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Von dem Capitain der Russisch-Kaiserlichen Marine
Krusenstern.
Schon im entfernten Alterthume waren die köstlichen Produkte Indiens, den westlicher gelegenen Ländern bekannt geworden. Die ältesten Bücher der Geschichte sprechen von ostindischen Zimmt und von Handels-Karawanen, die aus den südlichen Gegenden nach Syrien und Aegypten zogen. Dieser Verkehr wurde auch in den folgenden Zeitaltern nicht abgebrochen, er bahnte sich vielmehr immer neue Wege. Man brachte die indischen Waaren nicht nur zur See an die Südost- und Südküste von Arabien, sondern auch durch das rothe Meer nach Aegypten; sie wurden von Karawanen nicht nur durch Arabien, sondern eine Zeitlang auch vom Indus gerade durch Persien an die Syrischen Häfen befördert; ja sie gingen den Indus hinauf in die Gegenden am Amu Daria, und von hier, aus der Bucharey mit andern orientalischen Kostbarkeiten, theils nördlich vom Kaspischen Meere an die Mündungen des Don und Dnieper, theils über das Kaspische Meer und die Kaukasische Landenge an die Mündung des Phasis. So gelangten sie dann vom Asowschen- und schwarzen Meere, wie vom Persischen und Arabischen Meerbusen auf die westlichen Märkte und in die Länder, welche das mittelländische Meer umgeben.
Hier war der Handel, so viel wir wissen, anfänglich von den Phöniziern und zum Theil auch von den Aegyptern geleitet worden, diese wurden von den Karthagern abgelöst und von den Griechen. Die letztern hatten schon sehr frühe Colonien in Sicilien und Unter-Italien angelegt, sie hatten sich auch, noch vor der Gründung des Persischen Reichs auf den Küsten des schwarzen Meeres angesiedelt; Alexanders Eroberungen in Asien, sicherten ihm das Uebergewicht in dem morgenländischen Handel, der nun die Häfen von Alexandrien, Rhodus und Byzanz belebte. Als die Macht der Römer sich ausbreitete, als Karthago vernichtet wurde, und auch die Griechen ihren Namen mit dem Römischen vertauschen mußten, blieben den letztern doch, durch Verkehr mit dem Orient, die Quellen ihres Wohlstandes zugänglich, und wenn in der Folge ihre Thätigkeit auf dem großen Schauplatze abnahm, so lag dieß weder an den Veränderungen, die die Völkerwanderung veranlaßte, noch an den glücklichen Fortschritten der Araber. Sie wurden hauptsächlich durch die willkührliche Regierung ihrer Byzantischen Kaiser beschränkt, und mußten ihre bisherige Rolle im Handel denen überlassen, die sich einer liberalen Staatsverwaltung zu erfreuen hatten - den Amalfiten, Pisanern, Genuesern und Venetianern. Die letztern vortheilten am meisten vom Verfall der griechischen Industrie. Sie wurden auf eine Zeitlang die Herren des Verkehrs im schwarzen Meere, sie erhielten sich mitten unter manchen Schwierigkeiten den Handel nach Vorder-Asien und Aegypten. Sie blieben dadurch im Stande, die immer zunehmende Nachfrage des Abendlandes nach Indischen Produkten zu befriedigen, und mit ihrer Wohlhabenheit stieg ihre Macht. Unstreitig würde diese noch bedeutender geworden seyn, hätten sie ihren Wirkungskreis erweitert So viel man weiß, unternahmen die Italiener auch in der günstigsten Zeit ihres Handels doch keine Entdeckungs-Reisen jenseits der Straße von Gibraltar. Nur Nicola Zeno und sein Bruder Antonio, Venetianer aus adeligem Geschlechte, machten gegen Ausgang des 14ten Jahrhunderts Fahrten nach der Nordsee und in den benachbarten Gewässern; aber die Nachrichten von denselben sind von einer fremden Hand so entstellt, durch Fabeln und Mißverständnisse so verdorben und so dunkel, daß es Forstern, trotz aller Mühe und alles angewandten Scharfsinnes, doch nicht gelungen ist, sie aufzuklären. Am Ende des 15ten Jahrhunderts, waren Venetianer und Lombarden in London sehr zahlreich. und wären nicht unerwartete Nebenbuhler im westlichen Europa aufgetreten, die ihrem politischen Einflusse ein Ziel setzten, indem sie sie um die Vortheile ihres morgenländischen Handels brachten.
