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Per war nach Berlin zurückgekehrt, doch es gefiel ihm dort nicht länger. Fritjof war in der Zwischenzeit heimgereist, und so fühlte er sich sehr allein in der großen Stadt. Es war nun auch Herbst geworden. In vielen Geschäften und Cafés brannte den ganzen Tag über Licht. Es goß von früh bis spät in Strömen, und nach den starken Regenfällen stand das Wasser zollhoch auf dem Asphalt. Per saß meistens zu Hause und studierte. Durch angestrengte Arbeit hoffte er die Mutlosigkeit zu überwinden, die er von daheim mitgebracht hatte; doch auch in seinen Räumen fand er nicht Ruhe und Geborgenheit. Seine Zimmerwirtin, Frau Kumminach – ein schlampiges, ungewaschenes Frauenzimmer mit einer faustdicken Geschwulst an der einen Halsseite –, kochte den ganzen Tag lang Sauerkraut; sein Kachelofen rauchte, und aus der Etage über ihm, wo sich eine Nähstube befand, tönte von morgens bis abends das einförmige Rattern von etwa einem Dutzend Nähmaschinen, das ihn mitunter halb verrückt machte.
Überhaupt war er sehr empfänglich für Eindrücke geworden, und so entdeckte er nach und nach die Schattenseiten des modernen Großstadtlebens. Bald nach seiner Rückkehr bekam er durch eine Reihe unbedeutender Ereignisse einen recht intimen Einblick in Lebensweise und Lebensbedingungen einer Millionenbevölkerung, und das wirkte recht abstoßend auf ihn.
Als er seinerzeit die Zimmer mietete, hatte er ausdrücklich die Bedingung gestellt, daß keine anderen Mieter dasein dürften, die ihn in seiner Arbeit stören könnten. Die Wirtin hatte ihm dies hoch und heilig versprochen, ja sogar ein polizeiliches Schreiben vorgewiesen, aus dem hervorging, daß es ihr nicht gestattet war, mehr als die beiden kleinen Zimmer zu vermieten, die er jetzt innehatte. Übrigens bestand die ganze Wohnung nur aus diesen Räumen und einem winzigen grabschwarzen Kabuff hinter der Küche, wo gerade eine eiserne Bettstelle Platz hatte und die Wirtin schlief. Nichtsdestoweniger war er kaum ein paar Tage da, als ihm klar wurde, daß mindestens noch ein Mensch in der Wohnung beherbergt wurde. Des Nachts war er nämlich mehrfach von einem hohlen männlichen Husten geweckt worden. Schließlich entdeckte er, daß dieser vom Wohnungsflur kam oder vielmehr aus einem Hohlraum zwischen der Flurecke und einem schrankähnlichen Gelaß, das als Garderobe diente. Daraufhin hatte er die Wirtin ins Verhör genommen; doch die zungenfertige Alte schwor Stein und Bein, er tue ihr unrecht; selbst als er jetzt eines Sonntagsmorgens einen jungen käsebleichen Burschen in der Küche überraschte, wo er in Hemdsärmeln vor einer Spiegelscherbe saß und sich frisierte, hatte sie sofort eine Ausrede bereit. Per gab es auf, der Sache auf den Grund zu kommen, obgleich er keinesfalls sicher war, daß nicht noch andere nächtliche Gäste in den Ecken und Winkeln der Wohnung versteckt wurden. Eines Nachts hörte er nämlich zugleich mit dem Husten ein tiefes, rauhes Schnarchen, das – soweit er es beurteilen konnte – nicht aus der Kammer der Wirtin kam. Als er sich daraufhin bei anderen erkundigte, erfuhr er, daß der eigentliche Mieter oft als Deckmantel für ein unkontrolliertes Beherbergen vielerlei heimatloser Existenzen diente, von denen es in einer Großstadt wimmelt. Oft waren es verhältnismäßig anständige junge Leute: Handlungsgehilfen, Fabrikarbeiter, Friseurgehilfen, Kellner und dergleichen, für die ein eigenes Zimmer ein überflüssiger Luxus geworden war. Ihre freie Zeit verbrachten sie auf der Straße, in Kneipen, in Tanzlokalen und in öffentlichen Häusern und hatten dann irgendwo Zutritt zu einem Schlafplatz, wo sie sich ein paar Nachtstunden lang ausruhen durften. Sie besaßen nur das, was sie auf dem Leib trugen, und zogen ohne Ankündigung von Stadtteil zu Stadtteil. Diese Lebensweise wurde ihnen zum Teil vom Existenzkampf in den Millionenstädten aufgezwungen. Wer sich daran gewöhnt hatte, dieses von Zufällen abhängige Dasein zu führen, und wer am beweglichsten war, der verschaffte sich auch am leichtesten einen Erwerb. Häusliche Gemütlichkeit, Frieden und Sicherheit waren für diese Menschen völlig fremde Begriffe geworden; es verlangte sie schon nicht mehr danach.
