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Neunzehntes Kapitel

Ein Kapitel voll getäuschter Erwartungen, die, wie Ralph hofft, der Leser nicht theilen wird. – Einige Vergleichungen, die man wahrscheinlich nicht anstößig findet, nebst etlichen Reflexionen, welche man hoffentlich nicht übel nehmen kann.

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Meine Freunde werden bemerken, daß zu der Zeit, von welcher ich spreche, die Postkutsche, wenn auch nicht gerade einen wirklich schlechten Charakter, so doch eine Person enthielt, die sehr nahe daran war, es zu sein, obgleich mein sanftes Benehmen, mein glattes, leuchtendes Gesicht und mein stetes gefälliges Lächeln ganz andere Eigenschaften in mir vermuthen ließen. Ich bin so offen in meinen Bekenntnissen gewesen, um den Eltern bemerklich zu machen, daß ihre Pflichten nicht aufhören, wo die des Schulmeisters beginnen, und daß man letztere recht wohl selbst auch überwachen muß. Man hatte mich einer der ersten Pensionen in der Nähe von London anvertraut und sehr freigebig für mich bezahlt; ich hatte Lehrer aller Art – und dennoch: was war ich, als ich nach so vielen Kosten an Geld und nach so viel verschleuderter, noch kostbarerer Zeit diese Akademie verließ? Die guten Leute in der Stickenhamer Postkutsche können davon reden, denn es gelang mir noch vor Ablauf der Reise, es ihnen durch einen oder den anderen Possen recht ungemächlich zu machen.

Aber wohin ging ich. Cäsar war mit seinem Glück in eine Postkutsche eingepackt. Nach anderthalb Stunden bemerkte ich, daß die Pferde unsern Wagen langsam einen steilen Berg hinanzogen. Die vollbelaubten Bäume, die sich über uns wölben, bilden einen grünen Baldachin; die Luft wird erfrischender, und sogar ich fühle ihren belebenden Einfluß, denn ich höre auf, den getrockneten Straßenkoth, den ich von meinen Schuhen gesammelt habe, verstohlen den Nacken eines sehr hübschen Mädchens hinuntergleiten zu lassen, welches zornglühend an meiner Seite sitzt. Der Hügel ist jetzt erreicht, und im nächsten Augenblick donnert die Kutsche auf der andern Seite nieder. Aber welch' eine liebliche Aussicht breitet sich vor meinen entzückten Augen aus! In meinem jungen Herzen erheben sich nun wieder nach langem Schlafe die Gefühle der Liebe und der Sehnsucht nach verwandten Wesen. Welche Arme sollten mich aufnehmen – welche schönen Lippen mochten wohl verlangen, mich mit mütterlichem oder vielleicht schwesterlichem Entzücken zu küssen! Hatte ich vielleicht eine Schwester? Freilich, denn wie hätte ich in einem so wonnetrunkenen Augenblicke daran zweifeln können! Wie wollte ich sie lieben! Das gemästete Kalb war nicht blos geschlachtet, sondern sogar schon gekocht, um den lange Verlorenen zu bewillkommnen. Kein Latein, kein Französisch, kein Griechisch, keine Mathematik sollte mir fernerhin die flüchtigen Augenblicke verbittern. Der junge Sommer, der so viel duftende Freude um mich her athmete, hatte seinem besten Lächeln aufgeboten, um mich in der älterlichen Heimath willkommen zu heißen. »Kein Zweifel,« sagte ich zu mir selber – »kein Zweifel, daß eine von den seltsamen Mähren, die ich in Roots Schule so oft erzählte, jetzt in Erfüllung geht.«

In Mitte dieser entzückten Vorgenüsse, die sich mehr und mehr steigerten, hielt die Kutsche eine Stunde vor Sonnenuntergang an einem Hause an, das auf einer sanften Ansteigung stand – noch obendrein mit einem plötzlichen Ruck, als wäre dies der Vorläufer irgend einer glorreichen Enthüllung. Ich blickte zum Schlage hinaus – und siehe da! – auf einem verwünschten blauen Brette war in garstigen goldenen Buchstaben das bitter verhaßte Wort »Akademie« zu lesen.

