Georg Christoph Lichtenberg
Ausführliche Erklärung der Hogarthischen Kupferstiche
Georg Christoph Lichtenberg

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Fünfte Platte

Der Weg des Liederlichen. Fünfte Platte

Unser Held setzt seinen Lauf in dem Tierkreise seines Lebens weiter fort. Aus dem Rachen des britischen Justiz-Löwen scheint er glücklich entkommen zu sein, und hier tritt er nun in die Jungfrau (Virgo).

Das Zeichen selbst ist abgebildet, bedarf jedoch einer Erklärung. Rakewells väterliches Vermögen ist fort, und alle die Kisten und Kasten und Winkel, die wir auf dem ersten Blatte gesehen haben, mögen nun wohl manches für die Katze enthalten, aber leider! enthalten sie nichts mehr für ihn. Diese fürchterliche Leere auszufüllen, eröffnet er in Osten einen kleinen Tauschhandel mit seiner männlichen Figur, und dieser schlägt so herrlich ein, daß alles auf einmal wieder voll wird. Diesen Handel ganz zu verstehen, muß man wissen, daß im Orient von London die eigentlichen Geldpflanzer wohnen, die sich ganz vorzüglich auf das Samenziehen davon legen; im Okzident hingegen legt man sich mehr auf das Genießen der Pflanze selbst, und das oft mit so weniger Rücksicht auf die Zukunft, daß sich die Familien oft genötigt sehen, sich frischen Samen aus dem Orient unter schweren Bedingungen zu verschaffen. Ein solcher Handel ist der, wozu der Kontrakt hier geschlossen wird; nur sind hier die Bedingungen nicht schwer; er muß bloß heiraten, und hier geschieht die Trauung. Braut und Bräutigam haben gefunden was sie suchten; Sie einen jungen und schönen Mann, und Er eine reiche Frau; was will man weiter. Daß beide nicht gefunden haben was sie nicht suchten, geht keinem Menschen etwas an, und ist am allerwenigsten ein Stoff zu Schadenfreude, die ich doch zuweilen bei Leuten bemerkt habe, denen ich diese Vermählung zeigte. Das ist aber nicht recht von ihnen gewesen. Ein vernünftiger Mann äußert seine Schadenfreude bloß, wenn er sieht, daß andere sich in ihren Hoffnungen betrogen finden; aber wo ist hier so etwas. Sie suchte keinen Reichtum, und fand auch keinen; und Er? Er suchte keine Schönheit, und fand ebenfalls keine, ja gegenteils noch Naturschulden oben drein. Dieses ist das Thema.

Daß die Braut kein Vermögen findet und finden kann, hat uns Hogarth vortrefflich gezeigt. Wie zeigt er aber, daß der Bräutigam keine Schönheit findet? So etwas erforderte wenigstens die poetische Gerechtigkeit gegen seinen Helden. – Hier, teurer Leser, komm und sieh den freundlichen Engel, der hier neben ihm steht; den hat er gefunden. Klagst du noch über Mangel an poetischer Gerechtigkeit? Viel mehr fürchte ich fast ein: Summum Jus summa Injuria von Dir. Schwerlich wird es ein Paar Freier-Augen geben in der Welt, und schlügen sie auch vorzüglich auf edle Metalle, die nicht von diesem Schätzchen so zurückprallen würden, wie ein anderes Paar auf dem ersten Blatte von einem andern Schatzkästchen abprallte – Ach! nur Guineen. – Es ist zu arg. Wir wollen sehen.