Eines Vormittags hörte Per seine Zimmerwirtin auf dem Wohnungsflur mit einem Mann reden. Es war ein Polizist, der Auskunft über einen Friseurgehilfen haben wollte, der des Nachts in eines der städtischen Krankenhäuser gebracht worden war und ausgesagt hatte, er habe hier seine »Schlafstelle« gehabt. Der junge Mann hatte in einer Kneipe einen Blutsturz erlitten und war gleich nach der Einlieferung im Krankenhaus gestorben. Als Frau Kumminach, die zuerst stumm gewesen war, dies erfuhr, wurde sie auf einmal sehr redselig. Was das für ein Blödsinn wäre! Die Polizei wisse doch sehr gut, daß sie solche Mieter gar nicht haben dürfe. Und noch dazu einen Friseurgehilfen! Wie man bloß darauf verfallen könnte, daß sie – eine anständige Frau, die nur die nobelsten Mieter hatte – solchem Bettelpack Unterschlupf gewähren würde, solchem Lumpenkerl, der obendrein noch brustkrank war und auf der Straße krepierte!
Per lief es eiskalt über den Rücken, als er diese Leichenrede für seinen unbekannten Schlafnachbarn vernahm. Daß der betreffende junge Mann tatsächlich derselbe war, der nachts Zuflucht auf dem Hängeboden im Flur gefunden hatte, davon war er fest überzeugt; seit diesem Tag vernahm er auch nie mehr den hohlen Husten. Er konnte es nicht lassen, daran zu denken, was ihn wohl erwarten würde, falls er beispielsweise hier krank wurde und Pflege brauchte; und er hatte allen Grund, sich darüber Sorgen zu machen, denn er fühlte sich nicht wohl. Auf der Reise hatte er sich erkältet und konnte sich nun bei dem feuchten Wetter nicht recht erholen.
Schon aus diesem Grunde hielt er sich soviel wie möglich zu Hause auf. Er versuchte auch nicht, die Bekanntschaft mit Fritjofs Kunstbrüdern in dem Lokal in der Leipziger Straße fortzusetzen, sondern er aß in einem Restaurant in der Gegend, in der er wohnte. Im Hause des Geheimen Kommerzienrats ließ er sich ebenfalls nicht mehr blicken.
In dieser Zeit der Einsamkeit schrieb er fast täglich an Jakobe. Und seine Briefe waren von der Unruhe geprägt, die ihn beherrschte, obwohl er sich mühte, sie zu verbergen. Über sich selbst schrieb er ganz gegen seine Gewohnheit überhaupt nichts; hingegen berichtete er sehr ausführlich über das Leben in der Stadt, über alles, was er zufällig gesehen hatte.
So verging die Zeit bis Ende November. Da bekam er eines Tages durch Ivan einen Brief von Blackbourn & Gries, der bekannten englischen Ingenieurfirma, an die sein Schwiegervater ihn empfohlen hatte. Von einer Anstellung bei der Firma war allerdings nicht die Rede; er erhielt lediglich die Erlaubnis, die täglichen Arbeiten an einem näher bezeichneten größeren Regulierungsvorhaben verfolgen zu dürfen. Doch auch das konnte für ihn von sehr entscheidender Bedeutung sein, und daher beschloß er, sofort aufzubrechen. Von Dresack, in dessen Nähe die Arbeiten vor sich gingen, wußte er fürs erste nur, daß es ein kleiner Gebirgsort in den österreichischen Alpen war. Er plante nun, dort den Winter über zu bleiben und mit Beginn des Tauwetters über Wien und Budapest an die Donaumündung zu fahren und die dortigen ausgedehnten Baggerarbeiten zu besichtigen. Dann wollte er über Paris und London nach New York.
Auf seiner Fahrt nach Dresack machte er in Linz Station, um die neunhundert Fuß lange Eisenbahnbrücke in Augenschein zu nehmen. Am späten Nachmittag kam er dort an und bekam zum ersten Mal die luftig weiße Zinnenreihe der Alpen zu Gesicht, die den Horizont umrahmte. In der Glut des Sonnenuntergangs schienen die Berge über dem Abendnebel gleichsam zu schweben; es war ein Anblick wie zu Urzeiten der Erde. Am nächsten Vormittag war er mitten in den Bergen, und weil das Wetter strahlend war und er sich außerdem durch eine unaufhörlich redende deutsche Reisegesellschaft belästigt fühlte, die sich ihm aufdrängte, verließ er den Zug auf einer kleinen Landstation und verbrachte trotz der vorgeschrittenen Jahreszeit den Rest des Tages unter freiem Himmel. Es war ihm, als riefe da draußen in der riesigen Stein- und Schneewüste etwas nach ihm. Und höher und höher lockte es ihn hinauf in die Einsamkeit, als werde ihm dort oben geheimnisvoll Erlösung verheißen von allem, was ihn bedrückte und quälte.
Allein und ohne Bergführer folgte er einem Bergpfad, der sich in Windungen an einem steilen kahlen Abhang emporschlängelte. Unten auf der Station hatte man ihm abgeraten, sich ohne Führer auf den Weg zu begeben. Doch er trotzte der Beklommenheit, die diese gewaltige und fremdartige Umgebung in ihm aufkommen ließ, und stieg rasch bergan. So also sah eine Berglandschaft aus! In langen schwelgenden Zügen atmete er die schneekalte Luft ein, schaute hinab zu den Wolken, die tief unter ihm im Tal dahinsegelten, und fand in diesen Stunden ein Verhältnis zur Natur, wie er es bisher nicht gekannt hatte.