Ich brach in Thränen aus, denn es brauchte mir Niemand zu sagen, daß ich die Person war, welche hier aussteigen sollte. Ich kannte mein Urtheil. Lebt wohl, all' ihr herrlichen Gesichte! Ich hätte meinen Haß zurückschleudern mögen in das Gesicht der lachenden Sonne – nannte sie in meinem Innern eine Betrügerin und Verrätherin, denn hatte sie sich nicht mit meiner ganzen Umgebung verschworen, mich vor fünf Minuten noch durch ihr Lächeln in ein Narrenparadies zu verlocken?

»Mr. Rattlin, wollt Ihr so gut sein, auszusteigen?« sagte eine von jenen gedämpften, Gerundium singenden Stimmen, die mich mein Instinkt augenblicklich als die eines Unterlehrers erkennen ließ.

»Nein, ich danke, Sir,« versetzte ich schluchzend, »ich will nach Hause.«

»Ihr müßt aber demungeachtet hier absteigen,« entgegnete der Unheil verkündende Mensch, der mich einlud. »Euer Koffer ist bereits heruntergebracht und der Kutscher will weiter fahren.«

»Ich will's auch.«

»Das ist ja ungemein possirlich – hi, hi, hi! – ungemein drollig, so wahr ich Saltseller heiße. Ihr wollt also weiter fahren, Mr. Rattlin? Warum kommt Ihr denn auf diesem Wege nach der Schule? – Ist das nicht drollig! Nun, Ihr seid auf dem ganzen Wege rücklings gefahren – 's ist jetzt Zeit zum Umwechseln – wie possirlich das – hi, hi!«

»Aber nicht um eine Schule gegen die andere zu vertauschen,« erwiederte ich, indem ich mit schwerem Herzen ausstieg. »Und dies nennt Ihr eine Schule?«

Ich fuhr fort, verächtlich umherzublicken, denn ich fand, daß vor dem Hause ungefähr zwanzig kleine Knaben auf einem grünen Rasen spielten, über welchen wir gehen mußten, da die Landstraße nicht bis vor die Thüre führte.

»Das nennt Ihr eine Schule? Nun, wenn Ihr meint, daß Ihr mich hier peitschen könnt, so nennt mich einen Tropf, weiter sage ich nicht. – Eine Schule! Und Ihr seid vermuthlich der Unterlehrer – ich glaube nicht, daß diese kleinen Knaben Euch in dem letzten halben Jahre gebumst haben?«

»Schätz wohl nicht,« versetzte Mr. Saltseller, denn so hieß wirklich der Unglückliche, auf den ich von dem ersten Augenblick an einen verzweifelten Groll warf. »Mich bumsen!« rief er im Selbstgespräche und mit der unverkennbarsten Miene des Erstaunens aus, als hätte er von der monströsesten Unmöglichkeit, die man sich nur denken kann, sprechen hören. »Mich bumsen! Ist das nicht ungemein possirlich? Wo seid Ihr denn erzogen worden, Master Rattlin?«

»Wo man tyrannische Schulmeister hinaussperrt und schleichende Unterlehrer bumst,« sagte ich. »Das ist der Ort, wo ich erzogen wurde.«

»In diesem Falle unter allen Umständen eine bodenlos schlechte Zucht.«

»Immerhin aber nicht so schlecht, als hieher gebracht zu werden.«

Sein nächstes »ist das nicht ungemein drollig?« brachte uns an die Thüre der Akademie. Der kurze Gang über den Spazierplatz belehrte mich übrigens mit einemmale, daß ich's hier mit einer ganz andern Klasse von Wesen zu thun hatte, als die waren, welche durch meine früheren Schulkameraden gebildet wurden. Sie schienen zarter genährt zu sein, hatten nicht das dreiste Schuljungenwesen, an das ich gewöhnt war, und nannten einander »Master«. Ueberhaupt trug Alles das Gepräge eines Miniaturmaaßstabes. Das Haus war viel kleiner, schien aber doch gemächlich und gesund zu sein – Vortheile, die ich anfangs nicht würdigte, obgleich sie schon damals meiner Beobachtung auffallen mußten.