Man hat schon längst bemerkt, daß es um den Damen-Putz, und folglich um die Damen selbst, sehr viel besser in der Welt stehen würde, wenn sie mehr auf Subordination zwischen ihren beiden großen Putzmacherinnen, Natur und Kunst, bedacht wären. Aber gemeiniglich ist die letzte, eine freundliche, plauderhafte Hexe, Herrin im Hause, und da ist es denn kein Wunder, wenn die andere sich entweder ganz zurückzieht, oder zuweilen, wenn jene mit ihrem Flitterwerk fertig ist, mit einem einzigen Ruck, aber mit unendlicher Feinheit, ein kleines Kontrast-Fleckchen aufdeckt, und damit alle Kunst zu Schanden macht. So wäre z. B. das Köpfchen der Braut nicht so übel, wenn man nur die Natur hätte gehen lassen. Denn dadurch, daß der Zufall dem armen Geschöpfe ein Auge wegapostrophiert hat, würde sie nicht häßlich werden: aber da kömmt die eben genannte Schwätzerin, und bringt, die Sache gut zu machen, den Schnitzer, durch ein Paar beigeklebte Schönpflästerchen, offenbar in die Errata, daß ihn nun gleich jedermann finden kann. Ich frage alle Welt, ob das Paar natürlicher Augen, das da, wie ein Jambus (ᴗ –) im Gesichte der Braut steht, um ein Haar unerträglicher ist, als der schelmische Kunst-Spondäus (– –) im Gesichte ihres Bräutigams; Überdas gilt von dem noch übrigen Auge, was der englische AristophanesFoote in seinem: Taste. von dem Auge von Lady Pentweazles Großtante sagt: »dafür, daß es allein steht, ist es auch ein wahrer Stecher und verschafft ihr drei Männer für einen«.Da Hogarth hier sich nun einmal über einen Naturfehler oder ein Unglück lustig macht oder zu machen scheint, so mußte der Ausleger den Ton beibehalten. Jedoch ist er dem Gefühle des Künstlers so wohl als seinem eigenen, gewisser Menschen wegen, die Bemerkung schuldig, daß das Lächerliche hier nicht in dem Naturfehler liegt, sondern in der ganzen Aufführung dieser unverkennbaren Närrin. Daß sie in diesen Jahren einen jungen Wollüstling heiratet, macht sie um so lächerlicher, da es sie, gewisser geheimer Rücksichten wegen, so gar verächtlich macht, wozu denn ihr Flitterputz oben drein noch das seinige sehr reichlich beiträgt. Ob selbst rohe Menschen jemanden, wegen eines verlornen Auges, verspotten sollen oder nicht, hängt größtenteils von der Aufführung des noch übrig gebliebenen ab. Auch hätte, wie mich dünkt, die Kunst den Mund lassen sollen, wie er war, ohne den ganz zwecklosen (ᴗ)-Schnitt. Das soll das Zeichen für kurze Silben sein. Recht gut; aber ein Mundschnitt nach dem Muster des Zeichens für kurze Silben geführt, ist deswegen noch kein kurzer Schnitt. Das ganze Zeichen taugt ohnehin von Haus aus nichts. Hätten die ersten Poetiker Geometrie verstanden, fürwahr sie hätten das Lange nicht mit dem Naturzeichen für die Kürze, und das Kurze nicht mit dem für die Krümme und den Umweg bezeichnet.Daß die Chorde kürzer ist, als der ihr zugehörige Bogen, ist, dünkt mich, eben so klar, als es unbegreiflich ist, wie man dem ungeachtet mit dem Bogen die kurzen und mit der Chorde die langen Silben bisher hat bezeichnen können. Wie viel eine richtige Nomenklatur oder Zeichensprache zum Fortgange der Wissenschaft beitrage, ist neuerlich von einigen Naturforschern so deutlich gezeigt worden, daß ich auf die Vermutung geraten bin, ob nicht der schlechte Fortgang, den die Versbaukunst unter uns hier und da hat, vielleicht gar von jener ganz widersinnigen Sprache in der Prosodie herrühren könne. Da nun in unsern Tagen die Vernunft ihren alten Familien-Prozeß gegen ihre Verwalter mit besonderm Glück zu führen scheint, so wünschte ich, daß man noch ein Separatartikelchen anhängen und darauf antragen möge, künftig die Daktylen nicht mehr mit – ᴗ ᴗ sondern mit ᴗ – – zu bezeichnen.

Dafür, daß die Kunst an dieser Braut manches freilich ein wenig verdorben hat, hat sie aber denn doch wirklich verschiedenes nicht so ganz übel gemacht, und das verdient eine ehrenvolle Erwähnung. So ist, zum Beispiel, dem Umstande, daß die Dame fast um zwei Fuß kleiner ist als ihr Bräutigam, und nur um vier Finger breit größer als ihr Kammermägdchen, das hinter ihr kniet, einem Naturfehler, möglichst von der Kunst entgegen gearbeitet worden. Schade nur, daß die Gala-Länge, die sie der Dame zugemessen hat, nicht für die stille Stickluft einer Dorfkirche, sondern bloß für einen Park-Zephyr oder den Wirbel-Wind eines Walzers auf dem Ball berechnet ist. Man sieht, sie hat die Pfauen-Pracht ihrer schönsten Hälfte, ich meine den Flügel-Schweif des Kopfzeugs, hinten beigezogen. In einem Sturm oder Windwirbel würde sie wie eine Juno einherschweben. Könnte sie sich aber auch hier länger machen, so wäre hier weder Zeit noch Ort dazu. Die Donnerworte: »Und er soll dein Herr sein«, können fürwahr alle Pracht der Welt in Falten legen, so wie der Regen den schönsten Pfauenschwanz. Man hat die Kunst getadelt, daß sie der Braut das Ohr so ganz häßlich frei habe stehen lassen. Darin finde ich nun nichts. Vielmehr tadele ich Rakewells Perüquier, daß er ihm die seinigen so ganz und gar verhängt hat. Bei der Trauungsformel sind Ohren nötiger als Augen; und dann finde ich die kleine Eitelkeit einer Halbblinden, zumal von etwas verdächtiger Physiognomie, zu zeigen, daß sie wenigstens ihre beiden Ohren noch habe, sehr natürlich und menschlich.

