Henrik Pontoppidan
Hans im Glück
Henrik Pontoppidan

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Erstes Kapitel

In einer der ostjütischen Kleinstädte, die zwischen grünen Hügeln an dichtbewaldeten Fjordbuchten versteckt liegen, lebte in den Jahren vor und nach unserem letzten Krieg ein Pastor namens Johannes Sidenius. Er war ein frommer und strenger Mann. In seiner äußeren Erscheinung wie in seiner ganzen Lebensweise unterschied er sich deutlich von den übrigen Bewohnern des Städtchens. Diese sahen ihn deswegen viele Jahre als einen lästigen Fremden an und zuckten über sein merkwürdiges Gebaren die Achseln oder ärgerten sich. Wenn er in seinem langschößigen grauen Rock gewichtig und ernst durch die winkligen Gassen schritt – vor den Augen eine große dunkelblaue Brille, den Griff eines riesigen baumwollenen Regenschirms, den er bei jedem Schritt wuchtig auf das Pflaster stieß, fest in der Hand –, drehten sich die Leute unwillkürlich nach ihm um; und diejenigen, die hinter den Fenstern saßen und im Spion Ausschau hielten, lächelten bei seinem Anblick oder schnitten Grimassen. Die Geldleute der Stadt, die alten Landhändler und Pferdezüchter, grüßten ihn nie, nicht einmal dann, wenn Sidenius im Talar war. Obwohl sie sich selbst in Holzpantoffeln, schmutzigen Leinenkitteln und Pfeife schmauchend auf der Gasse sehen ließen, betrachteten sie diesen Arme-Leute-Pastor als eine Zumutung für ihre Stadt. Der ging ja wie ein Küster gekleidet und hatte offenkundig alle Mühe, sich und seine vielen Kinder zu ernähren. Man war hier an andere Geistliche gewöhnt, an Männer in feinen schwarzen Anzügen mit schneeweißen Halsbinden aus Batist, die später Stiftspröpste und Bischöfe geworden waren und so der Stadt und ihrer Kirche Ehre gemacht, die aber nie mit ihrer Frömmigkeit geprahlt oder sich gar für zu schade gehalten hatten, sich um die weltlichen Angelegenheiten der Stadt zu kümmern und an den geselligen Festen der Bürger teilzunehmen.

Damals hatte das große rote Pfarrhaus jeden gastfreundlich aufgenommen. Waren die Geschäfte drinnen beim Pastor erledigt, so wurde man in die Wohnstube zu der Frau Pastor und den jungen Fräulein gebeten, um bei einer Tasse Kaffee oder – wenn es bessere Leute waren – bei einem Gläschen Wein und selbstgebackenem Kuchen über Tages- und Stadtneuigkeiten zu plaudern. Jetzt betrat keiner mehr ohne zwingenden Grund das Pfarrhaus, und niemals gelangte ein Besucher weiter als bis in Pastor Sidenius' grabgewölbeähnliches Studierzimmer, wo die Rouleaus meistens halb herabgelassen waren, weil die Augen des Geistlichen den Widerschein der hellen Mauern von der anderen Seite der Gasse nicht ertragen konnten.

Hier empfing der Pastor die Leute fast immer im Stehen. Er forderte sie gar nicht erst auf, sich zu setzen, sondern fertigte sie kurz und sichtlich ohne Interesse ab. Am wenigsten höflich war er ausgerechnet zu denen, die ein Recht auf besondere Rücksichtnahme zu haben glaubten. Sogar die Beamtenfamilien der Stadt machten im Pfarrhaus keine Besuche mehr, seit Pastor Sidenius angefangen hatte, sie über ihren Glauben auszufragen, statt ihnen Erfrischungen zu reichen. Und dabei behandelte er sie, als seien sie Konfirmanden, die in der Kirche vor ihm stehen.

Ganz besondere Erbitterung erregte er jedoch bei den großen Bürgerbegräbnissen, zu denen die Einwohner in feierlichem Zug mit Blasmusik und florumwundenen Zunftfahnen kamen, die Beamten in goldbestickten Uniformen mit Hahnenfedern am Hut – alle nach dem leichten Portweinfrühstück im Trauerhaus so recht zu Andacht und Erbauung gestimmt. Aber statt in einer feierlichen ergreifenden Rede den Dahingegangenen zu loben und zu preisen, beschränkte sich Pastor Sidenius unerbittlich darauf, lediglich ein Gebet zu sprechen, was sonst nur bei Kinder- und Armenbegräbnissen üblich war. Kein einziges Wort über den redlichen Charakter und den strebsamen Erdenwandel des Entschlafenen, kein Hinweis auf dessen Verdienste um das Wohl der Stadt, auf das opferbereite Interesse an der Straßenpflasterung oder am städtischen Wasserwerk. Kaum daß der Verstorbene am Grab überhaupt genannt wurde, und wenn, dann nur mit Zusätzen wie »dieses elende Häufchen Staub« oder »dieser Fraß der Würmer«. Je größer und angesehener die Trauergemeinde war, zu der Pastor Sidenius sprach, je mehr Fahnen und Wimpel rings um das Grab im Wind flatterten, desto kürzer wurde das Gebet, desto erbärmlicher wurden die Überbleibsel, um die man sich versammelt hatte, so daß das Trauergefolge oft voller Empörung auseinanderging, die sich mehr als einmal sogar auf dem Friedhof in hörbarer Weise Luft gemacht hatte.

Die einzigen Bewohner des Städtchens, die im Pfarrhaus verkehrten, waren ein paar verwachsene alte Fräulein aus dem Damenstift, eine bleiche langbärtige Christusfigur von Schneidergesellen und einige sogenannte Erweckte aus unbemittelten Schichten. Sie hatten in Pastor Sidenius' Haus einen lange entbehrten Zufluchtsort in dieser weltlich gesinnten Stadt gefunden. Von einem geselligen Umgang konnte jedoch schon deshalb keine Rede sein, weil Frau Sidenius sehr krank war und schon seit einigen Jahren das Bett hüten mußte. Außerdem war Pastor Sidenius nicht im mindesten gesellig veranlagt, und seine Anhänger suchten ihn nur in Glaubensangelegenheiten auf. Sonntags dagegen fanden sie sich regelmäßig in der Kirche ein, wo sie an einer bestimmten Stelle gleich unter der Kanzel saßen und die übrigen Kirchgänger dadurch verärgerten, daß sie betont auffällig selbst die längsten Kirchenlieder sangen, ohne auch nur ein einziges Mal ins Gesangbuch zu sehen.

Pastor Sidenius gehörte einem uralten und weitverzweigten Pastorengeschlecht an, das seine Ahnen bis in die Zeit der Reformation zurückverfolgen konnte. Drei Jahrhunderte lang war in diesem Geschlecht der geistliche Beruf gleichsam als heiliges Erbe von den Vätern auf die Söhne übergegangen, ja sogar auf die Töchter, die sich sehr häufig mit den Kaplanen der Väter oder den Studienkameraden ihrer Brüder verheiratet hatten. Daraus war auch die selbstbewußte Sicherheit erwachsen, mit der ein Sidenius von alters her die christliche Lehre verkündete. Es gab im ganzen Land nicht viele Pfarren, wo im Verlauf der Jahrhunderte nicht wenigstens einer aus dem Geschlecht die Gemüter zum Gehorsam unter die kirchlichen Gesetze gezwungen hätte.

Natürlich waren diese zahlreichen Diener der Kirche nicht alle gleich eifrig gewesen. Es hatte unter ihnen sogar einzelne ziemlich weltlich gesinnte Herren gegeben, deren kräftiger, seit Generationen unterdrückter Lebensdrang sich in recht unbeherrschter Weise geäußert hatte. So lebte im vorigen Jahrhundert in Vendsyssel ein Pastor, der »tolle Sidenius«, der in den großen Wäldern des jütischen Hügellandes ein ungebundenes Jägerleben geführt haben soll. Oft habe er in den Schenken gehockt und mit den Bauern Branntwein getrunken, bis er an einem Ostersonntag in seiner Trunkenheit den Küster in der Kirche niederschlug, so daß das Blut bis auf das Altartuch spritzte.

Doch die meisten Angehörigen des Geschlechts waren fromme Streiter der Kirche gewesen, mehrere von ihnen sogar sehr belesene, ja gelehrte Männer, theologische Forscher, die in ihrer ländlichen Abgeschiedenheit, in der grauen Gleichförmigkeit der Jahre für alle Entbehrungen Ersatz gesucht hatten in einem stillen, nach innen gekehrten Gedankenleben. Vertieft in ihre eigene Ideenwelt, hatten sie zuletzt die wahren Werte des Daseins, sein reichstes Glück und eigentliches Ziel gefunden.

Diese von Generation zu Generation vererbte Geringschätzung aller irdischen Dinge hatte auch Johannes Sidenius in seinem Lebenskampf beschützt. Sein Rücken war ungebeugt und sein Sinn aufrecht geblieben, trotz drückender Armut und vielfachen Mißgeschicks. Hierbei war ihm seine Frau eine feste Stütze gewesen, und er lebte innig und glücklich mit ihr, obwohl sie sich gar nicht ähnlich waren. Auch sie besaß ein tief religiöses Gemüt, aber im Gegensatz zu ihrem Gatten war sie eine schwermütige, leidenschaftliche Natur. Das Leben flößte ihr Unruhe und dumpfe Angst ein. Von Hause aus nicht sehr gefestigt im Glauben, hatte sie sich unter dem Einfluß ihres Mannes zu einer Eiferin entwickelt. Der Kampf ums tägliche Brot und das wiederholte Kindbett hatten in ihr krankhaft übertriebene Vorstellungen von den Drangsalen des Erdenlebens und von der Verantwortung eines Christen hervorgerufen. Ihr langes Krankenlager, die vielen Jahre, die sie seit ihrer letzten Niederkunft gelähmt im dunklen Zimmer gelegen hatte, schließlich der vor kurzem überstandene schreckliche Krieg mit seinen feindlichen Einquartierungen, seinen Brandschatzungen und blutigen Demütigungen – das alles hatte nicht dazu beigetragen, ihre Lebensansichten zuversichtlicher zu gestalten.

