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Dieses Kapitel könnte man füglich überschreiben: die Ausbildung. Man sieht, der rohe Oxfordische Block zum LateinmachenEin gewisser John Clarke, Rektor der Schule zu Hull, hat wirklich eine Introduction to the making of Latin geschrieben. hat bereits den gröbern Meißel passiert, und kömmt nun unter die feineren. Noch ist freilich der Anstand etwas links, und das Mäulchen des Laffen noch da, allein im erstem ist denn doch die Schlangen-Linie offenbar schon nicht mehr ganz zu verkennen, und letzteres spricht, oder parliert wohl gar schon über die Achsel, und das ist allemal schon viel für die kurze Zeit. Es wird bald besser werden.
So eben ist unser Herr aufgestanden, hat sich bloß in einen leichten Cassaquin mit goldenen Trotteln geworfen, ein Paar Pantöffelchen angesteckt, und hält sein Lever. Um aber zugleich den genialischen Einfluß der Aurora nicht zu versäumen, so fängt er ihre letzten, aber kräftigsten Strahlen, ich meine die zwischen XI. und I. gierig und geschwind auf, und nimmt Lektionen, fünf auf einmal, nämlich auf dem Waldhorn, dem Klavier, im Fechten, Tanzen und in der PugilistikSeitdem die Boxkunst zu den schönen Künsten gehört und von Leuten von Stand getrieben wird, sagt man nicht mehr, der Mann ist ein großer Boxer, sondern großer Pugilist. Auch hat man schon die Wörter Pugilistic und pugilistical. Athletik erinnert an groben Knochenbau; Pugilistik veträgt sich mehr auch mit Grazie in der Figur derjenigen, die sich mit der Athletik abgeben, und das Wort ist bloß deswegen geprägt worden. An Beispielen von ähnlichen Fortschritten der Sprache mit den Sachen selbst, fehlt es nicht. So hatte man gewiß anfangs bloß gemeine filous; als sich aber Leute von Erziehung mit dem Handwerke zu beschäftigen anfingen, entstunden die Chevaliers d'industrie. (den Prügelkünsten). Zugleich tut er noch wichtige häusliche Geschäfte ab, und gibt überhaupt Audienz. Was auch mancher Spötter von dieser Art zu studieren sagen oder denken mag, so ist ihr doch sicherlich Enzyklopädizität nicht abzusprechen, und sie selbst ist vielleicht überhaupt nicht so selten, als man glaubt. Man muß nur die Sache aus dem rechten Gesichtspunkte ansehen. Hogarth, der sich beim Vortrage der Wahrheit, der Bildersprache bedient, konnte schwerlich anders fertig werden, wenn er in seiner Sprache deutlich ausdrücken wollte, was in manchen Studierköpfchen täglich, zwar unsichtbar, aber noch viel enzyklopädischer vorgeht. Ein bloß schlafender Jacob ist leicht gemalt; will man aber malen, daß er jetzt von der Himmelsleiter träumt: so sehe ich doch fürwahr kein anderes Mittel sich heraus zu helfen, als man muß, wie in Weigels Bilder-Bibel, die Leiter unten neben ihn stellen, oben an die Wolken anlehnen, und so die Engel auf- und niedersteigen lassen. – Eigentlich wollte ich nur sagen: wenn mancher Kopf, der dort dem Unterrichte so stille zu halten scheint, mit allen den lieben Engelchen gezeichnet werden sollte, die ihm indessen dienen, und denen er Audienz gibt, so würde ungefähr so etwas herauskommen, nicht wie die Himmels-Leiter, sondern – wie Rakewells Lever.
Acht Personen befinden sich im Präsenz-Zimmer, und genießen das Glück seiner näheren Gegenwart, und dort hinten versieren ihrer noch sechs in Limbo. Das sind zusammen vierzehn Personen, die wir nun näher kennen lernen wollen; denn wirklich sie verdienen es, so viele wir ihrer kennen, gewiß.Nichols, der es von guter Hand hat, sagt (Biographical Anecdotes of W. Hogarth. 3d Edit. p. 17.) die meisten Köpfe auf diesem Blatte wären Porträte von Personen der damaligen Zeit.
