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Um diese wichtigen Verhältnisse vollständig und klar zu übersehen, müssen wir uns einige allgemeine und grundlegende Begriffe geläufig machen, die zwar ein jeder von uns kennt, die wir aber doch ein wenig genauer beschreiben und bestimmen müssen, damit wir exakt wissen, was wir meinen, wenn wir die zugehörigen Wörter anwenden.
Der Hauptbegriff, um den es sich hier handelt, ist der Begriff der Arbeit. Wir kennen sehr verschiedene Arten der Arbeit, geistige Arbeit auf der einen Seite und mechanische Arbeit auf der andern, Arbeit einerseits, die nur ganz besonders begabte und geübte Menschen leisten können, und Arbeit andererseits, zu deren Ausführung durchaus nicht tierische oder menschliche Kraft, nicht einmal das Leben in irgendeiner Form erforderlich ist, sondern welche von leblosen Maschinen geleistet wird. Alle diese Arbeiten sind dadurch gekennzeichnet, daß dazu etwas verbraucht wird und daß eine Leistung irgendwelcher gewünschter Art entsteht. Ohne den Verbrauch kann niemals eine Leistung erzielt werden und wir können an jedem derartigen Vorgang genau wie an der Wassermühle einerseits die Maschine, welche die Leistung in der gewünschten Form vermittelt, unterscheiden von dem Arbeitsvorrat oder der Arbeitsquelle, ohne deren Vorhandensein die Maschine überhaupt nicht in Tätigkeit gelangen würde.
Es ist schon erwähnt worden, daß in früheren Jahrhunderten alle möglichen Versuche gemacht worden sind, um eine Maschine zu konstruieren, bei welcher der zweite Teil nicht vorhanden zu sein brauchte, eine Maschine also, welche ohne Arbeitsvorrat oder Arbeitsquelle sich bewegen und Arbeit leisten konnte. Solche Maschinen haben sich immer wieder als unausführbar erwiesen, sooft auch die glücklich-unglücklichen Erfinder eine Form gefunden zu haben glaubten, welche »unbedingt gehen müßte«, wenn man sie in Betrieb zu setzen versuchte, so hat sich doch immer wieder herausgestellt, daß solche Maschinen nicht gehen wollen und als Gesamtergebnis aller Versuche hat man dann den Schluß ziehen müssen, daß solche Maschinen überhaupt nicht gehen können, weil sie unter keinen Umständen von selbst sich bewegen, sondern durchaus immer und ausnahmslos dazu einen Antrieb brauchen. Ist ein solcher Antrieb vorhanden, so kann die Maschine auch Arbeit leisten, entsprechend dem Antrieb, den sie empfangen hat, ganz in derselben Weise, wie man etwa nur dann Ware erhält, wenn man Geld dafür hergibt. Die Menge Ware, die man erhält, steht immer im Verhältnis zum aufgewandten Gelde und man erhält daher gar nichts, wenn man kein Geld dafür aufwenden will. Die Aufgabe der Erfinder des Perpetuum mobile kam also in diesem Sinne darauf hinaus, daß sie Ware kaufen wollten, ohne dafür Geld herzugeben. Die Gesamtheit der auf diesem Gebiet gewonnenen Erfahrungen bewies aber endgültig, daß ein derartiges Unternehmen auf dem Gebiete der mechanischen Arbeit ebenso unausführbar ist, wie auf dem Gebiete der gewohnten und normalen wirtschaftlichen Verhältnisse.
Diese Erfahrungen haben durch ihre Zusammenfassung schließlich dahin geführt, dasjenige, was für die Gewinnung von Arbeit aufzuwenden ist und dabei verbraucht wird, als etwas Wirkliches, ja als etwas den körperlichen Gegenständen Vergleichbares anzusehen. Für die Stoffe gibt es ja, wie wir am Anfang unserer Betrachtungen schon gesehen haben, auch das Gesetz der Erhaltung des Gewichtes (oder der Masse, was praktisch auf dasselbe herauskommt) – denn man kann auf keine Weise Stoffe erzeugen, ohne andere Stoffe im gleichen Gewichte für ihre Erzeugung aufzuwenden. Man kann also Stoffe auf keine Weise aus nichts schaffen; man kann aber ebensowenig die Stoffe in das Nichts verschwinden lassen. Alles, was man mit ihnen machen kann, beschränkt sich darauf, daß man sie aus vorhandenen Formen in andere Formen umwandelt. Ganz ebenso wie die Stoffe verhält sich nun dasjenige, was der Arbeit zugrunde liegt, was in Arbeit der verschiedensten Form übergeführt oder umgewandelt werden kann.
