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Osman Ali Khan Bahadur, der Nizam von Haidarabad, dachte in dieser ereignisreichen Nacht nach Abbruch des Festgelages noch keineswegs an Schlaf. Auch nicht an irgendein Privatvergnügen. Sein Sinnen und Denken wurde tatsächlich von Staatsgeschäften ausgefüllt.
Der Fürst hatte seine juwelenstrotzenden Prunkgewänder mit einem bequemeren, weißseidenen Hauskleide vertauscht und wandelte, den Blick sinnend auf das kunstvolle Mosaikparkett geheftet, erwartungsvoll in dem glänzenden Gemache auf und nieder. Zuweilen trat er an das geöffnete Fenster und horchte hinaus in die Nacht. Der wind trug das Brausen der nahen Meeresbrandung an sein Ohr. Von drüben her aber, von dort, wo Blacktown, das Eingeborenenviertel, liegt, zog jetzt gleichfalls ein dumpfes Gebrause herauf, das den uralten Groll des Meeres gegen das harte Felsgestein zu teilen schien, sich in seinen Ausdrucksmitteln jedoch, je näher das Grollen kam, desto deutlicher von jenem unterschied.
Ein dämonischer Glanz schimmerte in den Augen des Nizam auf. Hastig trat er in die Tiefe des Gemaches zurück.
»Es ist der Wind des Aufruhrs, der auf die Wogen des Volkes drückt und sie erregt«, stieß er unter einem kurzen, heiseren Lachen hervor und ballte die Faust wie gegen einen unsichtbaren Gegner. »Der Zyklon ist im Anzug.«
Ein Diener erschien, neigte sich mit über der Brust gekreuzten Armen tief zur Erde herab und meldete den Leibarzt des Fürsten. Der Nizam mußte den späten Besuch – die erste Nachtstunde war schon abgelaufen – erwartet haben und befahl, den Harrenden unverzüglich vorzulassen. Als sich die Flügeltüren lautlos hinter dem eintretenden Arzte in der malerischen Tracht der Hindus wieder geschlossen hatten, begrüßten sich die beiden Männer herzlich und aufrichtig, wie zwei von gegenseitiger Wertschätzung durchdrungene Personen zu tun pflegen. Für Sekunden ruhten die kalten, blauen Augen des Arztes und die schwarzen, glutvollen des Fürsten offen und ruhig ineinander, und doch eines auf dem Grunde des anderen forschend.
»Wohlan, Mr. We –« ergriff der Fürst das Wort, unterbrach sich jedoch beim Anblick der warnend hochgezogenen Augenbraunen des Angeredeten sofort und faßte sich also: »Weiser Verwalter der heilenden Kräuter und wunderwirkenden Salben, welche Medizin bringt Ihr mir? Hoffentlich eine gute.«
»Sie ist gut, mein Fürst, und wird, wie ich zuversichtlich hoffe, ihre Wirkung nicht verfehlen, wofern Ihr Euch zu ihrer Einnahme verstehen wollet«, versetzte Harry Webster, der, um die Aufmerksamkeit besoldeter Späher und englischer Spitzel, womit das Mißtrauen der englischen Machthaber die einheimischen Fürsten zu umgeben pflegt, nicht auf sich zu lenken, in der Rolle des Leibarztes im Gefolge des Nizam weilte. Als solcher konnte er, ohne Verdacht zu erregen, stets um die Person des Fürsten sein und bei außerordentlichen Anlässen, wie gerade jetzt, auch zu einer ungewöhnlichen Stunde ihn aufsuchen. Mr. Webster hatte sich hinlänglich mit den indischen Sitten und dem Hofzeremoniell vertraut gemacht, überdies mit Pflanzensaft seine Hautfarbe künstlich nachgebräunt und füllte mithin seine Rolle in jedem Betreff aus.
»So lasset hören«, sagte der Nizam und ließ sich auf einen Sessel nieder, mit einer einladenden Handbewegung seinen vertrauten Ratgeber auffordernd, ein Gleiches zu tun.
Mr. Webster berichtete kurz und sachlich über den Ausgang der Affäre Besant.