Obwohl ihr Gatte ihr deswegen oft ernstlich ins Gewissen redete, fand sie doch niemals wirklich Ruhe vor ihren ewigen Sorgen. Sie begriff zwar, daß sie ein sündhaft geringes Vertrauen in die Gnade der Vorsehung setzte, konnte es aber doch nicht lassen, ihren Kindern bei jeder Gelegenheit äußerste Genügsamkeit als Pflicht vor Gott und den Menschen einzuprägen. Wenn sie von dem üppigen Leben der Bürger und von ihren Festessen hörte, auf denen es verschiedene Gänge und drei bis vier Weinsorten gab, wenn man ihr von den seidenen Kleidern der Damen und dem goldenen Schmuck der jungen Mädchen erzählte, konnte sie sich darüber aufregen wie über ein Verbrechen. Ja, es fiel ihr sogar schwer, ihrem eigenen Gatten zu verzeihen, wenn er manchmal von seinem Spaziergang mit einem kleinen Geschenk heimkehrte und es in einer Art schweigsamer Galanterie vor ihr auf die Bettdecke legte. Das waren dann mitunter einige Rosen, ein paar edle Früchte oder eine kleine Büchse mit eingelegtem Ingwer zur Linderung ihres nächtlichen Hustens. Wohl war sie glücklich und gerührt über soviel Aufmerksamkeit, aber während sie zärtlich seine Hände küßte, sagte sie jedesmal: »Das hättest du doch lieber nicht tun sollen, du Guter.«

In diesem Haus wuchs eine Schar hübscher, aber ein wenig drüsenkranker blasser Kinder heran. Es waren elf, fünf Jungen und sechs Mädchen. Alle mit hellen Augen. Unter der Jugend der Stadt waren sie leicht zu erkennen, denn sie trugen alle recht ungewöhnliche Kragen, die den Jungen beinahe ein mädchenhaftes, den halberwachsenen Töchtern jedoch fast ein männliches Aussehen verliehen. Die Jungen trugen außerdem ihr braunes Haar lang und lockig, so daß es ihnen fast auf die Schultern fiel. Die Mädchen dagegen hatten ihr Haar streng gescheitelt und glatt gekämmt. In kleinen festen Flechten war es bogenförmig um die Ohren gelegt.

Das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern, wie überhaupt der häusliche Ton, war durch und durch patriarchalisch. Bei den einfachen, ja ärmlichen Mahlzeiten, die ausnahmslos mit einem Gebet begannen, thronte der Vater am Ende des langen schmalen Tisches. Seine fünf Söhne saßen dem Alter nach an der einen Seite und fünf der Töchter an der anderen. Die Älteste, die häusliche Signe, nahm den Platz der abwesenden Mutter am gegenüberliegenden Tischende ein. Niemals wagte es ein Kind, bei Tisch ungefragt zu reden. Aber der Vater sprach oft mit ihnen über den Unterricht, über ihre Kameraden oder ihre Arbeiten. Und dabei kam er gern selbst ins Erzählen. In belehrender Art schilderte er Verhältnisse und Ereignisse aus seiner Jugend, berichtete von seiner Schulzeit und dem Leben in den aus Lehm erbauten Pfarrhäusern seines Vaters und Großvaters. Wenn er besonders gute Laune hatte, gab er sogar lustige Anekdoten aus seiner Kopenhagener Studentenzeit zum besten. Da sprach er dann vom spaßigen Treiben im königlichen Stift für unbemittelte Studenten oder von ihren tollen Streichen mit Nachtwächtern und der Polizei. Hatte er jedoch die Kinder so zum Lachen gebracht, versäumte er es nie, seiner Geschichte eine Moral zu geben und sie an den Ernst des Lebens und die Erfüllung ihrer Pflichten zu gemahnen.

Diese große Kinderschar und vor allem der Erfolg, den sie zuerst in der Schule, dann auch im Leben hatten, waren allmählich Pastor Sidenius' Stolz geworden. Sie waren gleichzeitig der in demütiger Dankbarkeit empfangene Beweis dafür, daß auf seinem Haus der Segen des Herrn ruhte. Es waren aber auch aufgeweckte, lerneifrige und vor allem sehr pflichtbewußte Sprößlinge, echte Sideniusse, die – ein Kind nach dem andern – als getreue Ebenbilder des Vaters heranwuchsen. Sogar in vielen kleinen äußeren Zügen waren sie nach ihm geartet. Alle hatten sie dieselbe selbstbewußte Haltung und denselben taktfesten, soldatenhaften Gang. Nur eines von den Kindern bereitete den Eltern großen Kummer. Es war eins der mittleren, ein Knabe namens Peter Andreas. Er war nicht nur ungezogen in der Schule, so daß ständig über ihn geklagt wurde, sondern lehnte sich schon im frühen Alter gegen die häusliche Ordnung auf. Er war noch nicht zehn Jahre alt, da verweigerte er bereits seinen Eltern den Gehorsam; und je älter er wurde, desto deutlicher zeigte sich bei ihm ein herausfordernder, übermütiger Trotz, den weder Drohung noch Zwang noch Zurechtweisungen im Namen des Herrn beugen konnten.

Oft saß Pastor Sidenius ratlos am Bett seiner Frau und redete mit ihr über diesen Sohn, der bei ihnen beiden besorgniserregende Erinnerungen an jenen aus der Art geschlagenen Pastor in Vendsyssel wachrief, dessen Name im Stammbuch des Geschlechts wie mit Blut geschrieben stand. Von der Haltung der Eltern wurden auch die Geschwister unwillkürlich beeinflußt; sie sahen Peter Andreas allmählich nicht mehr als ihresgleichen an und wichen ihm bei ihren Spielen scheu aus.

Der Junge war nun auch in einer unglücklichen Stunde zur Welt gekommen, nämlich zu dem Zeitpunkt, als der Vater aus einem einsamen, spärlich bevölkerten Heidedorf hierher in die Provinzstadt versetzt worden und von einer umfangreichen Amtstätigkeit völlig in Anspruch genommen war. Peter Andreas war deshalb zufällig das erste aller Kinder gewesen, dessen früheste Erziehung der Pastor ganz der Mutter überlassen mußte. Die aber hatte in den Jahren, als Peter Andreas noch klein war, stets genug mit der Pflege der noch Kleineren zu tun gehabt. Als sie schließlich, durch ihre Lähmung ans Bett gefesselt, alle Kleinen um ihr Krankenlager zu sammeln suchte, war der Knabe schon zu groß geworden, als daß sie von hier aus sein Treiben mit wachsamem Auge hätte verfolgen können.

So geschah es denn, daß Peter Andreas fast von Geburt an ein Fremder in seinem eigenen Elternhaus wurde. In seinen ersten Lebensjahren hatte er seine Zuflucht in der Mägdekammer und im Schuppen bei einem alten Holzfäller gesucht, dessen nüchterne Art, die Welt zu betrachten, früh den Wirklichkeitssinn des Jungen schärfte. Später fand er gleichsam ein zweites Heim in den großen Kaufmannshäusern der Nachbarschaft, wo er sich auf den Holzplätzen zwischen Knechten und Krämerlehrjungen recht weltliche Anschauungen über das Leben und seine Güter aneignete. Gleichzeitig kräftigte sich, da er fast immer im Freien war, sein Körper, und seine vollen Wangen bekamen eine frische ziegelrote Farbe. Unter den Jungen auf den Gassen und den Holzplätzen war er bald wegen seiner Kraft gefürchtet, und schließlich machte er sich zum Anführer einer kleinen Bande, die in der Umgebung der Stadt ihr Unwesen trieb. Ohne daß zu Hause jemand etwas ahnte, wuchs er auf wie ein kleiner Wilder. Erst als er älter geworden war, und vor allem, als er mit neun Jahren auf die Lateinschule der Stadt kam, traten seine gefährlichen Neigungen offen zutage. Nun hatten Eltern und Lehrer viel Mühe, das Versäumte wieder einzuholen.

Da aber war es zu spät.

