, bald zwischen den Korallen-Ketten der tropischen Inseln des Südmeers, nur mit seinem Capitain zu theilen. Die beiden Steuerleute Petroff und Cramtschenko, waren junge Leute aus der Steuermannschule, die sich vortrefflich in ihrem Fache ausgebildet haben, und mit denen H. v. Kotzebue sehr zufrieden gewesen ist. Letzterer war es vorzüglich, dem es oblag, die Karten zu zeichnen.

Zum Naturforscher der Expedition war der Professor der Naturgeschichte an der Dorpatschen Universität, der Kollegien Rath Ledebour gewählt, und zu seinem Gehülfen hatte er den Dr. Eschholz vorgeschlagen, welcher auch zu gleicher Zeit der Arzt des Schiffs seyn sollte: ein Geschäft, das auf einem so kleinen Schiffe, mit einer Equipage von 20 Mann und bei dem wahrscheinlich gesunden Zustande der Mannschaft, sehr leicht sich mit den Beschäftigungen eines Naturforschers vereinigen ließ. Die Gesundheit des Dr. Ledebour, erlaubte es ihm jedoch nicht, seinen Wunsch zu realisiren; statt Seiner machte H. v. Chamisso aus Berlin, die Reise als Naturforscher mit. Er war von den Professoren Rudolphi und Lichtenstein, dem Kanzler als ein kenntnißvoller, seine Wissenschaft leidenschaftlich liebender Gelehrter empfohlen, und wie wahr diese Empfehlung, und wie glücklich die Wahl für den Lieutenant Kotzebue und für die Wissenschaft überhaupt ausgefallen ist, davon zeugt das vorliegende Werk. Wiewohl der Mangel an Raum es unmöglich machte, noch einen Gelehrten für die Expedition zu engagiren, so ward es doch dem Grafen Romanzoff sehr schwer, dem Wunsche eines gelehrten Dänen H. v. Wormskiold zu widerstehen, die Reise ebenfalls, als Naturforscher und Physiker mitzumachen; er that dabei auf Gehalt Verzicht, wofern ihm nur die Kosten des Unterhalts zugestanden würden. Da H. v. Wormskiold mehrere Reisen in den nördlichen Regionen, wie in Norwegen und Island mitgemacht hatte, so hatte die Expedition die wichtigsten Vortheile von dem Antheil den er an ihr nehmen würde, zu erwarten, auch übernahm es H. v. Kotzebue, die Schwierigkeit wegen des Raums aus dem Wege zu räumen, und H. v. Wormskiold embarquirte sich in Kopenhagen am Bord des Ruricks; bei der Ankunft des Schiffs in Kamtschatka, blieb er indeß dort zurück, um dieses von Naturforschern noch wenig untersuchte Land genauer kennen zu lernen.

Zum Maler der Expedition, bot sich ein junger Mann, Namens Choris an, welcher den bekannten Naturforscher Marschall von Biberstein, als Maler auf seiner Reise durch den Caucasus begleitet hatte. Der Reichthum seines mitgebrachten Portefeuilles, aus welchem nur die wenigsten Blätter dem Publikum haben mitgetheilt werden können, und das Lob, das er von den berühmtesten Künstlern Petersburgs, so wie von dem Präsidenten der Petersburger Akademie der Künste eingeerntet hat, rechtfertigen die Wahl dieses jungen verdienstvollen Künstlers vollkommen.

