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– Und jetzt, die Seqel eingezogen,
Wird von dem Wind das Fahrzeug fortgerissen,
Als willenlose Beute grimmer Wogen;
Kein Hafen winkt und es erwartet bang
In jedem Augenblick den Untergang.
Dryden
Drei Tage, nachdem die Aspasia die westlichen Inseln bei starker Kühlte wieder verlassen hatte, erhob sich ein dicker Nebel der sie verhinderte, die Gegend in welcher sie sich befanden, vermittelst des Chronometers zu ermitteln. Ein günstiger Südwestwind hatte nach ihrer Rettung das Schiff so weit nach Norden getrieben, daß sie auf der Breite von Ushant waren, ohne daß sie dabei nur einmal Gelegenheit fanden, die Gegend genau zu bestimmen. Jetzt schlug der Wind mehr östlich um und wurde bedeutend stärker. Kapitän M. beschloß nun, auf Kap Clear, an der Südküste Irlands, zuzusteuern, da man sich aber des Chronometers wieder bedienen konnte, stellte es sich heraus, daß sie weit westwärts von ihrem Laufe abgekommen waren und daß keine Hoffnung vorhanden sei, die erwähnte Küste zu erreichen. Viele Tage lang hatten sie gegen einen starken Sturm aus Osten zu kämpfen, und suchten zuletzt an der westlichen Küste von Irland Schutz.
Das Wetter wurde wieder milder, und der Wind wehte abermals aus Süden. Sie steuerten auf das Ufer zu, um es bei diesem günstigen Winde zu erreichen, und schon hoffte die ganze Mannschaft, bald in einen Hafen einzulaufen, als alle Anzeichen einer Kühlte aus Südwest sich einstellten. Da diese Richtung des Windes es der Fregatte fast unmöglich machte, Mizenhead zu umschiffen, so wurde sie an Backbord eingeholt und man setzte alle Segel bei, welche die noch immer stürmische See nur zulassen wollte.
»Ich fürchte, Sir, wir werden Alles noch einmal durchzumachen haben,« bemerkte der Schiffer, indem er windwärts nach dem Horizonte blickte, der, so schwarz wie Pech, den weißen, schäumenden Wogen zu einem schauerlichen Hintergrunde diente. »Sollen wir die Versuchsegel festmachen!«
»Der Hochbootsmann ist hinabgegangen, um sie zu holen, Pearce,« erwiederte der erste Lieutenant.
»Das Wetter ist wirklich drohend,« sagte der Kapitän, indem er den Luvgang verließ und sich den Gischt, womit die Atmosphäre angefüllt war, aus dem Gesichte wischte, »wie ich sehe, ist der Barometer bedeutend gefallen. Refft die kleinen Segel in den Tops ein; sobald das Stagsegel droben ist, herunter mit der Gaffel, und den Brodwinner eingezogen; die Wache genügt. Wenn wir auf unsere Posten gehen, so wollen wir die Kanonen doppelt anbinden. Der Zimmermann soll seine Persenningen in Bereitschaft halten, um die Luken zuschlagen zu können. – Ruft den Hochbootsmann! Die Boote sollen an den Spieren gut befestigt werden. Ist das Glock Acht? Man soll zum Abendessen pfeifen; Mr. Hardy,« fügte der Kapitän hinzu, während er die Leiter hinabstieg, »die Rolltakeln müssen wieder angehakt werden.«
»Ja, ja, Sir,« erwiederte Hardy, als der Kapitän fortging. »Hören Sie, Schiffer, es gefällt ihm nicht recht – ich sah es gleich in seinem Blicke, als er von der Laufplanke herkam. Er sah grimmig darein, wie das Bugbild des Mars.«
»Das ist so seine Art; wenn die Elemente ihn bedrohen, so setzt er ihnen wieder Trotz entgegen.«
»Allerdings,« erwiederte der Schiffer, welcher, als ob eine schlimme Ahnung ihn bedrückte, ungewöhnlich ernst war. »Ich habe ihn oft beobachtet. Aber es nützt nichts – sie gehorchen nur Einem.«
»Sehr wahr – man kann sie durch kein freundliches Gesicht gewinnen; Alles was uns zu thun übrig bleibt, ist, wohl auf der Hut zu sein. He, Schiffer,« sagte der erste Lieutenant, indem er ihn freundlich auf den Rücken klopfte.