Ich war kaum in die Hausflur eingeführt, als ich eine Stimme, die mir bekannt vorkam, ausrufen hörte:

»Bringt Mr. Rattlin hier herein und schließt die Thüre.«

Ich trat ein und befand mich im nächsten Augenblicke in den Armen der geheimnißvollen und sehr schönen Dame, die mich, wie bemerkt, einigemal besucht hatte und die in meinen Augen so innig mit meinem Dasein verknüpft zu sein schien. Ich glaube bereits bemerkt zu haben, daß sie sowohl gegen meine Pflegemutter, als gegen mich selbst in keinem andern Lichte als in dem meiner Pathe erscheinen wollte. Der Empfang war anfangs mit ungestümer Aufregung verbunden; dann aber sammelte sie sich und gab ihren Zügen ein sehr gesetztes, matronenhaftes Aussehen. Ich selbst brach unter dem Einflüsse gemischter Empfindungen in bittere Thränen aus, obschon unter meinen Gefühlen (zu meiner und der menschlichen Natur Schande muß ich's gestehen) der verletzte Stolz das schmerzlichste war. In den Tagen meiner Träumerei hatte ich diese Dame zu meinem leitenden Genius gemacht und ihr aus vollem Herzen Verehrung und kindliche Liebe eines Sohnes geweiht; aber meine Zuneigung und meine Eitelkeit waren unter sich eins geworden, daß sie als meine Mutter wenigstens eine Herzogin sein müsse, und ich würde geglaubt haben, daß mir nur mein Recht widerfahre, wenn sie gar eine Prinzessin gewesen wäre. Jetzt aber waren alle meine herrlichen Visionen dahin, versunken und zerstört durch die Person einer Schulmeisterin über ungefähr zwanzig Knaben, unter denen ich der größte war. Es nützte nichts, daß ich mir wieder und wieder sagte, sie ist noch ebenso liebenswürdig, ihre Stimme ebenso musikalisch, ihr Wesen ebenso ansprechend und ihr Anzug nicht weniger reich: die erschreckende Wahrheit stand stets vor meinem Auge – »sie hält eine Schule und kann deshalb nicht meine Mutter sein.«

Natürlich wußte sie nicht, was in meiner Seele vorging; indeß konnte sie doch sehen, wie sich mein Schmerz zu einer Höhe gesteigert hatte, daß er fast ein wirkliches Elend genannt werden konnte. Sie nahm mich bei der Hand, zeigte mir mein niedliches Bettchen, den großen Garten, den am Ende desselben hinlaufenden Fluß, und setzte mir Früchte sammt Kuchen vor; aber ich wollte mich nicht trösten lassen – wie kam sie dazu, eine Schulmeisterin zu sein? Ich hätte tausendmal lieber Mrs. Brandon wieder zur Mutter gehabt – denn sie hatte mich wenigstens nie getäuscht. Indeß entdeckte ich bald, daß die Dame, welche ich jetzt zum Erstenmal Mrs. Cherfeuil nennen hörte, ebenso wenig geneigt war, mir die Ehre zu gönnen, sie Mutter zu nennen, als ich auf derselben bestehen mochte. Ich wurde ihrem Gatten als der Sohn einer Jugendfreundin vorgestellt, der von achtbaren Eltern abstamme und bei dem sie zu Gevatter gestanden. Da außerdem der Agent, der meine Uebersiedelung besorgte, eine Woche vor meiner Ankunft vorgesprochen hatte, so fand der gute Mann durchaus nichts Auffallendes in der Sache.

Wir müssen übrigens jetzt diesen neuen Pädagogen schildern. Er war in allen Dingen das gerade Widerspiel von Mr. Root; denn während letzterer groß, blühend und entschieden schön genannt werden konnte, war Mr. Cherfeuil klein, bleich und mehr als entschieden häßlich. Mr. Root gehörte, trotz seiner großen Unwissenheit, zu den weltlichen Weisen, während Mr. Cherfeuil in den Augen der Welt ein Thor, dabei aber sehr gelehrt war. Mr. Roots geistige Leerheit ließ es ihm nicht schwer werden, seine anderthalb Ideen gut in Ordnung zu halten, aber Mr. Cherfeuil war so überfüllt, daß er für seine Wissensschätze nicht Raum genug fand, um überhaupt passend über sie zu verfügen. Mr. Root würde sich für einen Narren gehalten haben, wenn er sich hätte herablassen können, Verse zu schreiben, obschon er glaubte, es aus dem Fundamente zu können, wenn er nur wollte, während Mr. Cherfeuil in Jedem einen Thoren gesehen haben würde, welcher nicht mit einemmale bemerkte, daß er (Cherfeuil) ein geborener großer Dichter sei. Soll ich nach der Weise des Plutarch die Vergleichung noch weiter ausführen? Nein – wir wollen sie mit ein paar kurzen Worten zum völligen Abschluß bringen, wenn ich sage, daß Mr. Root ein Engländer, Cherfeuil aber ein Franzose war – daß der Erstere eine große, der Andere eine kleine Schule hatte – und daß Beide in ihrer eigenen guten Meinung unendlich hoch standen, obschon Andere nicht die gleiche Ansicht theilten.