Der Mann, im (vermutlich) dunkelblauen Überrocke, mit welchem Rakewell spricht, und bei dessen Anblick es kaum möglich ist, nicht an so was wie Kartaunen oder Pulver und Blei zu denken, ist ein so genannter Bravo, ein Eisenfresser, der sich gegen ein billiges für andere Leute haut, und, wie man aus dem Pflaster über der Nase sieht, auch allenfalls hauen läßt. Der Brief, welchen Rakewell in der Hand hält, ist ein Empfehlungs-Schreiben, das ihm dieser Mann auf alle Fälle, so eben überreicht hat, und dessen Inhalt wörtlich folgender ist:
»Der Herr Hauptmann ist ein Mann von Ehre; sein Degen kann Ihnen von Nutzen sein.«
Rakewell scheint zu fragen: Sind Sie der Herr Hauptmann? Ja, ist die Antwort, Ich, Ich bin der Mann, dabei legt er die Rechte an den Degen, und die Linke auf den Sitz so wohl der Ehre, für die allein er ihn zieht, als des Muts und der Kraft, womit er ihn führt, wenn er einmal gezogen ist. Indessen verdient angemerkt zu werden, daß das Briefchen unterzeichnet ist: William Stab, das etwa so viel sagt, als Wilh. Messerstich. Hieraus sollte man fast schließen, der Herr Hauptmann wären ein Mann, der, zur Ehrenrettung seiner Kommittenten, sich zuweilen auch anderer Klingen bediene, die nicht ganz so lang wären, als die, welche da an seiner Seite hängt, auch nicht ganz so niedrig, sondern, dem Sitze des Mutes etwas näher, unter Überröcken mit Klappen, getragen werden. Roucquet tadelt in seiner Broschüre unsern Künstler, daß er diesen Charakter hiehergebracht habe; er sei nicht englisch, sondern italienisch, und da deucht mich, hat Roucquet sehr Recht. In dem eigentlichen Charakter der englischen Nation liegt sicherlich nichts vom Banditen, dem Kommittenten so wenig, als dem Kommissär, selbst in dem des niedrigsten Pöbels nicht; Menschen freilich, die für Geld hier und da ein übriges tun, gibt es überall. So arg hat auch wohl Hogarth die Sache nicht gemeint. Er wollte vermutlich bloß sagen: das Pürschchen da, in der Nachtmütze und Pantoffeln, besitzt unter andern männlichen Tugenden, auch die der Poltronerie; seine Ehre hat neuerlich irgendwo einen kleinen Flecken bekommen, der mit dem Degen radiert werden muß, und da ist ein Sekundant, der für eine kleine Erkenntlichkeit auch ein übriges tut, oder als angeblicher Vater oder Vormund die Sache ganz über sich nimmt, allerdings von Wert. Mit einem Wort; unser Held scheint mit seinem Frauenzimmer-Gesichtchen zugleich das so reizende Schutzbedürfnis dieses wehrlosen Geschlechts von der Natur erhalten zu haben, wodurch sein Herz an nichts so leicht hängen bleibt, als an den Insignien des Schutzes und der Sicherheit, Schärpe und Ringkragen, und einem Backenbart. So wird auf einmal diese Szene zwischen Rakewell und dem Eisenfresser, die so banditisch ließ, wirklich zu einer Art von Ehe-Beredung. Warum sollten auch zwei Herzen von gleichem Geschlecht sich nicht zu Schutz und Trutz eben so vermählen, und ein Ganzes ausmachen können, wie zwei von ungleichem zu Schutz und Liebe; deux courages comme deux coeurs? Ein Ausleger muß sich zurückziehn, wenn er einen schweren locum so weit gebracht hat. – Also genug hiervon.
Hinter dem Bravo steht der Waldhornist, mit der linken Hand in den Hosen. Das Recommendations-Schreiben des Hauptmanns gewinnt sicherlich durch den heroischen Jagd-Ton, den der Bläser angibt. Musik ist für Seelen-Verwandtschaften, was Wärme für den Körper ist; sie dehnt aus und verfeinert durch Ausdehnung; was sich sonst abstieß oder in toder Berührung neben einander lag, fängt an seine subtileren Stoffe zu mischen, und so fließt am Ende das Ganze zusammen. Die Ehen werden im Himmel geschlossen, sagt man; man sollte sagen: im Himmel, und wenns da nicht geht, auf Tanz- und Konzert-Sälen. Dieser Waldhornist ist sicherlich nach der Natur gezeichnet. Eben weil er die Hand in den Hosen stecken, und dieses zu verbergen ein Paar der untern Knöpfe seines Rocks zugeknüpft hat; so muß Hogarth einen Mann so blasen gesehen haben. Vielleicht war ihm gar die Ursache dieser Stellung selbst nicht einmal bekannt. Aber ich erinnere mich, in meiner Jugend sehr oft einen Waldhornisten gesehen zu haben, der gerade so stund, wie dieser hier, wenn er blies, und von diesem wußte ich gewiß, daß er es tat, um sich keinen Bruch zu blasen, oder eigentlich das Band zu unterstützen, das er eines Bruchs wegen trug, den er sich bereits geblasen hatte. Bei diesem war die Absicht des Handgriffs nicht zu verkennen, denn wenn er auch zuweilen beim piano unterblieb, so war er beim nächsten forte immer wieder da, und da ließ es dann, als wollte der gute Mann während seines Spiels nach der Uhr sehen. Es war aber bloß mit dem Blasebalge nicht richtig.