 

Eines Tages im Spätherbst stand in Pastor Sidenius' Studierzimmer ein Kleinbürger der Stadt und bestellte für den Sonntag eine Kindtaufe. Sein Anliegen hatte er kurz und ohne Umschweife vorgebracht, und er hielt schon die Hand auf der Klinke, als er sich nach kurzem Besinnen wieder umdrehte und recht herausfordernd sagte: »Übrigens möchte ich gleichzeitig Herrn Pastor ersuchen, Ihren Sohn von meinem Garten fernzuhalten. Ihm und ein paar anderen Bengels fällt es sehr schwer, meine Kalville in Ruhe zu lassen, und das, offen gestanden, gefällt mir nicht.«

Pastor Sidenius, tief über den Schreibtisch gebeugt, die große dunkelblaue Brille auf die Stirn geschoben, war eben dabei, die Namen der Paten ins Kirchenbuch einzutragen. Er hob bei diesen Worten langsam den Kopf, rückte die Brille an ihren Platz und sagte schroff: »Was behaupten Sie da? Wollen Sie meinen Sohn beschuldigen, daß . . .«

»Ja, das will ich«, erwiderte der andere und stemmte eine Hand in die Seite, sichtlich erfreut, daß er einmal über den selbstbewußten Geistlichen triumphieren konnte. »Der Sohn von Herrn Pastor – Peter Andreas heißt er ja wohl – ist nun mal so eine Art Rädelsführer für diese kleinen Galgenstricke, die über anderer Leute Bretterzäune klettern. Und was Recht ist, muß Recht bleiben – auch bei Herrn Pastors Kindern. Ich wäre nämlich andernfalls genötigt, mich an die Polizei zu wenden, und dabei könnte leicht eine öffentliche Bestrafung der Bengels auf dem Rathaus herauskommen. Und das wäre ja nicht gerade angenehm für Herrn Pastor – bei Ihrer Stellung hier in der Stadt.«

Pastor Sidenius legte mit einer unsicheren Bewegung die Feder hin und erhob sich. »Mein Sohn . . .«, wiederholte er und zitterte am ganzen Körper.

Während sich dies in der Studierstube des Pastors zutrug, saß der kleine Sünder in der Schule und verbarg sein schlechtes Gewissen vor Lehrern und Kameraden hinter einem hohen Bücherstapel. Auf dem Schulweg war er dem erzürnten Kleinbürger begegnet, der ihm über die Straße zugerufen hatte: »Nun sieh dich vor, mein Bürschchen. Ich geh jetzt hin und rede mal ein Wörtchen mit deinem Vater!« Peter Andreas nahm sich sonst den Zorn seines Vaters nicht sehr zu Herzen. Aber diesmal hatte er ausnahmsweise das Gefühl, etwas Unwürdiges begangen zu haben, und ihm wurde immer elender zumute, je näher die Zeit zum Nachhausegehen heranrückte.

Mit roten Ohren schlich er durch die Tür des Pfarrhauses, vorbei am Dielenfenster, von wo aus der Vater ihn meistens abpaßte und hereinrief, wenn er etwas angestellt hatte. Doch das Fenster blieb geschlossen. Auch auf dem Hof, über den der Weg zur Küchentür führte, sah er keine Spur vom Vater. Er begann erleichtert aufzuatmen. Der Alte wollte mir nur Angst einjagen, dachte er und schlenderte in die Küche, um sich wie gewöhnlich nach dem Mittagessen zu erkundigen.

In plötzlichem Übermut wagte er sich sogar in das Schlafzimmer, um die Mutter zu begrüßen. Aber er wurde durch einen finsteren Blick vom Bett her gleich an der Tür zurückgehalten. Mit schroffer, fast fremder Stimme sagte die Mutter: »Geh auf deine Kammer, ich will dich nicht sehen!«

Einen Augenblick blieb der Junge stehen. Er konnte es der Mutter ansehen, daß sie geweint hatte.

»Hörst du nicht? Geh auf dein Zimmer!«

Da schlich Peter Andreas verzagt davon.

Etwas später rief ihn das alte einäugige Dienstmädchen zum Mittagessen. Seine Geschwister saßen schon auf ihren Plätzen um den langen Tisch und warteten. Sie verstummten, als er eintrat, und aus diesem Schweigen und ihren verschlossenen Mienen entnahm er, daß auch sie Bescheid wußten. Er versuchte, den Überlegenen zu spielen, ließ sich auf seinen Stuhl fallen und steckte die Hände in die Hosentaschen. Doch keiner sah ihn an. Nur vom unteren Tischende her war ein Augenpaar auf ihn gerichtet – Schwester Signes große, helle, forschende Augen unter dunklen zusammengewachsenen Brauen.

Aus dem Nebenzimmer hörte man Schritte. Als der Vater die Tür öffnete, zuckte Peter zusammen. Entgegen seiner Gewohnheit grüßte der Pastor nicht. Stumm setzte er sich zu Tisch, senkte den Kopf und faltete die Hände. Aber statt das Tischgebet zu sprechen, begann er zu reden. Er habe, sagte er – und seine Augen schlossen sich hinter den dunklen Brillengläsern –, etwas auf dem Herzen, eine ernste Angelegenheit, über die er zuerst mit seinen lieben Kindern sprechen wolle, ehe sie heute mit dem Essen anfingen. Darauf bestätigte er, was die meisten schon von der Mutter über des Bruders Untat erfahren hatten.

»Was geschehen ist, soll nicht verschwiegen oder beschönigt werden«, fuhr der Vater fort. »Wie es Gottes Wille ist, daß alles in der Finsternis Gezeugte und Geborene dereinst offenbar werde, so ist nun auch diese Missetat ans Licht gekommen, um ihre Strafe zu empfangen. Peter Andreas hat auf Gottes Wort und Gebot nicht hören wollen. Wie er sein Herz vor Vaters und Mutters Ermahnungen verschlossen hat, so trotzte er auch dem Gebot des Herrn, das da lautet: Du sollst nicht stehlen! – Ja, mein Sohn, du sollst nicht verschont und deine Sünde soll beim rechten Namen genannt werden. Aber du magst auch wissen und begreifen, daß dein Vater, deine Mutter und alle deine großen und kleinen Geschwister aus Liebe zu dir durch mich an dein Gewissen appellieren. Wir können die Hoffnung nicht aufgeben, daß es uns doch noch gelingen wird, den Weg zu deinem Herzen zu finden, damit du nicht endest wie jener elende Bruder, über den der Herr seinen furchtbaren Fluch sprach: Unstet und flüchtig sollst du sein auf Erden.« Rings um den Tisch waren die kleinen rot- und blaukarierten Baumwolltaschentücher der Kinder in Bewegung geraten. Alle Schwestern weinten. Auch die älteren Brüder waren tief beeindruckt und konnten nur mühsam ihre Erregung verbergen, als der Vater seine Ansprache endlich mit den Worten schloß: »So, nun wollen wir es genug sein lassen. Wenn sich Peter Andreas jetzt meine Worte zu Herzen nimmt und sich ehrlich bemüht, Gott und die Menschen für seine Verfehlungen um Vergebung zu bitten, dann wollen wir diese Sache nicht wieder berühren. Sie soll vergessen, vergeben und ausgelöscht sein. Vereinen wir uns also, liebe Kinder, im Gebet zum Herrn, auf daß er euren verirrten Bruder wieder an seine Hand nehme, bitten wir Gott, daß er seinen widerspenstigen Sinn beuge, ihn aus sündiger Knechtschaft erlöse und ihn wegführe vom Pfad dar Verderbnis. Erhöre uns, o Herr, der du bist in Ewigkeit, damit auch nicht eines vermisset werde von uns, wenn am Tag der Auferstehung deine Kinder sich scharen um den Thron deiner Herrlichkeit. Amen.«

Nur auf einen wirkte dieser Auftritt ganz anders als beabsichtigt, nämlich auf Peter Andreas selbst. Er ließ sich niemals vom Vater beeindrucken. Dafür war er ein viel zu gelehriger Schüler seiner älteren Freunde, der Hausknechte und Krämerlehrjungen, die nicht gerade respektvoll vom Pastor sprachen. Trotzdem war der Knabe noch nicht ganz gefühllos geworden gegen all die frommen Worte und die drohende Bibelsprache, mit der die Eltern ihm immer wieder ins Gewissen zu reden suchten. Ja, wenn er sonntags seinen Vater im weißen Meßgewand vor dem Altar knien oder unter dem reichgeschnitzten Kanzeldach stehen sah, hatte ihn bisweilen sogar Ehrfurcht ergriffen.

Aber diesmal gewannen nicht einmal mehr die Bibelsprüche Macht über ihn. Im allerersten Augenblick war er wohl verwirrt durch die ungewöhnliche Art der Zurechtweisung, aber der Schreck hatte nicht lange angedauert. Für seinen nüchternen Jungenverstand war das Mißverhältnis einfach zu groß zwischen dieser feierlichen Anrufung Gottes und den lumpigen Äpfeln, die er in einem fremden Garten gestohlen hatte. Und je länger der Vater redete, je bewegter seine Geschwister wurden, desto ruhiger und gleichgültiger betrachtete er die ganze Szene.

In diesem Moment vollzog sich eine Art Durchbruch im Gemüt des Elfjährigen. Schließlich beobachtete er die anderen ganz überlegen. Ja, als auch die kleinen Zwillinge, die bisher ihre gerührten Geschwister verständnislos angestarrt hatten, jämmerlich zu schluchzen anfingen, fiel es ihm schwer, ein Lächeln zu unterdrücken.

Trotzdem wirkte seine Munterkeit etwas gezwungen. Dieser Demütigungsversuch hatte ihn zu hart an seiner empfindlichsten Stelle getroffen, nämlich an seiner Ehre. Während des Schlußteils der väterlichen Rede spürte er eine schreckliche Erregung in sich, einen dunklen, dumpfen Rachedurst, der sich wie ein flimmernder Nebel vor seine Augen legte.

