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Viertes Kapitel.

Die Verbrennungserscheinungen.

Von den verwickelteren chemischen Vorgängen fassen wir als für unseren Zweck besonders wichtig die Vorgänge der Verbrennung ins Auge. Von dem Petroleum beispielsweise, das wir in unseren Lampen zu brennen pflegen, bleibt anscheinend nach der Verbrennung gar nichts übrig. Der Verbrennungsprozeß scheint also in diesem Falle darin zu bestehen, daß, ein gewisser Stoff, nämlich das Petroleum, verschwindet, ohne daß, irgendein anderer Stoff dabei entsteht.

Betrachten wir andere Verbrennungsvorgänge, etwa die des Holzes oder der Steinkohle in unseren Ofen, so sind die Erscheinungen halbwegs ähnlich. Das meiste von diesen Stoffen verschwindet auch bei der Verbrennung, aber es hinterbleibt doch etwas, was ganz anders aussieht als Holz oder Steinkohle, es hinterbleibt nämlich Asche. Ihr Gewicht ist nur ein Bruchteil von dem des Verbrannten, so daß in diesem Falle der Anschein vorliegt, als wenn bei der Verbrennung aus diesen verbrennlichen Stoffen etwas entsteht, was sehr viel weniger wiegt, als die Stoffe ursprünglich gewogen haben.

Endlich können wir noch eine dritte Art von Verbrennungen untersuchen. Sehr fein gepulvertes Eisen, das man etwa auf ein Drahtnetz schüttet, läßt sich ebenfalls entzünden, wenn man es an einem Rande einige Zeit einer Flamme aussetzt, so fängt dieses gepulverte Eisen, das schwärzlich-grau aussieht, an zu glimmen, die Masse erhitzt sich so, daß man sich die Finger daran verbrennt, und wenn man eine bestimmte Menge von diesem Eisen vorher gewogen hat und sie hernach wieder wiegt, nachdem das Glimmen vorüber und das Ganze erkaltet ist, so kann man sich überzeugen, daß das Gewicht nicht unerheblich zugenommen hat. Fig. 2 zeigt, wie man den Versuch ausführt. Das Drahtnetz mit dem Eisenpulver wird auf einen kleinen Dreifuß gelegt, der auf der Schale einer Wage steht; auf die andere Schale tut man soviel Gewichte, daß Gleichgewicht besteht. Zündet man nun das Eisen durch Erhitzen am Rande an, so senkt sich schon nach wenigen Augenblicken die Schale mit dem Eisen nach unten und stößt nach einigen Minuten auf ihre Unterlage.

Versuchen wir, aus diesen Tatsachen einen Schluß zu ziehen, so muß dieser sehr unbestimmt lauten. Teilweise verschwinden die Stoffe beim Verbrennen ganz, teilweise hinterlassen sie dabei andere Stoffe von viel geringerem Gewicht und teilweise nehmen sie sogar beim Verbrennen an Gewicht zu. Die Verbrennung scheint somit bezüglich des Gewichts gar keinen bestimmten Gesetzen zu unterliegen. Dies steht indessen in auffallendem Widerspruch zu dem oben aufgestellten Gesetz von der Erhaltung des Gewichts. Dieser Widerspruch muß notwendig aufgeklärt werden.

Fig. 2.

Nun sind Vorgänge von der zuerst beschriebenen Art, die wie bei der Verbrennung des Öls oder des Holzes oder der Kohle eintreten, uns seit alters her sehr viel geläufiger gewesen als die Vorgänge der letzten Art, die Verbrennung eines Metalles wie Eisen. Infolgedessen sind die ältesten Vorstellungen über den Verbrennungsvorgang derart gewesen, da, man annahm, es entweiche irgend etwas aus den Stoffen, während sie verbrennen, wodurch denn eben weniger oder gar nichts zurückbleibt. Allerdings erklärt diese Auffassung nicht, wieso es kommen kann, daß in gewissen Fällen die Stoffe beim Verbrennen nicht leichter werden, sondern schwerer. Aber diese Tatsache des Schwererwerdens einzelner Stoffe war vor etwas mehr als 100 Jahren zwar nicht ganz unbekannt, aber sie wurde sehr wenig beachtet, da man damals noch nichts von dem Gesetz von der Erhaltung des Gewichts wußte.