Der Mann in der Mitte des Blattes, der, mit etwas ausgebreitetem Schweife, in einer Art von Welschen-Hahnen-Pas vor Rakewelln vorbei defilieren zu wollen scheint, ist ein französischer Tanzmeister der damaligen Zeit, und unverkennbar etwas Eignes und Großes.Herr Nichols sagt in der angeführten Stelle ausdrücklich, der Mann sei der berühmte Tanzmeister Essex; S. 210 aber, wo er eigentlich die ihm bekannten Männer nennt, deren Porträte hier gegeben werden, sagt er davon nichts. Herr Ireland hält ihn für einen Franzosen, und das glaube ich auch. Aber Essex ist sicherlich kein französischer Name, auch ist es gar nicht wahrscheinlich, daß Hogarth einen Landsmann mit Haarbeutel und Schönpflästerchen würde abgebildet, oder der Landsmann selbst eine solche Verzierung gebraucht haben. Der ganze Mann ist es also wohl nicht, oder er ist wenigstens nicht in England erzogen. Allein es kömmt immer hier auf die Verhältnisse zwischen unserm Künstler und Essex an. Es wäre immer möglich, daß etwa bloß das Gesicht diesem Manne gehörte, und Hogarth das übrige absichtlich hinzu gezeichnet hätte. Fielding (Tom Jones, Book XIV, Chap. I.) sagt von diesem Essex, er glaube nicht, daß, wenn Homer und Virgil, Aristoteles und Cicero, Thukydides und Livius ihre Kräfte vereint hätten, sie eine solche Tanzkunst würden haben schreiben können, wie die, welche Essex unter dem Titel Rudiments of genteel Education herausgegeben habe. Das Köpfchen hier gewinnt nicht wenig, wenn man es sich im Genuß eines solchen Triumphs über jene großen Alten denkt, und dabei voraussetzt, daß es sie sämtlich entweder für Tanzmeister von Profession halte, oder sie bedauere, daß sie es nicht gewesen sind. Man sieht, die Begeisterung und die inflammable Luft seiner Nation heben ihn, und er berührt nur noch mit den Zehen die Erde. Man behauptet, die Figur sei übertrieben und außerdem verzeichnet. Aber welcher Tanzmeister, zumal wenn er wie dieser so ganz im geistigen Genuß seines eignen Wesens verloren ist, übertreibt sich nicht zuweilen, und verzeichnet sich nicht zuweilen selbst. Es geht dem Gebärden-Sprachmeister, wie manchen lateinischen, sie können sich vor lauter Syntaxis ornata nicht mehr natürlich ausdrücken. Daß das linke Bein so äußerst rechts aussieht, daran könnte wohl der Stuhl etwas Schuld haben, der den feinen Wellenlinien der Bewegungen seines Körpers oder Kleides irgendwo nicht so nachgeben wollte, wie die Luft, für die sie berechnet waren. Je größer die Feinheit, desto leichter die Zerstörbarkeit. Über einem Hälmchen, das der natürliche Fußgänger nicht einmal fühlt, kann ein Tanzmeister den Hals brechen. Dieser glückliche Sterbliche (und daß er es ist, davon zeugt alles in diesem verklärten Gesichtchen, was nur zeugen kann; das von außen geschlossene und bloß nach der Phantasie-Seite offene Auge, und ach! das Honigmäulchen von der Zufriedenheit selbst geschlitzt); dieser glückliche Sterbliche, sage ich, ist in einem körperlichen Pas frisé begriffen, den aber sein innerer Mensch von Schuh und Steinschnalle frei unter der reinsten Form nie gezeichneter Schönheitslinien mit unaussprechlichem Wohlbehagen anschaut. Welche Seelenruhe! Wahrlich! die Weisheit selbst muß erstaunen, wenn sie hier ein Paar Füße erblickt, die ihren flüchtigen Besitzer zu dem Ziele geführt haben, das er vielleicht, mit ihrem eignen Kopfe auf seinen Schultern, zehnmal verfehlt hätte.
Hinter dem Tanzmeister steht Du Bois, ein französischer Fechtmeister; ein Porträt. Er ist im Begriff, einen lebhaften Ausfall mit dem Rapier auf die Luft zu wagen, und ruft dabei diesem Gegner zu. Der Mann ist durch sein tragisches Ende merkwürdig; er wurde den 11ten Mai 1734 von einem Irländer gleiches Namens, ebenfalls einem Fechtmeister, in einem Duell durchgerennt; kam noch vom Schlachtfelde zu Fuß nach Hause, starb aber einige Tage darauf an der empfangenen Wunde. Allerdings mögen die gleichen Namen, die gleichen Geschäfte, und zwar solche Geschäfte, in einer und derselben Stadt, zu allerlei bittern und ehrenrührigen Verwechslungen oder Beinamen Anlaß gegeben haben. Weil sie nun beide privilegierte Dispensatoren des eigentlichen Spezifikums wider gekränkte Ehre waren, so verordnete es einer brüderlich dem andern, und so wurde das Übel glücklich zum Vorteil beider gehoben.
Obgleich dieser Mann hier keinen Gegner vor sich hat, dessen Stöße er parieren könnte, so hat er dafür einen hinter sich, der einen Blick auf ihn wirft, den eine Welt voll Du Bois nicht parieren würde, nämlich den der stillen, ruhigen Verachtung, gestützt auf deutliches Bewußtsein hoher Überlegenheit. Dieser stille Gegner ist der Mann dort hinten an der Wand, der mit zwei beträchtlichen Bengeln im Arme, selbst so ziemlich das Ansehen von einem dritten hat. Er hieß Figg, war der größte Klopf-Fechter seiner Zeit, und, wenn man nicht über Worte streiten will, wirklich ein großer Mann.Er starb im Jahr 1734. Man hat ein eignes Porträt von ihm, von Ellis gemalt, von Faber in schwarzer Kunst gearbeitet, und von Overton herausgegeben. In Herrn Samuel Irelands (der oft erwähnte Erklärer des Hogarth heißt John) Graphic Illustrations of Hogarth from Pictures, Drawings and scarce Prints etc. London 1794. kl. 4. mit 52 Kupferplatten, findet man viele Anekdoten von ihm, und zugleich die Kopie von einer Verzierung seiner Adreß-Karte, die Hogarth für ihn verfertigt hat. Er ist da auf seinem Theater