Mr. Cherfeuil war so ehrgeizig, für einen Mann von fünf Fuß Höhe gelten zu wollen; er trug sich daher stets sehr aufrecht, gab sich eine sehr bedeutsame Miene und stolzirte umher, wie eine Pfautaube, den Kopf zurückgeworfen und ohne Unterlaß das lange Kinn in seiner großen Halsbinde wiegend. Er konnte Niemand um sein Befinden fragen, oder in Beantwortung auf eine ähnliche Erkundigung sein »ich danke, Sir, sehr gut,« hervorbringen, ohne mit dem Fuße zu stampfen, als zerträte er eine Schnecke, oder sein Kinn in die Luft zu werfen, als habe er darauf eine Leiter zu balanziren. Seine Züge waren zwar in kleine affenartige Grenzen eingezwängt, trugen aber in ihrer Individualität doch einen großartigen Schnitt: es war, wie wenn ein halb Dutzend gigantische Exemplare menschlicher Häßlichkeit in dem Porzellanschrank einer Dame eingezwängt wären und sich gegenseitig um des Raumes willen mit Ellenbogenstößen bearbeiteten.

Seine Augen hätten groß genannt werden können, wäre nicht seine Nase beziehungsweise unendlich größer gewesen, und auch diese verlor ihren auffallenden Charakter um der schrecklichen Dimensionen willen, welche dem Munde zugetheilt waren. Dennoch war der Ausdruck aller dieser Anomalien, wie grotesk sie auch sein mochten, nicht unangenehm, und man konnte nur zufrieden lächeln, wenn man sah, wie veredelnd sich hier das Pavianthum der Menschheit genähert hatte. Mit einem Worte, man konnte ihn eine possierliche, häßlich aussehende Schachtel gelber Sterblichkeit nennen, die einige liebenswürdige Eigenschaften und viele sehr werthvolle Begabungen enthielt. Gesunden Menschenverstand zeigte er jedoch in seiner ganzen Lebensperiode nie, als in einem einzigen, höchst wichtigen Falle – er schmiegte sich nämlich in allen Dingen vollkommen in seine stattliche, schöne Gattin. Ihre Herrschaft war ungetheilt; aber wie sie dazu kam, ihn zu heirathen – dies war eines von jenen menschlichen Räthseln, die nie genügend gelöst werden. Er war ein französischer Emigré, hatte eine sehr gute Erziehung genossen, spielte mehrere Instrumente ohne Geschmack, verstand Alles, was mit den Klassikern in Verbindung stand, nur ihre Schönheit nicht, und war tief in den mathematischen Wissenschaften bewandert, ohne jedoch einen Begriff von ihrer nützlichen Anwendung zu haben.

In dieser Schule machte ich schnelle Fortschritte. Ich genoß alle Sorgfalt und Aufmerksamkeit eines mütterlichen Herzens, obgleich sich Mrs. Cherfeuil nie zu einer eigentlichen Familiarität heranließ. Vor dem Hause lag eine große, wilde Almande – dort befand sich ein edles Sammelbeet des tiefen Wassers aus der Nachbarschaft, in welchem ich meine natatorischen Studien (denn affektirte Phraseologie ist ja Mode) vollendete, meinen Körper kräftigte, meinen Geist veredelte, und ich begann nachgerade wahres Glück zu kosten.

