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Industry and Idleness
The industrious 'Prentice performing the Duty of a Christian
Fleiß und Faulheit
Der Fleißige in Erfüllung der Pflicht eines Christen
Spruch: Wie habe ich dein Gesetz so lieb: täglich rede ich davon.
Psalm 119. V. 97
Die Christenpflicht, die Gutkind hier erfüllt, heißt Besuchung des öffentlichen Gottesdienstes. Das Blatt stellt das Innere einer Kirche vor. Unser Künstler hat es derselben an Schmuck nicht fehlen lassen, weder an leblosem, architektonischem, noch an jenem höherer Art, ich meine dem lebendigen, unstreitig dem größten, dessen eine Kirche fähig ist, nämlich einer zahlreichen Versammlung andächtiger Menschen. Freilich werden Kenner der Architektur und der Andacht finden, daß manches unter dem Architektonischen nicht so ganz architektonisch, und unter dem Andächtigen nicht so ganz andächtig ist. Ja es scheint fast, als hätten sich einige der letzteren sogar, wo nicht der Leblosigkeit, doch der Taubheit der erstern gar merklich genähert. Wirklich hat der Schlaf, der beliebte Halbbruder des Todes, einige zu wahren Halbbrüdern von Säulen-Blöcken gemacht. Doch hiervon mehr, wenn wir erst die wahren Zierden werden kennen gelernt haben.
Gleich voran, rechter Hand, steht unser Held, der fleißige und fromme Gutkind, und singt mit Miß West, der Tochter seines Prinzipals, aus demselben Gesangbuche. Die sanfte Öffnung des Mundes, die Art wie er das Gesangbuch hält, die unverkennbare Aufmerksamkeit auf das, was er singt, und selbst die Wellenlinie seines Haares, sind so ganz im Charakter, daß man wohl sieht, daß Hogarth auch Sinn für edle Einfalt hatte. Gutkinds sanftes Ausweichen mit dem Kopfe, um der Miß West den bequemsten Augenpunkt beim Lesen zu überlassen, ist gewiß sehr schön, weil es sich so ganz außerhalb der Grenzen der Komplimenten-Künste mit einer Feinheit hält, die man unserem Künstler kaum hätte zutrauen sollen. Das jugendliche Paar vergißt bei seiner Herzensgüte im Angesicht dessen, den es hier anbetet, alle die Submissions-Zeichen, die Er nicht selbst in ihr Herz geschrieben hat. Es ist wohl kaum nötig zu erinnern, daß Gutkinds rechte Hand nicht sowohl auf das Herz gelegt, als bloß in der Gegend untergesteckt ist, um nicht zu hindern. Fäuste werden wohl zuweilen in der Tasche gemacht, aber keine Hand unter der Weste auf das Herz gelegt, aus Andacht. Die andächtigen Fäustchen wollen gesehen sein, und so andächtig ist unser frommer Held nicht.
Im Vertrauen können wir wohl hier unsern Lesern sagen, daß diese junge Miß West, noch vor dem Ende der Geschichte, Madam Gutkind wird. O! welch ein Augenblick für den Himmel, jetzt ihre Ehe zu beschließen! Und wer weiß, was diesen Augenblick im Himmel vorgeht. Die Fäden des Bandes, das tugendhafte Herzen verknüpfte, sind alle schon im Kleinen, was das Band selbst im Großen ist, sie laufen alle so weit als das Auge sie verfolgen kann, doppelt fort, und verlieren sich endlich in tausend Dinge, unter andern auch wohl einmal in einem gemeinschaftlichen Gesangbuche, in der Kirche. Dieses scheint hier der Fall zu sein, nur wissen unsere beiden Naturheiligen sicherlich nichts davon, und das ist auch recht gut. Der Mensch muß nicht gleich alles wissen. Es ist vielmehr eine sehr weise Einrichtung seiner Natur, daß er von den großen Haupt-Prozessen, die sie zu seinem Vorteil führt, und worin er endlich mithandeln muß, nur alsdann erst etwas erfährt, wenn er sie nicht mehr verstümpern kann. Nur, teuerstes Pärchen, ums Himmels willen nicht näher gerückt! Daß sich eure Blicke in diesem Buche begegnen, ist vollkommen gut, wenigstens gleichgültig und selbst gleichgültiger, als daß es eure Hände gemeinschaftlich halten. Aber bleibt ja außerhalb des Wirkungskreises (der Schlagweite, würde ein Elektriker sagen) eures jugendlichen Atems, oder, wenn sich dieses so nicht gut tun läßt, so bringe künftig jedes fein sein eignes Gesangbuch mit.
