Oskar Loerke
Atem der Erde
Oskar Loerke

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Die Arzneiflasche

                In aufgerührter Trübe streiten
Der kleinen Dinge große Heere.
Sie ringen, fließen, haften, gleiten,
Sie senken sich nach ihrer Schwere.

Das Bittre hemmt, das Widerliche
Der Kerne Druck, den Zug der Asche.
Mein Auge irrt durch Flor, als schliche
Sein ferner Kosmos in der Flasche.

Durch milchig fades Nebelschwimmen
Zieht um ein eingepreßtes Stöhnen.
Fast springt das Glas vom Drang der Stimmen,
Die Wände zittern, klirren, dröhnen.

Hoch spritzen Pfeiler aus den Rillen,
Der Hals hat jäh das Dach durchstoßen –
Gefangen wie im Engen Stillen,
Gespenstert es im Lauten Großen.

In der Mixtur verdichtet, streiten,
Ein trüber Aufruhr, Staffeln, Heere,
Bis daß sie nicht mehr fahren, reiten,
Sie senken sich nach ihrer Schwere.

Es lichtet sich nach langem Zanke:
»Ihr werft mich, wie man Unkraut jätet,
Ihr nehmt das Brot, das Bett, die Planke,
Zuletzt – ach, wenn ihr das nicht tätet!«

Und wie schon stille Schattenwische
Zu bleichem Bodensatz versumpfen,
Klärt sich das Glas, sirrt auf dem Tische
Und scheint erschöpft zurückzuschrumpfen.

Dann klingt und glänzt es immer lichter,
Als ob die Wahrheit heimgelange.
Noch fährt ein Geist, vielleicht ein Dichter,
Und wacht in seinem Abgesange.

»Ihr, die ihr meine Sprache sprecht,
Mit Trommeln wollen wir nicht lärmen,
Ich bin es noch, der gute Knecht
Euch kleinem Schwarm im großen Schwärmen.«

So loten sie nach ihrer Schwere
Und packen sich am rechten Platze.
Dann schweigt die unbewegte Leere
Auf gradgeschnittnem Bodensatze.

 


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