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XXXIV.
Verbeut wohl die Moral,
Betrüger zu betrügen?

Aber sieh da, dieses Genauere hatte Schwürigkeiten, wovor ich mich nicht gefürchtet hatte! Zwar fand ich Miß Charlottens Wohnung richtig; zwar kam ich auch der Miethkutsche so hurtig nach, daß sie mir im Umkehren kaum zwanzig Schritt weit von der Hausthür begegnete. Aber leider, eben diese verdamte Thüre fand ich hart und fest wieder verschlossen; und wiewohl ich mich dicht an dieselbe lagerte, so verging doch sicher abermals eine halbe Stunde, ohne daß ein Mensch sie geöfnet hatte. Endlich geschah' es, und indem ich hineinschlüpfen wolte, kam zu meiner nicht geringen Verwunderung Niemand anders, als – Sir Doberton selbst, schon wieder heraus; kam mit einer Miene, die wenigstens um zweihundert Procent heitrer geworden war; und entfernte sich mit schnellen Schritten; doch, wie ich gleich spürte, nicht heimwärts.

Immer begieriger, was es denn gäbe, war ich fest bestimmt, eher solte sein Schatten, als ich iezt von ihm weichen, und ich folgte ihm einige Straßen weit in ein Haus hinein, wo meine Verwunderung wuchs, als ich gleich aus seiner Frage an den Menschen, der die Thüre öfnete, schlos, daß wir nun beim Herrn Grafen Codgi uns befänden. Ein Kammerdiener, voll tiefer Bücklinge, versicherte: Seine Herrschaft sei seit einigen Minuten erst aufgestanden. – »Desto besser, führe er mich nur grade zu ihm!« Dies geschah! Und kaum sah der feine Fremdling seinen Besuch eintreten, so flog er ihm mit aller möglichen französischen Artigkeit und mit dem Ausruf: »Guten Morgen, lieber Sir Charles, ich freue mich, Sie bei mir zu sehen!« – entgegen.

Charles. Auch Ihnen guten Morgen, lieber Graf! Es litt mich die Ungedult nicht zu Hause; ich muste her; und muß Sie wegen meines gestrigen, etwas unbesonnenen Betragens um Verzeihung bitten.

Codgi. O die hatten Sie im Voraus schon! Hatten Sie von ganzen Herzen. – Ich weiß aus eigner Erfahrung nur alzugut, wie empfindlich selbst der bravste Mann werden kann, wenn sein Verlust hoch anwächst.

Charles. Ihre Entschuldigung klingt sehr freundschaftlich; aber vielleicht verdien' ich sie nicht einmal ganz. Die Warheit zu gestehen, mein gestriger Verlust war gros.

Codgi. (mit verstellter Bedaurung einfallend) Das war er! allerdings, das war er!

Charles. Doch überstieg er meine baare Kasse bei weiten noch nicht. Ich hatte zu Hause noch zweitausend Pfund in Banknoten liegen; und aller iener Umstände mit Revers und Verpfändung hätt' nicht bedurft.

Codgi. (würklich erstaunt.) Ist das möglich? Sprechen Sie im Ernst?

Charles. Im völligsten! Sie davon zu überzeugen – sehn Sie, Graf, hier und hier! (indem er ein Taschenbuch öfnet, und ihm vier Banknoten, iede von fünfhundert Pfund zeigt)

Codgi. (dessen Augen ordentlich größer werden.) Sie haben Recht, das sind Banknoten.

Charles. Zahlbar bei iedem Wechsler.

Codgi. (mit erzwungenem Lächeln) Ja, dann, lieber Sir Charles, verdienten Sie über Ihren gestrigen Unwillen, der fast in beleidigende Ausdrücke überging, wohl einen freundschaftlichen Verweis. Ich weiß wenigstens nicht, wie mich ein Verlust, der zu Hause noch doppelt ersezbar wäre, so ganz aus der Fassung bringen könte.

Charles. Auch war er es nicht allein, der mich unmuthig machte. Eine unglückliche Laune beherschte mich gestern. In ihr, ich gesteh' es, könt' ich auch meinen besten Freund beleidigen. Um aber auf unser Geschäfte zu kommen. –

Codgi. (einfallend) Was wahrscheinlich in Auslösung von Ihrem Revers bestehn wird?