Aber nun kommen wir zu einer Hauptfrage: Ist die Braut noch eine Jungfrau – oder eigentlich: ist die Braut da eine Witwe oder nicht. An einer Sache, woran keinem Menschen in der Welt sonst etwas liegt, liegt oft einem Autor sehr viel, und dieses ist hier mit uns der Fall. Wäre sie weder Jungfer noch Witwe, so müßte ich den Leser wenigstens bitten, oben am Anfange dieses Kapitels die Zeile wegzustreichen, worin gesagt wird: Rakewell trete hier in das Zeichen der Jungfrau. Aber sie kann ruhig stehen bleiben. Denn wirklich entsteht der Zweifler wegen, über einen so delikaten Artikel, ein Wunder, so schön, daß, wenn es wahr ist, woran wohl niemand leicht zweifeln wird, weil es so schön ist, Mad. Rakewells Namen die Ehre der roten Buchstaben verdiente. – An der Kanzel hinter ihr steht das bekannte Wappen der Jesuiten, eine Sonne mit den Buchstaben I. H. S.Es ist bekannt genug, wie diese Buchstaben gewöhnlich gelesen werden. Bald heißt das S, Salvator bald Socius, und mit dem † verbunden, In Hoc Signo (vinces); In Hoc Salvaberis. Ja wohl, ja wohl! Mit diesem Haus-Kreuze zumal verbunden, In Hac Salvabere, armer Rakewell! darin, die das mit den Jesuiten gemein haben, daß man daraus machen kann, was man will, wenn es nur etwas Gutes ist. Dieses Zeichen stellt sich hier, seiner Bestimmung ganz gemäß, der gekränkten Unschuld gerade über den Kopf, und wird zum Jungfern-Kranz. Ja was dieses Wunder selbst als Wunder wunderbar macht, ist, daß sich diese Verbindung nirgends zeigt, als gerade von der Seite, wo wir – – wir, leider die Zweifler und Spötter, stehen! So werden bekanntlich die Geister in den größten Versammlungen nur von denen allein gesehen, die zu bekehren oder zu schrecken sie die Gräber verlassen haben. Glauben und schweigen ist weise sein.

Rakewells Figur ist nicht ganz ohne Grazie. Man sieht, Essex kann was machen, wenn er will, und die Vorstellung: Ein Viertel Säkulum jünger und zwei Fuß höher, auch. Es ist offenbar Gefühl von Überlegenheit mit behaglicher Verachtung, und Verstellung mit etwas verliebter Schelmerei in dem Blick. Fehlte die letztere, so ließe sich auch bei diesem Kopfe von Jesuiten-Zeichen sprechen. Die Ohren sieht man nicht, und die Augen – kaum; sie selbst aber sehen sehr scharf. Der Blick geht mitten durch den heiligen Schein der Braut, der ihn nicht stören kann, durch, nach einem Cabinetstückchen aus dem Inventarium der Braut, dem Kammermägdchen, das, zu den übrigen Kapitalien geschlagen, vermutlich den Kauf beschleunigt hat. Das Mägdchen ist beschäftigt, etwas an der CulotteIn Frankreich teilte man sonst die gebratenen Tauben bei Tische quer, in unähnliche Hälften, und nannte das Stück mit den Beinen culotte, und das andere, nicht sans culotte, sondern seraphin. Jetzt teilt die Egalité so, daß jeder etwas vom sans culotte erhält. ihrer Dame zu verbessern, der Seraphin ist unverbesserlich. Im Gesichte des Mägdchens entdeckt man etwas von verstecktem Lächeln, man glaubt daher nicht mit Unrecht, der Herr Pastor habe, um der Braut ein Kompliment zu machen, gewisse Worte nicht aus der Trauungsformel weggelassen, die gewöhnlich herausbleiben, wenn die Braut ein viertel Jahrhundert mehr hat, als der Bräutigam, der so eben in das zweite Viertel tritt.