abgebildet, wie er die Zuschauer anredet. Die Schriftsteller über diesen Künstler sprechen von ihm als einem Wunder. Seine Stärke lag eigentlich im Hieber (broad Sword) und der Streitkolbe. Mit seiner Faust hätte er einen Ochsen erschlagen, und mit einem seiner StreitkolbenQuarter-staff. Dieses ist eigentlich ein derber Prügel von etwas mehr als Mannslänge. Der Name kömmt vermutlich daher, daß man ihn beim Gebrauch mit der Rechten etwas gegen die Mitte zu faßt, und mit der Linken wieder in der Mitte der untern Hälfte und also gleichsam viertelt eine ganze Menagerie von Du Bois auf einem einzigen Hieb. Diese stille Verbindung des britischen Athleten mit dem französischen Fechtmeister, ist gewiß eine der glücklichsten; die britische, feste, ausdauernde Eiche, der flatternden französischen Zitterespe gegenüber, die Keule des Herkules neben dem Rapier, und der Löwe neben dem Tier, das kräht. Wie der handfeste Figg nicht da an der Wand ruht, und auf das possierliche Fechter-Solo des Du Bois herabsieht, mit einem Ausdruck in dem breiten, gelassenen Gesichte,Größtenteils durch einen Zufall ist in unserer Kopie etwas von dem Geiste, eigentlich dem Phlegma und der Kaltblütigkeit dieses merkwürdigen Kopfs verloren gegangen. Viel ist es nicht. Ein nur etwas ungleiches Einfressen des Ätzwassers kann eine Physiognomie, worin alles so scharf abgewogen ist, im Ganzen schon merklich affizieren. Die Platte war schon größtenteils abgedruckt, als ich es gewahr wurde. Auf mein Erinnern aber hat sich Herr Riepenhausen, der bei seinen vorzüglichen Talenten nichts von Künstlerstolz besitzt, sogleich erboten, diesen Kopf noch besonders, und zwar in der Größe, die er im Originale hat, darzustellen. Er ist jetzt, da ich dieses schreibe, damit beschäftiget, und wir werden ihn als Schlußvignette zu diesem Kapitel abdrucken lassen. Was diesen Kopf noch einer besonderen Aufmerksamkeit wert macht, ist, daß es der einzige auf der Original-Platte ist, den Hogarth ganz selbst gearbeitet hat, das übrige ist alles von einem gewissen Scotin, und nur von ihm revidiert worden. Man sieht, Hogarth muß viel auf diesen Kopf gerechnet haben, weil er die Bearbeitung desselben dem Künstler nicht überlassen wollte, dem er sonst diese ganze Geschichte überließ. In den Sammlungen der Liebhaber finden sich daher noch Probe-Abdrücke von diesem Blatte, worauf Figgs Kopf weiß gelassen ist. der zu erkennen gibt: er sei nicht allein Manns genug, den Du Bois in Stücken zu schlagen, sondern auch hintendrein, wenn es verlangt würde, die Stücke aufzuessen!
Linker Hand von Figg ab, und in Konjunktion mit der Venus an der Wand, steht der alte Kunstgärtner Bridgeman mit dem Plane von einem Garten, den er dem Rakewell vorlegen will, der aber zu sehr mit dem utili beschäftigt ist, um jetzt viel auf das dulce zu achten. Diesem Kopfe sieht man es, dünkt mich, an, daß er ein Porträt ist.
Wie ehrlich und gut! vielleicht der ehrlichste Mann auf dem ganzen Blatte, und daher von der Herrschaft ganz vorzüglich – mit dem Rücken angesehen. Ein solches Gesicht ist fürwahr eine Leibrente, nur freilich in diesem Stadium ihrem Ende nah. Etwas Taubheit oder paralytisches Schütteln würde den Kopf in der Natur nicht schlimmer machen. Man hat den Künstler getadelt, daß er diesem berühmten Verschönerer der Gärten und dem ersten, der die kalte holländische Symmetrie aus denselben verbannte, hier einen Plan in die Hand gegeben habe, der gerade von dem Gegenteil zeuge. Wie aber, wenn gerade dieses auf die Geschmacklosigkeit des jungen Herrn, der vielleicht schon einen bessern verworfen hatte, hinwiese, oder, welches noch wahrscheinlicher ist, daß Herr Bridgeman, der offenbar hier mehr als einen Plan hält, dem Bauherrn erst habe auf den Zahn fühlen wollen. Doch dieses heißt vielleicht zu viel raffiniert. Zur Hieroglyphe einen Garten überhaupt anzudeuten, ist der holländische wirklich schicklicher, als der englische, und hier wäre die Unterschrift: Garden Plan nicht so nötig gewesen, als sie es unter manchem eigentlich englischen hätte sein mögen. Im Vorbeigehen anzumerken, soll dieser vortreffliche Mann auch zuerst die Bild-Scherkunst von Bäumen und Hecken verbannt, und die so genannten Ha Ha's erfunden haben.Walpole's Anecd. of Paint. in England. T. IV. p. 136. Ha Ha heißt in England die Befriedigung eines Gartens durch steile, trockne Gräben, die zuweilen Futtermauern haben, zuweilen aber auch, wo sie minder steil sind, die eigentliche Befriedigung durch Staketen in sich enthalten. Sie haben das Angenehme, daß man in dem Garten die Aussicht in das Feld und in die Gegend nicht verliert, welches bei Mauern und Hecken, die sich merklich über die Ebene erheben, der Fall ist. Jemand, der im Garten spazieren geht und dieses noch nicht weiß, wundert sich oft, wenn er Fremde nahe vorbeireisen sieht, wie man den Garten so offen habe lassen können. Bei näherer Untersuchung, und wenn er seinen Irrtum fand, mag dann freilich mancher dabei ausgerufen haben: Ha Ha! Dieses ist der Ursprung des Namens. Zuweilen werden sie aber auch angelegt, um den eigentlichen Garten von dem Park zu trennen, worin das Wild geht, und da ist es dem Herausgeber selbst begegnet, daß er einmal, indem er sich dem Wild nähern wollte, plötzlich auf ein solches Ha ha stieß. Er sagte auch etwas dabei, als er sich so betrogen fand, er erinnert sich nicht mehr was, aber Ha ha war es sicherlich nicht.