Nun können wir uns aber leicht überzeugen, daß bei der Verbrennung des Öls keineswegs das Öl verschwindet, ohne daß sich irgend etwas anderes bildet. Halten wir über ein brennendes Lämpchen mit Öl oder Weingeist oder irgendeiner brennenden Substanz oder auch über eine brennende Kerze ein großes ganz trockenes Glas derart, daß, die Flamme in das Glas hineinschlägt, so sehen wir, daß das Glas alsbald trübe wird und ein Aussehen annimmt, wie es die Fensterscheiben im Winter zeigen. Das Glas beschlägt. Wir wissen, daß dieser Beschlag an den Fensterscheiben im Winter von Wassertröpfchen herrührt. Denn die Luft enthält immer Wassergas in größerer oder geringerer Menge und wenn die Fensterscheiben kühl werden, so kann das Wasser nicht mehr gasförmig in der Luft bleiben, welche die Scheiben berührt, sondern muß sich als flüssiges Wasser an den Scheiben in Gestalt von vielen kleinen Tröpfchen niederschlagen, die man mit einer Lupe leicht erkennen kann. Der Niederschlag an dem Glase, das man über die Flamme gestülpt hat, sieht ganz ebenso aus, und wie man ihn auch genauer untersuchen mag, er erweist sich tatsächlich als Wasser mit denselben Eigenschaften, wie das Wasser auf den beschlagenen Fensterscheiben. Für gewöhnlich tritt dieser Niederschlag in dem Glase nicht ein, er erscheint nur, wenn wir eine brennende Flamme in das Glas hineinhalten. Wir werden daraus schließen müssen: beim Brennen dieser Flamme entsteht Wasser in Gestalt von Wassergas oder Wasserdampf.

Wiederholen wir diesen Versuch mit dem brennenden Eisen und dem trockenen Glas darüber, so ist kein Beschlag zu sehen und wir schließen daraus, daß beim Verbrennen des Eisens kein Wasserdampf entsteht.

Nun stellen wir noch einen anderen Versuch an, um den Vorgang der Verbrennung genauer kennen zu lernen, wir nehmen etwas gewöhnlichen Maurerkalk und schütteln ihn in einer großen Flasche mit reichlich Wasser. Es entsteht eine trübe Flüssigkeit, die aber, wenn wir die Flasche hinstellen und eine Stunde unberührt stehen lassen, sich wieder klärt, da der Kalk zu Boden gesunken ist. Es hat sich dabei ein wenig von dem Kalk im Wasser aufgelöst, wie man sich leicht überzeugen kann, wenn man etwas davon schmeckt: es schmeckt unangenehm seifig, was von dem aufgelösten Kalk herrührt, wir halten nun wiederum ein offenes trockenes Glas über eine brennende Flamme van Öl, Stearin, Paraffin, Weingeist oder einem ähnlichen Stoff. Es erscheint natürlich wieder der bekannte Beschlag von Wasser. Aber gleichzeitig ist etwas anderes Neues eingetreten, wenn wir nämlich etwas von dem klaren Kalkwasser (wie man die Auflösung von Kalk in Wasser nennt) in das Glas hineingießen und es umschütteln, so wird die klare Lösung in wenigen Augenblicken trübe und es setzt sich, wenn man die trübe Flüssigkeit stehen läßt, ein weißer pulverförmiger Stoff aus der Flüssigkeit ab. Dieses findet nicht statt, wenn man das Kalkwasser in einem Glase schüttelt, in welches man nicht vorher eine Flamme hat hineinbrennen lassen. Wohl aber können wir das Kalkwasser trübe machen, wenn wir beispielsweise die Luft aus unsern Lungen mit Hilfe einer Röhre hineinblasen. Es trübt sich dann die klare Flüssigkeit ganz ebenso, wie wenn man sie mit der Luft in Berührung gebracht hätte, in welcher einer der genannten Stoffe verbrannt war.

Wir schließen daraus folgendes: Wenn man Öl, Weingeist, Stearin oder ähnliche Stoffe verbrennt, so entsteht erstens Wasser und zweitens ein gasförmiger Stoff, der sich auch in der Luft befindet, die aus unsern Lungen herauskommt, und der die Eigenschaft hat, im Kalkwasser eine weiße Trübung hervorzurufen. Dieser Stoff ist den Chemikern wohlbekannt. Um von ihm reden zu können, bezeichnen wir ihn mit seinem chemischen Namen: er heißt Kohlendioxyd. Wir wiederholen also: Bei der Verbrennung von Öl, Weingeist und ähnlichen Stoffen entsteht Wasser und Kohlendioxyd und zwar beides in Gasform.

