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Neuntes Kapitel.

Die Mühle des Lebens.

Wir haben durch die angestellten Betrachtungen erkannt, wie der Organismus den Kohlenstoff seiner Nahrungsmittel innerhalb des Körpers verbrennt und in Kohlendioxid verwandelt. Das Ein- und Ausatmen der Luft bewirkt einerseits, daß der Sauerstoff, der zur Verbrennung notwendig ist, immer wieder in den Körper eintreten kann und bewirkt andererseits, daß das gebildete Kohlendioxyd, welches ja auch gasförmig ist, aus dem Körper herausgeschafft wird. Insofern ist also der Körper verschieden vom Ofen, als bei diesem die Wege für den Eintritt der Luft und den Austritt der gasförmigen Verbrennungsprodukte getrennt angeordnet sind, während im Körper derselbe weg, nämlich die Luftröhre, benutzt wird. Damit beide Vorgänge ohne gegenseitige Störung erfolgen können, sind sie im periodischen Wechsel angeordnet, so daß beim Einatmen die Verbrennungsluft in den Körper eingeführt, beim Ausatmen die Produkte der Verbrennung aus dem Körper entfernt werden.

Die Luft, die ausgeatmet wird, enthält ungefähr ebensoviel Kohlendioxyd dem Raume nach, als die eingeatmete Luft Sauerstoff verloren hat. Dieses Kohlendioxyd teilt sich der atmosphärischen Luft mit und wird durch die Winde nach irgendwelchen zufälligen Richtungen auf der Erdoberfläche hin und her geweht. Es gelangt dann früher oder später in Berührung mit einer grünen Pflanze und dort tritt nun der umgekehrte Vorgang ein. Die grünen Organe oder Blätter der Pflanze haben die Eigenschaft, daß sie Kohlendioxyd aufnehmen. In den Zellen, in welchen das Blattgrün oder Chlorophyll enthalten ist, wird der Vorgang, der innerhalb des Tierkörpers stattgefunden hatte, umgekehrt. Das Kohlendioxyd wird zerlegt in Sauerstoff, der sich der Atmosphäre mitteilt, und in Kohlenstoff, welcher in der Zelle verbleibt und der mit dem vorhandenen Wasser und anderen Stoffen in Verbindungen übergeht, welche dann den Pflanzenkörper in seinen verschiedenen Gestaltungen bilden. Aus der Zelle werden dann durch den Saftstrom der Pflanze die gebildeten Stoffe weiter transportiert und in geeigneten Teilen, etwa den Früchten oder den Wurzelknollen oder, wo sie sonst erforderlich sind, abgelagert. Ebenso wird das Gewebe des Pflanzenkörpers, das Holz und die Fasern und die sämtlichen übrigen Teile, aus denen solch eine Pflanze besteht, aus diesen Produkten gebildet, welche durch die Trennung des Sauerstoffes vom Kohlenstoff und durch die Verbindung des Kohlenstoffes mit dem vorhandenen Wasser und den andern Substanzen der Pflanzenzelle entstehen.

Diese Produkte, insbesondere diejenigen, welche die Pflanze für die Entwicklung ihrer künftigen Abkömmlinge in dem Samen, den Wurzelknollen und ähnlichen Organen aufspeichert, werden dann von den Tieren verzehrt und es treten dann genau dieselben Vorgänge ein, die wir bisher verfolgt hatten. Auf solche Weise ist also, wie wir uns überzeugen, ein regelmäßiger Kreislauf des Kohlenstoffs durch den Tier- und Pflanzenkörper hergestellt. Dasjenige, was das Tier braucht, wird ihm von der Pflanze geliefert und dasjenige, was das Tier nicht mehr braucht, das wird von der Pflanze wieder aufgenommen, um in Formen übergeführt zu werden, welche für das Tier wiederum brauchbar sind.

Das Tier verbrennt den Kohlenstoff der Verbindungen zu Kohlendioxyd und Wasser und es verbraucht dazu den Sauerstoff der Luft, die Pflanze trennt das Kohlendioxyd, indem es der Luft den Sauerstoff wieder zurückgibt und den Kohlenstoff in solche Verbindungen mit Wasser oder Wasserstoff überführt, wie sie von den Tieren als Nahrungsmittel aufgenommen werden können. Hier haben wir also einen durchaus regelmäßigen und in sich geschlossenen Kreislauf des Kohlenstoffs vor uns und es macht den Eindruck, als wenn das »Rad des Lebens«, nämlich eben dieser Kohlenstoff, in ununterbrochenem, ja ewigem Betriebe fortlaufen könnte, ohne daß es eines jeweiligen Anstoßes bedürfte. Denn Pflanze und Tier ergänzen sich ja in solcher Weise, daß das eine genau das liefert, was das andere verbraucht und von dem andern dasjenige erhält, was es für sein eigenes Leben braucht. Hier wäre mit andern Worten das Problem des Perpetuum mobile gelöst, an welchem so viele eifrige und teilweise auch gescheute Köpfe des Mittelalters sich vergeblich abgemüht hatten, nämlich die Aufgabe eine Maschine zu erbauen, welche ohne äußern Anstoß und ohne daß sie Arbeit van irgendwelcher Seite aufzunehmen braucht, unaufhörlich im Gange bleibt und womöglich noch nach außen Arbeit abgeben kann. Zwar ist weder die Pflanze für sich, noch das Tier für sich ein solches Perpetuum mobile. Beide zusammen scheinen aber eines darzustellen.