Spanien hatte das Joch der Araber abgeschüttelt; Portugal war ein selbstständiger Staat geworden; den Portugiesen gelang es noch früher als ihren Nachbaren, aus ihren Gebieten die Araber zu vertreiben. Im Geiste der damaligen Zeiten, setzten sie den Krieg gegen die Ungläubigen fort, und verfolgten die Mauren auch in dem gegenüberliegenden Afrika. Sie erfuhren dadurch mancherlei von den Ländern und Bewohnern dieses Welttheils, sie lernten die nordwestlichen Küsten desselben kennen, der Zufall entdeckte einige benachbarte Inseln, der Unternehmungs-Geist führte sie weiter.
In den letzten Jahrhunderten des Mittelalters, waren die Wissenschaften im Abendlande allmählig wieder zu einem neuen Leben erwacht; man war mit den Kenntnissen des Alterthums immer vertrauter geworden; die Wallfahrten nach dem heiligen Grabe, die Kreuzzüge, die Berichte der Missionäre aus den Mongolischen Staaten hatten viele Wunder der Welt bekannt gemacht, viele Reisende in das Morgenland gelockt, und der Trieb entfernte Länder zu besuchen, neue Entdeckungen zu machen, war immer reger, immer allgemeiner geworden. Von diesem Triebe war auch ein junger Portugiesischer Fürst beseelt, Don Heinrich, Herzog von Visco, dritter Sohn Königs Johann des Ersten von Portugal und der Philippa, Tochter des Herzogs Johann von Lancaster. Die Engländer sind stolz darauf, daß die Mutter Don Heinrichs eine Englische Prinzessin war, und einige meinen wohl, der berühmte Infant gehöre dadurch auch den Engländern an, whose flesh and body he was, wie sich Purchas sehr naiv ausdrückt. Ueber 50 Jahre, von 1412, wo die erste Entdeckungs-Reise längs der Küste von Afrika unternommen wurde, bis 1463, dem Jahre seines Todes, leitete dieser kenntnißreiche Man gab ihm den Beinamen Mathematicus, auch Nautikus; er war 1394 im Januar geboren. und wirklich große Mann, die Thätigkeit seiner Landsleute zur See, und seine Bemühungen wurden von dem glücklichsten Erfolge gekrönt. Die Portugiesen umschifften das fürchterliche Cap Bajador und das Cap Verd, sie entdeckten Madeira, die Azorischen-, die Cap-Verd Inseln, und dehnten ihre Untersuchungen der Küste bis zum Flusse Gambia aus, und bis zum Cap Varga im zehnten Grade nördlicher Breite. Man behauptet sogar, wiewohl die Beweise nicht evident sind, daß die Portugiesen schon während der Administration des Herzogs von Visco die Linie passirten und die Insel St. Mathea im 2ten Grade südlicher Breite entdeckten. Clarke's Progres of maritime Discovery.Doch 24 Jahre später (1487) gelangte Bartholomeo Diaz wirklich an das Cap der Stürme ( Cabo do todos los Tormienres). So nannte er es; König Johann II. aber gab ihm den Namen des Vorgebirgs der guten Hoffnung, denn man zweifelte nun nicht weiter daran, daß Afrika umschifft und Indien, das reiche Indien, das verschwenderisch von der Natur ausgestattete Land, auf diesem Wege erreicht werden könne. Vasco de Gama bahnte den Portugiesen 1497 den Weg dahin; sie wurden die Herren des ostindischen Handels, und die Vortheile desselben gingen für die Venetianer und Genueser verloren.
Die uralte Meinung, nach welcher Afrika im Süden vom Meere umgeben seyn sollte und zu umschiffen sey, war also auf das vollkommenste gerechtfertigt. Doch die Alten hatten auch, seitdem sie von der kugelförmigen Gestalt der Erde überzeugt waren, behauptet, daß die Gegend jenseits den Säulen des Herkules mit den Indischen zusammenhängen, daß der Ocean im Westen und Osten nur ein einziges Meer seyn müsse. Von einer solchen Ansicht ging der wohlunterrichtete und erfahrne Genueser Christopher Columbus aus, als er sich beim Portugiesischen und dann beim Spanischen Hofe erbot, auf dem westlichen Wege nach Japan (Marco Polo's Cipangu) und nach Indien zu schiffen. Die Spanier gaben ihm endlich im Jahre 1492 Gehör; er brachte sie freilich nicht nach Cipangu aber er eröffnete ihnen eine neue Welt, ein zweites goldreiches Indien. Und nicht lange nachher gelang es den Spaniern doch, eine südwestliche Straße nach dem Indischen Meere zu finden. Hernando Magelhaens, entdeckte sie um das Jahr 1520; sein Name ist in der Reihe der Erdumsegler der erste.