Um davon reden zu können, wollen wir ein für allemal einen Namen für dieses Ding einführen, wir nennen es Energie. Es kommt hierbei natürlich nicht die moralische Qualität der Energie in Frage, sondern eine genau meßbare physikalische Größe. Sie hat die besondere Beschaffenheit, daß sie sich in Arbeit aller Art verwandeln läßt, aber nur unter der Voraussetzung, daß eine entsprechende Menge von ihr für die Arbeit verbraucht wird. Die Energie ist also ein Ding, das entweder selbst Arbeit ist, oder in Arbeit übergeführt werden oder endlich aus Arbeit irgendwelcher Art gewonnen werden kann. Wir können dieses Ding, das ebenso unerschaffbar und unvernichtbar ist, wie die Stoffe es sind, auch als etwas Stoffähnliches auffassen. Von den Stoffen unterscheidet es sich dadurch, daß es nicht notwendig Gewicht hat oder Raum einnimmt. Mit den Stoffen aber ist es vergleichbar in seiner Eigenart der Unerschaffbarkeit und Unvernichtbarkeit. Es handelt sich also um etwas bedeutend Subtileres und schwieriger zu Kontrollierendes, als die gewöhnlichen Stoffe; daher rührt es denn auch, daß man erst seit verhältnismäßig kurzer Zeit den Charakter dieses neuen Wesens, der Energie, klar erkannt hat.
Diese Auffassung der Energie als einer nicht stofflichen Wesenheit ist eine ziemlich neue Erwerbung des menschlichen Denkens und stößt deshalb noch vielfach auf Widersprüche und Bedenken, die sich indessen alle bei genauerer Untersuchung als unwesentlich und nur als auf einem Mangel an Denkgewohnheit beruhend herausstellen. Wir brauchen uns hier durchaus nicht in irgendein hypothetisches Gebiet zu verlieren, wir werden uns im Gegenteil unbedingt an die Tatsachen allein halten. Diese Tatsachen beweisen nun folgendes: 1. daß die Energie innerhalb des gesamten Gebietes unserer möglichen Beeinflussung niemals erschaffen und vernichtet werden kann; 2. daß wir die Energie bei allen Geschehnissen irgendwelcher Art, die in der Natur vor sich gehen, immer wieder als eine Größe antreffen, die regelmäßig und ausnahmslos überall beteiligt ist, wo etwas geschieht, und deren quantitative Beträge bei der Umwandlung die Beschaffenheit des Geschehnisses weitgehend bestimmen.
Wenn wir somit in der Energie ein Ding haben, das immer wieder und überall vorhanden ist, wo überhaupt etwas geschieht, das sich ferner messen und bestimmen läßt, das so mannigfaltiger Umwandlungen fähig ist, ohne daß es dabei seine Menge jemals ändert, so sind schließlich alle Bedingungen erfüllt, die wir an eine Sache stellen können, um ihr die Eigenschaft der Wirklichkeit zuschreiben zu dürfen. Denn daß die besondere Eigenschaft des Gewichtes, welche sämtlichen körperlichen Stoffen zukommt, diesen einen höheren Grad von Wirklichkeit verleiht, als die Eigenschaft der Wirksamkeit, welche umgekehrt wieder der Energie zukommt, darf wohl in Zweifel gezogen werden. Und wenn wir uns schließlich dessen erinnern, daß die Energie als wichtige Handelsware überall in Betracht kommt, wo etwas geleistet wird, daß sie einen Preis bedingt, gekauft und verkauft wird, so kommen wir auch von dieser modernen Seite der Realität oder Wirklichkeit der Energie nahe. Daß es sich wirklich so verhält, wie eben angegeben wurde, ergibt sich beispielsweise aus dem Werte, welchen Wasserfälle und Flußläufe mit starkem Gefälle haben, wenn eine derartige natürliche »Wasserkraft«, wie man sie zu nennen pflegt, ausgenutzt wird, so entläßt die betreffende Maschine, eine Turbine oder ein Wasserrad, wie wir ja schon wissen, die Wassermenge am unteren Teil genau in demselben Betrage, der oben eingelaufen ist. Wir wissen genau, das Wasser verliert durchaus nichts Materielles oder Wägbares. Trotzdem aber bezahlt der Nutznießer einer solchen Wassermenge dem Besitzer eine entsprechende Rente, die immer nach Pferdekräften pro Jahr, das heißt nach Arbeitsgrößen für diese Zeit berechnet wird. Mit andern Worten: während das Wasser als wertloser Gegenstand durch die Maschine läuft und genau in demselben Betrage aus der Maschine entlassen wird, in dem es aufgenommen wurde, entzieht die Maschine dem Wasser die Energie und überträgt sie auf das Werk, wo sie dann die gewünschten Umwandlungen erfährt, welche sich aus der Einrichtung der Maschine ergeben.