Wenn man den Bericht der Reise mit der dem Lieutenant Kotzebue gegebenen Instruction vergleicht, so wird man finden, daß mehrere Punkte der letztern unbefolgt geblieben sind. Gewöhnlich sorgen diejenigen denen der Auftrag gegeben ist, die Instruction zu einer Entdeckungs-Reise anzufertigen, für weit mehr Beschäftigung als nöthig ist, weil man wohl weiß, daß nicht Alles erfüllt werden kann und nicht vorauszusehen ist, welcher Theil der Instruction unausgeführt bleiben müsse. Dieß ist auch der Fall mit dem Lieutenant Kotzebue gewesen. Was indeß denjenigen, welche den Plan zu dieser Reise machten, und gewiß noch mehr den Chef derselben wehe gethan hat, ist, daß die Untersuchung des Innern von Amerika im Norden und Osten von der Berings-Straße, aus sehr gewichtigen Ursachen, die im Berichte der Reise angeführt werden, hat unterbleiben müssen. Eine solche Unternehmung, wofern jene Eis-Regionen überhaupt eine zulassen, kann nicht ermangeln, über den innern Zustand des Landes, so wie über die Bewohner desselben, ein neues Licht zu verbreiten; sie würde vielleicht auch zur endlichen Lösung des gewünschten Problems, nämlich des Auffindens einer Verbindung mit beiden Oceanen führen. Der Zweck der Expedition des Lieutenant Kotzebue, ist freilich in dieser Rücksicht verfehlt; man wird sich jedoch aus dem Inhalte der folgenden Blätter überzeugen, daß die Reise für Navigation, Naturgeschichte und Physik so reichhaltig ausgefallen ist, wie es die dazu verwandten Mittel nur immer zulassen konnten, daß folglich der über alles Lob erhabene Zweck des Mannes, welcher der Urheber dieser Reise war, vollkommen erfüllt ist. Whose liberal et patriotic spirit is worthy of highest admiration, sind die Worte eines berühmten Englischen Schriftstellers, indem er von den mannigfaltigen Bemühungen des Grafen Romanzoff spricht, unsere Kenntnisse der Nordpolar-Regionen zu erweitern. Wenn dieser wahrhaft patriotisch gesinnte Mann auch bloß durch die in der That fürstliche Unternehmung, deren Geschichte hier erzählt werden soll, bekannt würde: so gehörte er schon dadurch der Nachwelt gewiß mit eben dem Rechte zu, als sein Vater, welcher sich als Feldherr in den Annalen der Kriegsgeschichte Rußlands einen unverwelkbaren Ruhm erworben hat.

Es möchte vielleicht nicht ganz unpassend seyn, die von mir abgefaßte und im Anfange der Einleitung erwähnte Uebersicht aller Reisen nach dem Nordpol, welche das Auffinden eines kürzern Weges nach den Chinesischen und Indischen Gewässern zum einzigen Zweck hatten, vor den Bericht der Reise des H. v. Kotzebue zu setzen. Ich habe der meisten dieser Reisen nur kurz erwähnen wollen; es sind indeß während der drei Jahrhunderte, daß man diesen Gegenstand verfolgt, so viele Reisen von Engländern, Portugiesen, Spaniern und Holländern zu diesem Behuf unternommen worden, und einige haben ein so besonderes Interesse für Rußland, daß, trotz aller Kürze, diese Uebersicht einen größern Raum bei mir eingenommen hat, als ich glaubte dazu stimmen zu können. Die Geschichte der Reisen nach dem Nordpol macht einen eigenen Zweig der Geschichte der Schifffahrten und Entdeckungen im Norden aus, über welche uns der ältere Forster ein treffliches Werk geliefert hat. Ich habe ohne ihm ausschließlich zu folgen, kaum mehr als einen bloßen Auszug von diesen Reisen machen können; es sey mir genug die Aufmerksamkeit des Lesers darauf gezogen zu haben. Ich muß hier noch erwähnen, daß die Einleitung welche ich zu dieser Uebersicht der Reisen nach dem Nordpol aufgesetzt hatte, und die in wenigen Worten die Ursachen enthielt, welche zu dieser Unternehmungen Anlaß gaben, so wie auch Einiges über den Zustand der Schifffahrt und des Handels während der letzten hundert Jahre vor dieser Periode, mich damals nicht befriedigte. Ich hatte das Zeitalter des Infanten Don Heinrich von Portugal zum Punkte der Abreise angenommen; die frühere Geschichte der Schifffahrten und Entdeckungen hatte ich ganz mit Stillschweigen übergangen. Ein kurzer Rückblick auf jene Zeiten durfte jedoch meiner Meinung nach nicht fehlen. Diese Lücke wurde von meinem sehr werthen Freunde, dem leider zu früh für die Wissenschaft verstorbenen Lehrberg, Mitglied unserer Akademie der Wissenschaften, ein mit der ältern nordischen Geschichte und Geographie besonders vertrauter Gelehrter, ausgefüllt. Ich bekomme so eben Barrow's Geschichte der Reisen die im vorigen Jahre erschienen ist. Es ist natürlich, daß Barrow's Werk unendlich viel vollkommener ist, als das meinige, nicht nur der Darstellung wegen, und weil das was ich liefere eine kurze Uebersicht, Barrow's Werk hingegen, eine vollständige Geschichte jener Reisen ist, sondern auch weil ihm die in England erschienenen reichhaltigen Sammlungen von Reisebeschreibungen, und als Sekretär der Admiralität, auch alle handschriftliche Journale zu Gebote standen, ich hingegen, aus den geringen Vorrath meiner eigenen Bücher-Sammlung beschränkt war. (Note in 1819.)