»Keine Possen, Hardy – man sieht doch gleich, wenn der Schiffsherr nicht auf dem Verdecke ist. Ich hoffe heute Nacht auf nicht mehr Schlaf, als eine Windfahne – diese Südweststürme halten gewöhnlich ihre drei Tage an.«
»Das freut mich,« sagte Merrick, ein junger Midshipman mit einem muntern, ovalen Gesichte, der, als der Liebling beider Offiziere, es gewagt hatte, in der Abwesenheit des Kapitäns auf die Wetterseite des Halbdecks zu gehen.
»Wie so, Mr. Merrick?« fragte der Schiffer ernsthaft.
»Oh! Morgen ist die Frühwache an mir. Da können wir es uns wohl sein lassen; es gibt keine Segel zu ordnen, keine Segel beizusetzen; das Verdeck braucht nicht geschmückt zu werden – kurz ich habe gar nichts zu thun, als mich unter den Wetterbollwerken warm zu halten.«
»He, du fauler Schelm,« sagte der erste Lieutenant lächelnd.
»So, junger Herr, Sie wünschen uns die ganze Nacht auf dem Verdecke, damit Sie morgen nichts zu thun haben. Der Tag wird kommen, wo Sie erfahren werden, was Verantwortlichkeit heißt,« entgegnete Pearce.
»Wenn Sie die ganze Nacht aufbleiben, Sir,« erwiederte der Junge lachend, »so werden Sie um die Frühwache eine Tasse Kaffee trinken und ich werde dann auch um meinen Theil bitten.«
»Ach freilich, es ist ein böser Wind, der Niemanden etwas Gutes zuweht,« bemerkte Pearce; »aber Sie sind für Ihr Alter zu selbstsüchtig.«
»Nein, ich bin nicht selbstsüchtig, Sir,« erwiederte der Knabe, gekränkt durch den Verweis von einem Manne, der stets sich gütig gegen ihn erzeigt hatte, und für den er große Anhänglichkeit an den Tag legte. »Ich scherzte nur; ich meinte nur,« fuhr er tief bewegt fort, aber für den Augenblick nicht im Stande, seine Gefühle auszudrücken; »ich sagte nur – oh! der verdammte Kaffee.«
»Und jetzt fluchen Sie wahrscheinlich nur,« erwiederte der Schiffer.
»Selbst ein Heiliger würde fluchen, wenn er selbstsüchtig genannt würde, und dazu noch von Ihnen.«
»Nun, nun, mein junger Freund, lassen Sie es gut sein – Sie sprechen, ohne zu denken. Gehen Sie jetzt zu Ihrem Thee hinunter, und Sie sollen morgen Ihren Antheil an dem Kaffee bekommen, wenn es welchen gibt.«
Nach dem Abendessen wurde die Wache ausgestellt, und die dem ersten Lieutenant von dem Kapitän ertheilten Befehle pünktlich ausgeführt. Die Trommel rief früher, als gewöhnlich auf die Posten; die Kanonen wurden doppelt angebunden; die Fensterblinden eingesetzt; die Höhe des Wassers in der Pumpe von dem Zimmermanne gemeldet; die an den Geschützen aufgestellten Offiziere überzeugten sich von der Richtigkeit der Mannschaft, und nachdem Alles angeordnet und vorbereitet war, wurde dem Kapitän Bericht erstattet.
»Mr. Hardy, wir wollen das Schiff für die Nacht so gut als möglich in Stand setzen. Beschlagen Sie die Fock- und Kreuzsegel, und reffen Sie das Hauptsegel dicht ein – dies und da» Fock-, Vorstag- und Schausegel werden hinreichen.«
»Wäre es nicht besser, wenn wir das Focksegel einrefften, Sir?« sagte Pearce. »Ich glaube, es wird doch vor Mitternacht noch nöthig sein, wenn wir es jetzt nicht thun.«
»Sie haben Recht, Mr. Pearce. – Wir wollen es jetzt thun. Ist das große Schausegel angebunden?«
»Alles ist angebunden, Sir, und die Schoten sind hinten.«
»Dann laßt den Zapfenstreich schlagen und die Matrosen antreten – kürzt die Segel.«
Dies geschah, und die Hängematten wurden heruntergelassen, als der letzte Tagesschimmer erlosch.
Der Sturm nahm während der ersten Nachtwache rasch zu. Große Regentropfen mischten sich mit dem Gischt, – windwärts rollte ferner Donner und hie und da durchzuckte ein Blitzstrahl das dichte Dunkel der Nacht. Die Offiziere und Matrosen von den unteren Wachen lagen mit geschlossenen Augen und ahnungslosen Gemüthern, im Vertrauen auf die oben befindlichen Leute, in ihren Hängematten. Aber die Nacht war furchtbar. Der Kapitän, der erste Lieutenant und der Schiffer blieben, um ihrer großen Verantwortlichkeit willen, auf dem Verdecke; eben dies thaten auch die Offiziere, welche man gemeiniglich Müssiggänger nennt, wie der Wundarzt und der Zahlmeister, indem sie, obwohl ihre Gegenwart nicht erforderlich war, doch keineswegs schläfrig waren.
