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11. Fortsetzung

»Das wissen Sie?«

»Ja. Ich hatte mir ein bestimmtes Zeichen gemacht, an welchem ich so oft, als ich wiederkam, bemerkte, daß er auch wieder da gewesen sei. Ich grub allemal nach und machte das Zeichen von neuem.«

»Aber sonst haben Sie keine Spur von ihm entdecken können?«

»Nein.«

»Hm! Hoffentlich haben Sie sich bei den nächsten Ansiedelungen genau erkundigt?«

»Mehr als genau. Ich bin sogar peinlich verfahren, habe mich monatelang dort aufgehalten und nachgeforscht, vergeblich!«

»Haben Sie denn nicht daran gedacht, den Inhalt der Flasche einmal jemandem zu zeigen, welcher die Quipus entziffern konnte?«

»Ja, aber ich fand keinen, welcher diese Kunst verstand. Nun ich aber Sie gefunden habe, wünsche ich, daß – – –«

Er hielt inne, als ob er zu viel gesagt habe.

»Was?« fragte ich.

»Es ist unmöglich! Ich bin ja Ihr Gefangener, Ihr Feind, und ich vermute, daß Sie kurzen Prozeß mit mir machen und mir eine Kugel geben werden.«

»Da irren Sie sich sehr, mein Lieber. Wäre es unsre Absicht, kurzen Prozeß mit Ihnen zu machen, so hätten wir Sie nicht so weit mitgenommen und Sie schon längst erschossen.«

»Was aber wollen Sie denn mit mir?«

»Das wird sich bald zeigen, denke ich. Wahrscheinlich frei lassen.«

»Sennor, wenn das Ihr Ernst ist, so hätte ich nur den Wunsch, mit Ihnen reiten zu dürfen, um Sie nach der Pampa de Salinas zu führen. Sie wollten ja in die Berge?«

»Aber nicht da hinauf!«

»Vielleicht aber verlohnt es sich für Sie, den Ort aufzusuchen und die Flasche zu untersuchen.«

»Wahrscheinlich. Übrigens bin ich schon seit einer Viertelstunde beinahe entschlossen, den Salzsee aufzusuchen. Ich denke sogar, daß es mir gelingen kann, den Mörder zu finden.«

»Cielos! Wenn das wäre!«

»Ich halte es für nicht unmöglich. Aber Sie sind dann später Ranchero geworden. Hatten Sie Ihr Jägerleben aufgegeben?«

»Ja. Ich fühlte mich wenigstens für einstweilen des Umherstreifens müde, besonders da es mir nicht gelingen wollte, den Mörder zu entdecken. Monate lang hielt ich mich am See verborgen, um ihm aufzulauern. Ich dachte, er müsse mir endlich doch einmal in die Hände laufen. Ich war allüberall und stets von Gefahren umgeben, litt Hunger, Durst und Kälte – – vergebens; er kam nicht. Hatte ich mich dann entfernt, so bemerkte ich bei meiner Rückkehr, daß er später da gewesen war. Dieser Mensch hat ein ungeheures Glück.«

»Vielleicht ist es mehr als Glück!«

»Nur Glück, und zwar ein ganz unvergleichliches Glück. Es ist mir passiert, daß ich vorgestern die Stelle untersucht hatte; kam ich heute wieder hin, so war er da gewesen. Ist das nicht Glück!«

»Ich denke, daß es mehr eine Folge der Schlauheit und Vorsicht ist. Er ist jedenfalls nicht nur ein höchst schlauer und durchtriebener Mensch, sondern auch ein ganz ausgezeichneter Kenner jener Gegend und ihrer Verhältnisse.«

»Sie mögen recht haben. Er scheint wie aus den Wolken zu fallen und wieder droben in denselben zu verschwinden. Ich habe ganz genau gesehen, daß er bei dem Versteck gewesen ist, aber nie eine weitere Spur von ihm bemerkt.«

»Das ist eben nur ein Beweis, daß meine Meinung die richtige ist. Er ist ein höchst erfahrener und behutsamer Mann.«