Ehe ich schließe, sey es mir erlaubt, hier einen Wunsch laut werden zu lassen, den man wenigstens in mir verzeihlich finden wird. Was ich hier über eine neue Entdeckungs-Reise sage, wird freilich dadurch unnöthig, daß seitdem ich Obiges schrieb (im November 1818) in der That eine solche von uns unternommen worden ist; da man indeß von dieser Reise nur so viel erfahren hat, daß zwei Schiffe nach dem Südpole und zwei nach dem Nordpole zu gegangen sind; so möchte das, was ich über eine solche wissenschaftliche Reise gesagt habe, dennoch nicht ganz am unrechten Orte stehen, um so weniger, da vielleicht der Hauptzweck der abgegangenen Expedition es dem Chef unmöglich machen wird, auf Alles Rücksicht zu nehmen, was noch zur Vervollkommnung der Geographie der Südsee und der nördlichen Küsten dieses Oceans geschehen muß, wovon ich hier einen kurzen Ueberblick gegeben habe. (Note 1819) Abgerechnet die mir so natürliche Vorliebe zu Entdeckungs-Reisen, läßt's sich wohl behaupten, daß durch sie die Gränzen des menschlichen Wissens auf eine wirksamere Weise erweitert wurden, als durch andere Unternehmungen, deren Zweck wissenschaftlich ist. Man bedenke, was die Wissenschaften durch die Reisen Cook's und seiner Nachfolger gewonnen haben, so wird man meine Behauptung für nicht übertrieben halten. Auch Rußland hat angefangen dieses reichhaltige Feld zu cultiviren, aber erst unter der Regierung Alexanders. Es war gleich im Anfange seiner vielversprechenden glorreichen Regierung, daß sich die Russen den Weg nach entfernten, nie früher von ihnen befahrenen Meeren bahnten und so die erste Reise um die Welt vollbrachten. Man hat kürzlich der Expedition der Radeshda und Nowa den Ruhm streitig machen wollen, die erste Russische Reise um die Welt gethan zu haben, und zwar aus den Gründen, weil die Schiffe nicht in Russland gebaut waren, und eine Handlungs Gesellschaft die Erlaubnis bekommen hatte, Theil daran zu nehmen. Ich halte es kaum für nöthig, eine so sonderbare Behauptung zu widerlegen. Seitdem sind mehrere ähnliche Reisen glücklich vollendet worden, und wenn gleich der Zweck derselben mehrentheils merkantilisch gewesen ist, so ist doch keine ganz leer an wissenschaftlicher Ausbeute geblieben. Indeß eine Entdeckungs-Reise nach einem großen Maßstabe, deren Zweck ausschließlich Erweiterung der geographischen, naturhistorischen und physikalischen Wissenschaften ist, hat bis jetzt noch bei uns gefehlt; und welcher Zeitpunkt wäre günstiger, als gerade der Jetzige. Zu einer Zeit, wo sich, Dank sey es den edlen Gesinnungen Alexanders, Rußland lange eines dauernden Friedens wird zu erfreuen haben, wie könnten wohl unsere Mariniers besser angewandt werden, als wenn man sie zu solchen Unternehmungen gebrauchte, die eben so ehrenvoll für die Marine, als nützlich für die Wissenschaft werden müssen? An vortrefflichen Offizieren fehlt es uns nicht, solche Unternehmungen zu leiten; von meinen Begleitern auf der Nadeshda sind, außer dem Führer des Ruricks, noch leider nur zwei in Diensten, welche indeß alle die Eigenschaften besitzen, an der Spitze einer Entdeckungs-Reise zu stehen; und wer denkt nicht, wenn von solchen Unternehmungen die Rede ist, an den unternehmenden Offizier, dessen erste Reise nach dem Südmeere und die merkwürdigen