Vor unserm Helden kniet ein Jockey (Rennpferdreiter), der in dessen Dienst und mit dessen Pferde eine schwere silberne Schale gewonnen hat, die er hier knieend präsentiert, vermutlich weil es ihm, wegen ihres großen Gewichts so am leichtesten fällt, sie so lange zu halten, bis sein Herr wichtigere Geschäfte abgetan hat. Der Vater hätte vielleicht um den hundertsten Teil eines solchen Gewinstes die Ewigkeit vergessen. Auf die Schale selbst hat man schon das Rennpferd mit dem Kunstreiter graviert. Oben stehen die Worte: gewonnen zu Epsom,Epsom, eine sehr wohlgebaute und angenehme Landstadt in Surrey, die wegen ihres Bittersalzes bekannt genug ist. In den Ebenen bei derselben (Epsom Downs) werden jährlich Pferderennen gehalten, die wegen der Nähe des Orts bei London, und der vielen Landhäuser der Reichen darin und dabei, sehr großen Zuspruch haben. Es liegt 16 englische Meilen von London, das sind, im Räume, etwas über 3 deutsche; nach dortiger Postillions-Zeit 2 Stunden Weges. und unten der Name des Pferdes Silly Tom. Dieses ist die Anwendung, die Hogarth von dem Vornamen Rakewells macht, auf die wir oben gezielt haben. Sein Pferd heißt Thomschen, wie Er, läßt sich von andern Leuten zu ihrem Vorteil reiten, wie Er; würde das nicht tun, wenn es klüger wäre, und leidet es bloß, weil es etwas silly ist, wie Er. Mit dem Worte silly werden im Englischen gute, einfältige Tröpfe bezeichnet, mit denen man machen kann, was man will, und die sich nicht zu helfen wissen; etwas dumme. In manchen Gegenden von Deutschland werden die Thomase von dem gemeinen Volke in den Familien Thumme genannt. Nach diesem wäre Silly Tom so viel als der dumme Thumme und das klänge fast wie dun Dun, der Name eines vortrefflichen Rennpferdes, das der Herausgeber selbst im Oktober 1774 über fünf oder sechs andere siegen gesehen hat. Don bezeichnete die Abkunft und dun die Farbe. Ob nicht in dieser Unterschrift: Silly Tom vielleicht das Wort Filly in der Ferne wenigstens zugleich mitklingen soll, kann nur ein englisches Ohr entscheiden. Freilich heißt Filly ein junges Mutterpferd (a young Mare), und paßt also nicht auf den Namen Tom. Es ist aber bei Pferderennen so häufig von Fillies die Rede, und der Name kömmt auf den ausgeteilten Zetteln so oft vor, es rennt da so manche Filly, auch steht der Name unter so manchem Kupferstiche, daß ich nun schon zweimal erfahren habe, daß geborne Engländer, die diese Unterschrift lesen wollten, im ersten Augenblick Filly lasen, wozu sie die Abbildung des Pferdes verleitete. Wirklich kann auch niemand leicht das Beiwort silly unter der Abbildung eines englischen Rennpferdes vermuten, eines so edeln und herrlichen Geschöpfs, das auf der Leiter tierischer Vollkommenheit, Tätigkeit und Sensibilität, gewiß einige Staffeln höher steht, als andere Pferde, und zuweilen als sein Herr selbst. Hier scheint es auch bloß des sittlichen Unterrichts wegen für seinen Herrn von dem Künstler etwas erniedrigt worden zu sein. – Ich breche diese Tirade ab, damit nicht, bei weiterer Fortsetzung, gar in dem Ohre des Lesers das Wort Filly in der Ferne wenigstens mitzuklingen anfange.
Rakewell also hält Rennpferde, und, wie man aus zwei Porträten von Kämpfern an der Wand sieht, auch Streithahnen. Teilte er nun auch obendrein noch goldne Äpfel unter solche Streithennen aus, dergleichen dort Paris an der Wand drei vor sich hat, so würde die Geschichte dieses HerabkömmlingsDas Gegenteil von dem parvenu, dem Emporkömmling. sehr begreiflich.
Vor dem Klaviere sitzt ein wahrscheinlich nicht mehr junger und, von hinten wenigstens, ganz respektabler Mann. Vor sich hat er eine neue Oper: Der Sabiner-Raub. Auf dem Blatte rechter Hand stehen die Namen der Schauspieler, und oben an RomulusRomulos steht auch im Originale. Sen. Far. unstreitig Segnor Farinelli, ein berühmter mit dem Bistouri gestimmter Sänger der damaligen Zeit, von dem wir sogleich mehr hören werden. Hierauf folgen die Jungfern-Räuber (Ravishers) selbst, und, sehr drollig, numeriert, wie Violinisten: first, second, third Ravisher mit ihren Namen abgekürzt dahinter, an denen wohl niemanden etwas liegt. Was diesem Einfalle Hogarthische Lebhaftigkeit gibt, ist, daß 1) diese fürchterlichen Jungfern-Räuber wahrscheinlich samt und sonders gemachte Diskantisten waren, und 2) daß im Englischen das Wort ravisher noch den derben Nebengriff von Notzucht bei sich führt, da das deutsche Wort mehr die gewaltsame Entführung ausdrückt, die auch einen honetten Ausgang nehmen kann. Die oben hingesetzten Worte müssen also dem Engländer fast klingen wie: erster Notzüchtiger, zweiter Notzüchtiger etc. Hieher könnte man vielleicht noch eine dritte Bedeutung ziehen, an die aber Hogarth schwerlich gedacht hat, weil sie den Mutwillen eher vermindert, als vermehrt. Nämlich to ravish heißt im Englischen so wie ravir im Französischen, was wir im Deutschen auch durch ein Raubwort, durch hinreißen ausdrücken, und da war freilich Farinelli durch seine Stimme ein großer Ravisher und Ravisseur, der Herzen wenigstens, und namentlich der Damen-Herzen, wie auf diesem Blatte weiterhin sehr ausdrücklich zu erkennen gegeben wird. – Dieses waren die Jungfern-Räuber; nun kommen die Jungfern: Signora Str...dr, Signora Ne-gr-etc., zwar natürliche Diskantistinnen, aber dafür gemachte Jungfern, und große Ravisseusen in allerlei Bedeutung. Sie gehören sämtlich zu dem bekannten Orden der Sabinerinnen, die mit Gesang die Länder Europens durchstreichen, und nebenher von dem männlichen Geschlechte noch immer Strafgelder wegen der geraubten Unschuld ihrer Ältermütter zu erpressen wissen, wofür sie mit einem elenden Symbol der fatalen Geschichte quittieren, und am Ende alles nach dem Agro Sabino zurückschleppen.
