Alexander Moszkowski
Von Genies und Kamelen
Alexander Moszkowski

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Der interessante Einbruch

Als ich bei meinem Freunde, dem Dichter Karlhans Zwickel eintrat, stand er gerade im Begriff, sich mit Leuchtgas zu vergiften. Nur zwei glücklichen Fügungen verdankt es die Mitwelt, daß er am Leben geblieben ist. Denn erstlich hatte er alle Fenster offen gelassen, und zweitens war gerade Gassperrstunde, als er das selbstmörderische Attentat verwirklichen wollte.

Zugeben mußte man: er hatte Grund zur Verzweiflung. Denn er hatte das Dichten einer großen Ausstattungspantomime für das Alhambratheater übernommen, und ihm fiel absolut nichts ein. Und er hätte den längst aufgefressenen Vorschuß zurückzahlen müssen, wenn ihm nicht noch in letzter Stunde die Erfindung einer packenden Pantomime glückte.

»Ich hätte wohl einen interessanten Stoff für Sie,« bemerkte ich, »großhistorisch, sensationell und dabei sehr zeitgemäß. Er handelt von dem merkwürdigsten Einbruch, den die Welt je erlebt hat. Die Geschichte hat dabei den Vorzug, erweislich wahr zu sein, denn sie steht im Herodot.«

»Ich bin gerettet!« stammelte der Dichter; Einbruch ist aktuell, und dazu antike Kostüme, das gibt eine Mischung von romantischer Vorzeit und Gegenwart, wie ich sie gerade brauche! Heraus mit der Geschichte!«

»Also hören Sie zu: Die Sache spielt am Palast des altegyptischen Königs Rhampsinit. Der ließ sich eine Schatzkammer bauen für seine Kleinoden und Schmuckstücke im Werte von zahllosen Millionen. Der Baumeister aber erdachte sich eine List, indem er einen Quaderstein der Kammer in künstlichster Weise beweglich machte. Kurz vor seinem Tode vertraute er seinen beiden Söhnen das Geheimnis, mit der Wirkung, daß beide jede Nacht durch den beweglichen Quaderstein von der Straße her eindrangen und die Juwelen zentnerweise davonschleppten.

Da ließ Rhampsinit, um dem rätselhaften Einbrechern auf die Spur zu kommen, Fußschlingen um die Truhen legen, und der eine fing sich in der Schlinge. Der andere Bruder, rasch entschlossen, schnitt jenem den Kopf ab und entfloh mit dem Haupte des in der Schlinge verstrickten. So fand man des Diebes Leiche, dessen Persönlichkeit festzustellen unmöglich war, da eben der Kopf fehlte.«

»Die Geschichte ist tatsächlich sensationell,« unterbrach der Dichter Zwickel, »nur fehlt ihr das Ewigweibliche; es müßte noch eine interessante Frauensperson darin vorkommen.«

»Die ist tatsächlich vorhanden in Gestalt der Tochter des Rhampsinit. Die egyptische Prinzessin heiratet nämlich zum Schluß den Einbrecher, nach einer Unmenge der fabelhaftesten Abenteuer, auf die ich mich im Moment nicht besinnen kann. Aber ich habe ja die Quelle zu Hause und kann dir in den nächsten Tagen telephonisch die Geschichte genau ergänzen.«

Dabei verblieb es, und nachdem ich die klassische Urschrift befragt hatte, läutete ich beim Dichter an. Daß ich am Telephon beständig falsche Verbindung erhalte, ist zwar selbstverständlich, allein in diesem besonderen Falle doch erwähnenswert. Das Telephonat bewegte sich in folgenden Formen:

Ich: Also ich wollte Ihnen doch über den bewußten Einbruch berichten, – hören Sie?

Der Andere: Gewiß, ich höre mit großer Aufmerksamkeit.

Ich: Zunächst muß ich die Tatsache richtig stellen. Nach meinen Ermittelungen ist nämlich der Mauerstein an der Juwelenkammer nicht drehbar; aber man kann ihn von außen herausnehmen.

Der Andere: Das scheint sehr wichtig.

Ich: Der Effekt ist auf alle Fälle derselbe. Es wird fortgesetzt gestohlen und geplündert, und die Beute an Kleinodien wird enorm. Das ist für den Anfang das Wesentliche.

Der Andere: Für den Anfang?

Ich: Ja natürlich, wir gelangen damit an den zweiten Punkt, an die grauenvolle Episode mit dem langen Messer.

Der Andere: Also schwerer Einbruch in realer Konkurrenz mit vorbedachtem Mord.

Ich: So kann man es auch nennen. Die Hauptsache bleibt, daß die Tat verschleiert wird, und zwar durch die Abtrennung des Kopfes vom Rumpfe.

Der Andere: Ist das unbedingt nötig?

Ich: Selbstverständlich. Denn andernfalls wird doch die Persönlichkeit des Täters sofort festgestellt, und alles ist rettungslos verlo – – –

Rrr – tack, tack! Die Verbindung war unterbrochen. Na, er wird sich schon wieder melden, dachte ich, hängte ab und wandte mich zu anderen Beschäftigungen.


Nach wenigen Stunden, genauer gesagt am Abend des gestrigen Tages, überbrachte mir die Rohrpost eine Einladung der Staatsanwaltschaft:

»Zu Ihrer persönlichen Vernehmung haben Sie morgen Vormittag 10 Uhr im Zimmer Nr. 3407 des Kriminalgerichts zu erscheinen. Sie sind ermittelt als der Gesprächsführer eines Telephonates, worin Sie einem unbekannten Dritten über einen geplanten resp. perfekten Einbruch wichtige und anscheinend wahrheitsgetreue Mitteilungen machten, persönlicher Ausweis sowie Beweisstücke, welche mit dem Verbrechen in Verbindung stehen, sind zur Vernehmung mitzubringen.«

Ich werde natürlich hingehen und freue mich auf die interessante Verhandlung, fest entschlossen, alle Geheimnisse dieser Räubergeschichte rücksichtslos preiszugeben.

 


 


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