»Mr. Besant?« machte der Fürst interessiert, nachdem der Detektiv mit seinem Bericht zu Ende war, »Mr. Besant, sagten Sie, ist der Name der kriegerischen Dame?«
»Verzeihung, Hoheit, nicht eigentlich«, verbesserte Mr. Webster. »In Wahrheit ist sie eine Lady Mary Garcia. Doch kennen sie hierzulande unter diesem Namen nur zwei Personen: Seine Lordschaft der Gouverneur von Bombay, Earl of Castleford, und meine schlichte Bürgerlichkeit.«
Der Nizam schaute seinen Ratgeber aus erstaunten Augen an.
»Über die Beziehungen des Lords zur vormaligen Lady Garcia zu sprechen«, beantwortete Mr. Webster die stumme Frage, »halte ich mich um so weniger für befugt, als dies eine Privatangelegenheit ist, deren Art zu erraten jedoch für den nicht schwer fallen dürfte, der den Charakter und eine gewisse kleine Schwäche des großen Mannes kennt.«
Khan Bahadur mußte an die Episode mit der Bajadere denken und verstand.
»Was meine Bekanntschaft mit der Dame anbelangt«, fuhr der Deutschamerikaner in seiner anspruchslosen, schlichten Weise zu sprechen fort, »so habe ich Lady Garcia drüben in England einmal einen kleinen Dienst erwiesen; das ist alles.«
»Nur einen kleinen?« zweifelte der Fürst, der in den wenigen Wochen gemeinsamen Umgangs die Tüchtigkeit und Anspruchslosigkeit des uneigennützigen Mannes hinreichend kennengelernt hatte, um das Gegenteil anzunehmen. »Eure Worte, edler Freund, haben meine Neugierde rege gemacht.«
Der Detektiv verbeugte sich zustimmend und berichtete:
»In einer stürmischen Septembernacht des Jahres 1913 – am 12. meines Erinnerns – wurde Lady Garcia in ihrem Bette ermordet–...«
»Ermordet? und sie lebt noch!« rief der Fürst verwundert aus.
»Ja, mein Fürst«, fuhr Mr. Webster gelassen fort. »Ich ließ den Mörder, damit sich die zu einer rechtskräftigen Verurteilung notwendigen Tatbestandsmerkmale erfüllten, ruhig an das Bett der Schlafenden sich heranschleichen und sogar den geschwungenen Dolch in ihren Busen senken. Jetzt erst hielt ich's für an der Zeit, aus meinem Versteck hervorzubrechen und mich auf den Raubmörder zu stürzen. Nach kurzem Kampf hatte ich ihn überwältigt und knipste das Licht an. Leichenfahl starrte der Elende auf sein Opfer. Aus der klaffenden Wunde rieselte – Sägemehl statt roten Menschenblutes! Der »blutige Jack«, der berüchtigtste Gentleman-Einbrecher, dem ich von New-York aus auf der Fährte war, hatte Lady Garcia zu ermorden gemeint, doch nur eine lebensgroße Gliederpuppe getroffen.«
»Das also nennt Ihr einen kleinen Dienst, Sahib!« sagte der Fürst kopfnickend. »Dachte ich mirs doch gleich. Und wie nennt Ihr Eure bisherigen Dienste zur Befreiung Indiens vom Joche der Fremdherrschaft?«
Der Detektiv schwieg eine kleine Weile, schaute dann sein Gegenüber mit einem festen Blicke an und sagte mit Nachdruck und Bedeutung:
»Erst der tatsächliche und abschließende Erfolg in einer Sache wertet einen Dienst, ob groß oder klein, zum Verdienst um. Vieles ist bereits geschehen, Fürst; das meiste bleibt uns noch zu tun übrig. Ich sage »uns«, Fürst. An Euch ist es nun, das Schwert, das ich in langen Wochen der Arbeit geschmiedet und geschärft habe, macht- und kraftvoll zu führen. Ihr wißt, Fürst, wie die Dinge augenblicklich in Europa liegen. Aus meinem Munde, als aus dem eines Augenzeugen, habt Ihr die Wahrheit erfahren. Der Sultan, Euer erhabener Vetter, bereits bedeckt mit unvergänglichem Waffenruhm, hat Euch durch mich seinen Salaam entbieten und den geheimen Bundesvertrag zur Unterfertigung vorlegen lassen. Allah erleuchtete Euren Verstand mit der Sonne seiner Weisheit und führte Eure Rechte, da sie dem Vertrage das große Staatssiegel aufdrückte. Desgleichen tat der kluge und tapfere Emir von Afghanistan, dessen großmächtige Ahnen vor genau tausend Jahren mit Feuer und Schwert die Lehre des Propheten nach Indien trugen. Seine Vorhuten stehen heute bereits im Pendschab und reißen die zaudernden Stämme des Grenzlandes mit sich fort. Auch für Euch, Fürst, naht die Stunde der entscheidenden Tat. Schon ist die englische Regierung aufmerksam und unruhig geworden: – eine Wissenschaft, die ich vor knapp zwei Stunden von einem Bombayer hohen Polizeibeamten, dessen Blick die Dämpfe des Weinflors umnebelt und dessen Zunge die prickelnden Geister des Alkohols gelöst hatten, mit wenig Zutun meinerseits erworben habe, wenig will dagegen besagen, daß die englischen Spürhunde bereits die Witterung meiner Fährte aufgenommen haben.