Um vier Uhr Morgens war bei Sturm auf's Höchste gestiegen. Die Blitze schossen nach allen Seiten durch die Wolken und die Donnerschläge übertäubten auf Augenblicke das Toben des durch das Takelwerk brüllenden Sturmes. Die an den Fockrüsten schlagenden Wellen stürzten mit Wuth über das Halbdeck und die Kuhl des Schiffes, während es durch die aufgeregte See sich hinarbeitete.
»Wenn dies noch länger anhält, so müssen wir das Focksegel einziehen und das große Stagsegel beisetzen,« sagte Hardy zu dem Schiffer.
»Ja, das müssen wir,« erwiederte der Kapitän, welcher neben ihnen stand; »aber der Tag bricht jetzt an. Wir wollen noch ein wenig zusehen. Lassen Sie das Schiff abfallen, Schiemann.«
»Es soll geschehen, Sir.«
Bei Tagesanbruch nahm der Sturm eher an Heftigkeit zu, als daß man Zeichen seines Nachlasses gewahren konnte. Der Kapitän ertheilte soeben Befehl, das Focksegel einzuziehen, als der an dem Leegang zum Herumspähen aufgestellte Matrose ausrief: »Ein Segel an der Leeseite.«
»Ein Segel an der Leeseite, Sir!« meldete der wachehabende Offizier dem Kapitän, indem er sich mit der einen Hand an einem Tau hielt und mit der andern den Hut berührte.
»Midshipman, lassen Sie sich von der Schildwache an der Kajüte mein Verdeckglas geben,« sagte der Kapitän zu Merrick, der gerade die Frühwache hatte.
»Es ist ein großes Schiff, Sir – es hat den Haupt- und Besanmast verloren,« berichtete Hardy, der drei bis vier Fußleinen im Takelwerk hinaufgeklettert war.
Der Midshipman brachte das Verdeckglas; und der Kapitän mit seinen Armen an den Fockbrassen sich haltend, um bei dem Schwanken des Schiffes nicht leewärts zu fallen, rief, sobald er das fremde Fahrzeug in das Sehfeld bringen konnte, was unter solchen Umständen nur dem geübten Auge eines Seemanns möglich war: – »Beim Himmel, ein Linienschiff! Und wenn ich die Gestalt oder den Anstrich eines Schiffes zu beurtheilen vermag, so ist es kein englisches.«
Noch mehrere Ferngläser wurden jetzt nach dem Schiffe hingerichtet und die Offiziere aus dem Verdeck bestätigten die Meinung des Kapitäns.
»Lassen Sie das Focksegel straffen, Mr. Hardy. Wir wollen schräg gegen dasselbe hinsteuern. Schiemann, sehen Sie nach, ob die Signalziehtaue in Ordnung sind.«
Der Kapitän begab sich in seine Kajüte hinunter, während die Fregatte nach der bezeichneten Richtung hinsegelte. Der Schiffer stand am Steuer, der Kapitän kam bald wieder herauf.
»Hißt Nro. 3 am Fock- und Nro. 8 am Hauptmast auf, wir wollen sehen, ob das Schiff unser Privatsignal beantworten kann.«
Es geschah, und die Fregatte, schnell durch die wüthenden Wogen schießend, näherte sich dem Fremden rasch.
In weniger als einer Stunde hatten sie sich ihm auf eine halbe Meile genähert; doch das Privatsignal ward nicht beantwortet.
»Jetzt bringen Sie uns in den Wind, Mr. Pearce,« sagte der Kapitän, welcher durch sein Fernglas nach dem Fahrzeug blickte.
Die Fregatte wurde gut an den Wind gebracht, jedoch nicht ohne dabei von einer gewaltigen Welle getroffen zu werden. Der Sturm, welcher, wie es stets der Fall ist, während das Fahrzeug vor ihm hergesegelt war, an Heftigkeit nachgelassen zu haben schien, brüllte jetzt, da er die Breitseite bestreichen konnte, wieder mit all' seiner Wuth.
»Ruft den Konstabler – richtet vorne die lange Kanone – probirt mit dem Ladestock, ob die Patrone gehörig ausgesetzt ist, und dann feuert dem Fremden über den Bug.«
Die Leute machten die Kanone los, der Konstabler richtete sie, wartete, bis das Schwanken des Schiffes die größte Höhe gestattete, und schoß die Kugel dicht an das Vorderreitknie des kampfunfähigen Fahrzeuges, das sogleich über die Windviering die französische Flagge aufsteckte.