Und ebenso wie in diesem Falle die Energie des fallenden Wassers den Wert der »Wasserkraft« bedingt, so verhält es sich auch mit allen andern Energiequellen. Beispielsweise werden die meisten Fabriken, Eisenbahnen und anderen arbeitenden Anlagen mit Hilfe von Steinkohlen getrieben, die unter Zufuhr von Luft verbrannt werden. Wir wissen schon, daß Steinkohle wesentlich aus Kohlenstoff besteht, daneben noch aus einer geringen Menge Wasserstoff und noch einigen anderen Elementen, die für uns nicht in Betracht kommen. Wenn der Kohlenstoff der Steinkohle verbrennt, so verwandeln sich der Kohlenstoff der Kohle und der Sauerstoff der Luft in Kohlendioxyd. Hierbei bleibt, wie wir wissen, das Gesamtgewicht ganz unverändert, ebenso wie dies beim Wasser der Wassermühle der Fall ist. Außerdem aber enthalten Kohle und Wasserstoff auch noch Energie einer besonderen Art, nämlich chemische Energie, während das Kohlendioxyd zwar auch noch einen gewissen Betrag chemischer Energie enthält, aber viel weniger, als die unverbundenen Elemente. Bei dem Übergange von einem Zustande in den anderen wird somit ebenso Energie abgegeben, wie bei dem Fallen des Wassers von der Höhe des Sammelteiches bis zur Tiefe des Ablaufes. Diese Energie erscheint als Wärme, die gleichfalls eine Art Energie ist. Denn sie ist imstande, in den Dampfmaschinen mechanische Arbeit zu erzeugen. Soviel mechanische Arbeit gebildet wird, soviel Wärme wird in der Maschine verbraucht.
Man kann übrigens niemals alle Wärme in mechanische Arbeit verwandeln, sondern muß stets einen Teil der Wärme ungenutzt verloren gehen lassen, ebenso wie man eine Wasserkraft nur bis zu der Höhe des Ablaufes ausnutzen kann, während sie theoretisch bis zum Erdmittelpunkte Arbeit leisten könnte. Doch das sind Fragen, mit denen wir uns hier nicht eingehender beschäftigen wollen.