Überhaupt sollten die Erinnerungen an diese Mittagsstunde für den Jungen noch eine verhängnisvolle Bedeutung bekommen. In diesem Augenblick erwachte in seinem bisher sorglosen Gemüt ein unversöhnlicher Familienhaß, ein trotziges, streitbares Gefühl der Verlassenheit, das Mittelpunkt und Triebkraft seines künftigen Lebens wurde. Von klein auf hatte er sich unter dem Dach seiner Eltern fremd und gleichsam heimatlos gefühlt. Nun fragte er sich, ob er auch wirklich hierher gehöre, ob er nicht ein fremdes Kind sei, das die Eltern nur angenommen hatten. Je öfter er dies in seiner Vereinsamung überdachte, desto wahrscheinlicher wurde es ihm. Alles, auch die gesteigerte Scheu, die seine Geschwister von diesem Tag an vor ihm zeigten, schien seinen Verdacht zu bestärken. Hatte er nicht hundertmal hören müssen, er sei nicht wie die anderen? Hatte ihm der Vater je einen Beweis seiner Liebe oder auch nur ein freundliches Wort geschenkt? Und sein Aussehen? Als er sich im Spiegel betrachtete, fand er, daß sein Haar dunkler war als das seiner Geschwister, daß er rötere Wangen und starke weiße Zähne hatte. Jetzt entsann er sich auch, daß der Knecht des Nachbarn ihn einmal – wenn auch im Scherz – Landstreicher und Zigeunerkind genannt hatte.

Während er heranwuchs, verfolgte ihn ständig der Gedanke, nicht das Kind seiner Eltern zu sein, und wurde schließlich zur fixen Idee. Sie erklärte ihm nicht nur seine Sonderstellung im Pfarrhaus, sondern befriedigte auch in hohem Maße seinen Jungenstolz. Immer hatte er es als Schande empfunden, der Sohn eines kurzsichtigen, zahnlosen alten Mannes zu sein, der zum Gespött der ganzen Stadt geworden war. Zugleich schämte er sich über die Armut, in der die Familie lebte. Schon als kleiner Junge hungerte er lieber, als daß er in der Schule sein Schmalzbrot in Gegenwart der Kameraden aß. Als ihm die Mutter einmal einen Wintermantel aus einem alten Talar des Vaters machen ließ, weigerte er sich, ihn anzuziehen, weil das glänzende Tuch zu deutlich seine Herkunft verriet; und als die Mutter es mit Gewalt versuchte, zerriß er das Kleidungsstück in weinerlichem Trotz und schleuderte es auf die Erde.

Nun gab er sich stolzen Träumen hin: Er war das zurückgelassene Kind einer umherziehenden Zigeunerbande, einer jener wandernden Vagabundenfamilien, von denen das alte einäugige Kindermädchen so oft erzählte, die weit draußen in der öden Heide hausten, wo die Eltern früher gewohnt hatten. Er stellte sich seinen wirklichen Vater als mächtigen Häuptling vor, mit langen wallenden blauschwarzen Locken, in weitem Mantel, einen Eichenstab in der starken braunen Hand – ein unumschränkter Herrscher, ein König über die unendlichen Reiche der dunklen Heide, der Heimstatt der Freiheit und der wilden Stürme.

Peter Andreas war in dem Alter, in dem die Träume erwachen und die Schwingen der Phantasie ihre Flugfedern bekommen. Nun, da ihm die Tore aufgetan waren für alle Möglichkeiten, gewann seine Einbildungskraft freien Raum. Nichts erschien ihm mehr unmöglich, soweit es ihn selbst betraf. Regelmäßig endete sein Traumflug tief in den allerluftigsten Reichen des Märchens. Schließlich bildete er sich ein, er sei ein Königssohn, der wie der Held einer eben in der Schule gelesenen Erzählung von fahrendem Volk entführt, dann verkauft worden war und hier im Pfarrhaus gefangengehalten werde. So vollständig lebte er sich in diese Vorstellung hinein, daß es ihm zuweilen vorkam, als könne er sich an allerlei Gegenstände und Begebenheiten aus einer in Pracht und Herrlichkeit verlebten glücklichen Kindheit erinnern . . . einen großen Saal mit Marmorsäulen und vielen schwarzen und weißen Fliesen, über die sein kleiner Fuß einst geglitten war . . . einen blauen See zwischen hohen Bergen . . . einen Affen in einem vergoldeten Käfig . . . einen großen Mann in rotem Mantel, der ihn vor sich auf sein Pferd gesetzt und mit ihm durch große dunkle Wälder geritten war . . .

Sowohl die Eltern als auch die Lehrer wurden allmählich auf die düstere Verschlossenheit aufmerksam, die über den Jungen gekommen war und die manchmal schon zur Monomanie wurde. Zu Hause schritt er schweigend durch die Zimmer, scheinbar gleichgültig gegen alle und alles; und draußen ging er seine eigenen unaufspürbaren Wege. Der Vater konnte kaum ein Wort aus ihm herausbringen. Selbst der Mutter gegenüber wurde er von Jahr zu Jahr verschlossener. Ihr hatte er bisher stets Vertrauen geschenkt und bei ihr auch immer noch das meiste Verständnis und die größte Nachsicht gefunden. Zuweilen kam er wohl auch jetzt in der Dämmerung zu ihr, wenn er sich allein wußte. Dann setzte er sich an ihr Bett und erbot sich, die Krampfadern der kranken Beine zu massieren. Doch nie bekam sie eine andere Antwort als ja oder nein, sobald sie in ihn drang, um zu erfahren, worüber er eigentlich grübelte.

Dennoch versuchten sie und der Vater sich eine ganze Weile damit zu beruhigen, seine Unzugänglichkeit sei vielleicht doch ein Zeichen dafür, daß er begonnen habe, in sich zu gehen. Aber da geschah eines Tages etwas, das auch die letzte Hoffnung auslöschte.

 

An einem Winterabend gegen neun Uhr saß die Familie im Wohnzimmer und wartete darauf, daß der Nachtwächter durch die Straße komme und die Schlafenszeit verkünde. Auf dem Roßhaarsofa hinter dem großen Mahagonitisch klapperte die häusliche Signe eifrig mit den Stricknadeln und las dabei noch dem Vater aus »Fædrelandet« vor. Die Zeitung lag vor ihr ausgebreitet unter der träge brennenden Petroleumlampe. Wie gewöhnlich saß der Vater in dem hohen, steifen Lehnstuhl, der mit geblümtem Stoff billigster Sorte bezogen war. Er saß müde zusammengesunken mit gesenktem Kopf da, seine Arme lagen gekreuzt auf der Brust. Ein großer grüner Augenschirm verdeckte über die Hälfte seines aschgrauen, runzligen, bartlosen Gesichts. Halb im Schlaf hörte er – und hörte doch nicht –, wie Signe mit eintöniger Stimme den vier Spalten langen Artikel über Außenpolitik vorlas. Pastor Sidenius war Frühaufsteher. Selbst mitten im Winter stand er mit dem sechsten Schlag der Kirchenuhr auf. Übrigens hatte er für Zeitungen und dergleichen weltliche Lektüre kein Interesse. Er benutzte sie sozusagen als eine Art Betäubungsmittel, wovon er sich nach dem Mittag- und dem Abendessen einschläfern ließ.

Außer Signe saßen noch zwei von den jüngeren Mädchen am Tisch. Beide trugen weite karierte Baumwollkittel, auch sie – obwohl ganz rotäugig vor Müdigkeit – eifrig über eine Häkelarbeit gebeugt. Sie waren genaue Abbilder der älteren Schwester, hatten den gleichen etwas altklugen Gesichtsausdruck, die gleichen kleinen festen Flechten über den Ohren und die gleichen großen, hellen, ein wenig hervortretenden Augen unter kräftig gezeichneten Brauen. Die Tür des Schlafzimmers stand offen, und drinnen im Halbdunkel saß eins der kleineren Kinder am Bett der Mutter und massierte ihre kranken Beine.

Peter Andreas war auch da. Er stand abseits am Fenster und schielte jeden Augenblick verstohlen zur Uhr auf dem Schreibschrank. Er war nun vierzehn Jahre, kräftig gebaut und derbknochig; sein Anzug wurde an Armen und Beinen zu kurz. Seine beiden älteren Brüder fehlten. Sie waren schon erwachsen und studierten an der Universität in Kopenhagen. Als nunmehr ältester Sohn im Haus hatte Peter Andreas ihr Zimmer geerbt, ein Giebelstübchen unter dem Dach. Hier hielt er sich fast immer auf, wenn er daheim war.

Sobald Signe das Vorlesen beendet hatte, benutzte Peter die Gelegenheit, gute Nacht zu sagen und sich davonzumachen. Der Vater hielt ihn aber an der Tür zurück und fragte, warum er schon gehen wolle. Peter gab vor, er habe noch einen Aufsatz zu schreiben.

»Steht sonst etwas Lesenswertes in der Zeitung?« erkundigte sich der Vater, noch ein wenig benommen vom Schlaf, als der Junge gegangen war.

»Wie spät ist es denn, Kinder?« ertönte im selben Augenblick die schwache Stimme der Mutter aus dem Schlafzimmer.

»Zehn nach neun«, erwiderten die kleinen Mädchen wie aus einem Mund. Beide hatten sich gleichzeitig umgedreht und nach der Uhr geschaut.

Nun war es wieder eine Weile still. Alle wußten, gleich mußte der Nachtwächter dasein. Draußen gingen Leute vorbei. Man konnte nur ihre Stimmen hören, denn der frisch gefallene Schnee machte ihre Schritte lautlos.

»Soll ich noch weiterlesen?« wandte sich Signe an den Vater.