»Ja, er muß der wahre Geronimo Sabuco sein.«

»Wer ist das?«

»Haben Sie diesen Namen noch nie gehört? Der Mann, welcher so heißt, ist der berühmteste Kenner der Anden. Er ist als Führer so unvergleichlich, daß er nicht anders als nur el Sendador genannt wird.«

»Haben Sie ihn schon einmal gesehen?«

»Sonderbarer Weise das noch nicht.«

»Ist er oft in jener Gegend?«

»Dort und überall. Sein eigentliches Standquartier aber soll er im Gran Chaco haben. Wissen Sie noch nichts von ihm?«

»Ich habe den Namen Sendador gehört.«

»Man erzählt sich außerordentlich viel von seiner Kühnheit und seiner ganz unvergleichlichen Kenntnis des Gebirges. Er soll sogar im Winter es gewagt haben, über die Anden zu gehen.«

»Das ist wohl Fabel!«

»Nach dem, was man sonst von ihm hört, ist es ihm zuzutrauen. Wenn Sie über die Anden wollen, so rate ich Ihnen, ihn zu engagieren und keinen andern.«

»Das beabsichtige ich auch.«

»Wirklich? So bekomme ich zehnfach Lust, Sie bis zum Salzsee zu begleiten. Denken Sie nach, ob mir dieser Wunsch erfüllt werden kann.«

»Schwerlich! Sie sind ein Anhänger von Lopez, also ein Gegner von mir.«

»Pah! Was geht mich Lopez Jordan an! Es litt mich nicht länger auf dem ruhigen Rancho. Ich wollte wieder in die Berge, um den Mörder vielleicht doch noch zu ertappen. Darum ergriff ich die erste Gelegenheit, den Rancho zu verkaufen. Das Geld, welches ich erhielt, trug ich nach der Hauptstadt von Entre Rios Concepcion del Uruguay, um es dort sicher anzulegen. Dann wollte ich nach den Anden. Unterwegs hielten mich Jordans Leute an, um mich als Führer nach Corrientes zu engagieren. Da mir ein gutes Geld geboten wurde, nahm ich den Vorschlag an und erhielt den Titel eines Offiziers. Das ist alles.«

»Sie gebärdeten sich aber wie ein eingefleischter Jordanianer!«

»Zum Scheine, denn mit den Wölfen muß man heulen.«

»Hm! Wer kann trauen!«

»Sennor, ich belüge Sie nicht!«

»Gut, ich habe Lust, Ihnen das zu glauben.«

»Ich werde Ihnen sogar einen ganz eklatanten Beweis geben, daß Sie mir jetzt mehr gelten als Lopez Jordan.«

»So? Wie wollen Sie das anfangen?«

»Ich gebe Ihnen Ihre Gegner, welche Sie verderben wollen, in die Hände.«

»In welcher Weise wäre das möglich?«

»Dadurch, daß wir sie in die Sümpfe des Espinilla locken, des Grenzflusses zwischen Entre Rios und Corrientes.«

»Hm! Daß sie uns verfolgen, ist freilich sicher. Aber wir haben einen bedeutenden Vorsprung.«

»Glauben Sie das ja nicht, Sennor! Sie sind nahe hinter uns her.«

»Des Nachts, wo sie keine Spur von uns sehen können?«

»Sie brauchen keine Spur. Sie wissen, daß Sie über die Grenze wollen und reiten in diese Richtung. Wenn sie sich dann am Anbruch des Tages nach beiden Seiten ausstreuen, müssen sie auf unsere Bahn kommen.«

»Sie haben recht. Und darum sind wir gezwungen, so bald wie möglich wieder aufzubrechen.«

»Ja. Dann reiten wir gerade gegen die Sümpfe, und die Jordanisten werden uns gewiß dorthin folgen.«

»Um uns da drinnen fest zu nehmen!«

»O nein! Ich kenne die Wege und die Schliche zu genau, als daß wir uns verirren und da stecken bleiben könnten. Ich führe Sie wieder heraus.«

»Hm! Sehen Sie denn nicht ein, daß ich Ihnen ein solches Vertrauen unmöglich schenken darf!«

»Sie dürfen es, und ich bitte Sie darum, es zu tun!«

»Das ist viel verlangt! Wie nun, wenn Sie uns da in eine Falle locken? Noch haben Sie mir nicht im geringsten bewiesen, daß Sie wirklich nicht mit dem Herzen zu Jordan gehören.«