Als Junge waren ihm Wald und Wiese der Spielplatz gewesen, nach dem er sich hinaussehnte, um sich frei bewegen und den häuslichen Zwang vergessen zu können. Später hatte er niemals Gelegenheit gehabt, zu einem vertrauteren Verhältnis mit der Natur zu kommen. Er hatte sie in seiner Nyboder Hinterhofstube auf einer Generalstabskarte studiert und sie respektlos in eine Beute seines Schaffensdrangs verwandelt. Sie hatte für ihn nur aus Stein- und Erdmassen bestanden, die ausgenutzt werden mußten. Beim Anblick eines freien Feldes hatten seine Gedanken sofort begonnen, sich mit Sextant und Bandmaß zu beschäftigen. Nie hatte er am Fenster eines Eisenbahnabteils sitzen können, ohne daß sich seine Einbildungskraft unablässig der Landschaften annahm, die er durchfuhr, neue Straßen anlegte, Moore entwässerte, Brücken errichtete und Kanäle grub.
Auch jetzt waren es nicht die Farb- und Linienwirkungen, die ihn beeindruckten. Es war die Größe, der Geist, die Mystik in der Natur, für die ihn seine innere Unruhe nun empfänglich machte. Es war die unendliche Ausdehnung der Massen, die Gewalt der Formen und die ewigkeitstiefe Stille ringsum, die Gefühle und Stimmungen in ihm wachriefen, die neu und seltsam für ihn waren.
Er war einige tausend Fuß hoch geklettert und erblickte vor sich ein ungeheures Schneefeld, das ganz oben von einem kahlen rotgrauen, sonnenbeschienenen Felskamm durchbrochen wurde. Ganz außer Atem vom anstrengenden Aufstieg, mußte er mehrfach anhalten, um Luft zu holen. Und wie er so stand, auf seinen Stock gestützt, und sich umsah in dieser schweigenden Wildnis, versank er in anhaltendes Staunen über seine Empfindungen. Er fragte sich, wie es möglich war, daß etwas Anziehendes, ja den Geist Erhebendes darin sein konnte, Stunde für Stunde durch eine vollkommen leblose Steinwüste zu wandern, durch diese gleichbleibende Stille. Wie konnte etwas so Negatives wie die Tatsache, daß man hier oben nichts hörte, so feierlich befreiend wirken? Oder vernahm man vielleicht doch etwas? Hatten die Gläubigen in gewisser Hinsicht recht, wenn sie von dem sprachen, das »jenseits der Naturerkenntnis« lag? Gab es Schallschwingungen im Weltraum, die vom menschlichen Ohr nicht aufgenommen werden konnten? War das, was wir Tod nannten, vielleicht nur eine andere Form des Lebens, das sich allein wahrnehmen ließ durch die auferweckten Sinne einer »Seele«?
Er erinnerte sich, daß einer der Pastoren, die am Sarg des Vaters gesprochen hatten, das Schweigen in der Natur »Gottes Stimme« genannt hatte und damit erklären wollte, warum die alten Propheten in Augenblicken des Zweifels und der Ohnmacht immer die Einsamkeit der Wüste aufsuchten. Gottes Stimme! – In Wahrheit war es wohl so, daß das Gemüt angesichts des leeren lautlosen Weltraums vom »horror vacui« erfaßt wurde, dem schon die Antike alle Dinge zugeschrieben hatte. Und die Angst schuf Halluzinationen und diese wieder neue Angst, und so war es geblieben durch alle Zeiten hindurch, bis Gott geformt und Himmel und Hölle bevölkert waren.
Abermals stieg er einige hundert Schritte empor und blieb von neuem stehen, um Luft zu schöpfen. Stets dieselbe gefrorene Einöde, dieselbe gefühllose Ruhe! Diese schneebedeckten Steinkolosse vermittelten wahrhaftig eine imponierende Vorstellung von den Kräften, die in jener Urnacht in Bewegung gewesen waren, als Mutter Erde erschaffen wurde. Und während er sie betrachtete, erfaßte ihn das schwindelnde Gefühl, als sei er jenem fernen Naturereignis fühlbar nahegerückt. So seltsam schrumpfte die Zeit beim Anblick dieser erstarrten, in ewiger Gleichgültigkeit ruhenden Steinmassen, die noch genauso nackt und unberührt dalagen, wie sie vor Millionen Jahren, »aus der Hand des Schöpfers hervorgegangen waren«, wie es hieß. Warum nicht gar! Der Schöpfer? Ein glühender Urnebel! Ein aufgelöstes Sonnensystem! . . . Und dahinter? Leere! Leere! Eisige Kälte! Totenstille.
Es wurde Abend, ehe er wieder auf der Station anlangte. Hier machte man sich schon Sorgen um ihn. Im Gasthof, wo er sein Gepäck zurückgelassen hatte, war bereits davon gesprochen worden, Leute loszuschicken, ihn zu suchen. Müde von den Anstrengungen des Tages und den Kopf schwer von zu vielen Gedanken, wollte er sogleich ins Bett gehen; doch schon bei seiner Ankunft am Vormittag hatte er bemerkt, daß sich im Ort etwas Ungewöhnliches zutrug. Über der Tür des Gasthofs hing ein Gewinde aus Tannengrün. Man war so beschäftigt gewesen, daß man kaum Zeit fand, ihm ein Zimmer zuzuweisen. Nun stellte sich heraus, daß hier Hochzeit war. Es wimmelte von Menschen, und auch er wurde sofort zu dem Fest eingeladen. Beim ersten Mal lehnte er ab. Kaum war er jedoch in sein Zimmer geschlüpft, als an die Tür geklopft wurde. Herein traten zwei junge Mädchen, Arm in Arm. Sie knicksten tief und sagten durcheinanderredend und mit viel Gekicher und Ellenbogenstoßen einen langen Vers auf, von dem er gerade so viel verstand, daß Bräutigam und Braut um die Ehre baten, ihn als ihren Gast begrüßen zu können. Da war er überwunden und mußte die ganze Nacht essen und trinken und tanzen, so daß er zuletzt ganz benommen davon war.