Indessen hatte die Entdeckung des Vorgebirges der guten Hoffnung, auch im nördlichen Europa großes Aufsehen erweckt. Seit geraumer Zeit beschäftigte ein lebhafter Handel die Anwohner der Nord- und der Ostsee, aber noch weit früher war Schifffahrtskunde hier einheimisch, und durch verwegene Unternehmungen zur See, hatten die alten Bewohner des germanischen Nordens sich schon sehr lange ausgezeichnet. Sachsen beunruhigten schon im dritten Jahrhunderte die Römer an den Küsten von Belgien Brittanien und Armorika, sie und die Angeln und Jüten wurden im 5ten Jahrhunderte die Herren der Britten; Dänen kamen im siebenten nach Irland, im achten an die Englischen Küsten, und sogenannte Normänner machten im 9ten Jahrhundert zur See nicht nur häufige Einfälle in das Fränkische Reich, sie erschienen auch im mittelländischen Meere, und an den Küsten des Finnischen Meerbusens. Ein Norweger machte die Fahrt um das Nordcap bis an die Mündungen der Dwina bekannt; seine Landsleute entdeckten Island, welches ihre Liebe zur Freiheit bald bevölkerte; von dort aus fand man im 10. Jahrhunderte den Weg nach Grönland, wo sich ebenfalls Colonisten ansiedelten. Aber schon am Ende des 9ten (895) waren Normänner nach Winland an die Küste von Nordamerika gekommen. Sie ließen sich wohl nicht träumen, wie wichtig das werden könne, was sie hier gefunden hatten, und die Fahrten dahin wurden nicht lange fortgesetzt.
Doch nun bei den späteren großen Entdeckungen im Süden, erhielt der Unternehmungs-Geist im Norden einen neuen Schwung. Unter glücklichen Gesetzen lebende Engländer, die sich von einem unerträglichen Drucke befreiten, wetteiferten jetzt in Seefahrten mit Portugiesen und Spaniern, ohne zu achten, daß nur diesen beiden Nationen, durch die berühmte Demarcations-Linie des Pabstes Alexander VI., der Besitz aller neuen Entdeckungen in Indien und Amerika zugetheilt worden war. Zunächst dachte man auch daran, im Norden Goldländer aufzufinden, und insbesondere einen Weg, auf dem man in kürzerer Zeit und mit weniger Schwierigkeiten nach Indien gelangen könnte, als es bei der Reise um das Cap der Stürme herum möglich war. Voll guten Muths, unbekümmert wegen der unvermeidlich damit verbundenen Gefahren, wagte man sich auf kleinen, oft übel bemannten, und nicht selten gebrechlichen Fahrzeugen in den Ocean, um Vermögen und Ruhm zu erbeuten; Die Schiffe, auf welchen Diaz das Cap der guten Hoffnung, und zwei von denen, mit welchen Columbus Amerika entdeckte, waren kaum größer als die Barkasse eines großen Kriegsschiffs. Das größte von Magelhaens Schiffen hatte nur 130 Tonnen; der Pelican, Drakes Schiff, war von 100, und ein anderes seiner Schiffe nur von 15 Tonnen. den nahen Weg zur Quelle der Reichthümer und Kostbarkeiten glaubte man in NW oder doch in NO finden zu müssen, und obgleich jeder Versuch hier wirklich noch schwieriger und mißlicher war, als eine Fahrt um die Südspitze von Afrika, und jeder Versuch nicht zu dem vorgesteckten Ziele führte: so verschwand dennoch bei wiederholten Anstrengungen in einem Zeitraume von drittehalbhundert Jahren, die Hoffnung auf die nördliche Durchfahrt nicht. Es gab immer noch Personen, welche die Möglichkeit derselben beweisen wollten und wieder zu neuen Expeditionen nach dem Nordpole aufmunterten, bis daß die Reise des Capitain Tschitschagoff und eine andere, welche der Capitain Phipps im Jahre 1773 unternahm, deutlich genug zeigten, daß man Verzicht darauf thun müsse, Indische und Chinesische Waaren durch die nordischen Eisschollen nach Europa zu bringen.