»Ich sagte ja daß nur der Zufall und die Rücksicht auf meinen Vorteil mich bewog, mich diesen Leuten anzuschließen!«

»Und nun wollen Sie wieder weg von ihnen? Sehen Sie nicht ein, daß Sie da eigentlich an Ihren bisherigen Kameraden einen Verrat auszuüben beabsichtigen? Und kann man einem Verräter Vertrauen schenken?«

Er antwortete erst nach längerer Zeit:

»Sie haben recht, Sennor, obgleich Ihre Worte keineswegs schmeichelhaft für mich sind. Aber Sie nehmen die Sache wohl zu scharf. Jordan ist, streng genommen, selbst ein Verräter und darf sich nicht wundern, wenn er erntet, was er gesäet hat. Ich habe seiner Sache treu gedient, so lange ich bei ihm war. Jetzt bin ich von ihm fort und fühle mich aller Verpflichtungen gegen ihn ledig. Die Pietät für meinen Bruder steht mir höher, als die Rücksicht gegen einen Empörer, dessen Offizier ich nur dem Namen nach war und bei dem ich, streng genommen, nur im Tagelohne stand. Ich denke, Sie können mir schon deshalb vertrauen, weil ich mich in Ihrer Gewalt befinde. Ich bin ja an Händen und Füßen gefesselt, und Sie können mich augenblicklich töten, sobald Sie bemerken, daß ich es nicht ehrlich mit Ihnen meine.«

»Es fragt sich, ob wir Zeit und Macht hätten, Sie zu bestrafen, wenn wir uns einmal in der Falle befänden.«

»Ich versichere es Ihnen mit allen möglichen Eiden, daß ich aufrichtig bin! Bedenken Sie doch, daß ich Sie nach dem Salzsee führen will! Sie wagen wirklich gar nichts, wenn Sie mir Glauben schenken. Wollen Sie, Sennor?«

»Nun, ich will Ihnen gestehen, daß ich jetzt anders sprach, als ich dachte. Ich wollte nur hören, was Sie antworten würden. Hier haben Sie nun auch meinen Bescheid auf Ihre letztere Frage.«

Ich bog mich zu ihm nieder und knüpfte ihm die Riemen auf. Als das geschehen war, sprang er empor, dehnte und reckte sich und fragte:

»Sie lösen mir die Fesseln? Soll das heißen, daß ich frei bin, Sennor?«

»Was denn anders?«

»Aber, wenn ich nun fliehe?«

»Das wäre keine Flucht, denn nur ein Gefangener kann fliehen; Sie aber sind nun kein solcher mehr. Übrigens bin ich sehr überzeugt, daß Sie bei mir bleiben werden, Sennor Gomarra.«

»Ja, ja, deß können Sie überzeugt sein. Ich weiche und wanke nicht von Ihrer Seite. Ich danke Ihnen, danke Ihnen herzlich für das Vertrauen, welches Sie mir schenken, Sennor!«

Er drückte mir voller Freude die Hände und fügte hinzu:

»Was werden diese Schläfer sagen, wenn sie aufwachen und sehen, daß Sie mich frei gelassen haben!«

Er sollte sogleich hören, was wenigstens einer von ihnen sagen werde. Der Oberst hatte an seiner andern Seite gelegen und war durch seine Bewegungen aufgeweckt worden. Das schadete nichts, denn die Reihe, zu wachen, kam nach mir an ihn, und meine Zeit war schon vorüber. Er stand auf, trat zu uns und sagte erstaunt:

»Was ist denn das? Der Gefangene frei? Sind Sie des Teufels, Sennor!«

»Sehr bei Verstand bin ich,« antwortete ich. »Man darf einen Freund nicht mißhandeln, und dieser Mann ist zu uns übergetreten und will seine bisherigen Kameraden in unsere Hände liefern.«

»Diabolo! Und Sie vertrauen ihm?«

»Vollständig.«

»Nun, ich kenne Sie als einen Mann, welcher gar wohl weiß, was er will und warum er etwas tut. Ich kann also nichts dagegen haben, wenn Sie diesem Manne die Freiheit geben. Aber wie will er sein Wort halten?«