In der Diele, die hoch und groß war wie eine Scheune, wurde in nagelbeschlagenen Stiefeln zu Zither- und Harmonikaklängen getanzt. In der Stube waren zwei lange Tische gedeckt; auf dem einen lag eine gebratene Ziege mit vergoldeten Hörnern. Der Wein wurde in großen Blechkannen kredenzt. Im Laufe der Nacht entwickelte sich eine solche Trunkenheit und Offenheit zwischen den Geschlechtern, daß all das in einem seltsamen Widerstreit zu den vielen Kreuzen und Heiligenbildern stand, die das Haus schmückten und überall in diesem Land am Wege aufgestellt waren.
Per sah dieses ländliche Bacchanal und wurde allmählich froh. Er dachte daran, was Fritjof stets gepredigt hatte: Solche Naturkinder waren im Grunde am glücklichsten. Mit einem Knicks vor zwei kreuzförmig zusammengenagelten Stäben lösten sie alle Rätsel des Lebens und des Todes und ließen die Fiedel klagen.
Es war seine Absicht gewesen, am nächsten Morgen weiterzufahren; doch es vergingen ein, zwei, ja mehrere Tage, ehe er wegkam. Auf der Hochzeit hatte er ein junges Mädchen kennengelernt, das ihn gefangenhielt; es war ein kräftiges Bauernmädchen, etwas schwerblütig und derb, wie es die Frauen in den Alpen oft sind, doch mit einer lustigen Stupsnase und jenem kornblonden Haar, das stets einen besonderen Reiz auf ihn ausgeübt hatte. Zufällig hatten sie beide in der Diele nebeneinander auf einer Bank gesessen. Er hatte dem Tanz zugesehen, und sie waren ins Gespräch gekommen. Er konnte nicht viel verstehen von dem, was sie sagte, und sie verstand ihn gar nicht. Dafür lachten sie viel und waren schnell vertraulich geworden. Sie war über die Zwanzig und wohnte ein wenig außerhalb des Ortes mit ihrer Mutter, deren Nachsicht Per mit ein paar Zwanzigguldenstücken gewann.
Er gab sich dieser Verbindung mit wilder Unbeherrschtheit hin und war gleichzeitig aufrichtig beschämt darüber, daß er Jakobe untreu geworden war. Doch er mußte fort von den müßigen Grübeleien, die ihn seit dem Tode des Vaters gequält hatten und schon anfingen, ihn gemütskrank zu machen. Er begriff, daß er sich vor allem vor der Einsamkeit hüten mußte. Wenn er nicht bei dem Mädchen war, verbrachte er daher die Zeit in der Gastwirtschaft mit dem Wirt und anderen Leuten aus dem Ort. Es floß der Wein, die Gespräche waren munter, und der Rauch aus den Pfeifen ließ die Luft in der Schankstube blau werden. Beständig erweiterte sich der Kreis um ihn, und die abenteuerlichsten Gerüchte über seine Herkunft und sein fürstliches Vermögen schwirrten durch die Gegend.
Nach einer Woche brach Per plötzlich auf. Eine weinselige Schar von Freunden begleitete ihn bis zur Station, während das blonde Mädchen daheim auf der Bettkante saß und weinte.
Doch der Schatten des Vaters begleitete ihn.
Dresack lag in einer schmalen, sonnenlosen, eineinhalb Meilen langen Schlucht, auf deren Grund ein Fluß dahinschoß und eine ununterbrochene Kette kleinerer Wasserfälle bildete. Zu beiden Seiten der Schlucht waren die Bergabhänge fast bis zu den Spitzen bewaldet; im Süden wurde die Aussicht durch einen mächtigen, vollkommen kahlen rotgrauen Felsen verschlossen, durch den Hohen Goll, dessen Schneerücken an den meisten Tagen des Jahres von Wolken verdeckt war. Der Ort lag am Fuße des Felsens und bestand aus zwei Reihen eng aneinandergebauter Holzhäuser, die eine S-förmige, stark ansteigende Straße bildeten in Fortsetzung der Landstraße, die sich am rechten Flußufer hinzog. Etwas unterhalb des Fleckens, auf der Kuppe eines ein wenig vorgeschobenen Hügels, um den sich der Fluß schlängelte, stand eine alte Burgruine, die aussah wie ein Backenzahn und als Gerichtsgebäude benutzt wurde. Auf der anderen Seite erhob die Kirche ihren lanzenspitzen blutroten Turm über die Ortschaft.
Bis vor einem dreiviertel Jahr hatten sich zu beiden Seiten des Flusses fruchtbare Wiesen ausgedehnt, und der größte der Wasserfälle hatte ein paar Sägewerke und eine Mühle betrieben. Jetzt war die Talsohle ein Chaos von Schieferblöcken, Kiesbergen, Steinhaufen und Ansammlungen umgestürzter Bäume. Ganze Waldstrecken lagen da, die Wurzeln nach oben gekehrt und die Wipfel im Lehmschlamm begraben. Hier und da ragten zwischen Steinen und Baumwurzeln Reste von Bauwerken heraus: ein zersplitterter Balken, einige rostige Maschinenteile. Der ganze tiefer gelegene Teil Dresacks mit dem Bahnhofsgebäude war eines Nachts weggeschwemmt worden, als im Frühling der Hohe Goll nach achttägigem Dauerregen seine weißen Locken geschüttelt hatte. Und so plötzlich war die Flut gekommen, daß die Leute sich im bloßen Hemd aus den Häusern retten mußten. Fünf Menschen und an die fünfzig Stück Vieh waren vom Strom fortgerissen worden und an den Felsen zerschellt.