Charles. Nicht doch! damit hat es noch Zeit. Aber Sie versprachen mir Revenge; und diese wünscht' ich allerdings.

Codgi. (mit einer kleinen, kaum sichtbaren Verlegenheit) Wie das?

Charles. Ich sezze noch ein tausend Pfund gegen die Verschreibung und gewinn' entweder das Pferd, oder verliere den Sattel oben drein.

Codgi. Von Grund der Seele gern! – Wann beliebt Ihnen?

Charles. Könt's nicht heut' Abend seyn?

Codgi. Einverstanden! Wollen Sie bei mir bleiben? Bei mir Mittags speisen?

Charles. Gern, wenn ich könte! Doch da hat der Himmel einen iungen Esquire vom Lande, einen gewaltig reichen Burschen hereingeführt; mit dem bin ich schon versagt. Doch auf Abends nehm ichs an; (als besönn' er sich ein paar Minuten) Wissen Sie was, vielleicht bring ich auch den Fremden mit. Er liebt das Spiel.

Codgi. Thun Sie das! Seine Bekantschaft soll mich freuen.

Charles. Wir kennen uns vom Lande her, und er geht hier nirgends hin, ohne mich. – Nur eines, Graf, fällt mir doch ein. Das Haus, wo wir gestern waren, gefällt mir nicht. Es sieht dort alles so arm, so traurig aus. Mein Freund, eine wüste Hummel, ist noch eckler in solchen Punkten. Kennen Sie keinen Ort, der lustiger, reinlicher, einladender wäre?

Codgi. Genug dergleichen! Die einzige Ursach, warum ich gern das gestrige Spielhaus wähle, ist – seine Sicherheit. Die verdamte neue Parlementsakte, hat uns alle, die wir das etwas hohe Spiel lieben, scheu gemacht.

Charles. Hätten Sie einen Einwurf gegen Mixums in der * * Straße?

Codgi. Nicht den geringsten. Die Bedienung alda ist vortreflich! Aber wissen Sie auch, daß vor kaum vier oder fünf Abenden dort Haussuchung geschah?

Charles. O ia! Und auch, daß man nichts fand! Eben deshalb dünkt mich, solte man iezt dort sichrer seyn.

Codgi. Gut! Es sei! Wann soll ich Sie dort finden?

Charles Ich dächte etwa um sieben Uhr: höchstens ein halbes Stündchen später.

Codgi. Recht gern! Wir haben dann den ganzen Abend für uns.

Indem bei diesen Worten Sir Charles schon Abschied nehmen wolte, stürmte die ganze gestrige Gesellschaft, Wheadle, Coaxum und Trum die Treppe hinauf, und ins Zimmer; sie stuzten einen Augenblick; da ihnen aber alles friedlich und freundlich schien, so begrüßten sie Sir Charles auch mit ihrem gewöhnlichen zutraulichen Tone. Er vergolt gleiches mit gleichem; doch verweilt' er nicht mehr lange unter ihnen. Mit der Versicherung, es heute Abends einzubringen, riß er sich los; nachdem er den Grafen nochmals erinnert, den Revers auch fein einzustecken.

Ein sonderbares Geschick herrschte heute über meine Neugier, und über mein Fortkommen. Wie wenig iene hier hinlänglich befriedigt worden, werden meine Leser hoffentlich aus eigner Mitempfindung schliessen; und als ich iezt Sir Doberton folgen wolte, drängten sich zwei oder drei von den Spielern so dicht zwischen ihn und mich, daß alles Durchschlüpfen unmöglich war. Gern oder ungern muste ich daher noch einige Minuten zurückbleiben, und von ihrer Abscheulichkeit mit eignen Ohren mich noch stärker überzeugen. Denn kaum spürten sie, daß eben derienige, den sie iezt mit Höflichkeit überhäuft hatten, die Treppe hinab sei, als sie sämtlich, wie auf ein Tempo, ins schallenste Hohngelächter ausbrachen, und chormäßig die Ehrentitel: Gimpel! armes betrognes Schaaf! iunger ausgezogener Stuzzer! ihm ertheilten.