Überrascht hob der Nizam den Kopf.
»Ihr wollt doch damit nicht sagen, Mr. We –«
»Keine Sorge, mein Fürst«, beruhigte der Detektiv den feinnervigen Inder. »Noch schläft die Bombayer Polizei.« Und mit einem spöttischen Lächeln: »Ihr Präsident sogar sehr fest. Nutzen wir die Lage aus, mein Fürst! Ihr Besuch hat den Argwohn der Regierung fürs erste zerstreut. Die verheißungsvolle Rede des Gouverneurs ist eine diplomatische Höflichkeitsphrase – weiter nichts. Man will Zeit gewinnen, das ist's. An uns ist es gelegen, dies auf alle Fälle zu verhindern. Bombay, Indiens südliche Zwingburg, hat uns ohne Schwertstreich seine Tore geöffnet, wer wollte uns daraus vertreiben? Die britischen Zwingherrn? Dazu sind sie allein zu schwach. Die indische Garnison steht zu uns. Ich habe Vorsorge getroffen, daß vor den Kasernen der Sipoyregimenter Tschapatis, gebackene Maisbrötchen, die durch alten Gebrauch geheiligten Geheimzeichen einer bevorstehenden Empörung, niedergelegt wurden. Und nicht zuletzt habe ich mirs angelegen sein lassen, durch »Märchenerzähler«, die sich unauffällig und in großer Zahl unter die festlich erregte Menge mischten, das Volk in einem für unsere Zwecke und Ziele Stimmung machenden Sinne zu bearbeiten. Hört Ihr den Erfolg, Fürst?«
Der Detektiv war ans Fenster getreten, öffnete den angelehnten Flügel und deutete mit der großartig gespielten Gebärde eines römischen Volkstribuns hinaus in die Nacht von Bombay.
»Ja, Sahib, ich höre die Stimme des Volkes«, sagte der Nizam, dessen Brust sich unter einem tiefen Atemzuge hob.
Deutlich vernehmbar, schossen wie kochende Springquellen aus dem näherziehenden Brausen der Volksmenge Hochrufe auf den Nizam vom Haidarabad himmelan.
Mit einem raschen Schritt trat der Detektiv auf den Fürsten zu.
»Befehlet, mein Fürst«, sagte er mit edlem Pathos, »und ich wage mich ein zweites Mal in der Maske meines sorglos schlafenden Originals, des Bombayer Polizeipräsidenten, auf die Straße und gebiete der Polizei, sich zurückzuziehen.«
Der Nizam zauderte. Für eines Blitzes Zucken leuchtete der Wille der Tat aus seinem gewaltig strahlenden Auge. Dann erlosch der Widerschein, und gepreßt kam es aus seiner Kehle:
»Nein, Sahib.«
Mr. Webster biß die Zähne zusammen und schwieg.
Dieses Nein kostete mehr als hundert indischen Mohammedanern das Leben und ebenso vielen die Freiheit.
Sekunden rannen tickend in's Nichts zurück, und noch immer standen die beiden Männer inmitten des glänzenden Gemaches sich einander gegenüber, maßen sich mit schweigenden Blicken und wogen in ihrer Brust die Geschicke von Millionen ab. Es war, als hätten strangulierende Geisterhände beiden Männern die Luft zu befreienden Worten abgeschnürt.
Stärker nur von draußen scholl und schwoll das Brausen.
Und ändert plötzlich Klang und Farbe. Ein tausendstimmig Wutgeheul zerreißt die Luft.
Verebbende Lebehochrufe mischen sich mit gurgelnden Todesschreien–...