»Ach, laß nur«, entgegnete er, erhob sich, nahm den Augenschirm ab und ging im Zimmer hin und her, um die Müdigkeit vor dem Abendgebet abzuschütteln.

Es dauerte auch nur ein paar Minuten, da hörte man auf der Straße ein tiefes Brummen, den »Gesang« des alten Nachtwächters. Es klang, als redete ein Betrunkener laut mit sich selbst. Die kleinen Mädchen legten sofort ihre Handarbeit zusammen, und Signe räumte noch für die Nacht auf. Dann wurden die beiden Dienstmädchen aus der Küche geholt, und Signe setzte sich an das geöffnete Klavier.

Aus dem Schlafzimmer erscholl wieder die Stimme der Mutter: »Wollen wir heut abend nicht ›Lobet den Herrn‹ singen?«

»Du hast es gehört, Signe«, sagte der Vater, der nun hinter dem großen Lehnstuhl stand. Seine gefalteten Hände ruhten auf der Lehne.

Signe hatte einen vollen und angenehmen Sopran, den sie mit unbeherrschter Kraft einsetzte. Diese Kraft stand in charakteristischem Gegensatz zu der Zurückhaltung, die sie in allen anderen Lebensäußerungen an den Tag legte. Wie sie so dasaß und ihre dicken, von der Arbeit roten Hände über die gelbbraunen Tasten des Instruments gleiten ließ, den Blick aufwärts gerichtet, war es unschwer zu erkennen, daß hier Glaube, Hoffnung und Liebe diesem noch nicht Zwanzigjährigen Mädchen die Kraft gegeben hatten, ihre Jugend mit solcher Selbstverleugnung dem Haushalt und den jüngeren Geschwistern zu opfern. Doch sie verfiel beim Singen nicht in schwärmerische Verzückung, und ihr kleines pausbäckiges Gesicht war keineswegs von jenen überirdischen Wonnen verklärt, bei denen sich Himmel öffnen und die Seele in lieblichen Bildern schwelgt. Als eine echte Sidenius hatte sie nicht den mindesten Sinn für katholischen Mystizismus. Die feste Zuversicht in ihrem Blick und in ihrem Mienenspiel, die ihrer Stimme diese ungewöhnliche Kraft und Inbrunst verlieh, entsprang der recht nüchternen, dogmatischen Überzeugung, einer kleinen Schar anzugehören, die auf dem schmalen Pfad der Tugend wandelt und ihr Erbteil im Himmel findet, wo ewige Herrlichkeit einst Lohn für all die irdischen Plackereien sein würde.

Mitten im zweiten Vers hielt der Vater plötzlich inne und hob lauschend den Kopf. »Still doch!« unterbrach er den Gesang.

Gleichzeitig rief die Mutter vom Bett her: »Es hat geläutet.«

Nun hörten auch die anderen die scheppernde Nachtglocke am gegenüberliegenden Ende des Hauses, und dieser ungewöhnliche Klang in der Abendstille wirkte unwillkürlich alarmierend.

Der Vater ging durch das Nebenzimmer in seine Studierstube, die neben der Haustür lag. Hier öffnete er ein Fenster.

»Wer klingelt hier zu nächtlicher Zeit?« erkundigte er sich.

Im Wohnzimmer konnte man hören, daß draußen eine männliche Stimme antwortete. Die beiden kleinen Mädchen, denen ganz unheimlich war, sahen erst sich und dann Signe an, die noch immer am Klavier saß.

Da fuhr auch schon der Vater drinnen in barschem Ton fort: »Ihr Kind krank . . . Wie heißen Sie, und wo wohnen Sie? . . . Krankstuegyde . . . aha, ja . . . Wie alt ist das Kind? . . . Ein Jahr . . . Sonderbar, daß die Leute hier in der Stadt erst dann ihren Pastor brauchen, wenn Gefahr droht. Für gewöhnlich haben sie kein Bedürfnis, Gottes Nähe zu fühlen. Warum haben Sie Ihr Kind nicht längst taufen lassen? . . . Ja, natürlich werde ich kommen. Gehen Sie nach Hause und bereiten Sie das Nötige vor, damit alles in Ordnung ist, wenn ich komme. Und sorgen Sie für Licht auf der Treppe!« rief er dem Mann noch nach, der sich schon wieder auf den Weg gemacht hatte.

Als der Pastor in die Wohnstube zurückkam, fragte er nach Peter Andreas.

»Ich rufe ihn«, sagte Signe. Sie wußte, der Vater ging seiner schwachen Augen wegen abends bei Glätte nicht gern ohne Begleitung aus.

»Boel kann ihn holen«, sagte der Pastor zu dem alten Dienstmädchen und ging ins Schlafzimmer, um sich umzuziehen. »Signe, bleib du hier und hilf mir mit dem Talar.«

Bei der Mutter drinnen war inzwischen die Nachtlampe angezündet worden.

»Zieh dich warm an, Johannes«, sagte sie in ihrem stets etwas mutlosen Ton, »heute abend ist es bestimmt sehr kalt, ich konnte es vorhin an der Kirchenuhr hören. Signe, hol Vaters gefütterte Weste. Sie hängt im Schrank!«

Da kam die alte Boel mit der Nachricht, Peter Andreas sei gar nicht in seinem Zimmer. Sie habe ihn auch sonst nirgendwo im Haus finden können.

Der Pastor fuhr unwillkürlich von dem Stuhl hoch, auf den er sich gerade gesetzt hatte, um sich das Beffchen im Nacken mit einer Nadel schließen zu lassen. Er wurde blaß. Und weil er aus dem verstörten Gesicht der Dienstmagd entnehmen konnte, daß sie mehr wußte, als sie gesagt hatte, trat er dicht an sie heran und sagte in befehlendem Ton: »Also, was gibt's? Sprich! Du verheimlichst mir etwas.«

Zitternd und zagend vor dem Zorn des Pastors, beichtete die Alte, die ihre Kammer gleichfalls unter dem Dach hatte, sie habe in letzter Zeit öfter gehört, wie der Junge erst nachts heraufgeschlichen sei. Als sie eben sein Gelaß leer gefunden habe, sei ihr bei näherer Untersuchung aufgefallen, daß das Fenster auf der Diele nur angelehnt war. Auch habe sie draußen im Schnee frische Spuren gesehen.

Die Mutter, die versucht hatte, sich im Bett aufzurichten, fiel jetzt mit einem klagenden Laut auf das Kissen zurück und hielt eine Hand vor die Augen, als sei ihr schwindlig geworden.

Der Pastor eilte zu ihr und ergriff ihre andere Hand.

»Ruhig, Mutter, ruhig!« bat er, obwohl seine eigene Stimme zitterte.

»Gott schaue auf uns herab in Gnaden!« wimmerte sie.

»Amen!« fügte der Pastor mit Nachdruck hinzu. Er ließ ihre Hand nicht los.

Unterdessen tollte Peter Andreas auf den Hügeln nördlich der Stadt herum, wo eine muntere Schar halbwüchsiger Mädchen und Jungen im hellen Mondschein dem Schlittensport frönte. Sie hatten die »öffentliche Königliche Chaussee« selber zur Bahn erwählt, eine breite, glatte, abschüssige Straße, die von den Hügeln in einer großen Kurve bis in die Stadt führte. Ja man konnte sogar, wenn man die nötige Fahrt und keine Angst vor den Nachtwächtern hatte, noch die steile Nørregade bis fast vor das Rathaus auf dem Markt hinunterbrausen.

Bei dieser langen Abfahrt bot sich einem die schönste und weiteste Aussicht über die ganze Gegend: zuerst auf die verschneite Stadt mit den roten Laternen in den Straßen und dem weißen Mondlicht über den Dächern, dann über den zugefrorenen Fjord und die eisbedeckten Wiesen, endlich über das flache Land mit seinen Dörfern, Wäldern und schneeverhüllten Feldern. Und über alldem der hohe, gleichsam wattierte Himmel, wo Mond und Sterne hinter Wolken Versteck spielten, als seien diese uralten Himmelskörper angesteckt worden von der jugendlichen Fröhlichkeit.

Hallo! Begleitet von schrillen Pfiffen und lauten Rufen, sausten die mit Eisenschienen beschlagenen Schlitten den spiegelglatten Weg hinunter, gesteuert von langen Eispickeln, die wie Ruder hinterherschleiften. Sie glitten über kleine Steine und hoben sich wie Boote auf den Wellen über alle Hindernisse leicht hinweg. Hier und da am Straßenrand standen Grüppchen von halbwüchsigen Dienstmädchen mit dicken Kopftüchern, die Hände in die Schürze gewickelt wie in einen Muff. Wenn hin und wieder ein Schlittenlenker hintenüberkippte und wie ein abgeworfener Reiter auf der Bahn sitzen blieb, während der leere Schlitten mit erhöhtem Tempo den Berg hinunterfuhr, dann erscholl aus diesen Gruppen unbarmherziges Mädchengekicher, vermischt mit dem höhnenden Geschrei der Jungen, die gerade vorbeikamen.

Am ärgsten fiel man in solchen Fällen über die Lateinschüler her, die »Studentenbengel«, die sich entschieden in der Minderzahl befanden. Deswegen traf Peter Andreas' höchste Ungnade denjenigen, der diesem Stand solche Niederlagen zufügte.