Es würde ein unterhaltendes Werk geben, wenn ich die Biographieen einiger der merkwürdigsten Unterlehrer schreiben wollte. Sie scheinen die Fledermäuse der Gesellschaft zu sein – nicht ganz unter die Gentlemen und doch auch nicht unter die niederen Klassen passend. In der Regel sind sie sehr von sich eingenommen, während die Abhängigkeit ihrer Lage sie gemein, und die Anwendung der ihnen übertragenen Gewalt tyrannisch macht. Haben sie Geist und Talent, so erheben sie sich über ihre Stellung, andernfalls aber gehören sie meiner Ansicht nach zu der allererbärmlichsten Klasse, sogar die Zigeuner und Bettler nicht ausgenommen.

Mr. Cherfeuil war an sich eine Fundgrube der Gelehrsamkeit; aber er förderte die letztere aus den dunkeln Schachten seines Geistes mit so viel Erz gemischten und in so mißgestalteten Massen heraus, daß es noch einer andern Person bedurfte, um das zu ordnen, was er in der verschwenderischsten Weise produzirte. Ein guter Unterlehrer oder Gehülfe war daher nothwendig, obschon unter den dreißig oder vierzig, welche während meiner drei Schuljahre ab- und zugingen, nur ein einziger dieses Prädikat verdiente.

Diese Klasse von Leuten ist leider für zarte Impulse nur zu empfänglich, denn sie findet stets die rosigen Wangen des Dienstmädchens oder das Embonpoint der Köchin unwiderstehlich. Auch haben sie so zarte, weiche, weiße Hände, tragen an Sonntagen in der Regel recht hübsche Leinwand und werden deshalb ihrer weiblichen Mitdienerschaft höchst gefährlich.

Mr. Saltseller, der Alles possierlich und drollig fand und seine Wangen zu schminken pflegte, verlor seinen Posten in demselben Augenblicke, als das Hausmädchen ihren Ruf der Jungfräulichkeit – beiderseits keine sehr bedeutenden Verluste. An seine Stelle kam ein Anderer, ein Anderer und wieder ein Anderer – auch wurden noch mehrere zarte Blüthen geknickt, bis zuletzt ein Mann kam,

Deß Gleichen, wenn man Alles nimmt in Allem,
So bald nicht wieder ist zu finden.

Er war groß, kräftig, von pomphafter Haltung – mit einem Wort un homme magnifique. Er trug einen grünen Ueberrock, falsches Haar, ein schwarzes Pflaster über dem linken Auge und war fünfzig oder vielmehr fünf und fünfzig. Sein breites, rundes Gesicht hatte nichts Grausames, und unser Adonis von einem gereiften Unterlehrer pflegte nach den Schulstunden eine mit blaßrothem Bande versehene Guitarre um den breiten Hals zu hängen, woraus er aus dem Rasen vor dem Hause klimpernd hin- und herging, die Bewunderung aller kleinen Knaben und alten Jungfern in der Nachbarschaft auf sich ziehend. Oh, er war das bean Ideal eines vieux garçon. Wir möchten allen Schulgehülfen empfehlen, Guitarre spielen zu lernen und fett zu werden – wenn sie können, und dann haben sie die Aussicht, wie Mr. Sigismund Pontifex zu prosperiren. Er brachte es so weit, daß eine reiche, jungfräuliche Dame, die nur zehn Jahre älter war, als er selbst, mit ihm entlief. Die süßen, unschuldigen und gedankenlosen Liebesleutchen machten sich eines Morgens vor Tagesanbruch verstohlen in einer vierspännigen Chaise davon und kehrten eine Woche später als Mr. und Mrs. Pontifex zurück.

Nun hing der Gentleman seine Guitarre für immer an den Nagel und ließ sich an jedem schönen Tage, die Pfeife im Mund und den Humpen in der Hand, als Erster und Letzter, auf dem Kegelgraben des schwarzen Löwen blicken, wo er als Schiedsrichter verehrt, von dem Herrn Wirth gehätschelt und in strittigen Fällen von den Spielern stets als Unparteiischer ausgerufen wurde. Ich schreibe dieses Leben zur Belehrung. Ihr Herren Unterlehrer, nehmt ein Vorbild daran – lernt Guitarre spielen und laßt euch den Mund durch Ideen mit zukünftigen Bierhumpen und duftenden Pfeifen wässerig machen.

*

 


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