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Glocken, die zum Beten läuten

Kommt, wir wollen wieder beten lernen,
rufen Gott und sehen zu den Sternen
gläubig, wie zum Heiland wir geschaut als Kind.
Glaubten, durch uns selber fest zu stehen,
und nun müssen wir mit Schmerzen sehen,
daß wir doch nur arme Menschen sind.

O, Gott gab uns diese seine Erde,
daß sie ihm zum Lob und uns zum Heile werde,
bis wir ruhen einst in seinem Schoß.
Gab uns höchste Lust und tiefste Leiden;
wuchsen wir nicht hin zu ihm in Freuden,
macht er uns in Kampf und Schmerzen groß.

Vierzig Jahre Frieden ließ er uns genießen,
vierzig Jahre Segen auf uns fließen,
und nun zeigt er uns, wie groß es Leiden gibt:
Wenn wir tot und krank und elend die erkennen,
die wir Vater, Bruder oder Liebster nennen,
die wir heiß ein Leben lang geliebt.

Jetzt erst fühlen wir das bittre Trauern
und die Seele tief in Angst erschauern,
wenn wir erst dem Tod ins Auge sehn.
Wenn die Kunden von den Schlachten melden,
wenn wir erst vor den zerschoßnen Helden
in den Lazaretten stehn.

Und wir wähnen: die Gewehre knallen,
und wir sehen die Getroffnen fallen,
tot, zerrissen oder sterbenswund.
Sehn geliebte Augen einsam brechen,
hören letzte Worte stöhnend sprechen
einen heißgeliebten Mund.

Und wir gehn in unsern festen Städten,
essen, trinken, schlafen wohl in Betten,
und die Krieger liegen hart im Feld.
Und wir wehren düstre Bilder weg im Dunkeln,
sehn den Mond im stillen Lande funkeln:
Wie so ruhig ist um uns die Welt!

Kommt, nun laßt uns beten gleich den Kindern,
Gott allein kann alles Elend lindern,
und wir sind im Glück so weit von ihm gekehrt.
Gott, du halfst uns unser Glück bereiten,
hilf uns auch, für unser Glück zu streiten,
wie dein eignes Sterben es uns hat gelehrt.

Sieh, o Gott, wir folgten deinem Rufe,
leg Erlösung, Freiheit auf die erste Stufe
des Altars, vor dem wir kniend flehn,
und daß wir erkennen, wie in deinen
Leiden Segen unsrem Leben möge scheinen.
Kommt, o kommt, und laßt uns beten gehn!


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