Jetzt verstehen wir, woher wir den Eindruck bekommen haben, daß beim Verbrennen dieser Stoffe alles verschwindet, wir wissen ja, daß wir Gase innerhalb der Luft, die ja auch ein Gas ist, nicht erkennen können. Die Unterschiede im Aussehen der verschiedenen Gase sind nämlich viel zu gering, als daß, wir sie mit dem Auge unmittelbar feststellen könnten. Die Stoffe Öl, Weingeist und die anderen, welche scheinbar beim Verbrennen vollständig verschwinden, verschwinden also tatsächlich nur für unser Auge, in Wirklichkeit verwandeln sie sich genau ebenso wie das verbrennende Eisen in Stoffe von ganz anderer Beschaffenheit. Aus dem flüssigen Öl und Weingeist und aus dem festen Stearin werden gasförmige Stoffe.

Daß auch das Eisen sich beim Verbrennen in einen Stoff von ganz anderer Beschaffenheit verwandelt hat, davon können wir uns leicht überzeugen, wenn wir das Verbrennungsprodukt genauer untersuchen. Es zeigt nicht mehr den Glanz des Eisens, sondern es ist eine stumpf-schwärzliche Masse geworden, welche in jeder Beziehung andere Eigenschaften aufweist, als dem Eisenmetall zukommen.

Es erhebt sich nun die weitere Frage, wie es denn mit dem Gewichte des Wassers und des Kohlendioxyds steht, die aus dem Öl oder Weingeist sich bilden usw. Es gibt experimentelle Anordnungen, um diese Frage zu beantworten, indem man beide Verbrennungsprodukte, das Wasser und das Kohlendioxyd sammelt. Man kommt zu dem Ergebnis, daß hierbei das Gewicht zunimmt, genau ebenso wie beim Verbrennen des Eisens. Es ist mit einem Worte die Tatsache ganz allgemein, daß beim Verbrennen der Stoffe ihr Gewicht größer wird. Es muß nur, um diese Tatsache sicher festzustellen, tatsächlich auch alles gewogen werden, was beim Verbrennen entsteht. Es müssen insbesondere auch die gasförmigen Stoffe, die sich dabei bilden, gesammelt und auf die Wage gebracht werden.

Halten wir diesen Tatbestand mit dem vorher festgestellten von der Erhaltung des Gewichtes bei allen Vorgängen, die es auf der Welt gibt, Zusammen, so müssen wir die Frage stellen: woher kommt es, daß bei diesen Vorgängen das Gewicht zunimmt, während es bei den andern, die wir vorher betrachtet hatten, bei den Umwandlungen aus dem festen Zustand in flüssigen und umgekehrt unverändert bleibt? Die Antwort kann keine andere sein: es muß bei den Verbrennungen zu den verbrennenden Stoffen noch irgendein anderer Stoff hinzugekommen sein, dessen Gewicht das ausmacht, was dann die entstandenen Stoffe oder »Produkte« mehr wiegen, als der ursprüngliche Stoff gewogen hatte.

Wir können auch leicht dahinterkommen, daß es so sein muß. Denn wir wissen ja: es kann keine Verbrennung stattfinden, wenn nicht die Luft Zutritt hat. Bei all unsern Öfen, Kerzen und Rampen müssen wir immer dafür sorgen, daß, ein regelmäßiger Zutritt von frischer Luft erfolgt, sonst hört die Verbrennung auf. Man kann sich zum Überfluß noch experimentell davon überzeugen, indem man etwa eine Kerze mit einer Glasglocke überdeckt, welche den Zutritt neuer Luft abhält. Nach einer kurzen Frist verlöscht die Flamme, weil die in der Glocke vorhanden gewesene Luft verbraucht ist.

In der Tat beruhen alle Verbrennungen darauf, daß sich zwei verschiedene Stoffe, nämlich einerseits der verbrennende Stoff (die Kohle oder das Öl oder der Weingeist) und andererseits ein Bestandteil der Luft miteinander vereinigen, um neue Stoffe von größerem Gewicht zu bilden. Die Verbrennungsprodukte bestehen also in den Verbindungen dieses Luftbestandteils mit den genannten Stoffen. Es ist aber niemals die ganze Luft, welche bei den Verbrennungen verbraucht wird, sondern nur ein Teil von ihr, wie denn die Luft kein einheitlicher Stoff ist, sondern aus zwei voneinander verschiedenen Stoffen besteht, von denen derjenige, der bei der Verbrennung verbraucht wird, Sauerstoff heißt. Der andere heißt Stickstoff und wir werden beide etwas später genauer kennen lernen.

 


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