Er selber steuerte seinen neuen schnellen rotbemalten Langschlitten, den er »Blutadler« getauft hatte, mit überlegener Sicherheit. Er hatte ihn bei einem Stellmacher der Stadt bedenkenlos auf Kredit genommen, und tagsüber hielt er ihn in einem Holzlager versteckt. Leicht und fast lautlos jagte der Schlitten auf seinen englischen Rundeisen über die Bahn, und sein Besitzer brüllte ununterbrochen: »Bahn frei, Bahn frei!« Seine runden Wangen glühten, seine Augen glänzten von triumphierendem Wetteifern. Mitunter richtete er sich während der Fahrt auf den Kufen auf, schwang seinen Eispickel über dem Kopf wie ein Recke seine Lanze und schrie: »He, hallo, ho!« Seine heiße Lebenslust, seine überschäumende, ehrgeizige jugendliche Kraft, die er zu Hause und in der Schule verbergen und unterdrücken mußte, brachen in diesen Augenblicken mit solcher Gewalt hervor, daß er selbst seinen besten Freunden etwas lächerlich vorkam.

Plötzlich drang ein lauter Warnruf vom Fuße des Hügels herauf. Im Nu lenkten alle Fahrer ihre Schlitten an den Straßenrand und ließen sich in die tiefen Gräben zu beiden Seiten fallen. Wer sich noch auf der Bahn befand oder wieder aufwärts stieg, versteckte sich in Windeseile hinter Schneewehen und Büschen. Nur die Mädchen blieben aufrecht stehen und begnügten sich damit, die Köpfe zusammenzustecken und zu kichern.

An der Einfahrt zur Stadt war der Nachtwächter aufgetaucht. In seinem langen Mantel, auf der Brust das Blechschild, das wie ein Stern schimmerte, stand er dort am Ende der dunklen Straße. Aus Rücksicht auf die Pferde der in die Stadt kommenden Bauern war das Schlittenfahren auf der Chaussee streng verboten. Die Burschen hatten daher am Stadtrand Wachtposten aufgestellt, um vor Überraschungen sicher zu sein. Und nun stand der gefürchtete Nachtwächter da unten und schaute auf die urplötzlich leere Straße. Nur hier und da ertönte aus den Gräben ein unterdrücktes »Kuckuck« oder »Miau«, dem Kichern und Prusten folgte. Da hob er drohend den Stock, drehte sich kopfschüttelnd um und ging in die Stadt zurück.

Kurz darauf erklang wieder das Signal der Wache, und nach ein paar Minuten war das Spiel auf der Bahn wieder in vollem Gange.

Unterdessen hatte einer der älteren Lehrjungen ein Mädchen auf seinen Schlitten gelockt. Dieser Anblick ließ sogleich den Ehrgeiz in Peters Brust aufflammen. Mitten in der Abfahrt bremste er vor einer Gruppe tuschelnder Mädchen und lud die allergrößte ein, ihm Gesellschaft zu leisten. Nach einigem Zaudern gab sie nach und setzte sich rittlings vor ihn auf den Schlitten. Kühn umschlang er seine Eroberung – und der »Blutadler« raste los.

»Bahn frei!« brüllte er aus vollem Halse, denn er wollte der Welt seinen Triumph verkünden.

»Hast du Peter Andreas gesehen? . . . Jaja, das war Peter!« hörte er im Vorbeibrausen ein paar Kameraden rufen, die mit ihren Schlitten wieder hügelan stiegen. Sein Herz schwoll vor Glück, denn er hatte die unfreiwillige Bewunderung in ihrem Tonfall gespürt.

Auch das Mädchen, eine dunkeläugige schwarzgelockte Schöne, drehte sich auf der wilden Fahrt anerkennend nach ihm um und lachte ihn mit ihrem großen halbgeöffneten Mund an, daß seine Wangen brannten. Alte Träume erwachten von neuem in seiner Brust . . . Träume von Zigeunerleben und Zigeunerglück draußen auf der großen freien Heide, von einem sorglosen Wanderleben, von einem Zuhause in einem Zelt oder in einer Erdhütte, allein mit den Sternen und den fliehenden Wolken.

Der Schlitten hielt erst ganz unten vor der Stadt, und nun wollte das Mädchen aufstehen, um zu ihren Freundinnen zurückzugehen. Doch Peter Andreas zwang sie, sitzen zu bleiben, er wollte sie nicht freigeben. Er begann, sie den Berg hinaufzuziehen. Fuß für Fuß kämpfte er sich mit seiner schweren Last aufwärts. Er kam sich vor wie ein Krieger, ein Wiking, der im Siegeszug aus fremden Ländern heimkehrt und seine Kriegsbeute mitbringt: ein schönes Weib, eine geraubte Prinzessin, die ihm jetzt da oben in seinem Balkenhaus zu Willen sein sollte, tief in den Wäldern . . . Und von seiner Phantasie angespornt, stemmte er die Füße mit solcher Kraftanstrengung gegen den eisglatten Abhang, daß ihm der Schweiß auf der Stirn stand.

Als sie die Hügelkuppe erreicht hatten und er sich wieder auf den Schlitten setzte, um hinunterzufahren, wandte sich das Mädchen nach ihm um und sagte: »Ist es wahr, was sie behaupten, bist du der Sohn des Pastors?«

Diese Frage brachte ihn so plötzlich in die Wirklichkeit zurück, daß er blaß wurde.

»Nein!« stieß er mit solchem Nachdruck zwischen den Zähnen hervor, daß er es bis in die Fußspitzen spürte. Nun trieb er seinen »Blutadler« den Hang hinunter, daß die eisernen Schienen sangen.

Tatsächlich hatte er es noch nie so deutlich wie in diesem Augenblick gefühlt: Er gehörte nicht in die dämmrige, stickige Stube da unten, wo sein Vater und seine Geschwister jetzt geistliche Lieder sangen und ängstliche Gebete murmelten inmitten der Märchenpracht des Winters. Sie waren Unterirdische und blind gegenüber dem Glanz des Lichts, sie spürten abgrundtiefes Grauen vor dem Leben und dessen Herrlichkeit. Tausende Meilen fühlte er sich von ihnen entfernt, unter einem ganz anderen Himmel, verbündet mit der Sonne, den Sternen und den jagenden Wolken.

Still – sein Ohr vernahm plötzlich wieder einen bekannten Klang von da unten her . . . das Schlagen der Kirchenglocke. Wie eine Botschaft aus der Unterwelt stieg es durch die silberhelle Frostnacht zu ihm empor . . . elf schwere, dunkle, langsame Schläge. Wie er diesen Klang haßte! Überall und zu allen Tageszeiten drängte er sich mißtönend in seine Glücksträume, warnend und rufend. Es war unmöglich, so weit zu fliehen, daß ihn dieser Ton nicht mehr erreichte. Wie ein unsichtbarer Geist verfolgte er ihn auf allen seinen verbotenen Wegen. Ob er sich im Frühling mit seinem Riesendrachen »Heljo« auf die Wiesen hinausgestohlen hatte oder im Sommer vom Boot aus im Fjord Barsche fing – jede Viertelstunde drang diese Gespensterstimme beschwörend an sein Ohr.

»Hallo!« brüllte er, um die Stimme zu übertönen, und preßte das große Mädchen in herausforderndem Trotz an sich. Wieder drehte sie sich lächelnd nach ihm um und warf ihm einen Blick zu, der ihm ein süßes, eiskaltes Schaudern den Rücken hinunterjagte.

»Du bist schön«, flüsterte er ihr ins Ohr. »Wie heißt du?«

»Oline.«

»Und wo wohnst du?«

»In der Smedestræde, in Riisagers Haus. Wo wohnst du?«

»Ich?«

»Wenn du nicht der Sohn des Pastors bist, wer bist du dann?«

»Wer ich bin? . . . Ich? . . . Ich kann es dir nicht sagen. Aber wollen wir uns morgen abend in der Voldstræde treffen, wenn es dunkel geworden ist?«

»Das können wir gern.«

Ohne auf die Gefahr zu achten, überfuhr Peter Andreas die Stadtgrenze und sauste nun in voller Fahrt weiter die Nørregade hinab. Er war jedoch noch nicht weit gekommen, als eine Riesengestalt hinter einer Hausecke hervorsprang und mit einem donnernden »Halt!« das krumme Ende eines Stocks in den Schlitten hieb, so daß dieser umkippte und das umschlungene Paar in den Schnee fiel. Das Mädchen flüchtete mit lautem Geschrei, während Peter Andreas von der kräftigen Faust des Nachtwächters Ole im Nacken gepackt wurde.

»Komm mal her, mein Bürschchen! Euch verdammte Bengel werd ich lehren, der Obrigkeit auf der Nase herumzutanzen! Ab aufs Rathaus mit dir! Keine Widerrede! Wessen Junge bist du überhaupt?«

Peter Andreas begriff sofort, hier mußte er allen Verstand zusammennehmen, wollte er sich aus der Klemme ziehen. Schnell und gleichsam atemlos stieß er hervor: »Bloß gut, Herr Nachtwächter, daß ich Sie getroffen habe! Oben ist unter den Jungen ein Gemetzel im Gange. Der große Lehrjunge von Jansens hat das Messer gezogen. Beeilen Sie sich! Er ist ganz rasend.«

»Was erzählst du da?«

»Ja, er hat Bürgermeisters Alfred gestochen. Hoffentlich ist der noch nicht tot. Da oben liegt er in einer großen Blutlache.«

»Den Sohn vom Bürgermeister!« stöhnte der Nachtwächter und gab sein Opfer frei.