Gezückte Klingen und bellende Brownings der indischen Peons treiben das demonstrierende Brudervolk zurück. – Wie lange noch?
Und droben, im prunkenden Gemache, steht der Mann, die Hoffnung Indiens, Osman Ali Khan Bahadur, dem die Begeisterung der Massen gegolten, und dem sie die harte Blutsteuer entrichten mußten, und spricht, gewaltsam seine Erregung meisternd, sachliche, erklärende Worte.
»Sahib«, sprach er und drückte dem Detektiv die Hand, »ich bewundere und schätze Euren Mut und Tatendrang. Doch mit der Masse der Mohammedaner allein richten wir wenig aus. Soll sich der Aufstand über das ganze Land verbreiten, dann ist es unerläßlich, sich des buddhistischen Teiles der Bevölkerung und auch der Parsen zu versichern. Drei Tage sind hierzu eine sehr kurze Frist. Und doch läßt sich bei angestrengter Propaganda in dieser Zeit sehr viel erreichen, vor allem rechne ich dabei auf Eure unschätzbaren Dienste, Sahib, und auch auf äußere Glückszufälle. Die Richtigkeit meiner Behauptung, Sahib, wird Euch ohne weiteres einleuchten, wenn Ihr Euch der geschichtlichen Tatsache zu erinnern beliebt, daß selbst der gewaltigste indische Aufstand in den Jahren 1856 bis 1862, der Hindus und Mohammedaner Schulter an Schulter für Indiens Freiheit kämpfen sah, gleichwohl nicht das ganze Land erfaßte, es vielmehr uneinig, widerspruchsvoll und zersplittert sah. Der Umstand der Einführung der Enfieldbüchse mit den gefetteten Patronen war die willkommene Brandfackel, die geschickte Agitation freiheitsliebender Inder in das Pulverfaß der allgemeinen Zufriedenheit schleuderte. Die Hindus wurden durch das ausgesprengte Gerücht, es würde der Talg ihres heiligsten Tieres, des Rindes, hierzu verwendet, aufs höchste gereizt und erbittert, während die Mohammedaner mit der Behauptung, daß hierzu das Schmalz des unreinen Schweines diene, und daß die Sipoys solche Patronen vor Gebrauch abbeißen müßten, aufgewiegelt wurden. Natürlich lagen die eigentlichen Ursachen des Aufstandes tiefer als in den Gewehren aus Enfield. Und doch erteilt uns dieser größte indische Aufstand die geschichtliche Lehre, woran wir nicht unachtsam vorübergehen sollten, daß den letzten und äußeren Anlaß immerhin religiöse Momente gaben.«
Mr. Webster nickte zustimmend zu diesen Ausführungen und wartete stillschweigend die hieraus sich ergebenden Schlüsse des Nizam ab.
»Überhaupt, Sahib«, fuhr der Fürst mit leicht umwölkter Stirne fort, »ist die sogenannte indische Frage eine der allerverwickeltsten und erfordert zu ihrer Lösung den Einsatz vielerlei Kräfte und das Zusammentreffen mancherlei Faktoren und Umstände. Der hohe Adel Indiens, und leider auch sehr viele, ja die meisten seiner Fürsten, erblicken in der englischen Oberherrschaft eine Art von Schutzgarantie. Sie sichert ihnen das einmal ausgeworfene Jahresgehalt, das die Fürsten nur zu verzehren brauchen, während die englische Verwaltung mit der Beitreibung der Steuern sich placken muß. Es steht fest, daß die Engländer dabei mit aller Rücksichtslosigkeit und Härte vorgehen. Aber trieben es die autonomen Fürsten früher denn anders? Nicht um eines Haares Breite. Und für die Steuerzahler bleibt es da im Grunde genommen recht gleichgültig, für wen sie schuften und bluten müssen.«
»Dies ist im Hinblick auf die unteren Volksschichten gesagt. Bliebe der Mittelstand, oder das, was man in anderen Ländern so benennt. Mit welcher Glosse über diesen Stand Indiens, den zahlenmäßig am kleinsten, so ziemlich alles gesagt ist, was sich über ihn sagen läßt.«