Es ist in Wahrheit Jammer Schade, daß uns Hogarth diese Platte nach einem so kleinen Maßstabe geliefert hat. Die Folge davon ist, daß man hier größtenteils nicht so wohl Menschen, als bloß besetzte Plätze sieht, wodurch bloß dem Prediger und seinem Kirchspiele eine Ehre erzeigt wird, wobei aber der Künstler selbst leer ausgeht. Gewisse Menschen, wenn sie singen, zumal wenn sie, ohne abgerichtet zu sein, lobsingen, haben eine solche Menge Register zu ziehen, worunter (sehr sonderbar) das Register vox humana gewöhnlich nur selten vorkömmt, und wissen alles dieses mit einem Gebärden-Accompagnement vorzutragen, das so ganz innerhalb des eigentlichen Reviers von Hogarths Genie fällt, daß man sich wundern muß, wie er diese Gelegenheit so ungenützt hat können vorbeigehen lassen. Vielleicht wäre es auch noch ohne Vergrößerung möglich gewesen, wie einige Proben ausweisen, von denen wir hernach reden wollen.
Im Vorgrunde gibt er uns neun Subjekte mit völliger Deutlichkeit. Sieben darunter sind in tönender Andachtsbezeigung begriffen, von einem achten ist es ungewiß; ein neunter pausiert, oder hat wenigstens ein außerandächtliches Schnarrwerk gezogen. Ist es der Kürze wegen verstattet, diese Sänger des Tempels und ihre Manieren mit denen des Waldes, der Felder und des Meierhofes zu vergleichen: so hätten wir hier 1) zwei liebliche junge Himmels-Lerchen (Alauda aruensis Linn. Engl. Sky-Lark), die sich auf Flügeln der Andacht zu ihrem Schöpfer erheben. Hinter diesen entweder einen Kropf-Tauber, Kröpfer (Columba guttturosa; Franz. le pigeon à grosse gorge), wenn es nicht gar eine Kropf-Gans (Pelecanus onocrotalus) ist. Aus der Schnabel-Öffnung zu schließen, wäre wohl der dort an der Säule ein Antvogel (Anas Boschas), und das alte Weib, die Stuhlbeschließerin, die da linker Hand mit dem dritten Gelenke kniet, ein Nußhäher (Corvus Caryocatactes, Engl. the nut-crackerSo heißen im Englischen im Scherz Personen, bei denen sich Unterkinn und Nasen zu begegnen anfangen.). Die beiden so sehr Beschatteten sind schwer zu erkennen, und man weiß nicht, ob es Stare (Sturnus vulgaris) oder Schwarzdrosseln (Turdus Merula) sein sollen. Die meiste Schwierigkeit macht unstreitig das schlafende Vögelchen auf der Bank dahinten. Wäre das niedliche Tierchen gesangreicher: so wäre, gewisser Ähnlichkeiten wegen, der Dom-Pfaffe oder Gimpel (Loxia Pyrrhula) das passendste Geschöpf. So aber mag es wegen seiner Schwerleibigkeit und der Rolle der Non-Existenz, die es hier spielt,S. Blumenbachs Naturgesch. 5te Auflage. 1797. S. 201. ein Du Du (Didus ineptus, Cygnus cucullatus) sein.
Diesen Du Du, den Hogarth, um die Andacht der Hauptgruppe zu heben, als Schlag-Schatten gleich hinter ihr angebracht hat, hält der anonyme Erklärer für einen Lichtgießer; vermutlich doch wohl mehr des Talgs als der Erleuchtung wegen. Alle Ausleger dieses Blattes haben diesem Manne ein Paar Zeilen gewidmet, die er schwerlich erhalten haben würde, wenn er gewacht hätte. So gewiß ist es, daß der Mensch nie stärker interessiert, als wenn er in seinem Charakter handelt. Wie sanft er sich da, in eignes Fett wie einbalsamiert, ohne alle Parade beigesetzt hat, und dem vollstimmigen Requiem, das die Gemeinde anstimmt, mit behaglichem Scharrwerk accompagniert: O wie habe ich dein Gesetz so lieb; wöchentlich schlafe ich ein paarmal publice darüber ein. – Der guten alten Stuhlbeschließerin sind wir noch eine kleine Reparation d'honneur schuldig. Das arme Weib kam, ornithologisch geächtet, unter die Nußhäher zu stehen. Dieses macht ihr so wenig Schande, als einem Heiligen die Habichtsnase, oder dem Löwen, daß er im System unter den Katzen steht. Das sind die besten Weiber, die so beten, wenn sie in der Kirche beten, stille für sich und sogar mit dem Rücken nach dem Parade-Platz. – Warum die unzähligen Gesichter unten abwärts vom Prediger, alle gerade hierher gerichtet sind, ist nicht so ganz deutlich.