Von der Stuhllehne des Klavierspielers herab, hängt eine lange sehr vollgeschriebene Rolle. Flüchtig angesehen, sollte man sie fast für eine Bittschrift an ein gewisses Haus, und die Gesellschaft etwa für ein Preß-Kommando (Press-Gang) für Subskribenten dazu halten. Das ist sie aber nicht, sondern etwas viel Reelleres, nämlich ein Verzeichnis von Geschenken, die man dem Ravisher Farinelli, der sich damals schier ein Fürstentum ertrillert hatte, gemacht hat. Sie lautet deutsch also: »Verzeichnis der kostbaren Geschenke, welche Sr. Hochwohlgeboren, Signor Farinelli, der italienische Sänger, von dem englischen Adel und anderweitigen Standespersonen für eine einzige Dero Vorstellungen in der Oper Artaxerxes anzunehmen geruhet haben: (condescended to accept):
Ein Paar demantene Knieschnallen, überreicht von ...
Ein demantner Ring von ...
Eine Banknote in einem kostbaren goldnen Etui,Im Originale steht ganz richtig inclosed in etc. weil aber das cl da so ziemlich einem d ähnlich sieht, so ist hier aus Versehen endosed gesetzt. von ...
Eine goldne Dose mit der Geschichte des Orpheus, wie er die Bestien bezaubert, von Thom. Rakewell (Bravo! Also in der bezauberten Gesellschaft war auch eine Bestie die sich silly Tom nennt).«
Dieses sind bloß die Pretiosa; nun kömmt das bare Geld, erst 100, darauf 200, und wieder 100, vermutlich Guineen. Die Fortsetzung ist aufgerollt.Daß wirklich dieser Farinelli nach seiner Vorstellung des Artaxerxes Geschenke von ungeheuerm Wert erhalten habe, bekräftigen die öffentlichen Blätter der damaligen Zeit. Herr Ireland versichert es, nicht an dieser Stelle seiner Erläuterung, sondern bei einer andern Gelegenheit, bei der vierten Platte der Heirat nach der Mode.
Unten an der Rolle liegt das Titelkupfer zu einem Lobgedicht auf Farinelli, das der Dichter, laut der Unterschrift, unserm Rakewell zugeeignet hat. Also Rennpferde, Streithahnen, H.... und Poeten, die essen was des Jahres.
Das Titelkupfer selbst stellt den Farinelli über einem Altar vor, auf welchem Herzen brennen. Vor demselben knieen und stehen Damen, die ihm brennende Herzen zum Opfer bringen. Ein seltsames Opfer für eine solche Gottheit, die nicht einmal recht wissen kann, was diese Nachtlichtchen bedeuten. Die Oberpriesterin ruft aus: one G.d, one Farinelli. Man sagt, eine Dame habe wirklich in einem Anfalle von diesem damals grassierenden Tarantismus, vor Entzücken über den Gesang des Hämlings diese Worte laut aus den Logen ausgerufen. Ein solches Geschöpf hätte wohl die Strafe des Midas verdient; alles was sie berührt hätte, hätte sich verwandeln müssen in angebetetes Gold. Indessen alle die Damen halten ihre Herzen in den Händen (eine faßt es sogar beim Schopf, an der Flamme), und dieser Umstand macht das Opfer noch begreiflich. Es sind nämlich wahrscheinlich bloß Sonntags-Herzen, die bekanntlich manche sogar zum Himmel erheben können, ohne deswegen das andere im mindesten zu genieren. Die Satyre geht, wie man sieht, auf die Raserei für die Italienische Oper, und ist daher sehr gerecht, nur bei weitem nicht geschärft genug, und für einen Mann von dem Geiste unsere Künstlers viel zu flach behandelt. Ob ein beschriebener Zettel von einer Stuhllehne herabhängt, wie ein Handtuch hinten, oder, wie Tabaksdampf, vornen, aus dem Maule aufsteigt, ist im Grunde einerlei. Wenn man nach der Beschauung dieser geistvollen Köpfe auf dieses so ganz heterogene Proclama stößt, so erweckt es auch immer eine etwas seltsame Empfindung, fast wie (ich bitte die schönen Künste, des Gleichnisses wegen, um Verzeihung) ein kräftiger Braten, zu welchem man etwa die Sauce aus einem Kochbuche vorläse.