Aber was für eine Verschreibung meint' er dann? fragte Coaxum endlich: Er kam doch nicht, um schon den Revers einzulösen?

Codgi. O nein! Aber ihm tausend Pfund ganz gewiß und zweitausend wahrscheinlich nach zu senden – das ist seine Absicht. Wir spielen diesen Abend zusammen!

Jack Trum. Auf Borg doch nicht?

Wheadle. Pfui, das wäre nichts! der arme Milchbart hat keine Erbschaft mehr, worüber er Revers ausstellen könnte.

Codgi. (lachend) Sehr verbunden dafür, daß ihr mich für so einfältig haltet! Wann hätt' ich ie noch mit einem Burschen gespielt, der weder Geld noch Geldes werth besaß? – Glaubt mir, ich weiß, worauf ich fuße. Er hat noch zweitausend Pfund in Bank-Noten, die ich mit eignen Augen sah.

Coax. Wo in aller Welt kömt er zu denselben?

Codgi. Und was in aller Welt kümmert uns dies? Genug, daß sie unser seyn sollen, eh die Mitternachtsstunde schlägt.

Wheadle. Gewiß hat er sie von seinem Vater oder einem Vetter zum Kauf eines Grundstücke erhalten! Gewiß ist es nur anvertrautes Gut! Der Bursche hängt sich morgen, wenn er überlegt, was er heute that.

Jack Trum. Laßt ihn sich hängen, wenn wir nur seine Erben sind!

Codgi. Auch hab' ich noch eine gute Post von ihm erhalten! Er will einen reichen, iungen Kauz vom Lande mitbringen. Einen Guck-in-die-Welt, der Lehrgeld giebt.

Hier machte ein kleines Geräusch auf der Gasse, daß die saubren Zunftgenossen ans Fenster liefen. Ich, ihrer Gesellschaft, auch ungesehn, und ungefährdet, längst schon müde, nüzte diese Gelegenheit, die Thüre (als ob ein Windhauch ginge,) aufzustoßen, und ins Freie zu flüchten. So sehr ich hier alles Gesehne und Gehörte nochmals überdachte, so wenig konte ich begreifen: von welcher Art die Genugthuung sei, die Sir Doberton sich zu verschaffen gedenke. Eine starke Besorgniß, er werde zulezt der doppelt Geprellte bleiben, drang sich mir auf. Ihn oder Miß Charlotten abermals aufzusuchen, wiewohl ich es Willens war, schien mir doch vergebne Mühe; zumal da ich die Wohnung der leztern beim Vorübergehn wieder verschlossen fand. Andre Geschäfte drängten mich. Ich that endlich, was man immer thut, wenn man – nicht anders kann; das heißt, ich ergab mich ins Warten. Punkt sieben Uhr war ich bei Mixums.

Neugier ist pünktlich; Geldbegier ist es noch mehr! Die Spieler waren schon vor mir da. Durch einen Befehl, den der Wirth im Vorübergehn seinem Küper gab, und den ich aufhaschte, fand ich das Zimmer. Es war eines der schönsten im ganzen Hause. Auch erschien, als Graf Codgi nach Weine rief, Herr Mixum selbst, freute sich über so seltne Gäste, und versicherte: daß es mit der neulichen Durchsuchung nicht die geringste Noth gehabt habe. Alles Dinge, um derenthalben ich meine Schreibtafel noch nicht öfnete, und die mich allmälig zu langweilen anfingen.

Doch endlich, nach einer halben Stunde ohngefähr, trat Sir Charles und sein Freund herein. Gleich beim ersten Blick auf diesem leztern war ich überzeugt: ich müsse dieses Gesicht schon sonst irgendwo gesehen haben: aber ich bedurfte wenigstens fünf Minuten Zeit, um zu meinem, nicht geringen Erstaunen, zu enträthseln, daß es Niemanden anders, als – der reizenden Miß Charlotte selbst zugehören könne.

