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Als sie wieder an einem Abende auf ihrer Steinbank saßen, in der Einsamkeit ihrer Klippe und der einbrechenden Nacht, fiel zufällig ihr Blick auf einen Dornenstrauch – den einzigen in der Umgegend –, der zwischen den Felsen am Wegrain wuchs. In der halben Dunkelheit glaubten sie an dem Strauche kleine weiße Büschel zu erkennen.
»Man meint, er blühe!« sagte Yann. Und sie näherten sich ihm, um sich zu vergewissern. Er war ganz in Blüthe. Da sie nicht mehr genau sehen konnten, so berührten sie ihn, sich mit den Fingern von der Gegenwart der Blümchen überzeugend, die ganz nebelfeucht waren. Da kam ihnen das erste, flüchtige Frühlingsgefühl; zugleich bemerkten sie, daß die Tage länger geworden, daß eine große Lauheit in der Luft war und die Nächte leuchtender.
Aber wie war der Strauch vorgeschritten! Nirgends in der Gegend, und an keinem Wegrande hätte man irgend einen ähnlichen gefunden. Sicher war er dort für sie allein erblüht, zu ihrer Liebesfeier.
»O! da wollen wir pflücken!« sagte Yann. Und, beinahe tastend, machte er mit seinen derben Händen ein Bouquet; mit seinem großen Fischermesser, das er im Gürtel trug, entfernte er sorgsam die Dornen und steckte es Gaud in's Kleid:
»Da, wie eine Braut!« sagte er zurücktretend, als wollte er, trotz der Nacht, sehen, ob es ihr stünde.
Unter ihnen brach sich die stille See leise und schwach an den Strandsteinen, mit einem kleinen regelmäßig absetzenden Rauschen, wie das Athmen im Schlafe; sie schien gleichgültig, oder diesem Liebeshandel in ihrer Nähe sogar günstig.
Die Tage wurden ihnen lang in Erwartung der Abende, und dann, wenn sie sich mit dem Schlage zehn Uhr verließen, wurden sie von einer kleinen Lebensmüdigkeit ergriffen, weil es schon vorbei war ...
Es hieß sich beeilen mit den Papieren, mit Allem, aus Furcht nicht fertig zu sein und das Glück, das vor einem lag, entfliehen zu lassen, bis zum Herbste, bis in die ungewisse Zukunft ...
Ihr Brautstand im Abenddämmern, an dem traurigen Ort, bei fast beständigem Meerestosen und mit der fieberhaften Sorge ob dem Dahineilen der Zeit bekam davon einen ganz eigenthümlichen, fast düsteren Anstrich. Sie waren ein von Andern verschiedenes Liebespaar, ernster, banger in ihrer Liebe.
Er wollte noch immer nicht sagen, was er wahrend der zwei Jahre gegen sie gehabt, und wenn er Abends wieder fort war, quälte Gaud das Geheimniß. Doch hatte er sie lieb, dessen war sie gewiß.
Er hatte sie wirklich schon immer lieb gehabt, aber nicht so wie jetzt: es nahm zu in seinem Herzen, in seinem Kopf, wie die Fluth, die steigt und immer noch steigt, bis sie Alles füllt. Er hatte diese Art zu lieben noch nie gekannt.
Manchmal streckte er sich auf die Steinbank hin und legte seinen Kopf Gaud in den Schooß, in kindlicher Zärtlichkeit, um sich streicheln zu lassen, dann richtete er sich schnell wieder auf aus Anstand. Er hätte sich am liebsten auf die Erde zu ihren Füßen gelegt, die Stirne an den Saum ihres Kleides gedrückt. Außer dem brüderlichen Kuß beim Kommen und Gehen wagte er nicht, sie zu küssen. Er verehrte Gott weiß welches Unsichtbare in ihr, das ihre Seele war und das sich ihm in dem reinen, ruhigen Klang ihrer Stimme, in ihrem Ausdruck, wenn sie lächelte, in ihrem schönen hellen Blick offenbarte. Und zu denken, daß es doch ein Weib von Fleisch und Blut war, schöner, begehrenswerther als irgend eine andere, daß sie ihm bald ganz gehören würde, ohne darum aufzuhören, sie selbst zu sein! ... Dieser Gedanke machte ihn erschauern bis ins tiefste Mark; er konnte es nicht im Voraus erfassen, was ein solcher Rausch sein würde. Aber er verwehrte seinem Denken, dabei zu verweilen, aus Ehrfurcht, und frug sich, ob er es wohl wagen würde, diese süßeste Entweihung zu begehen.