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Siebzehntes Kapitel.

Schluß und Rückblick.

In ungeheurem Strome ergießt sich die freie Energie in Gestalt von Strahlung aus der Sonne in den gesamten Weltraum hinaus. Nur der verschwindend kleine Anteil davon, der auf die Erde fällt und der sich zur Gesamtmenge verhält, wie der kleine Anteil des Himmelsraumes, den die von der Sonne gesehene Erde zudeckt, zu diesem gesamten als Kugelfläche gedachten Himmelsraume, kann für die weiteren Umwandlungen nutzbar gemacht werden, von denen oben die Rede gewesen ist. Hiervon bleibt aber der größere Teil, nämlich der, welcher die Oberfläche der Weltmeere trifft, fast völlig ungenutzt; denn wenn auch mancherlei Pflanzenleben im Meere durch das einfallende Licht unterhalten wird, so ist dieses doch unverhältnismäßig viel weniger, als auf dem Festlande verwertet werden kann, von den zwei Siebenteln der Erdoberfläche, die vom Festlande eingenommen werden, fällt weiterhin ein sehr bedeutender Anteil für diesen Zweck aus, nämlich einerseits die Polargebiete, andererseits die Hochgebirge, Wüsten und anderen pflanzenlosen Gebiete. So ist es schließlich nur ein Bruchteil jenes Bruchteils, ein ganz verschwindend kleiner Teil jener großen Energiestrahlung der Sonne, durch welchen das organische Leben auf der Erdoberfläche bedingt und erhalten wird, und wiederum nur ein ganz, geringer Bruchteil dieses Gesamtlebens ist der durch das Menschenleben in Anspruch genommene Anteil.

Aus diesem Anteil, dessen Ein- oder Ausschaltung bezüglich des Gesamtbetrages der Sonnenstrahlung auch unsere allerempfindlichsten Meßinstrumente nicht annähernd würden nachweisen können, ist nun das entstanden, was wir die menschliche Kultur nennen, und was in bemerkenswerter Weise begonnen hat, das Antlitz der Erde umzugestalten. Unendlich viel reicher als diese nach außen tretenden Beträge menschlicher Arbeitskraft sind aber die inneren, die in Gestalt geistiger Güter den Menschen zu diesem gewaltigen Faktor in der Entwicklung des Lebens auf der Erde gemacht haben. Diese Vergleiche zeigen uns eine wichtige Seite der energetischen Betrachtung, auf die hier zu Schlusse noch besonders hingewiesen werden muß.

Die Energie ist zwar unerschaffbar und unvernichtbar, aber der Wert einer gegebenen bestimmten Energiemenge ist dennoch außerordentlich verschieden je nach ihrer Beschaffenheit.

Der Hauptteil der Sonnenenergie, der in den Weltraum hinausstrahlt, hat nach menschlichem Maßstäbe überhaupt keinen angebbaren Wert, denn er übt keinen angebbaren Einfluß auf die Beschaffenheit des gesamten Weltraumes aus, in dem das Sonnensystem seinerseits ja nur einen so verschwindend kleinen Bruchteil ausmacht, daß eine An- oder Abwesenheit nichts merkliches darin ändern würde. Von den auf die Erde fallenden Strahlen haben diejenigen, welche das Meer, die Wüste oder das Hochgebirge treffen, den kleinsten Wert oder die geringste Bedeutung, aber sie sind bereits nicht ganz ohne Einfluß auf menschliche Interessen (in denen ja allein der Wertbegriff begründet liegt), da sie in mannigfaltiger Weise die klimatischen Verhältnisse beeinflussen und damit auch für die menschliche Benutzbarkeit der Erdoberfläche mitbestimmend werden. Da diese Strahlen insbesondere die Erhebung des Wassers in Dampfgestalt bewirken, das hernach wieder als Regen oder Schnee abwärts fällt und alle Flüsse und Ströme speist, so erkennen wir, daß wir diesem Anteil eine Energiequelle verdanken, die erst in jüngster Zeit durch die Fortschritte der Elektrotechnik erschlossen zu werden beginnt, nämlich die Energie des fallenden Wassers, die an natürlichen Wasserfällen oder durch künstliche Stauanlagen in menschliche Gewalt gebracht und durch Umformung in elektrische Energie dem allgemeinen Gebrauch zugeführt wird. Wohl sind seit Jahrtausenden Wassermühlen in Gebrauch gewesen, die ja eine Verwertung jener Energien darstellen. Aber erst seitdem man gelernt hat, die mechanische Arbeit des fallenden Wassers in elektrische Energie zu verwandeln, ist es möglich geworden, sie auf weitere Entfernungen vom Erzeugungsorte zu leiten und dadurch erst der Menschheit wirklich brauchbar zu machen.