Wissen können sie es doch da unten unmöglich, daß hier oben jetzt ein Band vom Himmel geknüpft wird; und eine so große Seltenheit ist ja dieses auch in England, selbst in den Londonschen Kirchen nicht. Um sich dem Anschauer zu zeigen, kann es auch nicht sein, denn sie zeigen zu wenig; man könnte sie, ornithologisch behandelt, fast eben so gut unter die Kirchen-Sperlinge als unter die Kirchen-Schwalben rechnen. Hätte Hogarth die Köpfe abwärts gedreht, so wäre die Arbeit, seiner Absicht gemäß, wohlfeil geworden, und mancher Zuschauer hätte sich die Gesichter selbst so kostbar und gut vorgestellt, als sie seine Phantasie nur immer hätte liefern können. Jetzt sind die Gesichter fast wohlfeiler als die Arbeit, und der Leser muß sie, wohl oder übel, nehmen wie sie sind. Diese Übereilung Hogarths soll sich, wie ich höre, Sayer, ein berühmter Kupferstichhändler, zu Nutz gemacht haben. In einem Nachstich, den er von diesen Blättern besorgt hat, sollen diese Gesichtchen meisterhaft behandelt worden sein. Was hier vom Zufall hingeworfen, wie Verschimmelung oder Staub läßt, zeigt dort pathognomisches Organen-Spiel oder physiognomische Krystallisation. Was Hogarth hätte tun können, wenn er gewollt hätte, hat er, außer einigen andern Köpfchen, vorzüglich an den drei Personen gezeigt, die hier präsidieren, nämlich (in aufsteigender Linie gezählt) dem Küster, dem Vorleser und dem Prediger. Wenn ein Küster, nachdem er die Rippenstöße des Küster-Schicksals in dieser Welt lange ertragen hätte, zum zweitenmal zu einem Embryo, von der Größe einer Roß-Ameise, zusammenschwände, mit Rock und Sonntags-Perücke versteht sich, so könnte er schwerlich in Spiritus anders aussehen, als dieser hier. Wie gelassen und hohlwangig! Leidender Gehorsam und Anspruchlosigkeit war sein Charakter, und Mangel ein Teil seiner Natural-Besoldung. Beim Vorleser hat sich offenbar mit der größern Masse, als der des Küsters, auch mehr Prätension eingestellt; man sieht, er will gesehen sein, und er selbst sieht bloß deswegen so scharf hin, wo wahrscheinlich nichts ist, um die Leute zu nötigen, hinzusehen, wo, seiner Meinung nach, sehr viel ist. Im Prediger wenig hervorstechende Ausdehnung nach irgend einer der drei Dimensionen, und weder im Gesicht noch im Anzuge etwas Auffallendes, das doch gewiß dem Schöpfer des Vorleser- und Küster-Gesichts zu Gebote stand. Man sieht wohl, der Künstler hat seinen Griffel vorsätzlich angehalten, um nicht den gänzlichen Mangel an Prätension in dem Manne durch irgend einen positiven Zug zu verdecken. So ist es ein ganz unbefangenes Studier-Gesicht. Ruht diese Kirche nun nicht recht sicher auf diesen drei Stützen? So würde aber überhaupt alles in der Welt, was gestützt werden muß, stehen, wenn es mit so vieler Weisheit gestützt würde, wie hier. Alles, wo es hingehört. Hier stehen sie, diese Säulen der Kirche, nach der Rang-Ordnung ihrer Kraft. Der eine weiß nicht viel, und weiß dieses auch; der andere weiß nicht viel, und weiß es nicht, und der dritte weiß viel und glaubt es nicht. So trägt also jeder gerade so viel als er vermag, und würde seine Last vielleicht nicht so tragen, wenn er sich wirklich stärker fühlte, und so ist alles gut. Da nun in allen Fakultäten und in allen Geschäfts-Fächern, sie mögen Namen haben, wie sie wollen, Menschen aus jenen drei Ständen gebraucht werden können und gebraucht werden müssen: so lasse es der Himmel, wenigstens dem anordnenden Departement nie an Männern fehlen, sie wenigstens so anzustellen wie hier! Freilich Jammer Schade, daß selbst im anordnenden Departement nur zu oft der Küster auf der Kanzel steht.