»Ich lauf hin und sag der Familie Bescheid, und dann hole ich Doktor Carlsen!« rief Peter Andreas und ergriff die Schlittenleine. Noch ehe der Wächter sich besonnen hatte, war er auf und davon.

Die Uhr war fast zwölf, als er, nachdem er über den Bretterzaun des Nachbarn geklettert war, durch das Dielenfenster kroch, das er bei seinem Weggang nur angelehnt hatte. Die Schuhe hatte er schon draußen im Schnee ausgezogen. Nun schlich er mit vorsichtigen Schritten auf die Bodentreppe zu. Da wurde die Tür des Studierzimmers aufgerissen. Der Vater stand vor ihm, die Lampe in der erhobenen Hand.

Einige Sekunden standen sich Vater und Sohn, wortlos gegenüber. Es war nur das Scheppern der Lampenglocke zu hören, die Pastor Sidenius' zitternde Hand in Schwingungen versetzte.

»Auf Diebeswegen gehst du im Hause deines Vaters aus und ein«, begann der Geistliche endlich. »Woher kommst du?« fragte er nach einer Weile mit versagender Stimme, als mangle es ihm an Mut, die Antwort zu hören.

Der Junge berichtete ohne Umschweife oder Versuche, die Sache zu beschönigen, wo er gewesen war. Sein Vater kam ihm in diesem Augenblick zu erbärmlich vor, als daß er sich entschließen konnte, ihn zu belügen. Weil er nun einmal beim Bekennen war, gestand er auch gleich den Kauf des »Blutadlers« und die Schulden beim Stellmacher.

»So weit ist es also mit dir gekommen«, sprach der Vater, ohne sich anmerken zu lassen, daß die größte Angst in Wirklichkeit von ihm genommen war. Er wußte, es gab an mehreren Orten der Stadt Schlupfwinkel der Unsittlichkeit, und er hatte befürchtet, sein Sohn sei durch schlechte Beispiele an einen solchen Ort gelockt worden. »Geh zu Bett«, fuhr er fort, »du bist und bleibst ein Kind der Sünde! Morgen sprechen wir weiter darüber!«

Als Peter Andreas früh am nächsten Morgen zur Andacht in die Wohnstube hinuntergerufen wurde, war er auf eine Wiederholung der feierlichen Strafpredigt gefaßt, die er sich wegen des Apfeldiebstahls hatte anhören müssen. Signe saß am Klavier, auf dem ein einsames Licht brannte. Der übrige Teil der großen Wohnstube lag im Dunkeln. Es war so kalt, daß aus den Mündern der Singenden Frosthauch drang.

Doch man sang das erste und auch das zweite Lied zu Ende und sprach das Glaubensbekenntnis, ohne daß eine Anspielung auf die Vorgänge des letzten Abends kam. Auch während des ganzen Tages wurde ihm gegenüber kein Wort davon erwähnt. Pastor Sidenius hatte den Vormittag über am Bett seiner Frau gesessen, und die Eltern waren zu der Überzeugung gelangt, daß es nutzlos sei, noch länger durch Überredung auf den Jungen einwirken zu wollen. Man konnte jetzt nur auf das hoffen, was die Zeit und die Härte des Lebens selbst ausrichteten. Lediglich der Bretterzaun des Nachbarn wurde mit spitzen Nägelkuppen versehen. Außerdem überzeugte sich der Vater fortan jeden Abend persönlich, ob der Junge in seinem Bett lag.

Peter Andreas wurde völlig apathisch. Was man mit ihm zu Hause auch unternahm, es mochte gut oder böse sein, nichts machte mehr Eindruck auf ihn. Die Zeit war vorbei, da er Pläne geschmiedet hatte, wie er durch irgendein Abenteuer – einen offenen Aufstand oder eine heimliche Flucht – seine Qual abkürzen und in die weite Welt hinausziehen könne, um auf gut Glück das Königreich seiner Träume zu suchen. Er war jetzt alt und verständig genug, um zu begreifen, daß er die ersehnte Unabhängigkeit am schnellsten und sichersten erreichte, wenn er seine Schulzeit geduldig ertrug. Im übrigen dauerte es gar nicht lange, da hatte er andere Mittel und Wege ausfindig gemacht, wie er den wachsamen Vater täuschen konnte. Wenn alles im Hause still geworden war, ließ er sich mit einem Strick aus dem Giebelfenster auf das Schrägdach des Torwegs hinab und glitt von hier aus an der Regenrinne auf die Straße hinunter. Noch manche mondhelle Nacht lag er mit seiner geliebten Angelleine im Boot auf dem Fjord und schenkte beim Heimkommen seinen Fang dem Nachtwächter, damit er den Mund hielt.

Er hatte auch Gelegenheit gefunden, die Bekanntschaft mit der schwarzäugigen Oline aus Riisagers Haus zu erneuern. Ein paarmal hatten sie sich abends auf einem der großen Holzplätze der Stadt getroffen, waren aber einander bald überdrüssig geworden. Die reichlich grobe Ungeniertheit in den Ausdrücken und Manieren des Mädchens hatte ihn mit Scham erfüllt. Und als sie einmal gar einen Angriff auf seine Tugend versuchte, hatte er sie voll Abscheu weggestoßen und nicht mehr aufgesucht.

Eine besondere Vorliebe hatte er für den Hafen und für das – wenn auch armselige – Leben am Kai zwischen den Kohlenschiffen und den kleinen schwedischen Holzprahmen. Da lag auch ein kleines Proviantierungsboot, dessen Besitzer er kennengelernt hatte. Hier verbrachte er oft seine freien Stunden und lauschte den Erzählungen der Seeleute über ihre Abenteuer in fremden Ländern, über gewaltige Ozeandampfer, die bis zu zweitausend Personen an Bord nehmen konnten, und über das Treiben in den großen Häfen mit ihren riesigen Werften und Docks.

Aber das Seemannsleben lockte ihn nicht. Er hatte sich ein höheres Ziel gesetzt: Er wollte Ingenieur werden. Dieser Beruf schien ihm nämlich die meisten Möglichkeiten für ein stolzes und ungebundenes freies Leben zu bieten, reich an Abenteuern und spannenden Ereignissen. Wenn er einen rein praktischen Beruf wählte, würde er außerdem auf das nachdrücklichste von seiner Familie abrücken und mit ihren so gepriesenen jahrhundertealten Traditionen brechen. Seine Wahl war eine bewußte Herausforderung, besonders dem Vater gegenüber, der oft mit sehr viel Verachtung über die Freude der Menschen an den großen technischen Fortschritten der Zeit sprach. Als einmal ein gewisses Interesse der Bürger für einen Vorschlag spürbar wurde, die daniederliegende Schiffahrt der Stadt durch eine Vertiefung der Fjordmündung zu beleben, hatte er sich sehr geringschätzig über das Projekt geäußert. »Diese Leute machen sich ewig um alles andere Sorgen, nur nicht um das eine, das vonnöten ist«, hatte er gesagt. Und von diesem Tag an wußte Peter Andreas, daß er Ingenieur werden wollte.

Auch durch die Schule war er dazu angeregt worden. Von den meisten seiner Lehrer bereits zu einem frühen Zeitpunkt als hoffnungslos aufgegeben, hatte er in seinem Mathematiklehrer allmählich einen Freund und Gönner gefunden. Dieser, ein altgedienter Soldat, sprach sich dem Vater gegenüber sogar sehr anerkennend über Peters Fähigkeiten aus, wenn der wieder einmal daran dachte, seinen Sohn vor lauter Unduldsamkeit aus der Schule zu nehmen und gleich ein Handwerk lernen zu lassen. Es sah fast so aus, als sei der ehemalige Soldat durch eine verständnisvolle Teilnahme für den Jungen hierzu veranlaßt worden und fände eine Befriedigung darin, den gestrengen Pastor mit seinen Lobreden zum Schweigen zu bringen.

Im übrigen begann sich die Stimmung in der Stadt Pastor Sidenius und seinem Haus gegenüber nun allmählich doch zu wandeln. Die Zeit und die Gewohnheit hatten schließlich auch hier wieder versöhnend gewirkt. Hinzu kam, daß viele von den alten Kaufleuten und Pferdezüchtern, die bislang die öffentliche Meinung der Stadt bestimmt hatten, gestorben waren, und – was das wichtigste war – es hatte sich herausgestellt, daß bei den meisten von ihnen weder ihr Geschäftsumsatz noch ihr Vermögen in einem annehmbaren Verhältnis zu der Macht standen, die sie sich über alle städtischen Angelegenheiten angemaßt hatten. Es waren Geschäftsleute der alten Schule gewesen, die in ihrem bäurischen Starrsinn nicht zugeben wollten, daß die Zeit fortschritt, und die über die neuen Handelsformen spotteten, die sich aus der Entwicklung der Verkehrsmittel ergeben hatten. Einige von den ersten Familien der Stadt, die dank ihres ererbten Reichtums auf großem Fuß gelebt hatten, sanken in den Nachkriegsjahren fast bis zur Armut herab. Und in dem Maße, wie der Wohlstand schwand, wuchs das Bedürfnis nach den Tröstungen der Religion. Die ernsten Worte Pastor Sidenius' über die Vergänglichkeit alles Irdischen und den wahren Reichtum der Armut und der Entbehrung fanden immer mehr Verständnis bei den Leuten, und am meisten bei denen, die bisher seine ärgsten Widersacher gewesen waren. Beständig wuchs die Zahl der Andächtigen, die sonntags seiner Verkündigung lauschten. Es kam nie mehr vor, daß ein Bürger der Stadt ihn nicht grüßte, zumindest dann nicht, wenn der Pastor im Ornat war.