Nach acht Monaten war man mit den Aufräumungsarbeiten nun so weit gekommen, daß die Bahnlinie wieder befahren werden konnte. Die weggerissenen Teile der Landstraße mußten vorläufig durch Holzbrücken ersetzt werden. Außerdem hatte man angefangen, das Strombett durch Sprengungen mit Dynamit zu regulieren. Der Plan sah vor, eine Art Notabfluß hinter dem vorgeschobenen Hügel zu schaffen, auf dem sich die Burgruine erhob und der teilweise durch seine Lage die Überschwemmung verursacht hatte. An die hundert Arbeiter waren hier täglich beschäftigt, und drei Ingenieure von Blackbourn & Gries hatten sich in Dresack einquartiert.
Per wohnte bei einer alten Sattlerwitwe, die ungefähr in der Mitte des Ortes in einem geteerten Fachwerkhaus mit Steinen auf dem Dach und einer halbgeschlossenen Holzgalerie, die den Blick auf das Tal freigab, lebte. Er hatte hier zwei geräumige, aber dunkle und niedrige Stuben im oberen Stockwerk und war ziemlich feldmäßig eingerichtet, was die Gemütlichkeit der Behausung nicht gerade steigerte. Trotz seines fast kleinlichen Ordnungssinns und Drangs nach Bequemlichkeit fehlte ihm jegliche Fähigkeit, Wohnlichkeit um sich zu schaffen. Es war, als prägte seine innere Unruhe sogleich auch die Räume, die er bezog. Vom Arbeitszimmer führte eine Tür auf die überdachte Galerie. Hier stand er in der ersten Zeit oft des Abends, eingehüllt in seinen Reiseschal, und schaute über die düstere, unheimliche Bergschlucht zu den mondbeschienenen Schneefeldern des Hohen Golls hinauf. Tief unter ihm im Dunkel brauste der Fluß, dessen unregelmäßigen Lauf er gerade noch an dem großen Steinchaos erkennen konnte, das hier und dort erleuchtet wurde durch Wachtfeuer, wo am Tage gesprengt worden war.
Das auf seine Weise feierliche und doch so niederschmetternde Gefühl der Ohnmacht gegenüber der Natur, das ihn beim ersten Anblick der Steinriesen der Alpen ergriffen hatte, verringerte sich hier nicht. In seiner Abhandlung hatte er siegesgewiß verkündet, daß die Menschheit, die bislang der ängstliche Sklave der Elemente gewesen war, bald selbst den Donner vor ihren Triumphwagen spannen und dem Sturm die Peitsche aus der Hand reißen würde. Nun mußte er angesichts dieser wilden Zerstörungen erkennen, daß die Menschen immer noch von der Gnade der Natur lebten.
Nach einem Aufenthalt von zwei Wochen schrieb er an Jakobe, die ungeduldig darauf gewartet hatte, daß er seine endlich erschienene Kampfschrift gegen böswillige Angriffe verteidigte, die in einer Fachzeitschrift veröffentlicht worden waren: »Du fragst, ob ich ›Industritidende‹ nicht bekommen habe, und Du scheinst verwundert, daß ich wegen der niederschmetternden Beurteilung meines Buches nichts von mir habe hören lassen. Doch warum sollte ich eigentlich antworten? Was bedeutet diese Kritik? Du schreibst, Du hättest Dich darauf gefreut, zu sehen, wie ich meinen Gegner schlage und seine falschen Rechenexempel wie mottenzerfressene Strümpfe in Fasern auflöse; doch mir scheint, Du nimmst die ganze Sache viel zu feierlich. Herrgott noch mal – es ist doch bloß ein Buch – und noch dazu eins, mit dem ich nicht mehr zufrieden bin. Hin und wieder sind jugendliche Torheiten darin, die man besser hätte vermeiden sollen. Leider – so demütigend es auch für uns ist – sind wir gezwungen zuzugeben, daß unsere Herrschaft über die Natur vorläufig nur schwach befestigt ist. Hierin muß wahrscheinlich auch die Erklärung für die Tatsache gesucht werden, daß so viele, sogar verhältnismäßig aufgeklärte Leute in der Natur einen Ausdruck für die unveränderliche Macht und den Willen eines ewig Lenkenden erblicken.«
Auf diesen Brief antwortete Jakobe nicht, und Per kam später ihr gegenüber nie wieder auf sein Buch oder dessen Schicksal zu sprechen. Im Grunde war er gar nicht unzufrieden mit dem Schweigen oder der Gleichgültigkeit, mit der die Schrift allerorts aufgenommen wurde, mit Ausnahme der wenig gelesenen »Industritidende«. Überhaupt wurden seine Briefe im Laufe des Winters immer kürzer und seltener. Er schrieb vor allem über das Wetter, den Fortschritt der Räumungsarbeiten und dergleichen mehr. Er erzählte kleine Geschichten aus dem Leben des Fleckens, meist in einem humoristischen Ton, der die geistige Krise verdecken sollte, in der er steckte und deren Bedeutung ihm endlich klargeworden war.