Die Hauptsache ist, daß tatsächlich ein Teil der Wärme, welche beim Verbrennen der Kohle gewonnen wird, sich in mechanische Arbeit verwandeln läßt und diese für alle möglichen Zwecke hergibt, für welche die betreffende Maschine verwendet wird. Der gesamte Kohlenstoff, welchen wir in der Gestalt von Steinkohle unter den Kessel geführt haben, wird aber aus dem Schornstein wieder entlassen in Gestalt von Kohlendioxyd, soweit er seinen Zwecken zugeführt worden ist, in Gestalt von Ruß, soweit er sich seinem Zwecke, nämlich der vollständigen Verbrennung entzogen hat. Der Ruß ist somit nicht nur ein häßlicher Bestandteil des Rauches, sondern auch ein unmittelbarer Verlust an Energie, weil er, wenn er verbrannt worden wäre, eine entsprechend größere Wärmemenge unter dem Dampfkessel erzeugt hätte. Wir sehen also, daß der Kohlenstoff, welcher doch ursprünglich der Träger der Energie war, ganz ebenso wie das Wasser in unveränderter Menge durch die Maschine hindurch wandert und daß er in seiner Verbindung als Kohlendioxyd nach Verlust seiner chemischen Energie ebenso wertlos geworden ist, wie das Ablaufwasser vom Grunde der Wasserkraft. Der einzige Wert, der an dem Kohlenstoff vorhanden gewesen war, ist eben die Energie, welche in Gestalt der Wärme der Kohle entzogen worden ist, welche dann die eben beschriebene Umwandlung in mechanische Energie erfahren hat, die ihrerseits ihre mannigfachen weiteren Umwandlungen im Fabrikbetrieb erleidet. Wenn der Kohlenstoff an und für sich einen Wert darstellte, so würde man sich natürlich bemühen, ihn in Gestalt des Kohlendioxyds im Rauch festzuhalten. Tatsächlich bemüht man sich umgekehrt, den Rauch so weit wie möglich von der Betriebsstelle zu entfernen, und baut zu diesem Zwecke hohe Schornsteine, welche die gasförmigen Verbrennungsprodukte den oberen Gebieten der Luft mitteilen und ihnen so eine genügende Verdünnung und Verstreuung sichern, bevor sie wieder die Erde berühren. Der Kohlenstoff wird also in den Fabrikbetrieben als ganz wertlos angesehen. Dagegen wird die Energie, welche ihm entzogen worden ist, als das eigentlich Wertvolle behandelt. Denn der Fabrikant trifft alle möglichen Einrichtungen, um Wärmeverluste und Arbeitsverluste bei seinem Betrieb zu vermeiden oder wenigstens zu vermindern.
Diese Beispiele ließen sich noch mannigfaltig vermehren. Sie sind aber so allgemein und regelmäßig, daß es dem Leser anheimgegeben werden kann, ähnliche Betrachtungen auch für den menschlichen Körper und den Stoffwechsel in ihm, das heißt die Aufnahme der Nahrungsmittel und die Verwertung einerseits der Stoffe, aus denen sie bestehen, andererseits der Energie, welche sie bei der Verbrennung im Körper ausgeben, in derselben Weise zu verfolgen, wie das beim fallenden Wasser oder bei der verbrennenden Steinkohle geschehen ist. Immer und immer wieder findet man, daß es die Energie ist, welche die Vorgänge in der Welt bewirkt und deshalb den Wert der Objekte bedingt.
Alle Vorgänge der Welt lassen sich somit beschreiben als Vorgänge, bei welchen Energien irgendwelcher Art sich in Energien anderer Art umwandeln, wobei ihre Menge zwar unverändert bleibt, ihre Form und Beschaffenheit aber die mannigfaltigsten Veränderungen erfährt. Wir kennen tatsächlich keinen einzigen Vorgang, kein einzig Geschehen irgendwelcher Natur, bei welchem wir nicht angeben könnten, wie gewisse Mengen der einen Art der Energie in proportionale Mengen einer anderen Art Energie verwandelt werden. Meist verschwinden und entstehen nicht nur Energien einer Art, sondern solche von mehreren Arten. Somit erweist sich die Energie bei den Vorgängen in der Welt durchaus als das Wesentliche und Entscheidende, als dasjenige, an welchem die tatsächlichen Vorgänge stattfinden, während die Stoffe nur mehr Träger oder äußere Hilfsmittel dieser Erscheinungen sind. Ja, wir werden uns später sogar überzeugen, daß die Stoffe selbst durch nichts anderes definiert sind, als durch die Energiebetätigungen, welche von ihnen ausgehen, daß sie gleichsam Bündel oder Gruppen aus verschiedenen Arten Energie sind, die durch bestimmte Ursachen räumlich zusammen gehalten werden und durch die Umwandlung der vorhandenen Energien diejenigen Vorgänge erzeugen, die wir als von den verschiedenen Eigenschaften der Stoffe abhängig zu betrachten gewohnt sind.
Ehe wir uns indessen diesen Betrachtungen hingeben, müssen wir uns noch einige Aufklärung über die Art und Weise verschaffen, wie sich die Energieumwandlungen vollziehen.