 

Während sich so die Verhältnisse entwickelten, schlug endlich auch für Peter Andreas die Stunde der Befreiung. Dank eindringlicher Mahnungen des alten Mathematiklehrers hatte der Vater doch eingewilligt, ihn in der Hauptstadt am Polytechnikum studieren zu lassen. Er war jetzt sechzehn Jahre alt.

An einem schönen Herbstabend, als das wöchentliche Passagierschiff nach Kopenhagen langsam durch die noch immer zugewachsenen Windungen aus dem Fjord hinausstampfte, stand Peter Andreas, eine Tasche über der Schulter, am Achtersteven und blickte zurück auf die Stadt, die sich immer dunkler vom gelbroten Abendhimmel abhob. Die Trennung vom Elternhaus hatte ihn keine Träne gekostet. Sogar der Abschied von der Mutter war ohne größere Gemütsbewegung verlaufen. Und doch – wie er so dastand in seinem neuen Maßanzug, den Hunderttalerschein in das Futter der Weste eingenäht, und zurückschaute auf das Dächergewirr der Stadt und den wuchtigen Backsteinturm der Kirche, die hinter dem leuchtenden Horizont verschwanden, da erfaßte ihn Beklommenheit, und ein Gefühl der Dankbarkeit regte sich in seiner Brust. Er meinte nun selbst, daß er der Heimat und den Eltern nicht auf die richtige Weise Lebewohl gesagt hatte, und er wünschte fast, daß er umkehren und noch einmal Abschied nehmen könne. Sogar der ferne Klang der Abendglocke, der zum letztenmal grüßend und warnend zu ihm herüberdrang, erweckte jetzt in ihm nur versöhnliche Gefühle.

Diese leicht bewegte Stimmung hielt sich auch während der ersten Zeit in Kopenhagen. Sie nahm sogar zu, je mehr er eine Beute seines eigenen Gefühls der Verlassenheit wurde, das einen Provinzler anfänglich fast erdrückt in der großen Stadt mit all ihren fremden und gleichgültigen Gesichtern. Er kannte niemand in Kopenhagen. Bisher war noch keiner seiner Schulkameraden hierher gekommen, weil sie alle bis zum Abitur weiter die Schule besuchen wollten. Mitunter wurde er in seiner Einsamkeit mutlos und verzagt, besonders in den ersten Wochen. Oft ging er an den Kai bei der Börse hinab, um nachzusehen, ob nicht ein Apfelschiffer von zu Hause angekommen war, mit dem er sich über die Heimat und gemeinsame Bekannte unterhalten konnte. Nur in seinen Gefühlen dem Vater gegenüber hatte sich keine wesentliche Wandlung vollzogen. Er schrieb stets an die Mutter, wenn er überhaupt von sich hören ließ.

Von seinen älteren Brüdern hatte der eine – Thomas – schon im Jahr zuvor seine Studien abgeschlossen und war irgendwo auf dem Lande Kaplan geworden. Der zweite – Eberhard – wohnte zwar noch in der Stadt, war aber zur Zeit verreist. Und auch als er zurückkam, trafen sich die beiden Brüder so gut wie nie. Eberhard war ein vorsichtiger und ängstlicher Mensch, der sich in sich selbst zurückzog, aus lauter Angst, mit Dingen in Berührung zu kommen, die seinem Ansehen schaden könnten. Deshalb fühlte er sich durch diesen aus der Art geschlagenen Bruder peinlich berührt, der einfach daherkam und sich Geltung verschaffen wollte, ohne überhaupt das Abitur zu haben.

In den ersten Monaten bewohnte Peter Andreas in der Innenstadt direkt unter dem Dach eines Hinterhauses ein elendes Kämmerchen, das den Blick auf ein Meer von roten Dächern freigab. Später zog er zu einem alten Ehepaar nach Nyboder hinaus.

 

Am Tag vor Heiligabend fuhr er auf dem Landweg nach Hause, nachdem er vorher sein Kommen mit ein paar Zeilen angemeldet hatte.

Auf der unendlich langen Fahrt durch Seeland und Fünen, die einen ganzen Tag dauerte, und beim Anblick der vielen frohen Weihnachtsreisenden erinnerte er sich, mit welcher Spannung die Heimkehr seiner älteren Brüder stets erwartet worden war. Die Lampen waren in allen Zimmern angezündet und das Abendessen bis zur Ankunft des Zuges verschoben worden, um den Empfang desto festlicher zu gestalten. Er dachte an seine alten Kameraden, die wahrscheinlich jetzt bereits von seinem Kommen wußten und die ihn vielleicht sogar auf dem Bahnhof empfangen würden.

Auf der Fahrt durch Jütland leerte sich allmählich das Abteil, und schließlich war er allein. Die Dunkelheit brach herein, und die Lampe wurde angezündet, Sturm und Regen schlugen gegen die Abteilfenster. Dann hörte er, wie der Zug über eine Brücke fuhr. Sein Herz begann heftiger zu schlagen. Er kannte das Geräusch. Das war die Skærbæk-Brücke. Nun dauerte es nur noch fünf Minuten.

Er stürzte zum Fenster und wischte die Scheibe ab. Ja, da war der Fluß . . . und da waren die Wiesen und die Skærbæker Hügel. Und jetzt fuhr die Bahn in eine Kurve, und durch den Regenschleier schimmerten die ersten Laternen der Stadt.

Auf dem Bahnsteig stand seine Schwester Signe, um ihn zu begrüßen. Ein leises Unbehagen durchzuckte ihn, als er sie bemerkte. Da stand sie mit ihrem etwas krummen Rücken, in einem halblangen, schrecklich altmodischen Mantel. Sie trug schwarze Handschuhe. Ihr Kleid war hochgerafft, so daß man ein Paar lange dünne Knöchel und große Füße erblickte, die in Galoschen steckten. Es war ihm peinlich, daß sie sich so hingestellt und ihre häßliche Figur der Kritik der Leute ausgesetzt hatte. Außerdem hatte er ganz bestimmt damit gerechnet, seine beiden jüngeren Brüder, die Zwillinge, zu sehen. Es erregte sein Mißtrauen, daß ausgerechnet Signe ihn abholte, denn sie war von allen Geschwistern diejenige, mit der er sich am wenigsten vertrug.

Auf dem Heimweg hörte er denn auch bald aus ihren Bemerkungen heraus, daß die Eltern von seinem Besuch gar nicht sehr erbaut waren. Sie fanden es ziemlich unvernünftig von ihm, schon jetzt Ferien zu machen. Eine solche Reise koste doch auch viel Geld, sagte Signe. Jedenfalls hätte er erst den Vater um Erlaubnis fragen sollen.

Noch ehe sie das Pfarrhaus erreicht hatten, waren Peter Andreas' Gefühle gründlich abgekühlt. Und als er nun in das Wohnzimmer kam und den Vater auf dem gewohnten Feierabendplatz im altmodischen verschossenen Lehnstuhl sitzen sah, den grünen Pappschirm vor den Augen, da bereute er bereits, daß er nicht in Kopenhagen geblieben war. Offensichtlich mit großer Überwindung hieß ihn der Vater willkommen und klopfte ihm die Wange. Die Eßzimmertür war geschlossen. Peter Andreas konnte hören, daß drinnen der Fußboden gescheuert wurde. Als er auf dem Tisch ein Tablett mit ein paar Butterbroten stehen sah, wußte er, daß die anderen schon gegessen hatten. Die Mutter lag wie immer im Bett. Ihrem Willkommensgruß fehlte es nicht an Aufrichtigkeit und Wärme. Gerührt küßte sie ihn auf beide Wangen. Aber sein Herz war kalt geworden.

Er war noch zu jung, um zu begreifen, daß man ihm kein anderes Unrecht zufügte, als es meistens den jüngeren in Familien mit vielen Kindern zuteil wird, weil die älteren schon die besten Früchte der elterlichen Liebe geerntet haben. Auch wenn diese Liebe nicht gerade kleiner wird, so ändert sie doch ihren Charakter. Sie verliert den Reiz des Neuen, der alle Fortschritte der älteren so festlich umstrahlt. Als Peter zur Schlafenszeit oben in seiner Dachkammer stand, machte er sich über sich selbst lustig. Er trieb mit seiner Sentimentalität Spott und schwor hoch und heilig, sich nie wieder von solchen Stimmungen zum Narren machen zu lassen.

Und als die Weihnachtstage mit jener gen Himmel gerichteten Feierlichkeit anbrachen, die ihm fremd war, mit den vielen Kirchgängen und frommen Liedern, da zählte er die Stunden, bis er davonkommen und wieder frei und unabhängig in Kopenhagen leben konnte. Auch das Wiedersehen mit den Schulkameraden war nämlich enttäuschend gewesen. Ein paar von ihnen wollten ihn kaum noch kennen, da sie von ihren Eltern beeinflußt worden waren. Weil sein Vater und die Geschwister nur höchst ungern von ihm gesprochen hatten, waren die Leute in der Stadt zu der Ansicht gelangt, er müsse ein auf Abwege geratener Mensch sein. Mehrere ehemalige Schulfreunde fühlten sich außerdem bereits als künftige Akademiker. Wohl hatte er sie alle gleich besucht, doch keiner von ihnen hatte ihn gebeten wiederzukommen.

Gleich nach Neujahr kehrte er dann nach Kopenhagen zurück.


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