Noch höher im Werte steht die chemische Energie der fossilen Brennstoffe, da sie sich noch leichter und daher weiter transportieren läßt, als die elektrische. Man erkennt dies besonders deutlich an dem Umstande, daß der Radius der Bewegungsmöglichkeit eines Dampfschiffes durch die Kohlenmenge bestimmt ist, die es aufnimmt. Ist die Kohle verbraucht, so ist ein solcher moderner Koloß trotz aller technischer Entwicklung, die sich in ihm vereinigt findet, vollkommen hilflos. Darin liegt die Bedeutung der Kohlenstationen, die über die ganze schiffbare Erdoberfläche zerstreut sind: sie stellen sekundäre Energiequellen dar, an denen sich die Dampfschiffe immer wieder ihre Betriebskraft holen müssen, ohne welche sie zwecklose Ungeheuer sind.

In den Dampfmaschinen wird höchstens ein Drittel der chemischen Energie der Kohlen in die mechanische Arbeit des Kolbens verwandelt; die beiden anderen Drittel gehen als unbrauchbare Wärme niederer Temperatur fort. Somit ist die mechanische Energie mindestens dreimal wertvoller, als die chemische Energie des Brennmaterials. Tatsächlich ist sie noch bedeutend mehr wert, da für jene Umwandlung außer der Rohenergie noch die Spesen für Maschine, Öl, Bedienung usw. in Rechnung zu stellen sind; hierdurch gestaltet sich das Verhältnis ungefähr auf rund sieben zu eins. Dies gilt für moderne gut arbeitende Anlagen; viele andere, insbesondere kleine, müssen mit einem noch viel höheren Verhältnis rechnen.

Noch etwas wertvoller, als die mechanische Energie ist die elektrische, denn sie wird fast ausschließlich aus jener hergestellt. Die Umwandlung in der Dynamomaschine erfolgt sehr vollständig, so daß man nur mit einigen Hundertsteln Verlust zu rechnen hat; dazu kommen noch die Spesen für Maschine und Wartung. Aus elektrischer Energie erzeugt man unter anderem Licht. Von diesem wird aber wieder nur ein kleiner Bruchteil (günstigenfalls ein Zehntel) des Aufwandes gewonnen und daher ist die Lichtenergie solcher Art wiederum zehnmal teurer, als die elektrische und rund hundertmal teurer als die chemische Energie der Steinkohle.

Diese Betrachtungen sollen nicht fortgesetzt werden, da sie nur angestellt wurden, um anschaulich zu machen, wieso die gleiche Energiemenge in ihren verschiedenen Formen sehr verschiedenen Wert haben kann. Jede Energie ist um so wertvoller, je mehr sie nach Ort und Zeit besonderen menschlichen Bedürfnissen angepaßt ist. Deshalb ist die größte Wasserkraft im unzugänglichen Hochgebirge wertlos und deshalb muß künstliches Licht teuer bezahlt werden, während das viel stärkere Sonnenlicht nichts kostet, wenn wir imstande wären, das Sonnenlicht etwa während der Nacht von den Antipoden, wo derzeit die Sonne strahlt, zu uns herzuleiten, so würden wir nicht daran denken, die wertvolle elektrische Energie unter so großen Verlusten in Licht umzuwandeln.

So gibt es denn auch außer der sehr wohlfeilen chemischen Energie der Kohlen noch andere chemische Energien (wir nennen sie chemische Stoffe), die je nach der Schwierigkeit ihrer Erlangung und der Seltenheit ihres Vorkommens alle möglichen Wertstufen durchmessen, vor einigen Jahren, als das Radium eben bekannt geworden war, liefen durch die Tagespresse Nachrichten über den märchenhaft hohen Wert, den kleine Mengen dieses ebenso seltenen wie merkwürdigen Stoffes eben wegen seiner Seltenheit hatten. Ein Blick in das Preisverzeichnis einer chemischen Fabrik zeigt uns mancherlei Fälle, in denen winzige Mengen sehr hohe Preise bedingen, wenn auch keine derartigen, wie das Radium. Alle diese hohe Preise sind dadurch bewirkt, daß die Gewinnung der betreffenden Stoffe einen entsprechend hohen Energieaufwand erfordert, der seinerseits allerdings die verschiedenartigsten Formen annehmen kann. Einerseits handelt es sich um schwierige oder gefährliche Operationen, andererseits um seltene Vorkommen an unzugänglichen Orten und wie die mannigfaltigen Gelegenheiten zu großem Energieverbrauch sonst heißen mögen.