In Wirklichkeit erlebte er auch nicht viel mehr als das, worüber er aus Beschämung nicht schreiben wollte. Bei der Arbeit traf er die Ingenieure von Blackbourn & Gries zwar täglich, pflegte aber sonst keinen Verkehr mit ihnen. Es waren drei kaltblütige Whiskytrinker, die sich in allen Erdteilen herumgetrieben und ihn gleich vom ersten Tag an mit kränkender Überlegenheit behandelt hatten, unter anderem deswegen, weil er sich furchtbar schlecht auf englisch ausdrückte. In diesem Verhältnis trat allerdings eine Änderung ein, nachdem er den Weihnachtsabend mit ihnen im Gasthaus »Zum guten Nachbarn«, ihrem Stammlokal, verbracht hatte. Bei dieser Gelegenheit hatte er sie nämlich allesamt so gründlich unter den Tisch getrunken, daß zwei gleich im Gasthaus ins Bett gebracht werden mußten. Den dritten fuhr man auf einer Schubkarre nach Hause. Danach betrachtete Per seine Ehre als wiederhergestellt, und die drei Berufskollegen änderten von diesem Tage an auch wirklich ihr Verhalten ihm gegenüber vollständig. Trotzdem suchte er nicht ihre Gesellschaft und ließ sich nur selten im »Guten Nachbarn« blicken.
Die langen Abende verbrachte er auf seinen Zimmern mit Lesen; und in der Regel wurde es sehr spät, ehe er seine Lampe löschte. Aufs neue hatte er sich mit seinem ganzen jütischen Starrsinn darangemacht, Kenntnisse zu erwerben, die seinem eigentlichen Fachgebiet fernlagen; doch nicht wie im Vorjahr, um seine Eitelkeit zu befriedigen und in der Gesellschaft ein Wort mitreden zu können, sondern aus echtem, tiefempfundenem Bedürfnis nach eingehenderem Wissen und nach einer fundierten Lebensanschauung. Bei seiner Lektüre verfuhr er planmäßig. Wie er es von der Mathematik und den Naturwissenschaften her gewohnt war, wo man Beweise durch ständiges Schlußfolgern sucht, ging er von einem Buch zum andern über, auf das irgendwo verwiesen worden war. So verfolgte er einen Gedankengang ständig zurück zu noch älteren Schriften, um hierdurch zur ursprünglichen Begründung, zum einfachen, endgültigen Wahrheitsbeweis zu kommen, der alle Zweifel zerstreute. Damit Jakobe nichts davon erfuhr, ließ er sich die Bücher direkt von einem Kopenhagener Buchhändler schicken, ohne – wie sonst – Ivan als Mittelsmann zu benutzen. Nach und nach stapelten sich auf seinem Arbeitstisch philosophische, ästhetische und theologische Schriften.
Doch je mehr er las, desto verwirrter wurde er. Bei seinem standhaften Suchen nach dem allerschöpfenden Wort, das auf ewig alle abergläubischen Vorstellungen von einem »Jenseits« beseitigen könnte, tappte er im Dunkeln umher wie ein beständig genarrter Blindekuhspieler. Sooft er dem Beweis ganz nahe zu sein meinte, ertönte ein Hier aus dem entgegengesetzten Ende der widerhallenden Gedankenwelt, oder er rannte mit der Stirn gegen eine Mauer, irgendein ihm unzugängliches Werk eines alten griechischen oder lateinischen Philosophen. Dennoch gab er die Hoffnung nicht auf. In seinem fanatischen Glauben an das Buch, wie er sich bei Autodidakten nach und nach entwickelt, blieb er manches Mal auch tagsüber zu Hause, um ein Ergebnis zu erzwingen. Denn er hatte Eile! Wochen und Monate waren jetzt vergangen, und er hatte den festen Vorsatz gefaßt, nicht eher von Dresack abzureisen, bis er vollkommene Klarheit, absolute Sicherheit erreicht hatte.
Anfang März kam er eines Abends von einem der Arbeitsplätze jenseits des Gebirgsflusses nach Hause. Müde von den Anstrengungen des Tages, ging er schleppenden Schritts in den langschäftigen Stiefeln. Seit einigen Tagen lag Frühling in der Luft. Von den Bergen her hörte man häufig das Donnern der Lawinen, und das Wasser im Fluß war um mehrere Fuß gestiegen. Der Jahrestag der großen Katastrophe rückte heran. Per, den das viele fruchtlose Grübeln und sein einsames Leben zwischen den drohenden Felswänden ohnehin schon sehr nervös gemacht hatte, wurde von der gesteigerten Unruhe der Bevölkerung angesteckt. Die Zeitungen hatten bereits von mehreren schweren Bergrutschen im Hochgebirge berichtet.
Die Sonne war gerade hinter dem Bergkamm im Westen untergegangen. Der weiße Gipfel des Hohen Goll glühte, und Lavaströmen gleich schien der Schnee an seinen Seiten herabzufließen.
Auf der provisorischen Holzbrücke, die über den Fluß gebaut worden war, standen wie stets ein paar Männer mit langen gabelförmigen Spießen, mit denen sie die Holzstücke auffischten, die den Fluß hinunterschwammen. Per verweilte hier meistens einen Moment und sah den Holzfischern zu, deren spitze Stangen mit fabelhafter Sicherheit selbst das kleinste Stück trafen, das im wirbelnden, schäumenden Wasser dahintanzte. Diesen Abend schritt er jedoch teilnahmslos an ihnen vorbei und beantwortete in seiner Zerstreutheit ihr »Gott zum Gruß*« mit einem dänischen »Godaften«.