»Die französischen Farben, Sir!« riefen Mehrere zugleich aus.
»Man soll die Trommel rühren, Mr. Hardy,« sagte Kapitän M.
»Sollen wir die Hauptdeckkanonen losmachen?«
»Nein, nein, das wäre unnütz; wir würden sie nicht abfeuern können, und sie möchten leicht die Schiffswände durchbohren. Wir wollen es mit den Karonaden versuchen.«
Man konnte leicht auch ohne Fernglas bemerken, daß die Leute an Bord des Linienschiffes, auf nicht sehr geschickte Art, hinten einen Nothmast aufzurichten und ein Hintersegel beizusetzen suchten, um das Fahrzeug an dem Winde halten zu können. Das Focksegel wagten sie nicht wegzunehmen, da sonst der noch übrige Mast, ohne ein Segel, das ihm Festigkeit geben konnte, höchst wahrscheinlich über Bord gefallen sein würde; aber ohne Hintersegel vermochte das Schiff nicht im Winde zu bleiben, und daher kam es, daß es, mit den Wellen kämpfend, trotz dem daß das Steuer dicht beim Winde war, doch zwei Punkte vom Winde abwich.
»Wo sind wir jetzt, Mr. Pearce?« fragte der Kapitän – »etwa acht bis neun Meilen vom Lande?«
»Nehmen Sie sieben Meilen an, Sir,« erwiederte der Schiffer, »bis ich Ihnen genaue Auskunft darüber zu ertheilen vermag.« Hierauf stieg er die Leiter hinab, um die Rechnung zu machen.
»Der Franzose zieht sich zurück, Mr. Hardy – mehr vom Winde abzuhalten. Wir wollen gerade in Einer Linie mit ihm segeln. Jetzt, Jungen, Acht gegeben – Kugeln und Kartätschen – daß je kein Schuß fehlt – zielt nach den Halbdeckpforten. Wenn wir ihn seine Nothmasten nicht ausrichten lassen, so ist es um ihn geschehen.«
»Wenn es nichts als das wäre,« sagte der Schiemann, welcher eine der Halbdeckkanonen befestigte, »so könnten wir unsere Kugeln sparen. Sie sind nicht so geschickt, die Nothmasten aufzurichten, wenn man ihnen nicht hilft – doch da hat er einen Puff.«
Die Fregatte hatte sich jetzt dem Linienschiffe drei Kabeltaulängen genähert und ihre gewandten Leute richteten, in Erwägung, daß die gegenwärtigen Umstände keinen sicheren Zielpunkt erlaubten, ein heftiges, tüchtiges Feuer auf dasselbe.
Der Feind versuchte das Feuer mit seinen Luvhauptdeckkanonen zurückzugeben, was aber mit soviel Schwierigkeit und Gefahr verknüpft war, daß er mehr als einmal davon abstand. Zwei bis drei Kanonen schwanden aus den Pforten; sie mußten entweder leewärts gerollt oder die Luken hinabgestürzt sein. Dies war wirklich der Fall, und die französischen Matrosen waren durch die bedeutenden, bereits erlittenen Unfälle so in Angst versetzt, daß sie entweder ihre Posten verließen oder sich fürchteten, hinter den Kanonen zu stehen, wenn dieselben abgefeuert wurden, so daß ihre Schüsse fehl gingen. Wären beide Schiffe gleich gut bemannt gewesen, so würde die Fregatte, trotz aller Unglücksfälle, die der Franzose erlitten, doch im Nachtheile gewesen sein; allein der Sturm machte der undisciplinirten Mannschaft des Linienschiffes mehr als genug zu schaffen. Die Fregatte unterhielt ein lebhaftes Feuer, obgleich sie so gewaltig schwankte, daß die bei den Geschützen aufgestellten Leute öfters in die Speigaten zurückgeworfen wurden und einer über den andern in das Wasser stürzte, welches die Verdecke überströmte. Dies diente jedoch nur zur Belustigung, und sie gingen immer wieder mit dem unbeugsamen Sinne britischer Seeleute an das Geschäft.
So schwierig es auch war, einen sichern Zielpunkt zu nehmen, verhinderte das Feuer der Fregatte doch die Franzosen, einen Nothmast aufzurichten. Von Zeit zu Zeit gab das Linienschiff dem Winde nach, um durch eine größere Entfernung die Kartätschen zu vermeiden; allein die Fregatte richtete immer ihren Lauf nach dem des Feindes und setzte ihre beunruhigende Verfolgung fort.