Ereignisse auf derselben so interessant für das ganze gebildete Publikum Europa's geworden ist, und dessen Rückkunft von einer zweiten Reise nach eben diesem Meere jetzt so sehnlich erwartet wird. Capt. Golownin kehrte im September 1819 von seiner Reise zurück. Daß unsere Matrosen die besten in der Welt sind, wenn sie Gelegenheit haben, sich ihrem Metier ganz allein zu widmen, ist bekannt; selbst den ehernen Britten stehen sie an Muth, Ausdauer und Geschicklichkeit um nichts nach, an Folgsamkeit und Anhänglichkeit an ihre Offiziere, übertreffen sie sie weit. Ich spreche aus Erfahrung. So sehr ich die Geschicklichkeit und den Muth der Englischen Matrosen bewundere, die ich während eines sechsjährigen Dienstes habe kennen lernen; zu einer gefahrvollen Unternehmung würde ich doch nur Russische Matrosen wählen.

Gegen den Nutzen einer Entdeckungs-Reise nach dem Südmeere, in so fern Naturwissenschaften durch sie gewinnen können, läßt sich wohl nichts einwenden. Jede nach entfernten Gegenden unternommene Reise, bietet eine reiche Ausbeute von gewonnenen Thatsachen dar. Bedürfte diese Behauptung eines Beleges, so hat man nur die Namen der berühmtesten neuen Reisenden anzuführen, von denen ein Jeder zur Bereicherung der Wissenschaften beigetragen hat. Wem sind die kolossalen Arbeiten eines Humbold unbekannt! Doch noch ein Beispiel kann ich nicht umhin hier anzuführen. Die so unglückliche Expedition des Capitain Tuckey, zur Erforschung des Congo-Flusses, dauerte nur wenige Monate, und doch gab sie Gelegenheit zu einer der reichhaltigsten Schriften über die Naturgeschichte die in neuern Zeiten erschienen sind. Was nun den geographischen Theil einer Entdeckungs-Reise betrifft, so möchten wohl Viele der Meinung seyn, daß nur eine ärmliche Ernte zu erwarten seyn könne. Zum Theil ist dieß wohl wahr. Wichtige Entdeckungen sind durchaus nicht mehr zu machen; hie und da eine Insel oder eine Inselgruppe, auf die man unverhofft stößt, ist Alles, worauf selbst der glücklichste Entdecker jetzt noch rechnen darf; demungeachtet scheint mir eine neue Reise nach dem Südmeere wichtig: des Fehlenden ist noch viel zu ergänzen, des Unrichtigen noch viel zu berichtigen. Eine solche Reise müßte zur Revision der frühern Entdeckungen als Schluß-Reise nach dem Südmeere anzusehen seyn: sie kann daher nicht anders als sehr wichtig für die Geographie und Nautik ausfallen; auch werden die Engländer oder Franzosen gewiß bald eine solche Reise unternehmen. Nachdem die Küsten aller das Südmeer umgebender Continente und aller großen Inseln in demselben, mit bewundernswürdiger Genauigkeit aufgenommen sind, so bleibt jetzt nichts übrig als sich noch mit dem Detail zu beschäftigen, damit uns das Südmeer eben so genau bekannt werde, wie die andern uns näher liegende Oceane, und in der That es ist daselbst noch auf mehrere Jahre zu thun. So z. B. kennen wir, außer einigen hie und da zufällig entdeckten Inseln, gar nichts von dem großen Archipel der Carolinen; der Archipel der Salomon-Inseln, ist ebenfalls sehr unvollkommen erforscht; dieß ist trotz der schönen Arbeiten Dentrecasteaux auch der Fall mit der Louisiade, von welcher wir noch nicht wissen, ob sie mit Neu-Guinea zusammenhängt oder nicht. Durch den Lieutenant Kotzebue, haben wir nur einige