Mit seinen Gedanken war er in der Heimat. Er dachte unter anderem darüber nach, ob wohl heute endlich ein Brief von Jakobe eingetroffen sei. Über eine Woche schon hatte er nichts von ihr gehört und konnte den Grund für dieses plötzliche Schweigen nicht begreifen. Allerdings hatte auch er seit einiger Zeit nicht Nachricht von sich gegeben; es war ihm allmählich zu einer Art seelischer Qual geworden, diese gleichgültigen Briefe voller Verstellung ausarbeiten zu müssen. Aber sein Schweigen, fand er, hätte für Jakobe nur ein Grund mehr zum Schreiben sein sollen. Er konnte ja krank geworden sein, ein noch schwereres Unglück konnte ihn getroffen haben, wodurch es ihm unmöglich war, zur Feder zu greifen.
»Ist ein Brief für mich da?« fragte er seine Wirtin, die alte Frau Babi, die herausgeeilt war, die Haustür zu öffnen, nachdem sie ihn vom Fenster aus hatte kommen sehen.
»Nein, Herr!« erwiderte die kleine Frau mit einem ängstlichen Knicks.
Als Per sein Zimmer betrat, konnte er es dennoch nicht lassen, verstohlen nach dem Arbeitstisch hinüberzublicken, wo Jakobes längliche Briefumschläge mit der großen Steilschrift ihm sonst regelmäßig jeden zweiten Tag entgegengeleuchtet hatten. Da zuckte er gleichgültig die Achseln, ging eine Zeitlang leise pfeifend im Zimmer auf und ab und mühte sich vergeblich, die Mißstimmung abzuschütteln. Darauf setzte er sich schweigend in einen alten Lehnstuhl vor dem offenen Kamin, wo ein paar mächtige Holzscheite brannten. Schnell kam die Dämmerung, und die Dunkelheit wuchs aus allen Ecken des ungemütlichen Zimmers, während er, die Arme auf die Knie gestützt, in die Flammen starrte. Jakobes Schweigen begann ihn zu beunruhigen. Ob sie krank geworden war? Nein, in dem Fall hätte er es sicher von Ivan erfahren. Etwas anderes mußte dahinterstecken. Doch was?
Er stellte sie sich vor, wie sie wahrscheinlich in diesem Moment am festlich gedeckten Abendbrottisch daheim mit ihren Eltern und Geschwistern saß. Er sah die breite Tafel unter dem großen strahlenden Kronleuchter, das zierliche Gedeck, den Blumenaufsatz und die nie fehlenden Schalen mit Früchten . . . Philip Salomon am Tischende in seinem vergoldeten Lederstuhl mit der hohen Lehne, die Serviette unter dem Kinn . . . Ivan, Nanny und die anderen Kinder, ganz nach Belieben gesetzt, ohne Rücksicht auf Alter oder Geschlecht . . . alle sorglos plaudernd und durcheinanderredend . . . nur Jakobe wie immer still und teilnahmslos, blaß und ernsthaft, die »Weisheitseule«, wie der Vater sie scherzhaft nannte, »Institutsvorsteherin Striks«, wie Nanny sie weniger gutmütig getauft hatte.
Plötzlich glitt eine neue Figur ins Bild . . . Eybert. Per wußte, daß Jakobes alter Verehrer wieder im Salomonschen Hause verkehrte. Vor einiger Zeit hatte sie selbst davon erzählt. Im Grunde hatte sie sicher niemals ihre Neigung für diesen geschniegelten Mäßigkeitsapostel überwunden. Wenn er es recht bedachte, so war in ihren letzten Briefen etwas Zurückhaltendes, gleichsam Unschlüssiges und Geheimnisvolles gewesen. Spielte sie vielleicht mit dem Gedanken, ihre Verlobung mit ihm zu lösen? Sollte ihr Schweigen ihn schonend darauf vorbereiten? War das ihre Absicht?
Na ja, weder was ihn noch was sie betraf, waren die Gefühle, die sie zusammengeführt hatten, von erhabener Natur gewesen; jedenfalls beruhten sie nicht auf dem harmonischen Zusammenklang ihrer Charaktere. Vor allem in jüngster Zeit war ihm mit unheimlicher Deutlichkeit klargeworden, wie grundverschieden sie in jeder Hinsicht waren. Sehr deutlich spürte er: Hätte er sich zu einem Eingeständnis über das hinreißen lassen, was seinen Sinn und seine Gedanken in diesem Winter beschäftigte, sie würde es nie verstanden haben. Er erinnerte sich an verschiedene höhnische Bemerkungen von ihr über die religiösen Skrupel der Menschen. Vielleicht war es für beide Teile wirklich am besten, wenn sie sich jetzt trennten, bevor größerer Schaden angerichtet wurde.
Wie er so dasaß, vertieft in diese trüben Dämmerstundengedanken, öffnete sich die Tür zur Treppe hin, und Frau Babi schlüpfte herein. Im Gesicht der kleinen Frau und auch in ihren schnellen, scheuen Bewegungen lag etwas Mausähnliches, das Per vom ersten Tag an die einfältige Trine in Nyboder erinnerte. Mitunter vermochte er sich nur schwer von der abergläubischen Vorstellung frei zu machen, daß es dieser sklavenhaft gehorsame Geist aus den Jahren seiner Armut war, der hier in Gestalt eines alten Mütterchens für ihn sorgte.
