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Zwanzigstes Kapitel.

Des Mittags Hitze brütet über Stadt und Land Bombay. –

Die Turmglocke der anglikanischen Kirche öffnet ihren ehernen Mund und gibt drei matte Klänge von sich. Die Stimme der Glocke klingt gepreßt. Die glühheiße Trockenluft hatte sich wie ein Knebel in der Glocke metallenen Mund gezwängt. Und sie erstickte daran.

Denn des Mittags Hitze brütet und glüht über Stadt und Land Bombay. –

Es ist die dritte Nachmittagsstunde. Der zweite Tag, der auf die Bankettnacht folgte. Durch den weißglühenden Drahtverhau, womit die sengenden Sonnenfäden den von schwülen Düften geschwängerten Kirchhof der Europäer übersponnen haben, bohrt sich die Gestalt eines Mannes. Schwer, als hätten seine Füße in dem glühenden Lavastrom singenden Sandes unter ihm Wurzel geschlagen, schreitet er dahin. Hoch über ihm, im flimmernden Azurmeer, schwebt ein Weib. Mit regungslos gespannten Flügeln. Wie ein ausgestopfter Vogel, der an Schnüren von einer Glasdecke herniederhängt. Im dunkeln Buschwerk einer Cypresse klagt ein Vogel. Schläfrig und schwer. Ruhe wird er aber gleichwohl nicht finden. Denn das dickflüssige Blut rauscht zu geschwätzig durch die engen Kanaladern, Wie ausgetrocknete Gaumen liegen den Blumen die Staubfäden im Kelchinnern. Glutbestäubt hängen ihre Köpfe tief herab zur dürstenden Erde, deren Wesen ein einziger Schrei nach Wasser ist–...

Vor einem frischen Grabhügel stockt des Wanderers Fuß. Hier unten also schläft Durlâna den ewigen Schlaf. Hier hatte englische Heuchelei nach christlicher Sitte eine Parsi zur Erde bestattet. Im äußersten Winkel des Friedhofes. So will es frommer Brauch und die wurmstichige Moral jener, die doch nur übertünchte Gräber sind. In dieser Erde läßt britische Humanität den weißen Selbstmörder duldsam zur Ruhe kommen. An Malariafieber oder sonst einer tückischen Krankheit eingegangene Tommies werden hier verscharrt. Oder seefahrendes Volk, die an Indiens Gestaden einer Seuche erlagen. In dieser Gesellschaft von Toten schlief das reine, unschuldige Parsenmädchen den ewigen Schlaf.

Und eine Träne des Zornes blitzte in dem sonst so stahlharten, jetzt aber umflorten Auge des Detektivs auf, da er das pietätvoll entblößte Haupt erhob und sein Blick auf das schlichte Holzkreuz zu Häupten des schmucklosen Hügels fiel, worauf die einfachen Worte standen:

»Mary Besant.«

Weiter nichts.