Warum der Künstler wohl der Treppe auf die Kanzel die seltsame Bogen-Form gegeben haben mag? Hogarth verstand sich zu gut auf die Perspektive, um nicht zu wissen, daß zwar manche krumme Linie dem Auge in gewissen Lagen gerade, aber die geraden nie krumm erscheinen können. Einem Mathematiker könnte wohl bei dieser Krümmung die Zykloide einfallen. Was könnte aber die hier für einen Nutzen haben? Etwa den, daß, wer von der obersten Staffel herabstürzt, nicht mehr Zeit brauchte unten anzukommen, als von jeder andern Staffel auf dem Wege? Dieses wäre zwar bequem, ist aber nicht sehr wahrscheinlich, und überdas möchte wegen der Staffeln und der Friktion wenig Kluges bei der Anwendung herauskommen. Auch fällt ja das Meisterstück der Schöpfung, wenn es fällt, zumal in pontificalibus, nicht wie ein Kugel-Tier. – Ob die Baukunst überhaupt von solchen Treppen wisse, weiß ich nicht, wenigstens habe ich nie eine dergleichen gesehen oder davon gehört. Krumme Wege auf die Kanzel gibt es wohl, dahin gehören z.B. die Wendel-Treppen, eine seht bekannte Art, und dann eine nicht minder gewöhnliche, von der ich hier schweige, um der Ehre des Herrn Pastors zu schonen, die ich so ernstlich in Schutz genommen habe. – Was für eine Kraft den nichts weniger als ätherischen Prachthimmel dort über der Kanzel schwebend erhält, leuchtet ebenfalls nicht ein. So ganz ohne sichtbare Unterstützung, wie ein heiliger Schein oder ein Luftball da zu hängen, ist bei einem solchen Schnitzwerk gegen die Gesetze der Natur, und wäre er an die Säule angeklammert, gegen die Gesetze der Baukunst: denn Säulen dürfen bekanntlich nur auf den Köpfen tragen. Dem Künstler hierbei eine geheime Absicht unterzulegen, halte ich gar nicht für ratsam. Hatte er eine dabei, so war es sicherlich keine ernsthafte, und eine kurzweilige, bei so wenigem Anlaß dazu erst aufzusuchen, ist der Erklärer dieser Blätter eben so wenig fähig als geneigt. Unsere Kanzeln, sagte einmal ein Trinker, erinnern mich immer an meinen kostbaren Pokal; und mich lehrt der kostbare Pokal, zu genießen, was darin dargereicht wird, aber nicht viel weder mit ihm noch auch nur mit dem Deckel zu spielen.
Nun noch zum Beschluß ein Paar Worte über die Überschrift des Blattes: »Der Fleißige in Erfüllung der Pflicht eines Christen.« Und was ist das für eine Pflicht, die er da erfüllt? Antwort: Er besucht die Kirche, den Gottesdienst, wie man im Deutschen sagt. Es sollte also doch wohl heißen: in Erfüllung Einer der Pflichten eines Christen, denn es gibt bekanntlich derselben mehrere, ohne deren Erfüllung das Verdienstliche bei der gegenwärtigen, die hier so schlecht weg die Pflicht heißt, auf ein wahres Nichts hinausläuft. Und dieses heißt noch oben drein Gottesdienst. Gütiger Gott, wie verkennt man dich! Man sollte doch endlich einmal Singen, Beten und Predigten anhören mit einem schicklichern Wort bezeichnen, wodurch der wahre Begriff dieser an sich sehr löblichen Handlung einer großen Klasse von Menschen, bei denen nicht Singen und Beten, sondern Religion selbst eine bloße Sonntags-Affaire ist, zu nicht geringem Heil ihrer Seele näher vor die Augen gerückt würde. Den Götzen und ihren Priestern dient man in den Tempeln; man frönt ihnen; der Christ soll seinem Gott da nicht dienen, sondern dienen lernen. Außer dem seinen Nächsten lieben wie sich selbst, und Recht tun, gibt es keinen Gottesdienst in der Welt. Wer das noch nicht weiß und nicht glauben will, der erzeige sich selbst den Dienst, gehe in die Kirche und lerne es dort. So wie das Kirchengehen, Singen und Beten von Neun unter Zehn jetzt getrieben wird (denn ein Treiben ist es), ist es nicht einmal ein heiliger Börsen-Besuch, wo man wenigstens Neuigkeiten aus dem Reiche der Sitten zu hören wünschte und hoffte. Nein, diese Besuche sind den meisten nur eine Art von wöchentlichem Ablaß, den man am Ende wohl gar noch dadurch einlösen zu können glauben wird, daß man bloß vorfährt und eine Karte mit p.e.s. (pour entendre sermon) abgibt.