Dieses geistvolle, entschlosne Mädchen war so künstlich verkleidet, daß nur die Kürze der Zwischenzeit, seitdem ich sie erblickt, und die Umstände, worunter ich sie wieder sah, mir ihre Person verriethen; auch weit genauere Freunde würden sie sonst gewiß nicht wieder erkant haben. Ihre sonst nur blasrothe Wangen hatte die Schminke zu hochrothen, ihr braunes Haar irgend eine Farbe zu kohlschwarz umgewandelt. Ganz andre Augenbraunen geben auch dem ganzen Gesicht einen neuen Schnitt; das sanfte bescheidne Wesen der liebenswürdigen Charlotte, war in einen iungen Wildfang übergegangen.

Sir Charles, mit wohl durchgesezter Munterkeit in Blick und Ton, bat die Gesellschaft um Verzeihung, daß er einen seiner besten Freunde hier ausführe. Man empfing beide nicht minder verbindlich. Denn alle diese Menschen, wiewohl sie sich iezt, entweder aus Noth oder aus eignem bösen Willen zu einem so schimpflichen Gewerbe erniedrigten, waren doch Personen von guter Erziehung; wohl vermögend, artig sich zu betragen, sobald es ihr Vortheil mit sich brachte. Man sezte sich zur Flasche; und das Glas ging zwei oder dreimal herum, indem man von gleichgültigen Dingen sprach. Aber unsre Amazone – vermuthlich im Herzen nach dem Ausgang ihrer Kriegslist begierig – unterbrach grade dieses bescheidne Gespräch am ersten.

»Alles gut, Gentlemens! rief sie, und sprang lustig von ihrem Sessel auf. Aber was wäre denn eigentlich unsre Unterhaltung für heut' Abend? Doch nicht blos Kikelkakel über Krieg und Frieden? Sir Charles hat mir so etwas vom Spiel vorgeschwazt, und mich dünkt auch, die Tische sind schon gedeckt dazu.«

Codgi. Wohl wahr, Sir! Wir vertreiben uns zuweilen einen Abend damit; und wenn es Ihnen beliebt, steh' ich auch heute zu Dienste.

Charlotte. Ja freilich beliebt es mir! Ich liebe das Spiel leidenschaftlich. Gegen die Musik der Würfel dünken mir alle Opern und Oratorien von Händel nur ein Stümperwerk zu seyn. Selbst im Tanz der Sphären kann sich unmöglich mehr Harmonie befinden! – Wenn's Ihnen also beliebt, Herr Graf, ich hätte wohl einige Goldstücke bei mir, die ich zu verwechseln gedächte.

Wheadle. Gilt's Ihnen gleich viel, so will ich mein Heil zuerst versuchen. Graf Codgi und Charles haben noch eine ziemlich wichtige Parthie zusammen auszufechten.

Charlotte. Charles? – Eine wichtige Parthie? – Schau, Bursche, warum sagtest du mir nichts davon? – Nun! so will ich erst ein Weilchen zusehn.

Jack Trum. Wenn Sie sonst wollen – der Tische sind mehr hier.

Charlotte. Nein, nein! Ich muß durchaus erst sehen, wie er sich hält. Ich parire auf ihn.

Wheadle. Und ich auf den Grafen.

Während dessen hatten Codgi und Sir Charles an einem Tisch sich niedergelassen; und der Erstere den Revers, der Leztre tausend Pfund in Bank-Noten, gegen einander gesezt.

»Ein drolligter Anblick! rief unser verkleideter Held von neuem aus! Sezt man hier Papier und Pergamente! – Ihre Bank-Noten, Charles, wenn ich nicht irre, betragen tausend Pfund.«

Codgi. Und mein Pergament, das versichre ich Sie, keinen Penny minder.

Charlotte . Das glaub' ich gern. Doch eh Sie anfangen, meine Herrn, – nur auf zwei oder drei Worte noch Geduld!

Codgi. Auf soviel Ihnen beliebt, Sir!

Charlotte. Ich sage nichts, als: – Graf, sie müssen verliehren!

Codgi. (aufblickend) Ich muß verliehren, Sir?

Charlotte. Ja, Sir, Sie müssen!