Gruppen eines Archipels kennen gelernt, der einen Raum von zwölf Grad in der Breite einnimmt, und nach dem, was wir von den nördlichen Bewohnern dieser Inseln durch ihn erfahren, so verdienen sie es sehr, daß man sie näher kennen lernt, indem bei ihnen ein Grad von Cultur zu finden ist, den man vergebens selbst bei den Insulanern der Societäts- und Freundschafts-Inseln suchen möchte. Die genaue Erforschung dieses großen Archipels, ist allein die Arbeit von einem Jahre wenigstens; aber außer den großen ebenerwähnten Arbeiten im Südmeere, gibt es noch eine Menge für die Navigation wenigstens wichtiger Punkte zu untersuchen, wie man sich aus meinen kürzlich herausgegebenen hydrographischen Beiträgen überzeugen kann. Auch mangelt es nicht an Untersuchungen, die Rußland näher liegen als andern Nationen, welche die nähere Kenntniß dieser Gegenden das Recht haben von Rußland allein zu fordern. Hiezu gehört erstlich die Untersuchung des Bassins, das durch die Küste der Tatarey und der von Sachalin gebildet ist und das ich den Liman des Amurs genannt habe; ferner die Aufnahme der Küste der Tatarey von der Mündung des Amurs bis zu Udskoy Ostrog, besonders aber die Untersuchung der Shantar-Inseln, von denen wir kaum mehr als die Zahl und vielleicht die sogar unrichtig kennen. Eben so unsicher ist unsere Kenntniß der nördlichen Küste des Ochotzkschen Meeres, von Ochotzk an nach Osten zu mit den daran liegenden Bayen, wie Ishiginsk, Penshinsk und Taunsk; auf den neuern Russischen Karten werden erstere um mehr als 1º südlicher gerückt, ohne indeß überzeugt zu seyn, daß auch die letzten Bestimmungen richtig sind, selbst die West-Küste von Kamtschatka bedarf einer neuen Aufnahme, bedarf wenigstens astronomischer Bestimmungen; noch unvollkommener ist unsere Kenntniß der Ostküste von Kamtschatka: von dem Vorgebirge Shipunskoy bis zur Berings-Straße, einige von Capitain Clerk gesehene Vorgebirge abgerechnet, kennen wir weder die Breite noch die Länge irgend eines Punktes an der ganzen Küste, ebenso wenig wie wir mit Genauigkeit die Größe und Lage der Oluitovschen Bay und des Anadyvschen Meerbusens anzugeben im Stande sind. Wir kennen freilich die Hauptzüge der Küsten Kamtschatkas, das Detail aber, ausgenommen von der Bay Awatscha bis zur Südspitze der Halb-Insel, ist uns durchaus ganz fremd, und da wir die geringsten Einschnitte der von Wilden bewohnten Küsten Amerikas, von Neu-Holland, Neu-Zeeland und Neu-Caledonien kennen: so scheint es wohl Pflicht, mit gleicher Genauigkeit die von Russischen Unterthanen bewohnten Küsten des nordöstlichen Asiens kennen zu lernen. Von den Aleutischen Inseln haben wir ebenfalls noch keine zuverlässige Aufnahme gehabt, die Lage nur weniger Inseln dieses ausgedehnten Archipels ist mit Genauigkeit bestimmt; eine genaue Kenntniß dieser Inseln, so wie wir sie durch die Navigation der Nadeshda und Diana von den Kurilischen Inseln haben, würde allein die Arbeit eines ganzen Sommers erfordern; und dann, wäre es nicht zu wünschen, daß man nochmals einen Versuch machte, in der Berings-Straße weiter vorzudringen als es bis jetzt geschehen ist, um das Eis-Cap von Cook zu doubliren? und ob nicht die projectirte Erforschung des Innern von Amerika, im Osten der Berings-Straße zu bewerkstelligen sey.