»Ich halte es, wenn es auch schwierig sein sollte,« antwortete Gomarra. »Leicht aber, sogar kinderleicht würde es sein, wenn wir die doppelte Anzahl wären, indem wir dann die Gegner von zwei Seiten nehmen könnten.«

»Hm! Wo denn?«

»Wissen Sie, daß der Grenzfluß stellenweise von gefährlichen Sümpfen umgeben ist?«

»Das weiß ich freilich. Die Sümpfe sind auf unsern Karten sehr genau verzeichnet; aber ich mag mich nicht zwischen sie wagen. Um das zu tun, müßte man sie sehr genau kennen.«

»Das ist bei mir der Fall. Wie ich bereits sagte, werden die Jordanisten uns verfolgen. Wenn wir zwischen die Sümpfe reiten, kommen sie hinterher. Ich führe Sie an eine Stelle, an welcher höchstens zwei Reiter neben einander passieren können. Sind wir da vorüber, so brauchen wir nur zu halten und umzukehren. Einige Mann von uns halten den ganzen Zug der Feinde in Schach, da diese sich nicht in die Breite entwickeln können.«

»Da werden sie wenden und sich zurückziehen.«

»Das ist ja eben der Grund, weshalb ich wünsche, daß wir zahlreicher sein möchten.«

»Nun,« antwortete ich, »ich denke, einer von uns nimmt es recht gut mit einigen von ihnen auf.«

»Das glaube ich gern, Sennor, denn Sie haben es bewiesen. Aber das reicht nicht aus. Sie werden zwar nicht alle kommen können, da wir ihnen eine ganze Anzahl Pferde entführt haben, aber sie sind doch mehrere Hundert gegen uns wenige. Bedenken Sie, daß der größte Held der Kugel des größten Feiglings gegenüber wehrlos ist!«

»Richtig! Ihr Plan wäre sehr gut. Welch ein Streich wäre es, diese bedeutende Truppe zu fangen, nachdem es ihr nicht gelungen ist, uns wenige zu halten! Aber wir werden leider verzichten müssen, da wir nicht zahlreich genug sind.«

»Hm!« brummte der Oberst nachdenklich. »Wenn es so steht, so könnte uns geholfen werden. Ich weiß nur nicht, ob ich aufrichtig sprechen darf.«

»Warum nicht?«

»Weil dieser unternehmende Sennor Gomarra bis vor wenigen Augenblicken unser Feind war. Man kann es wohl schwerlich verantworten, ihm Vertrauen zu schenken.«

»Ich verantworte es!«

»Nun, so kommen, wenn Sie sich irren, alle Folgen über Sie!«

»Ich nehme sie getrost auf mich. Sie hatten soeben einen Plan, irgend eine Idee?«

»Ja. Ich gehe nach der Provinz Corrientes, um von da aus den Angriff gegen Lopez Jordan zu organisieren. Ich werde da erwartet. Ich habe Offiziere vorausgesandt, welche bereits tätig gewesen sind. Sie bewachen vorläufig die Grenze, an welcher in gewissen Intervallen Kommandos stehen. Leider sind das einstweilen nur Fußtruppen, da uns die Pferde fehlen. Jordan ist so schlau gewesen, vor Beginn seines Aufruhrs alle Pferde aufzukaufen oder auch stehlen zu lassen. Darum freute ich mich so herzlich darüber, daß es uns gelungen ist, uns einer Anzahl dieser höchst notwendigen Tiere zu bemächtigen.«

»Was das betrifft,« meinte Gomarra, »so würden wir bald einige hundert Pferde haben, wenn wir nur die dazu nötigen Reiter hätten.«

»Für diese könnte ich sorgen durch Zusammenziehen und Herbeirufen einiger der erwähnten Kommandos.«

»Wird sich das tun lassen?«

»Jedenfalls, wenn ich einen sichern Boten hätte, oder noch lieber selbst hin könnte, was aber nicht möglich ist, da ich den Weg nicht kenne.«