Codgi. Das mag das Glück entscheiden.

Charlotte. Nein, nein! Ich greife dem Glück in sein Amt, und sage: Sie müssen Ihr Dokument verliehren.

Wheadle und Coaxum. (zugleich) Wie meinen Sie das, Sir?

Codgi. (noch stuzzender) Wie soll ich verstehen, Sir?

Charlotte. Ich will mich deutlicher ausdrücken. Ihre falschen Würfel, Graf, sind heute nicht hinlänglich. Geben Sie Sir Doberton den Revers, den Sie so schändlich ihm abzwangen, – oder abbetrogen vielmehr! – geben Sie ihn gutwillig zurück, eh ich zu ernstlichern Maasregeln greife.

Codgi. (aufspringend) Herr, Ihre Worte und Drohungen schrecken mich nicht. Ich habe noch Niemanden betrogen, aber auch eben so wenig mir irgend etwas abtrozzen lassen, was ich redlich gewann.

Jack Trum. Tod und Teufel! Was spricht der Bursche da!

Wheadle. Knabe, gelüstet dir nach Händeln?

Charlotte. Keine Schmähreden, ich bitte! Ich habe Dinge bei mir, die Stillschweigen gebieten dürften. Hat iemand Lust diese Abschrift eines Verhaftbefehls zu lesen, vermöge dessen George von Hellmock, sonst Graf Codgi genannt, Jack Trum, Thomas Wheadle und William Coaxum aufgehoben, und vor dem nächsten Friedensrichter gebracht werden sollen? Die Urkunde selbst befindet sich in den Händen von Menschen, die hereinkommen werden, sobald ich mit dem Fuße nur stampfe.

Mit den Merkmalen großer Bestürzung sahen die Spieler bei diesen Worten sich wechselseitig an; doch ehe noch einer von ihnen zu reden vermochte, kam auch der Wirth ganz bleich und zitternd hinein, und vollendete, was Charlotte angefangen hatte.

»Meine Herren, rief er, wir sind alle unglücklich! Vier bis fünf Konstabler sind vor der Thüre. Einer von meinen Burschen, als er in der Nachbarschaft Wein hohlte, hat sie gesehen. Auch ist ein iunger Mann draußen, den ich sicher für einen Spion halte. Denn er bleibt nicht im Zimmer unten, sondern geht immer auf und ab, und besieht ieden genau, der bei ihm vorüber geht. Aller Weg zur Flucht ist abgeschnitten.«

Charlotte. (mit kalten Lächeln) Die pure lautre Wahrheit! Der iunge Mann ist meine Schildwacht. Beim kleinsten Zeichen rückt seine Mannschaft an. Kein andres Mittel, als Herr Helmock oder Herr Graf Codgi giebt gelassen meinem Freunde seinen Revers zurück. Dann schick' ich die Konstabler, unter dem Vorwand eines Irthums, wieder heim.

Codgi. Verdammter Streich! – Was soll ich thun, meine Herrn?

Wheadle. (mit den Zähnen knirschend) Nichts, Graf! Behalten Sie den Revers!

Jack Trum. Schlagen wir uns durch!

Charlotte. Nun so sei's – (auf die Thüre zu gehend). Heida! –

Mixum. (der sich ihr zu Füßen wirft) Um Gottes willen, Sir! Halten Sie ein! Ich habe Sie ia nie beleidigt. Machen Sie nicht mich und mein ganzes Haus unglücklich für immer!

Charlotte. O Sie werden vortreflich in Bridewell aufgehoben seyn! Sie und diese würdigen Herrn, Ihre täglichen Kundleute!

Codgi. Und Sie sprechen kein Wort, Sir Charles? Sie wollen den Unfug Ihres feinen Freundes nüzzen? – Für einen Angeber hielt – ich Sie warlich nicht.

Sir Charles. Und ich glaubte nicht unter eine Bande von Räubern gefallen zu seyn, bevor ich es gestern erfuhr.

Charlotte. Zanken versplittert die Zeit. Die Konstabler werden ungeduldig. Kurzen Entschluß, Graf! Soll ich sie fortschicken, – oder das Zeichen zum Angriff geben?