Man hat die Fahrt des Kosaken Deschneff durch die Berings-Straße bezweifelt; gewiß mit Unrecht, wie es sich so leicht aus den vorhandenen Berichten von Deschneffs Fahrt beweisen läßt; dem ungeachtet wäre es sehr wünschenswerth, das von Deschneff doublirte Cap Shalatzkoy, über dessen Lage man ganz und gar im Dunkeln ist, von der Berings-Straße aufzusuchen. Capitain Cook erreichte ohne Mühe das Cap Nord, obgleich es beinahe 10º im Westen von der Berings-Straße liegt, und es frägt sich, ob das Cap Shalatzkoy weiter als 10 Grad im Westen von Cap Nord liegt. Es war gar nicht Capitain Cook's Absicht die Küste Asiens zu untersuchen; ein Zufall brachte ihn hin; da ihn nämlich das Eis hinderte der Küste von Amerika so nahe zu kommen wie er es wünschte, so steuerte er westlicher, in der Hoffnung das Eis zu doubliren, und alsdann seinen Lauf wiederum nach Osten zu nehmen, nach Westen bis ihm die Küste Asiens zu Gesichte kam. Die Nähe des Cap Nord, das seinen Beobachtungen zufolge in 68º 56' der Breite liegt, machte zwar in ihm den Wunsch rege, dasselbe zu umschiffen, um seinen Blick auf die entferntere im Osten liegende Küste zu werfen; allein ein starker contrairer Wind zwang ihn seinen Plan aufzugeben. Wäre dieß nicht gewesen, so stritten wir vielleicht jetzt nicht mehr über die Lage der nordöstlichen Spitze Asiens. Cook bemerkte indeß im Westen des Cap Nord keine weit hervorragende Spitze und er schloß, die Richtung müsse wenigstens anfangs ganz westlich seyn; es läßt sich demnach mit vieler Wahrscheinlichkeit annehmen, daß die nordöstliche Spitze Asiens, sie mag nun Shalatzkoy oder Shalaginskoy genannt werden, nicht über dem 70sten Grade der Breite liegt, ob sie gleich auf manchen Karten über zwei Grad nördlicher verzeichnet ist. Sollte das Doubliren eines Vorgebirges das vor 170 Jahren einem Kosaken auf einem kleinen Boote möglich ward, die Seefahrer jetziger Zeit abschrecken? Gewiß nicht. Sonderbar ist es indeß, daß der Versuch dazu nie ist gemacht worden. Etwas ganz Aehnliches hat sich bei den Engländern zugetragen. Man hielt die Umschiffung der Baffins-Bay für unmöglich; man erlaubte sich, einen Verdacht auf die Glaubwürdigkeit Baffins zu werfen, dessen Bericht sehr deutlich die Grenzen der Bay andeutet; selbst scharfsinnige Geographen vernichteten die Bay auf ihren Karten, ohne daß seit ihrer Entdeckung d. i. seit 200 Jahren, nur ein einziger Versuch gemacht worden wäre, die Wahrheit von Baffin zu erproben, bis endlich beim Aufsuchen der NW Passage sie im größten Detail untersucht werden, und bis auf die Längen die vor 200 Jahren nicht mit einiger Genauigkeit bestimmt werden konnten, gerade so gefunden worden ist, wie sie Baffin beschrieben hatte.