Vor dem Brautpaare stehen, wie zwei Liturgie-Uhren, der Herr Pastor und der Küster; sie sind beide auf Trauung gestellt, jener der Regulator, dieser der Zähler. Wirklich ist auch der englische Küsterdienst einer von denen in der Welt, die gewiß eingehen werden, so bald Herr v. Kempelen mit seiner Sprechmaschine zu Stande kommen wird; und schon jetzt, sollte man denken, könnte eine Uhr mit Amen, nicht viel schwerer sein, als eine mit Guckguck. – Man glaubt, man hörte den Mann sein langweiliges Amen blöken. Indessen, durch das kalte Dienst-Gesicht durch, bemerkt man denn doch ein kleines Glimmen von Schelmerei. Ich fürchte, es ist über das Semisäkular-Fest, von dem man hier spricht, als wäre es der Stiftungstag. Über den Pastor drückt sich Herr Gilpin vortrefflich aus; er sagt: jedermann der ihn ansähe, glaube, er habe irgendwo ein solches Gesicht und eine solche Perücke gesehen, könne sich aber nicht gleich besinnen, wo? Es ist unmöglich, unsern großen Künstler mit so wenigen Worten mehr zu loben. Augenbrauen, Auge, Mund (sit venia verbo), ja bis auf den Daumen so gar, ist alles, wie aus einem Stücke geschnitten. – Der Knabe vor der Braut, der beschäftigt ist, ihr einen Polster vorzuschieben, weil es nun bald zum Knieen kommen wird, gehört, wie man aus seinem Krägelchen sieht, zu der Armenschule (charity school) des Sprengeis. Sein erbärmlicher Anzug zeigt, daß die Vorsteher die Sache so zu führen wissen, daß die Kinder die Bettelei nicht vergessen. Man kann nicht wissen, ob sie sie nicht wieder einmal brauchen. Rock und Strümpfe sind zerrissen, und aus den Schuhen stehen nicht bloß die Füßlinge der Strümpfe, sondern die Zehen selbst hervor. Da, wie wir bald hören werden, diese Kirche, und folglich der ganze Sprengel sehr scharf bezeichnet sind: so muß wohl Hogarth gewußt haben, wen er vor sich hatte, als er so darein schlug.

Wenn man den Blick flüchtig über das Ganze dieser Darstellung hinführt, so erinnert sie leicht an den Prospekt von einem Seehafen an einem rauhen Tage, wo im Vorgrunde Schiffe aller Art friedlich vor Anker liegen, während gleich beim Eingange die Wellen noch hoch aufschlagen, den Ankömmlingen das Einlaufen erschweren und Stöße erzeugen, die, wenn man nicht bald das hohe Meer zu gewinnen sucht, sich nicht selten mit dem Verlust der Takelage oder gar der Ladung und des Gebäudes selbst endigen.