Codgi. Tod und Teufel! – Gentlemens, was rathet ihr?.

Coax. Gebt ihm den Bettel, und – laßt ihn damit zum Teufel gehn!

Wheadle. Meintwegen auch! Gebt ihn!

Jack Trum. Einverstanden! – Es ist ia doch kein andrer Ausweg.

Codgi. Nichts kränkt mich mehr, als auf solche elende Art überlistet, getäuscht, betrogen worden zu sein. Hier, Sir Doberton, ist Ihr Revers! Aber das muß ich Ihnen sagen: Sie haben nicht als ein Gentlemen gehandelt.

Sir Charles. Damals vergaß ich, daß ich einer sei, als ich in eine solche Gesellschaft mich einließ. Unter allen Karaktern ist der Karakter eines Spielers der schändlichste, niedrigste, gefährlichste; entehrender noch als der Karakter des Straßenräubers. Dieser theilt doch gewöhnlich noch mit dem Beraubten, und sezt das Pistol vorn auf die Brust. Jener plündert von hinten, und so ganz ohn' Erbarmen, daß er oft nicht nur unsre sämtliche Habe, sondern auch das schon in Beschlag nimt, was wir selbst nicht haben. – Ja, Herr, keine Noth, keine Bedürfnis kann euch entschuldigen; denn noch giebt es für so gesunde Arme, und für so schlaue Köpfe Plätze genug bei der Flotte und beim Heer. Selbst geringere Arbeit –

Codgi. Sir, da Sie nun haben, was Sie begehrten, so sparen Sie auch Ihre Bußvermahnung für einen schicklichern Ort.

Charlotte. Warlich, Charles, da hat er einmal Recht! Bei so felsenartigen Herzen geht ia doch nie ein gutes Samenkorn auf. Komm, laß uns gehn!

Sir Charles. Mit Vergnügen!

Ohne ein Wort weiter zu verlieren, entfernte sich nun Sir Doberton, Arm in Arm, mit seiner schönen mänlichen Freundin. Die Flüche der Spieler schallten erst dann ihnen nach, als sie schon zum Zimmer hinaus waren. Ich folgte ienen ohne Verzug. Bereits zwischen Thür und Angel hörte ich nur noch, daß Jack Trum, ohnedem der hizzigste unter seinen Gefährten, den übrigen zumurrte: »Ich will verdamt seyn, wenn dieser ganze Handel vom Charles und nicht vielmehr von seinem Kamraden, dem iungen tollen Schwarzkopf abgekartet war. Aber find' ich den Burschen einmal an einem schicklichen Orte, so soll ihm auch mein Degen ein Loch in seinen Körper bohren, aus welchem die Seele zwanzigmal herauszufahren Plaz findet.« – Fast hätte ich laut über diese Drohung gelacht. Nicht, als ob ich am bösen Willen iener Nichtswürdigen zweifelte. Doch daß er irgendwo die gewünschte Gelegenheit finden, ia, daß er iemals nur seinen wahren Feind wieder erkennen werde – daran verzweifelte ich fast.

Die schlaue und doch gutmüthige Charlotte hielt übrigens selbst den Bösewichtern ihr Wort. Sie rief im Heruntergehn den wachthabenden iungen Mann; gab ihm eine Börse, und befahl, die Konstabler zu beschenken und heimzusenden. Der wieder errettete, bisher noch immer von weiten nachschleichende Wirth begleitete sie nun beide mit tausend Seegenswünschen bis an Wagen; ob ihm solche so ganz, wie den Spielern ihre Flüche, vom Herzen gingen, mag ich freilich nicht entscheiden. Sir Charles mochte wahrscheinlich im Wagen seiner Miß Charlotte mit tausend Küssen für seine Rettung und ihren Einfall danken. Nach wenig Wochen ihr Gemahl, vergalt er ihr solche stets durch die zärtlichste Liebe. Auch gehörte er zu der kleinen Anzahl von Menschen, die durch eine überstandne Gefahr sich bessern. Denn noch oft sah' ich ihn späterhin, aber stets in anständiger Gesellschaft und nur ein mäßiges Spiel spielen.


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