Oskar Loerke
Atem der Erde
Oskar Loerke

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Urleid

            Du suchst mein Leid, da mich das Urleid ruft.
Tröste nicht!
Es ist untröstbar, aber selbst ein Trost.

Es sitzt uns zu Füßen auf dem Kindertriesel:
Der Knabe peitscht, und er muß brummen,
Die Geißel ruht – er muß fallend verstummen.
Tand kaufte das Kind im Jahrmarktszelt
Und ein altes Gesetz aus der Schwermut der Welt.

Es gleicht dem alten fleckigen Kiesel
Im Bachgrund, den Wellen mit flüssiger Klarheit
Vergeblich waschen, vergeblich bedecken.
Er bleibt durch die Jahre bei seiner Wahrheit,
Es bleiben die Sprenkel und Flecken.

Es gleicht dem Sagenritter, der seinen Knappen pflegt.
Er hat ihm immer ein Lager gerettet,
Er hat ihn auf roten Klee gebettet
Und, fand ers anders nicht, in faules Stroh gelegt.
Kettenlos bleibst du angekettet.

Es ist der Stern, den schon die Sintflut sah,
Das Leid, durch das noch nie ein Leid geschah.

 


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