Die Leser werden bemerkt haben, daß es wirklich im Hintergrunde hier fürchterlich stürmt. Die Sache ist kurz diese. Sarah Young hat ihren schändlichen Verführer mit dem Verlust ihrer kleinen Habseligkeiten gerettet. Er versprach ihr die Ehe zum zweiten Male und – betrügt sie hier zum zweiten Male. Sie erscheint also hier mit dem Kinde, dieses Mal schon auf dem Arme, um sich durch Einsprache der Trauung ihres Verführers mit einer andern zu widersetzen.Das Pärchen wird also hier, sehr vornehm, mit Dispensation (by special licence) getraut, wobei der dreimalige Aufruf (the bans) in dem Kirchspiel des Bräutigams sowohl, als der Braut, wegfällt. Ohne diesen Umstand würde die Einsprache vielleicht anderswo versucht worden sein. Vermutlich tat sie das alles auf Anraten ihrer Mutter, die, aus ihrer Physiognomie zu schließen, über die Wege des Himmels etwas anders denkt, als ihre gutmütige Tochter. Diese ergibt sich seinem Willen mit Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Jene hingegen will wenigstens versuchen, ob sich nicht mit den Fäusten, die er ihr verliehen hat, hiernieden in der Zeit schon etwas tun lasse. Sie kömmt also mit ihrer Tochter hier vor dem Hafen an, allein indem sie einlaufen wollen, und schon etwas innerhalb, schlägt ihnen noch eine so fürchterliche Brandung entgegen, daß die Tochter sogleich wieder hinausgetrieben wird. Die Mutter sucht zwar den Wellen entgegen zu arbeiten, und wirft selbst einen fünfschauflichen Anker aus, allein so was kann nicht viel helfen, und hat hier, wie wir künftig sehen werden, gar nicht geholfen. Nämlich die Küsterfrau, oder sonst eine alte Stuhl-Beschließerin (pew opener), die die Rechte der Kirche kennt, und hier die Kraft des Löse-Schlüssels und den Verlust der Stolgebühren befürchten mag, greift daher nach einem Pack Bindeschlüssel, und schlägt damit, aller Vernunft und Billigkeit, und zumal dem compelle intrare stracks zuwider, auf die beiden Einsprechenden los. Die Tochter sanft und nachgiebig, und mehr für ihr Kind und ihre Mutter besorgt, als auf ihre Rechte bedacht, zieht sich vermittelnd zurück. Die Mutter hingegen greift zu den Waffen, und verteidigt sich mit großem und kleinem, wiewohl durchaus natürlichen Gewehr, auf das äußerste. Diese Einteilung der natürlichen Waffen zu verstehen, muß man wissen, daß in England die Männer bei ihren Streitigkeiten die Nägel sorgfältig einziehen, und so mit geballter Faust, bloß durch Masse und Schwungkraft, den Feind zu Boden zu strecken suchen. Hingegen das Frauenzimmer läßt bei solchen Gelegenheiten die seinigen heraus, und sucht den Feind nicht sowohl zu erlegen, als mit dem zehnschneidigen Schnepper bloß zu schröpfen. Madame Young aber ficht hier als Amazone, und verbindet den Schröpf-Schnepper mit der Keule, und dennoch erklärte sich der Sieg nicht für sie; – sie hat die Geistlichkeit wider sich! – Wenn man mit diesem Sturme im Sinne wieder nach Rakewells Gesichte zurückkehrt; so scheint es doch fast, als höre er und fürchte er dessen Brausen ein wenig. Sonst scheint niemand in der ganzen Versammlung viel darauf zu achten, den einzigen, vielgeliebten, andächtigen Zuhörer oben auf der Bühne ausgenommen.

Von den vernünftigen Geschöpfen, deren wir hier gerade zehn zählen, wenn wir, wie billig, das junge Kind auf dem Arm und das alte, mit I. H. S. markierte vor dem Priester, zusammen für eines rechnen, geschieht der Übergang zu der toden Natur, am schicklichsten durch die unvernünftigen Tiere. Hier wird indessen die Abstufung durch besondere Umstände kaum merklich. In der so genannten toden Natur lebt und webt hier Hogarths unsterblicher Geist, und die Tiere sind von der Art, daß ihre Sagazität manchem Subjekte in dieser Versammlung Ehre machen könnte, der halbdenkende Hund und die geometrisierende Spinne.