Indem ich hier von den Arbeiten spreche, die uns noch bevorstehen ehe wir zu einer richtigern Kenntniß der Küsten Asiens gelangen d. h. einer solchen, die dem jetzigen Zustande der Wissenschaften Genüge leistet, kann ich nicht umhin, hier nochmals zu wiederholen, daß wir an der ganzen Küste Sibiriens, von der Straße Waygatz an bis zur Berings-Straße, also eine Strecke von 130 Längengraden, noch keinen einzigen Punkt haben, dessen Länge und Breite astronomisch bestimmt ist, und daß wir durchaus nicht wissen, wie weit sich die nördliche Spitze von Asien erstreckt, folglich auch den Flächen-Inhalt Sibiriens nicht mit Genauigkeit angeben können; ich habe an einem andern Orte gezeigt, (Naval Chronicle 1814 October,) welche große Unterschiede in der Breite auf den neuesten Karten anzutreffen sind, worüber man sich natürlich nicht zu wundern hat, da Keinem der Fehler nachgewiesen werden kann; und wie wichtig es daher sey, die geographische Lage der Hauptpunkte der Küste, wie die merkwürdigsten Vorgebirge, besonders die Mündungen der sich in das Eis-Meer ergießenden Flüsse durch astronomische Beobachtungen zu bestimmen. Es wird dem Publiko angenehm seyn zu erfahren, daß dieser vor 6 Jahren öffentlich geäußerte Wunsch endlich in Erfüllung geht. Es sind in dem Monate März dieses Jahrs (1820) die Lieutenants von der Flotte Baron Wrangel und H. v. Anjon von Petersburg abgegangen: Ersterer nach der Mündung des Kolyma, um die Küste westlich und östlich von diesem Flusse astronomisch zu bestimmen, und einen Versuch zu machen, die nordöstlichste Spitze Asiens zu erreichen und wo möglich sie zu doubliren. Die Bestimmung des Lieut. Anjon ist die Mündung des Flusses Jana, um von dort aus die Inseln die im Norden dieses Flusses liegen, zu welcher Gruppe auch das sogenannte Neu-Sibirien gehört, aufs genaueste aufzunehmen. (Note in 1820.) Eben so wenig genau können wir die Küsten westlich von der Straße Maygatz bis zum weißen Meere und vom Nord Cap zu diesem Meere.

Ich glaube jetzt hinlänglich bewiesen zu haben, daß eine neue Entdeckungs-Reise nach dem Süd-Meere eine sehr reichhaltige Ernte verspricht; welche lehrreiche Schule wäre es nicht überdem für junge Leute, die sich bereits den Wissenschaften gewidmet haben, unter Anleitung von Gelehrten von Celebrität eine solche Reise zu machen. Fast jedes Land benutzt den jetzigen glücklichen Friedenszustand, und sendet Gelehrte nach entfernten Regionen aus. Die Engländer haben in diesem Jahre (1818) zwei Expeditionen, jede von zwei Schiffen, zum Aufsuchen einer nördlichen Durchfahrt abgesendet, welche kürzlich zurückgekehrt sind, eine um die Küsten des Mittelländischen Meeres aufzunehmen; drei Expeditionen sind abgesandt, das Innere von Afrika zu erforschen, deren Hauptzweck es jedoch ist, das Ende des in Dunkel gehüllten Nigers zu finden; ungeachtet so vieler unglücklichen Versuche, dieses Problem, das doch nur in geographischer Hinsicht von Wichtigkeit ist, zu lösen, läßt man sich nicht abschrecken, immer neue Versuche zu wagen; eine Expedition ist damit beschäftigt, die Arbeiten von Flinders zu ergänzen und die Aufnahme der West- und der NW Küste von Neu-Holland zu vollenden. Im Chinesischen Meere sind seit mehr als zehn Jahren immerfort, und zwar auf Kosten der Ostindischen Compagnie zwei Schiffe beschäftigt, die Hydrographie dieser und der angrenzenden Gewässer zu verbessern, und kein Jahr vergeht, wo nicht für die Navigation dieser Meere wichtige Entdeckungen gemacht werden. Die Franzosen haben ebenfalls ein Schiff ins Südmeer geschickt, so wie auch eine Expedition in das Innere von Afrika, und wenn von Spanien aus jetzt keine wissenschaftliche Unternehmung geschieht: so ist daran wohl nur die jetzige zerrüttete politische Lage Spaniens die Ursache, und keinesweges der Mangel an Eifer und Kenntnissen einer Nation, die auf solche Seeleute wie Malespina, Espinosa, Bauza, Tofino, Cisneros Ciscar nur zu sehr stolz seyn können.