Wer ist denn aber nun der Mann, der da auf dem Stuhle sitzt, denn die Figur soll ja jemanden vorstellen, der damals lebte? Die Meinungen hierüber sind selbst unter den Engländern geteilt, und hier kann kein Ausländer richten. Farinelli selbst ist es sicherlich nicht. Einer solchen Figur opfert keine junge Dame ihr Herz mehr, nicht einmal ihr Sonntags-Herz. Es läßt sich nichts dabei denken. Stellt ihnen über dem Altar auf, was ihr wollt, Marmor oder Holz, nur ums Himmels willen Jugend, Jugend, und diese scheint doch wirklich Farinelli, so wie er da unten im Himmel sitzt, zu haben; selbst aus der mikroskopischen Darstellung sieht man, daß sein Hutwurf noch nicht in den Dreißigen ist. Es geht eine fast allgemeine Sage, es sei unser großer Landsmann Händel. Trusler sagt es, und noch vor wenigen Wochen habe ich die schriftliche Versicherung erhalten, die sich auf die Aussage eines Mannes gründen soll, der unsern Künstler gekannt haben will, es sei gewiß Händel. Nichols ist darwider, gründet sich aber bloß auf ein Argumentum a priori, das Sir John Hawkins einst gegen ihn äußerte: »Händel, sagte Sir John, habe ein viel zu hohes Gefühl von seinem eigenen Werte gehabt, um sich je in eine solche Lage zu bringen. Wäre aber dieses, meinte er, so würde es auch kaum dem Künstler haben einfallen können, ihn hinein zu setzen. Es müsse also wohl sonst irgend ein Opern-Komponist damit gemeint sein.« Eben dieses wiederholt auch Herr Ireland. Freilich, es kann sein, daß es Händel nicht ist, und die Sache steht nunmehr so, daß sie wohl schwerlich eher ausgemacht werden wird, als Hogarths eigene Erklärungen erscheinen, die sich, wie ich aus den Zeitungen sehe, nunmehr gefunden haben sollen. Allein das, glaube ich, läßt sich behaupten, daß Sir John Hawkins Beweis, daß es Händel nicht sein könne, von gar keinem Belang ist. Man muß mit dem Geist der Satyre überhaupt, und der Hogarthischen besonders, schlecht bekannt sein, wenn man ihr noch ein solches Gewissen zutraut. Händels Figur, die unser Künstler und tausend andere, mehr von hinten, vor dem dirigierenden Flügel, gesehen haben mag, als von vornen, gefiel ihm vielleicht. Sie konnte daher, eben wegen dieser Bekanntschaft des Publikums mit ihr, eine Art von allgemein verständlichem Rebus für die Tonkunst werden, so wie Bridgemans Kopf für die Gartenkunst. Händels ganz getroffenes Gesicht hier aufzuführen, gestehe ich gern, wäre verächtlicher Mutwillen gewesen, aber so – ist es Hogarths Kunst die hier sitzt, und nicht Händels edler und großer Charakter. Die größere Leichtigkeit, einen Mann in dieser Stellung zu treffen, verbunden mit der Wahrscheinlichkeit, daß ihm doch auch mehrere von dieser Seite geglichen haben mögen, benimmt dem Einfalle das Ansehen von studierter Vorsätzlichkeit, wodurch er allein boshaft scheinen könnte. Ist es aber auch Händel wirklich, so hat Hogarth reichlich durch das herabhängende Manifest gut gemacht, was er sonst verdorben haben könnte. »Dem Manne da, könnte der Zettel sagen wollen, dem gebührte, was Du, mein Vaterland, an – elende Hämlinge verschleuderst. Wenn du den Ausländer belohnen willst, so belohne wenigstens den, dessen Melodien deine männlichen Gefühle nicht entnerven, sondern durch ihre Zaubermacht erhöhen, erweiteren und zu Taten entflammen, die deiner würdig sind. Jenen dort – –
Give them Brickbats for Bread.«Gib ihnen Ziegel-Stücke für Brot. Händels »Give them Hail-stones for Bread«, Gib ihnen Hagelsteine für Brot, ist bekannt genug.
So viel von dieser Figur, wenn sie Händeln vorstellte, und dem Beweise, daß sie ihn, trotz Sir John Hawkins' Urteil, vorstellen könne. Daß es aber Händel wirklich sei, wird mir jetzt dadurch doch unwahrscheinlich, daß ich gelesen habe, Händel sei ein starker Mann, und ganz vorzüglich durch eine große Hand und dicke Finger merkwürdig gewesen. Nun noch einen kleinen Blick in den Vorsaal.