Linker Hand, unmittelbar hinter einem Polster zum Knieen, ist ein kleines Tête à tête, das sich zur Hauptszene dieses Blattes fast so verhält, wie oben die Versammlung der schwarzen Patrizier auf dem Steinpflaster zu der in Whites Kaffeehaus. Hogarths verewigter Mops,Hogarth hat diesen Hund auch sonst noch verewigt. Unter andern überläßt er ihm auf einem Blatte wider den Dichter Churchill, die Zensur eines Gedichts, das dieser beißende Spötter gegen Hogarth geschrieben hat, nämlich der berüchtigten Epistle to Hogarth. Der Hund sieht das Feuer der Satyre, macht Anstalt es zu löschen und löscht es. Auch findet sich in einem Verzeichnis von Statuen, Büsten etc., die der Bildhauer Richard Parker, auf dem Strande wohnhaft, verkauft, eine von »Hogarths Favorit-Hunde« (Hogarth's Pug-dog). namens Trump (Trumpf), ein rasches Mannsbild, ist mit einem ältlichen Geschöpfe seiner Gattung, aber verschiedenen Geschlechts, in einer geheimen Unterredung begriffen, die schon deswegen unsere Aufmerksamkeit verdient, weil sie bloß unter drei Augen geschieht. Betrachtet man die Sache näher, so kömmt man fast auf ganz sonderbare Gedanken. Denn läßt es nicht, als brüste sich die kleine BetzeEinige Ähnlichkeit hat dieses Hündchen mit dem auf der vierten Platte. Wäre dieses, so könnte es dort wohl Sarah Youngs Hündchen sein, das auch hier mitgelaufen wäre, und eine bessere Aufnahme in diesem Tempel gefunden hätte, als sie. Ich rechne nicht viel auf diese Mutmaßung, wiewohl nicht wegen des hier fehlenden linken Auges. Aber da Hogarths Pug-dog hier ist, wo steckt Hogarth? Ist er irgendwo mit seinem Crayon hier auf der Gesichter-Jagd, so hat er sehr unrecht getan, sich nicht wenigstens uns auf dieser Seite zu verraten. Ich hätte ihn alsdann in der Liste vernünftiger Wesen sicherlich für zwei gezählt, und so das Dutzend voll gemacht. mit ihrer weißen Gorge, mit ihren Perlen-Schellchen um den Hals, und mit etwas, was fast aussieht wie ein Strich-Plättchen? Auch hängt wirklich hinten etwas herab, was in der freien Luft, oder bei einem so genannten Hochzeitszug auf der Straße, besser paradieren möchte als hier. Es fehlt nur noch ein Hündchen, das sich mit der Cülotte der Liebenswürdigen beschäftigte, so würde vermutlich Trumpf auch über die Geliebte weg dahin schielen, und dadurch eine gewisse Ähnlichkeit, von der man nicht laut sprechen darf, vollständig werden. Doch nein! Trumpf meint es redlich, und verlangt, wie man aus seinem ganzen Anstande, den ihn kein Essex gelehrt hat, sieht, nichts in den Kauf.

Gleich neben der so eben gezeichneten vorbildlichen Gruppe, sieht man, an einem der Kirchstühle befestiget, die arme Armen-Büchse (the poor's box). Sie muß sehr arm sein, wenigstens mehr von Fliegen als wohltätigen Fingern besucht werden, denn eine Kreuzspinne hat ihr Netz, als an einer der sichersten Stellen für sie im ganzen Hause, darüber gespannt, und vermutlich haben die Vorsteher sie sitzen lassen, um sich die Mühe einer vergeblichen Eröffnung einer Büchse zu ersparen, die nicht geschüttelt werden kann, und dann an jedem Morgen zu sehen, ob sie nicht bestohlen worden ist. Es ist dieses der einzige Gegenstand in dieser Kirche, aus dem sich noch erkennen läßt, daß die Vorsteher derselben wohl etwas leisten könnten, wenn sie nur wollten. Dieser Einfall Hogarths ist sehr berühmt geworden, wenigstens habe ich in meiner frühsten Jugend schon davon erzählen hören. Es muß dem Künstler auch wirklich ernstlich darum zu tun gewesen sein, daß man ihn nicht übersehen möge, daher hat er die Fäden des Gewebes so dick gezogen, daß auch der flüchtigste Blick in dem Netze dieses im Winkel lauernden Spottes hängen bleibt.

Auf der Gesetztafel, hinter der Klerisei des Orts, geht ein starker Riß durch die zweite Tafel, und namentlich durch das neunte Gebot, unser achtes: »Du sollst kein falsch Zeugnis reden.«. Denn jene Kirche macht aus unserm zweiten Gebote zwei, und dafür aus unserm neunten und zehnten, eins. Aus dieser scheinbar geringen theoretischen Abänderung entsteht für uns nichtsdestoweniger eine große Differenz in Praxi. In England wird jedes Vergehen in pto sexti, wornach im größten Teile von Deutschland kein Hahn kräht, unausbleiblich mit dem Galgen bestraft; denn da ist es gegen den Mord. Dafür hängen wir aber, wenn sonst nichts dazwischen kömmt, die Verbrecher gegen das siebente, da nach dem dortigen Cours der Dieb seine Komplize heiraten und hingehen kann, wo er will.