Diese Auffassung ist indessen nicht richtig und wir können gleich auch den Punkt bezeichnen, in welchem sie falsch ist. Die Pflanzen wachsen ja nicht von selbst und unter allen beliebigen Umständen, sondern sie bedürfen zu ihrem Wachstum des Sonnenlichtes, denn sie können ohne Sonnenlicht durchaus nicht gedeihen, wir werden uns also zu fragen haben, welches die Rolle des Sonnenlichts bei der Entwicklung der Pflanze ist.

Um nun genauer zu verstehen, was noch zu diesem Kreislauf wichtig ist, untersuchen wir ein einfacheres Beispiel mit Verhältnissen, die sich unmittelbar übersehen lassen. Wenn man eine Wassermühle betrachtet, so sieht man ein großes Rad, welches unaufhörlich im Kreise geht und welches dann die übrigen Teile der Mühle, die Steine, das Triebwerk usw. in Bewegung hält. Das Rad dreht sich unaufhörlich im Kreise und bei der ersten Betrachtung scheint es, als wenn das Rad das Wesentliche wäre, um die Mühle zu betreiben. Das ist aber nur insofern richtig, als sicherlich die Mühle nicht ohne das Rad gehn kann. Aber insofern ist es unrichtig, als das Rad von sich aus jedenfalls auch nicht gehen und die Mühle treiben kann, sondern es muß seinerseits von dem fallenden Wasser bewegt werden, welches an seinem Umfange angreift und durch sein Herunterfallen von der Höhe die eigentliche Arbeit in der Mühle leistet. Dieses Wasser, welches die Mühle treibt, ist seinerseits keinem periodischen Vorgang unterworfen. Es fließt ununterbrochen von oben nach unten abwärts; die Bewegung des Wassers stellt also durchaus einen fortschreitenden Vorgang dar, und zwar einen, ohne welchen der periodische Vorgang oder der Kreislauf des Rades überhaupt nicht möglich wäre. Das Rad ist also mit andern Worten nur ein Werkzeug, durch welches die Arbeit des fallenden Wassers auf die Mühle übertragen wird. Die eigentliche treibende Fähigkeit wird nicht vom Rad ausgeübt, sondern sie wird vom fallenden Wasser bewirkt. Nachdem das Wasser van dem oberen Sammelteich in den Ablauf des Triebrades gefallen ist, ist es nicht mehr fähig, Arbeit zu leisten. Man müßte es denn auf die obere Höhe hinaufheben; hierzu wäre aber mindestens ebensoviel Arbeit erforderlich, als das fallende Wasser hernach wieder im Rade leisten könnte, d. h. es würde überhaupt keine Triebkraft gewonnen. Die Arbeit wird also verbraucht, d. h. an dem Wasser im oberen Teich haftete die Arbeit, welche während des Fallens in das Rad überging und von diesem in die Mühle gebracht wurde, während das unten ausfließende Wasser diese Arbeit abgegeben hat und nicht mehr besitzt. Nur durch Zufuhr neuer Arbeit könnte es in seinen früheren Zustand zurückgeführt werden.

Hier haben wir also an einem besonders einfachen Beispiel eine Zusammensetzung einer periodischen oder Kreisbewegung mit einer einseitig verlaufenden oder fortschreitenden vor Augen. Die Kreisbewegung dient dazu, um aus der fortschreitenden Bewegung diejenige Form der Arbeit herzustellen, welche für den besondern Zweck nötig ist; denn mit dem fallenden Wasser kann man unmittelbar nicht Körner mahlen, wohl aber mit dem im Kreise umlaufenden Stein. Aber das ganze Werkzeug würde nicht in Betrieb gesetzt werden können, wenn nicht das fallende Wasser da wäre, welches die eigentliche Arbeitstätigkeit leistet und dessen Arbeit dann durch das Werkzeug, durch das Rad, und die anderen Teile der Mühle in die geeignete Form umgewandelt wird.

Ganz ebenso muß man das Verhältnis zwischen Pflanze und Tier in bezug auf den Kohlenstoff auffassen. Die Pflanze und das Tier zusammen stellen die Mühle dar. Sie bilden zusammen ein System, dessen Teile so zueinander geordnet sind, daß sie sich zu einem stetigen Vorgang verbinden und dessen Glieder so vollkommen ineinander greifen, daß nach einem Umlauf wiederum die frühere Stellung erlangt wird, genau so wie sich das Mühlenrad um seine Achse so dreht, daß die einzelnen Teile des Rades nach je einer Umdrehung wieder genau in seine frühere Stellung zurückgelangt. Die Rolle des fallenden Wassers aber wird bei der Maschine des Lebens von den Sonnenstrahlen übernommen; ohne die Sonnenstrahlen kann das Rad des Lebens nicht im Gang erhalten werden und wir werden nach genauer erforschen müssen, auf welchen Verhältnissen und Naturgesetzen diese merkwürdige Umwandlung der Sonnenstrahlen in Nahrungsmittel und Wärme beruht.

 


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