Da steht schon ein zweiter Akt für diese Morgen-Stunden, völlig fertig bis zum Klingeln. Eine Putzkrämerin (Milliner) hört mit vieler Resignation die etwas heftigen Reden eines Mannes an. Aus dem Gestus, den er mit dem Hute begleitet, zu schließen, ist es ein kleiner Zank, vielleicht über den Vortritt. Er fürchtet, der sechste bei der Präsentation zu werden. Wäre das Mädchen nicht gekommen, schließt er vielleicht aus ihrem Gesichte, wäre er der fünfte gewesen. Er könnte ein Schuster sein. Neben ihm steht, nach Gilpin, der französische Schneider, und neben diesem der französische Perüquier; der erste mit dem neuen Galakleide auf dem Arme, der andere mit der neuen Perücke in der Schachtel. Was dieses für ein Schneider ist, verglichen mit dem Dorf-Theosophen, der die Trauer anmaß! Allein dieser trägt auch das Gewand für den Gala-Tag der Auferstehung in der großen Welt. So wie jener durchaus nach dem Schuster roch, so verkündigt hier, trotz einiger kleinen Ähnlichkeiten in den Gesichtern, alles den Titular-Etatsrat. Vermutlich haben beide, Schneider und Perüquier, den Weg hieher in der Kutsche gemacht. Wen mag die lange Figur, neben dem Spiegel, vorstellen? Ein Wesen auf halbem Sold, oder gar ein abgedanktes scheint es fast zu sein. Es hat sicherlich nichts zu bringen, als vielleicht ein Paar Ansprüche auf Rakewells Mildtätigkeit, denen es in der Einsamkeit, die es hier unter solchen Menschen erleidet, die beste Form zum Vortrage zu geben sucht. Aber der Poet! Der Poet mit der Epistel an Rakewelln in der Hand! Wer die Seligkeit dieses Mannes, der sich hier seine eignen Verse vielleicht zum hundertsten Male vorliest, nicht mitschmeckt und mitfühlt, der ist gewiß nie selbst Vater von Versen gewesen, und kennt folglich alsdann eine der größten häuslichen Glückseligkeiten nicht, womit der Himmel das Leben alles dessen zu erheitern gewußt hat, was dichtet oder reimt, es sei nun auf einem Dachstübchen, oder zu Ferney und Twickenham.Bekanntlich die Wohnsitze von Voltaire und Pope. Man sehe nur hin, wie zärtlich und mit welchen Vaterfreuden er die lieben metrischen Kleinen anblickt, die ihm wieder kindlich entgegen lallen. Die Rechte liegt auf dem Herzen und fordert es zum Zeugen der Wahrheit seiner Gefühle auf; Hand und Mund tun wenigstens alles mögliche; und die Perücke ebenfalls, denn diese ist ganz vom seligen Voltaire. Wenn man es nicht sonst schon wüßte, daß Hogarth Verse gemacht hat, so ließe es sich aus diesem so flüchtig hingeworfenen Poetasterkopfe schon vermuten. Es wäre sonst unmöglich zu wissen, daß unter allem was opfert in der Welt, der Dichter das einzige Wesen ist, das sich noch in seinem Opfer-Weine selbst in dem Augenblicke bespiegelt, da es ihn auf den Altar gießt. Indessen was einem schwer dünkt, ist oft dem Genie leicht. Der beste Trost bei solchen niederschlagenden Erfahrungen ist der, zu glauben, daß man auch sein Leichtes habe, das andern ehrlichen Leuten schwer wird, wäre es auch nur die Fertigkeit, solche weise Noten, wie diese, zu einem Fratzengesicht zu schreiben.
An der Wand zwischen den beiden Streithähnen hängt das Urteil des Paris. Die Anordnung der Gemälde zeigt von dem Geschmack des Besitzers, oder vielleicht bloß seines Kastellans, oder der Kastellan war ein Fuchs, und die Hahnen sind ein kleiner Hieb auf den armen Paris. Wirklich stehen die beiden Tiere gegen einander da, als wären die drei Göttinnen drei Hennen, und Paris sitzt da, als wären es drei Hahnen. Sollte dieses Gemälde eine Kopie von dem sein, das König Franz I. besaß, und das man unserm Rakewell für das Original aufgehängt hat? »Francois I, Roi de France, avoit un tableau, que l'on disoit être sans défauts; il permit à tout le monde de le venir considérer et ordonna, qu'on lui fit parler tous ceux qui y trouveroient des défauts: ce tableau représentoit Junon, Venus, Pallas et Paris, nues. Rabelais après l'avoir examiné long-tems, dit qu'il y trouvoit un grand défaut de jugement: on le fit parler au Roi, qui lui ayant demandé quel étoit ce défaut, il repondit à Sa Majesté que Paris êtant au milieu des trois plus belles Déesses du Ciel, ne devoit pas être représenté d'un si sang froid, et que c'étoit se tromper lourdement, que de penser que ce Prince, jeune et vigoureux, fût ainsi demeuré, sans donner quelque signe qu'il étoit homme, devant trois Déesses nues qui tachoient à l'envi de lui plaire.« Diese Stelle hat der anonyme Erklärer Hogarths, und Herr Ireland hat sie aus ihm aufgenommen. Sie mag also auch hier stehen. Aber wie kam es, daß es beiden nicht einfiel, daß ihr eigner großer Landsmann Burke mit dem ihm eignen philosophischen Scharfsinne dieses Rätsel gelöst hat? Die Stelle steht in seiner Philosoph. Enquiry into the origin of our Ideas of the Sublime and Beautiful. Part. IV. Sect. 19. 7th Edition p. 286 etc. Man muß die Stelle selbst nachsehen. Mit der so eben angeführten hier in unmittelbare Berührung gebracht, würden sie durch Affinität ein Drittes bilden, das durch seine Form schaden könnte. Die Chemie liefert ähnliche Beispiele in Menge, und der Amor auf dem Bilde dort ist ein kluger Amor.
Vornen an dem Klaviere steht der Name des Instrumentenmachers, und wo ich nicht irre (denn es ist im Originale sehr undeutlich) heißt es J. Makoon fecit. Vermutlich wird auch hier wieder auf Verschwendung oder Geschmacklosigkeit des Besitzers und Prellerei gedeutet. Über solche Züge schweigen die englischen Ausleger ganz, die doch immer hätten bedenken sollen, daß, was ihrem Zeitalter zu leicht war, es der Nachwelt nicht mehr sein wird. So bald sich Hogarth entschloß, den Namen eines Künstlers dahin zu stechen, so wählte er gewiß den besten und passendsten für seine Geschichte. Hier ist der versprochene Franzosen-Fresser Figg ganz nach dem Leben.