Neben der Gesetztafel, gerade hinter dem Küster, ist eine Stelle, worin etwas gehangen hat, das von Wichtigkeit gewesen sein muß, nicht weil es hinter der Küsterstelle hing, oder weil ein Ritterhelm mit einem Löwen noch wirklich zu Schutz und Trutz darüber hängt, oder ein Cherub-Köpfchen darüber schwebt, sondern weil man es neben das Gesetz gehängt hat. Zum Glück für die Ausleger, hat der Zahn der Zeit, oder welches wahrscheinlicher ist, die Kralle des Mutwillens, oder was es sonst war, noch gerade so viel übrig gelassen, daß man sehen kann, was es gewesen ist. Noch stehen auf der kostbaren Reliquie die Worte: I believe etc. (Ich glaube). Es war also der Glaube (the Creed), was da gehangen hat, wo nun nichts mehr hängt. Das hieße also: Ich glaube an gar nichts, oder an alles, was man dereinst wieder dahin hängen wird. Schade, daß das Glaubens-Vakuum da eine so gar unbestimmte faserige Grenze hat. In einem abgerundeten, schön vergoldeten und mit allen Insignien der Philosophie gezierten Rahmen, wäre es das sprechendste Wappen der Toleranz, das sich denken läßt. Überhaupt ist wohl, alles gehörig zusammen genommen, keine Kirche möglich, die bei so wenig äußerem Reiz, so viel inneren für alle Menschen hat, als diese. Sie verlangt nichts als Glauben, ohne zu fragen, an was? Dieses allein führt ihr schon sicherlich alle ehrliche Leute der ganzen Welt zu; sie hat ferner die Gesetztafeln vom sechsten Gebote (unserm fünften) an, zerbrochen, und so kann es ihr selbst an dem Beifall von Spitzbuben, Hurern und Ehebrechern nicht fehlen. Auch ist der Pfeiler der, zwischen dem Kammermägdchen und der Braut, etwas gegen die Kanzel zu, aufsteigt, ganz aus der Säulenordnung der ersten Kirche, und die Kanzel selbst gleicht völlig einem alten Lehrstuhle der Philosophie, was eigentlich jede Kanzel sein sollte. Ein Paar Sonnen mit oder ohne Tonsur, eine oben für den Herrn Pastor, und eine andere für die Gemeinde, lassen sich, wie hier, leicht daran malen, und ändern die Sache selbst wesentlich nicht. – An der Hinterwand der Kanzel sieht man einen dunkeln Kreis, der viel zu deutlich dasteht, als daß er umsonst dastehen könnte. Es scheint etwas Verfinstertes zu sein; ein Flecken auf einem Vorhange, der außerdem, daß er mit der übrigen Reinlichkeit in der Kirche zusammenhängt, noch an manches neue Licht erinnern kann, das von dort ausströmt. Ich weiß es nicht. –

Wenn man alles das zusammennimmt, so sieht man wohl, daß es mit dem Leiblichen dieser treuen Marien-KircheEs ist nämlich die Kirche von Marybone (Mary le Bone), einem Dorfe bei London, das damals zu einer solchen Trauung im stillen noch weit genug von der Stadt ablag, nunmehr aber mit mehrern andern Dörfern Hoffnung hat, in die Stadt selbst aufgenommen zu werden. hier nicht sonderlich aussieht, daher hat man die alte Rechtgläubige heute für diesen Ehrentag mit allerlei Laubwerk und grünen Büschen etwas heraus zu putzen gesucht. Ja es ist mir wahrscheinlich, daß selbst der ganze Pfeiler weiter nichts ist, als eine Krücke, die man ihr heute, der vornehmen Gesellschaft wegen, zugelegt hat, um sich wenigstens während der Trauungs-Zeremonien aufrecht halten zu können. Also alt, herausgeputzt und pro nunc renoviert, verhält es sich mit Nôtre Dame der Kirche ungefähr so wie mit nôtre dame der Braut. Ja ich glaube fast, etwas von dem Putze hier bezieht sich so gar auf beide Damen zugleich. Die Leser werden bemerken, daß die Büsche sich nicht sonderlich durch Blumen auszeichnen, mit denen man sonst in England bei dergleichen, oder überhaupt bei allen Gelegenheiten, sehr freigebig ist. Es ist ein bloßes Grün, mit dem sich das Jahr heraus zu putzen pflegt, wenn es auch alt wird, Wintergrün. Man nennt es auch wohl aus Gefälligkeit Immergrün, so wie schwarze Kleider Gala-Kleider. NimmergrünEin Einfall von Pope, der die immergrünen Pflanzen sehr witzig nimmergrüne nannte (evergreen, nevergreen).und Trauer für abgeschiedene Röcke, wäre schicklicher. Wie würde es um dein Honorarium stehen, guter Amen-Zähler, dort, wenn das Stückchen Wintergrün, das vor dir steht, die Bedeutung deiner Büsche kennte!