»Sennor, ich führe Sie!«

»Sie mich? Und wer führt die andern?«

»Ich auch. Sie reiten mit uns, bis wir die Region der Moräste erreichen. Dort geleite ich Sie über die Stelle, an welcher der feste Weg eine nur zwei Ellen breite Brücke durch das tiefe, lebensgefährliche Moor bildet. Haben Sie diesen Pfad hinter sich, so erreichen Sie das feste Ufer des Flusses, wo Sie sich aufstellen können, um den Feind zu empfangen, der gegen Sie nichts vermag, weil er nur zu zweien vordrängen kann. Ist das geschehen, so setzen wir beide schleunigst über die Grenze, um die Soldaten herbei zu holen, mit denen wir dem Feinde in den Rücken kommen. Dann muß er sich ohne alle Bedingungen ergeben, wenn er nicht vernichtet sein will.«

»Der Plan ist ausgezeichnet!« meinte der Oberst, von dem Vorschlage Gomarras ganz begeistert, »wenn – wenn er nämlich gelingt.«

»Er muß gelingen, wenn wir Ihre Soldaten rechtzeitig zur Stelle bringen.«

»Ich hoffe, daß uns das gelingt.«

»Aber wohl nur dann, wenn wir keine Zeit versäumen und jetzt sofort aufbrechen. Wir dürfen uns die Verfolger nicht zu nahe kommen lassen, da wir Zeit brauchen, um die Kommandos herbeizuholen.«

»Ganz recht. Aber können Sie denn den Weg auch in der Dunkelheit finden?«

»So gut wie am hellen Tage. Übrigens scheint ja der Mond ein wenig.«

»Und – – dürfen wir uns auf Sie verlassen?«

»Sennor, Sie können mich wieder fesseln. Auch bin ich ohne Waffen. Sie können mich ja jeden Augenblick niederschießen, ohne daß ich mich zu wehren vermag.«

»Richtig! Und das würde ich aber auch tun, sobald Sie mir Veranlassung gäben, den geringsten Verdacht zu hegen. Was sagen Sie dazu, Sennor?«

Da diese Frage an mich gerichtet war, so antwortete ich:

»Ich bin vollständig einverstanden und hege keinen Zweifel, daß Gomarra es ehrlich mit uns meint.«

»Nun, so müssen wir die Schläfer wecken. Wir können ihnen nicht helfen. Sie mögen später weiter schlafen.«

Die Leute waren zunächst darüber unwirsch, daß sie geweckt wurden. Als sie aber hörten, welchem Unternehmen es galt, zeigten sie sich sofort einverstanden. Dem Feinde eine solche Nase zu drehen, dazu waren sie alle gern bereit. Es wurde aufgesessen; jeder nahm seine Pferde am Leitzügel, und dann ging es im Galopp wieder weiter, über den Camp, zuweilen zwischen Büschen und oft auch unter Bäumen dahin.

Ich ritt mit Gomarra voran. Obgleich ich volles Vertrauen zu ihm hatte, hielt ich es doch für keinen Fehler, die vollste Vorsicht anzuwenden. Darum hielt ich den Revolver locker, um dem Führer sofort eine Kugel zu geben, falls er uns etwa täuschen sollte. Doch das fiel ihm gar nicht ein; es zeigte sich vielmehr, daß er uns ganz ergeben sei.

Gegen Morgen erreichten wir Wald. Doch war derselbe licht. Die Bäume standen so weit aus einander, daß sie uns gar nicht störten, unsern Galopp beizubehalten. Wir gaben uns nicht etwa Mühe, unsere Spur zu verbergen, sondern wir machten unsere Fährte ganz im Gegenteile so sichtbar wie nur möglich, damit die Feinde uns recht leicht zu folgen vermöchten.

Nach einiger Zeit kamen wir an kleinen Bächen vorüber, deren Wasser ein nur ganz unbedeutendes Gefälle hatte. Gomarra sagt uns, daß wir uns dem Espinilla, dem Grenzflusse näherten, in welchen diese Bäche ihr träges Wasser sendeten, nachdem sie größere oder kleinere Sümpfe gebildet hätten.