Es ist nicht unmöglich, daß man die Frage auswerfen wird: welcher Nutzen für Rußland durch solche Untersuchungen entspringen könne; ob es nicht gleichgültig sey zu wissen, ob das Cap Shalatzkoy im 70 oder 72 der Breite liege, ob es möglich sey das Eis-Cap zu doubliren oder nicht? Personen, welche die Versuche, eine nördliche Durchfahrt aufzufinden, lächerlich machen und vollends es für ungereimt halten, den von Mendana Shouten und Roggewein gemachten Fehlern nachspüren zu wollen, kurz die Alles unnütz finden, was nicht unmittelbar den Zuwachs zur Macht befördert und die Vergrößerung des politischen Einflusses des Vaterlandes zum Zwecke hat. Es möchte nicht leicht seyn, besser und zweckmäßiger solchen Einwürfen zu begegnen, als wenn ich die Worte wiederholte, die Barrow bei Gelegenheit der Englischen Nordpol-Expedition gesagt hat, Quarterly Review, vol. XVIII. pag. 467. da auch in England sich Leute fanden, welche theils aus Unwissenheit theils aus vorgefaßter Meinung, oder gar bösem Willen gegen die Personen, welche den Ruhm hatten ein solches Unternehmen vorzuschlagen, ihre Unzufriedenheit über die Expedition eben nicht auf die liberalste Weise lautwerden ließen, sogar, wiewohl vergeblich, Versuche gemacht hatten, die zur Reise freiwillig engagirten Matrosen zu bewegen, von ihrem Vorhaben abzustehen. »With equal contempt we notice insinuations of the inutility of the measure. A philosopher should despise the narrow minded notions entertained by those, who wiewing the subject as merely one of profit and lofs, are unable to form any other notion of its inutility; and just have sagacity enough to discover that if a passage should be found one year, it may happen to be closed the next! We can well imagine that many such sinister bodings were heard, when Bartholomew Diaz returned without doubling the cape of good hope, and when Magelhaens had effected a southern passage into the Pacific. Briefly then, we shall not degrade the snoblest and most disinterested enterprize, that was undertaken in ancient and modern times, by condescending to justify it to the selfish and calculating horde, whose cavils we have recorded, but to the honourable and liberal mind that thinks the pursuit of science worthy of a great, a prosperous, and an enlightened nation like England, we would say that the point in question involves an infinity of results of the utmost importance to the perfection of science; that the benefits of science are not to be calculated, and that no guess can be formed to what extent thay may be carried. Who could have imagined that the polarity of the magnet, which lay hid for ages after its attractive virtue was known, would lead to a discovery of the new world; and who can tell what farther advantag mankind may derive from the magnetical influence so very remarkable, yet so very little understood? or pretend to limit the discoveries to which electricity and galvanism may yet open the way? Had any one, thirty years ago, been bold enough to assert, that he would light up our shops and houses, and theatres and streets with a more brilland fire than yet had been produced; that this flame should be extracted from common fuel and carried for miles, if necessary, under ground in iron pipes, he would at once have been set down as little better than a madman or an impostor. – Both expeditions may fail in the main object of the arduous enterprize; but they can scarcely fail in beeing the means of extending the sphere of human knowledge; and if they bring back an accession of it, they cannot be said to have been sent out in vain.«

Note in 1820. Daß dieser Zweck vollkommen erfüllt ist, wenn auch gleich die nördliche Passage nicht gefunden ward, davon geben nun die Resultate jener Expedition, die sich in den von derselben bekannt gemachten Nachrichten befinden, den schönsten Beweis.

Krusenstern.


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