»Ähnlich wie bei den vorgenannten drei sozialen Ständen, liegen die Dinge bei den Bildungsgruppen der Inder. Ebenfalls eine Dreiheit. An der Spitze marschiert eine kleine Oberschicht wirklich Gebildeter, den Beschluß macht eine riesige Überzahl gänzlich Ungebildeter. Dazwischen wimmelt die Gruppe der Halbgebildeten. Diese durch eine oberflächliche, europäisierende Bildung verwirrten, entwurzelten und arrogant gemachten Inder bilden das große Heer der sogenannten »Babus«, die keine Alt-Hindus mehr, noch keine Europäer und nur erst verdrehte Halbgebildete sind mit allen Fehlern und schlimmen Eigenschaften der Intelligenzneulinge aller orientalischen Völker.«
»So, Sahib, stellt sich dem scharfen Auge des vorurteilsfreien Beobachters das soziale und geistige Indien dar.«
»Um wieviel differenzierter und auseinanderstrebender aber ist erst das religiöse Indien! Den 200 Millionen Hindus (das Wort im religiösen Sinne genommen) und Brahmanen stehen als zweitstärkste Religionspartei die Mohammedaner mit 60 Millionen gegenüber. Ferner zählt man noch 7 Millionen Buddhisten, etwas über 2 Millionen eingeborene Christen, 70 000 Parsen und schließlich Bruchteile von anderen Religionsgemeinschaften und Anhänger von uralten Naturkulturen, deren Namen im Abendlande kaum bekannt sind.«
»Ein politisches Reich, Sahib, ist – um auch die Aktivposten zu überprüfen – Indien nur einmal gewesen. Und zwar zur Zeit der großen Moguls, des erlauchten Ahnherrn –«
Mr. Webster benutzte klug eine kleine Atempause des indischen Fürsten, der ein außergewöhnliches Maß von Bildung, gründliche Geschichtskenntnisse und Staatsweisheit auf seinen Scheitel gehäuft hatte, um an dem Ahnenstolz des Fürsten den fast allmächtigen Hebel des Ruhmes und Ehrgeizes einzusetzen.
»Mit Verlaub, Euer Hoheit«, sagte er förmlich und feierlich, durch den Wechsel in der Titulatur in feinsinnig berechnender Weise auf die Machtstellung des Fürsten im Rate der indischen Herrscher zielend, »das ist eben die Meinung des Volkes: das Zepter Groß-Indiens muß an Eure Hoheit, als den allein berechtigten Erben und fähigsten Anwärter, wieder zurückfallen.«
»Ja, wenn die Heilrufe jener wenigen Tausende dort drunten die Stimme All-Indiens wären!« versetzte der Fürst in einem Tone, durch den merkbar der Schmerz vorläufiger Entsagung zitterte. »Leider sind das nur erst Stimmen der in der indischen Völkerwüste verhallenden Mohammedaner von Bombay.«
»Als solche aber«, fiel Mr. Webster rasch ein, »der Ausdruck der Meinung aller indischer Mohammedaner.«
»Also von rund 60 Millionen Menschen – unter 250 Millionen!«
»Nicht die Zahl allein macht es aus«, verteidigte der Detektiv gewandt und schlagfertig seine Auffassung, »sondern der Geist. Das beweist aufs schlagendste der glorreiche Kampf der europäischen Zentralmächte gegen eine riesige Überzahl.«
»Ich wiederhole noch einmal«, versetzte der Fürst, ohne sich von seinem Standpunkt abdrängen zu lassen, »daß in einem Gesamtvolke, wie dem indischen, der Haß allein nicht ausreicht. Haß für sich genügt hierzulande für die Anzettelung örtlicher Putsche, für Straßenüberfälle und Attentate. Die beste indische Monroedoktrin übt auf den eingeborenen Inder nicht entfernt die gleiche Wirkung aus, wie eine noch so unbedeutende religiöse Erregung. Der politische Taumel der Zurückgetriebenen hätte sich in zwecklosen Heilrufen unter meinem Balkon ausgetobt, während so das einmal geflossene Blut der wenigen das Gute für sich hat, der allgemeinen Unzufriedenheit mit dem englischen Polizeiregiment neue Nahrung zuzuführen.«
Der Nizam hatte Mr. Websters rechte Hand ergriffen, drückte sie wie zum Gelöbnis und vollendete, in Ton und Haltung eines Sehers, ernst und feierlich:
»Am dritten Tage von heute, der da ist der Tag des Moharramfestes, soll sich das Kismet der Fremdlinge erfüllen. Allah sei uns gnädig, und lasse diesen Tag werden zum Tage des Gerichts der Söhne des Propheten über die verruchten Faringi!«