»Nun kommt die Zeit, in welcher sich Ihre Aufrichtigkeit zu bewähren hat,« sagte ich zu ihm. »Bedenken Sie das!«

»Keine Sorge, Sennor,« antwortete er. »Sie sollen sich nicht in mir getäuscht haben.«

»Wenn das der Fall ist, so werde ich Ihnen auf eine Weise dankbar sein, welche Sie nicht für möglich halten.«

»Darf ich schon etwas davon erfahren?«

»Sie werden den Mörder Ihres Bruders sehen.«

»Wie? Was? Sagen Sie die Wahrheit? Sie müssen also doch wohl eine Ahnung haben, wer er ist?«

»Ich ahne es allerdings.«

»Sennor, ich bitte Sie, sagen Sie mir seinen Namen!«

»Sie haben ihn mir selbst genannt, als Sie mir von dem Morde erzählten.«

»Daß ich nicht wüßte. Ich habe da keinen Namen genannt.«

»Besinnen Sie sich!«

»Ja, da fällt es mir ein: Den alten Gambusino habe ich erwähnt, den Sie sterben sahen. Aber seinen Namen nannte ich nicht, da ich denselben überhaupt nicht kenne.«

»Sie sprachen ja auch noch von einem anderen, welcher da oben am Salzsee bekannt sein muß, da Sie von ihm behaupten, daß er die ganzen Anden besser kenne als jeder andere.«

»Meinen Sie etwa Geronimo Sabuco? Den Sendador? Unmöglich!«

»Warum unmöglich?«

»Sennor, da täuschen Sie sich. Der Sendador ein Mörder! Er, der sein Leben unzählige Male gewagt hat, um Reisende, welche sich ihm anvertraut hatten, glücklich an das Reiseziel zu bringen!«

»Das ändert meine Ansicht nicht im geringsten. Er ist gar mancher äußerlich ein Ehrenmann, im stillen aber ein Schelm. Sie kennen ihn nicht; Sie haben ihn weder gesehen, noch gesprochen und verteidigen ihn doch in dieser Weise!«

»Weil ich genau weiß, welchen Rufes er sich erfreut und welch ein Vertrauen er genießt. Haben Sie denn Grund, so Schlimmes von ihm zu denken?«

»Lassen wir das einstweilen.«

»Nein. Sie können sich doch denken, daß ich vor Begierde brenne, ihn kennen zu lernen.«

»Später, später! Ich habe Ihnen jetzt nur zeigen wollen, daß ich Sie zu belohnen vermag, falls ich mit Ihnen zufrieden bin.«

»Aber ich sterbe vor Ungeduld, Sennor!«

»So beeilen Sie sich, uns noch vor Ihrem Tode die Jordaner in die Hände zu bringen, so wird es noch Zeit sein, Sie zu retten!«

»Wissen auch andere davon?«

»Nein. Nur der Frater ist eingeweiht, daß der Sendador ein Mörder ist. Mit ihm allein dürfen Sie darüber sprechen. Die andern und ganz besonders die Yerbateros dürfen keine Ahnung haben; sie müssen Geronimo Sabuco nach wie vor für einen Ehrenmann halten.«

»Es wird auch mir schwer, wenn nicht gar unmöglich, ihn für etwas anderes zu halten. Ich bin fast überzeugt, daß Sie sich irren.«

»Ich irre mich nicht und will Sie nur eins fragen: Sie haben mir von dem alten Gambusino erzählt. Halten Sie ihn für einen Lügner?«

»Den? Alle andern Menschen viel eher als ihn. Er sprach wenig, und was er sagte, das war sicherlich die Wahrheit.«

»Nun, so will ich Ihnen sagen, daß er mir kurz vor seinem Tode erklärt hat, der Sendador sei ein Mörder.«

»Sennor! Sollte man das für möglich halten?«

»Es ist wahr. Der Sendador hat einen Pater ermordet, einen geistlichen Herrn. Denken Sie!«

»Das wäre eine Sünde, welche gar nicht vergeben werden kann. Woher aber wußte es denn der Gambusino?«

»Er hat es gesehen.«

»Hat ihn denn der Gambusino nicht an der Mordtat gehindert?«

»Er konnte nicht, denn er befand sich auf einem Felsen hoch über dem Orte, an welchem die Tat geschah. Er rief ihm erschrocken und entsetzt zu, doch vergebens.«

»So mußte der Sendador ihn als Zeugen der Bluttat fürchten und also darnach trachten, ihn bei Seite zu schaffen!«


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