Alle diese Werte haben, wie wiederholt bemerkt sei, nur eine Bedeutung in bezug auf den Menschen, der die Werte nach seinen Bedürfnissen und Aufwendungen festsetzt. So finden wir denn auch besonders schwierig oder selten zu erlangende Leistungen, z. B. künstlerische oder wissenschaftliche, auch besonders hoch bewertet. Auch hier handelt es sich um Energiebeträge, aber um solche von ganz besonders seltener Beschaffenheit, wie sie sich im Gehirn derart ausnahmsweise begabter Menschen umsetzen. Denn alle die Dinge, die man an ihnen hochschätzt, müssen geleistet werden, d. h. es ist eine bestimmte Arbeitsbetätigung erforderlich, ohne welche sie nicht entstehen und wirken können.

So sehen wir, wie jener ungeheure Energiestrom der Sonne sich in immer engere und engere Stromfäden zerteilt, von denen zwar nur ein verschwindend kleiner Teil von den Menschen in ihre Zwecke einbezogen wird, die aber genügen, um das menschliche Leben zunächst überhaupt erst zu ermöglichen, und ferner es mit seinem ganzen reichen Inhalt von Lust und Schmerz, von Arbeit und Genuß zu füllen. Dieses kleine Rinnsal treibt auf der Oberfläche der Erde die Mühle des Lebens, als deren wichtiges Triebrad der Kohlenstoff bezeichnet werden muß, durch dessen Kreislauf überhaupt erst der Energiebetrieb der Lebewesen in Gang gesetzt werden kann. Gegenüber dem Rade einer gewöhnlichen Mühle scheint dieses chemische Rad den Vorzug zu haben, daß es niemals abgenutzt werden kann, denn das Kohlenstoffatom verändert keine seiner Eigenschaften auch nur im mindesten, ob es zum ersten oder zum millionsten Male den Kreislauf durchmacht. Aber auch hier geht die Ähnlichkeit noch weiter, als wir sie beim ersten Blick erkennen, denn auch vom hölzernen Rade geht ja kein Atom verloren, wenn es abgenutzt wird und schließlich altersmorsch zusammenbricht: seine Substanz hat sich nur ins Unbestimmbare zerstreut. Ebenso scheint eine Gefahr vorzuliegen, daß das Rad des irdischen Kohlenstoffs, das sich zwischen Pflanze und Tier seit Jahrmillionen umdreht, dadurch einen Verschleiß erleidet, daß allmählich mehr und mehr davon in Gestalt von kohlenstoffhaltigen Mineralien (Karbonaten) in der festen Erdrinde stillgelegt wird und sich dem Umschwünge entzieht. Denn es spricht mancherlei dafür, daß in früheren geologischen Perioden der kreisende Kohlenstoff reichlicher vorhanden gewesen ist, als gegenwärtig.

Neben dem Kohlenstoff spielen die anderen Elemente nur die Rolle von kleineren, aber für die besondere Art der Wirkung, wie sie auf Erden vorliegt, doch unentbehrlichen Maschinenteilen. Ebenso wie eine große und vollkommene Maschine zum Stillstand gebracht wird, wenn auch nur eine Schraube fehlt, die einen wesentlichen Teil an seinem Orte hält, so kann auch die Mühle des Lebens nicht laufen, wenn die verhältnismäßig geringen Mengen an Stickstoff, Phosphor, Kalium, Schwefel usw. fehlen, welche Pflanze und Tier für ihren Betrieb brauchen. Je genauer wir über die besondere Rolle unterrichtet sind, die jedes dieser Elemente zu spielen hat, um so sicherer können wir auch die Mühle des Lebens im Gange halten und vorkommende Störungen beseitigen. Insofern wird die Menschheit auch in zunehmendem Maße die Herrscherin des Lebens.


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