Aber woher weiß man, daß dieses die Kirche von Marybone ist? Dort oben stehts an der Emporbühne: This church of Mary le Bone was beautified in the Year 1725. Tho. Sice et Tho. Horn Churchwardens. Also hier steht der Name nicht bloß der Kirche, sondern selbst der Kirchenvorsteher, die sie im Jahr 1725 so verschöneriert haben, daß es im Jahr 1735 so damit aussah. Nichols bemerkt ausdrücklich, daß dieses keine erdichtete Namen seien, sondern daß die damaligen Vorsteher wirklich so geheißen hätten. Hätte wohl eine Kirchenvisitation mehr tun können? Die Kirche wurde auch abgebrochen und nun eine neue gebaut, worin dieser gegenwärtige Stall noch bequemer, wie man sagt, stehen könnte, als der zu Loretto in seinem Futteral. Die Kirche war wirklich so klein; muß also fürwahr sehr klein gewesen sein; nicht über drei Reifrocks-Breiten breit. Es scheinen auch die Kirchenstühle mehr in Verhältnis mit der Kirche, als dem menschlichen Körper zu stehen. In dem zweischläfrigen linker Hand können unmöglich Menschen gewacht haben, stehend gewiß nicht. Trumpf der da neben seinem Wintergrünchen steht, ragt schon bis an das Schlüsselloch. Daß es aber ein Stand, und nicht etwa ein Reliquien- oder heiliger Kleider-Schrank ist, lehrt die Aufschrift. Wir geben sie hier, um unserm Leser die Mühe zu ersparen sie selbst zu entziffern, Englisch und Teutsch. Sie ist merkwürdig wegen der Ordokrafi und wegen des Lapidar-Stils auf Holz.

these: pewes: unscru'd: and: tan: insunder:
in: stone: thers: graven: what: is: under:
to: wit: a: valt: for: burial: there: is:
which: Edward-Forset: made: for: him: and: his:

Teutsch.

Schraubt: man: die: Kirchstihl': ab: und: nimmbt: sie: drauf: in: Sticken:
Wird: man: in: Stein: gegrabt: was: drunter: ist: erblicken:
Als: nämlich: ein: Gewölb: zu: legen: Todte: drein:
Das: Edward: Forset: baut': für: Sich: und: für: die: Sein'n.Nichols sagt, die Inschrift sei getreu kopiert, die Buchstaben erhaben geschnitten, und fänden sich in der neuen Kirche, weil der Bischof, unter welchem diese gebaut wurde, wie billig, Sorge getragen hat, daß diese Denkmäler, so viel wie möglich, beibehalten wurden. Weil die Familie Forset ausgestorben ist, so fiel die Stelle an den Eigentümer des Grundstücks, den Herzog von Portland. Auch ist der kleine Basrelief aus vergoldetem Blei, den man hinten und unter dem Fenster sieht, und die Grabstätte einer Familie Taylor bezeichnet, noch jetzt vorhanden.

Also ist es ein verschlossener Kirchen-Stuhl und kein Schrank. Indessen da ein Begräbnis darunter ist, so wird die Sache etwas aufgeklärt. Vielleicht liegt der Stand halb unter der Erde bei den Vorfahren, und hätte sonach, als zeitliche Schlafstelle, des Memento mori wegen, oder auch zur Erinnerung an Auferstehung, Kommunikation mit der ewigen.

Herr Gilpin ist mit seiner Connoisseurschaft bei diesem Blatte übel angekommen. Es geht den Kunst-Fühlern oft so in Praxi. »Die Perspektiv, sagt er, verdient Beifall, die Kirche scheint nur zu klein, und die hölzerne Säule, welche weiter keinen besondern Nutzen hat, teilt das Gemälde auf eine unschickliche Art ab.« Der sonst feine Mann hat nicht bedacht, daß der Glaube und die Gesetztafel dort an der Wand und das Gesicht von Rakewells Liebchen, noch viel unschicklicher abgeteilt sind. Hätte er sich bei den Vorstehern erkundigt, so würde er vielleicht haben erfahren können, was die Säule für einen Nutzen hat. Sie dient, die Kirche zu stützen, und war überdas den Leuten ganz unentbehrlich, die Neigung hatten, die Revenüen der Kirche selbst in die Tasche zu stecken. Das Ganze ist nach der Natur und mit einem Zwecke gezeichnet, der, wenn man ja etwas dabei idealisieren wollte, sich nur mit Erniedrigung, und nicht mit Erhöhung des Gegenstands, vertrug.


 << zurück weiter >>