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Vierundzwanzigstes Kapitel.

Wir können das Leben der beiden während der nächsten zehn Jahre, welche sie in Merdö verbrachten, bis zu den: Zeitpunkte, wo wir zu Beginn dieser Erzählung einen Blick in ihr Haus warfen, nur mit flüchtigen Strichen verfolgen und werden uns nicht mit der Schilderung einer kaum verharschten Wunde aufhalten, die immer wieder aufbrach und immer weiter um sich griff, während des Erfreulichen in ihrem Dasein immer weniger wurde.

Salve wurde stets schwieriger zu behandeln und Elisabeths stiller, selbstverleugnender Kampf in demselben Maß härter. Jedes Wort mußte sie auf die Goldwage legen, seine Empfindlichkeit auf ausgeklügelte Art schonen und konnte doch völlig unerwartet Anstoß erregen. Dann gab es Auftritte, die immer peinlicher wurden, weil er sich nie offen aussprach. Geduldig die eigne Aufregung verbergend, blieb ihr nichts übrig, als den Sturm vorübergehen zu lassen, und das Ende davon war oft, daß er stumm und finster in See stach.

Dann saß sie stundenlang und weinte. Ab und zu konnte die verbissene Kränkung und der zurückgedrängte Groll gewaltsam emporflackern und Luft verlangen. Allein wenn es vorbei war, gewannen ihre Liebe und der Gedanke, daß es an ihr sei, Salve zu helfen, das Mißtrauen zu überwinden, immer wieder die Oberhand – sah sie ja doch, wie sehr sein eigen Herz darunter litt, – dies Herz, das nur sie allein erkannte, da sie ihn nicht wie die andern nach seiner schroffen Außenseite beurteilte.

Und wie stolz war sie, wenn sie andre Lotsen bewundern hörte, was ihr Mann gewagt und vollbracht hatte, wenn sie merkte, wie sie alle zu ihm emporschauten!

Im Anfang, als die Lotsenbestallung Salve noch als Ziel seines Ehrgeizes vor Augen stand, hatte dies auf seine Gedanken einen glücklich ablenkenden Einfluß geübt, und jedenfalls war es nie vorgekommen, daß er, wie in späterer Zeit, in Arendal sitzen blieb, anstatt nach seiner Fahrt heimzukehren.

Allein ein paar Begebenheiten hatten einen merklichen Einfluß, daß nämlich Kapitän Beck, ein vermöglicher Mann, zum Lotsenalderman ernannt und somit Salves Vorgesetzter wurde, und daß dessen Sohn, der Lieutenant, nachdem er die Marine verlassen, nach Arendal zog und seines Vaters große Schiffswerfte übernahm. Seitdem die Becks gekommen, durfte Elisabeth stets darauf rechnen, Salve in finsterer Stimmung zu finden, wenn sie in Arendal einmal Einkäufe gemacht oder die Muhme besucht hatte. Dies äußerte sich in bitterem Spott über des alten Beck Untauglichkeit als Lotsenalderman. Elisabeth gab daher ihre Reisen auf, obgleich es sie anfangs Ueberwindung kostete; denn sie empfand ein ausgesprochenes Bedürfnis, manchmal unter Menschen zu kommen und andre Verhältnisse als die alltäglichen, einförmigen in Merdö kennen zu lernen.

Allein gerade der Umstand, daß Elisabeth immer mehr nachgab und sich stets unterwarf, bot Salves wachsamem, allezeit lauerndem Verdacht neue Nahrung, denn ein inneres Gefühl sagte ihm, dies sei gegen ihre Natur, und stets witterte er Berechnung dahinter. Das krankhafte Mißtrauen, das sein wildes Umhertreiben in der Welt im Verein mit den spätem, heimlich zehrenden Zweifeln an seiner Frau in ihm geschaffen, hatte ihn nach und nach zum Tyrannen gemacht, der in düstern Stunden weder von ihr, noch von sonst irgend jemand in seinem Hause auch nur den geringsten Widerspruch vertrug. Andrerseits hatte er vor seinen Launen und Zornesausbrüchen selbst nicht weniger Angst als seine Frau; darum flüchtete er vor sich selbst so oft nach Arendal.


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