Sie war gekommen, um die Lampe anzustecken und den Tisch für das Abendessen zu decken; als sie aber beim Schein des Kaminfeuers sah, daß Per noch die langen schmutzigen Stiefel trug, holte sie erst aus der Schlafstube seine Hausschuhe. »Möchte der Herr nicht wechseln?« fragte sie und stellte die Schuhe vor ihn hin.
Per antwortete nicht. Erst als sie die Lampe angezündet hatte und die Fensterläden schloß, wurde er sich ihrer Gegenwart bewußt. Kurz danach ging sie wieder hinaus.
Er blieb am Kamin sitzen. Die Arme schwer auf die Knie gestützt, starrte er in das verlöschende Feuer und versank schnell wieder in finsteres Grübeln. Jetzt dachte er jedoch nicht mehr an Jakobe. Wie stets, wenn seine Gedanken jetzt einen Moment lang sich selbst überlassen waren, flogen sie hinüber zur Mutter, umflatterten unruhig das Pfarrhaus und das Grab des Vaters. Plötzlich fuhr er zusammen – wie es stets der Fall war, wenn ihm im Wachen oder Träumen die Uhr des Vaters einfiel. Obgleich er jetzt gut begriff, daß ebensoviel Angst wie Trotz oder Hohn ihn damals zum Handeln veranlaßt hatte, schob er doch die Erinnerung an diese Begebenheit am liebsten von sich und bemühte sich, an anderes zu denken.
Er erhob sich schnell. Frau Babi, die unten in der Küche gewesen war, kam im gleichen Augenblick herein und brachte das Abendessen.
»Was haben Sie heute für mich?« erkundigte er sich.
»Ein wenig Schinken, mein Herr.«
»Ewig Schinken!« brummte er. Er mußte seiner schlechten Laune Luft verschaffen. »Sie könnten wirklich ein bißchen erfinderischer sein.«
Während die Wirtin den Tisch deckte, trat er auf die Galerie hinaus und ließ sich einen Augenblick von der eiskalten Brise umwehen, die vom Hohen Goll herab durch das Tal strich. Es war jetzt völlig dunkel. An den Arbeitsplätzen flackerten ein paar Wachtfeuer, und vor dem neuen Bahnhofsgebäude schimmerten eine Reihe Öllampen mit trübem Schein.
Überall war es still. Man hörte nur den Bach und das dumpfe Rollen eines Eisenbahnzuges in weiter Ferne. Einmal drang auch ein schwacher Lawinendonner herüber. Über den Berggipfeln lagerten schwere schwarze Wolkenmassen; doch genau über seinem Kopf spannte sich ein klarer Sternenhimmel.
In den vergangenen Monaten hatte er oft nachts hier gestanden, ermüdet und niedergeschlagen von seiner unfruchtbaren Lektüre, hatte hinaufgestarrt in das leuchtende Sternengewimmel. Dann stellte er sich vor, daß diese goldene Himmelsschrift vielleicht die Lösung des Rätsels von Leben und Tod enthielt für den, der ihre Zeichensprache zu deuten wußte. Und was für mystische Zeichen! Wie in der ältesten Bilderschrift aus dem Kindheitsstadium der Menschheit waren hier allerlei Tiergestalten einfältig in punktierten Flammenlinien aufgezeichnet: Löwe, Bär, Schlange, Stier – das erste Abc der Menschheit. Und inmitten all der wilden Tiere stand das Kreuzeszeichen, das deutlicher und stärker funkelte als irgendein anderes Sternbild, von der Milchstraße umstrahlt wie von einem Glorienschein.
Er zuckte nervös zusammen. Aus dem Tal ertönte ein langgezogenes Pfeifen. Der Schnellzug von Norden kündigte sein Kommen an. Die roten Feueraugen der Lokomotive durchglühten schon das Dunkel da draußen; man konnte hören, wie Gegendampf gegeben wurde, und ein paar Minuten später hielt der kurze Zug schnaufend wie ein müdes Pferd vor dem Bahnhofsgebäude. Ein paar Wagentüren wurden auf- und zugeklappt, eine Glocke ertönte, und der Zugführer gab das Signal zur Weiterfahrt.
Per folgte dem erleuchteten Zug mit den Augen, bis er mit kurzem schlangenartigem Zischen in den Tunnel unter dem Hohen Goll geschlüpft war. Und wie so oft, dachte er bei diesem Anblick, daß er nur zu wollen brauchte, und er befände sich in wenigen Stunden Hunderte Meilen von diesem Steingefängnis entfernt in dem er nun bald drei Monate eingeschlossen saß. Schon am folgenden Tag würde er, umgeben von Sommersonne und Blumenduft, durch die freie, lachende Natur Norditaliens rollen. Er war ja sein eigener Herr, an keinerlei Verpflichtungen gebunden. Doch was würde das nützen? Was half es ihm, weiter in die Welt hinauszureisen, wenn er den Alp nicht abschüttelte, der seine Gedanken im Schlaf fesselte und ihm Mut, Blut und Tatkraft aussog? Nein, hier hatte er den Kampf aufgenommen – hier mußte er auch zu Ende geführt werden. Hier in diesem grabesdunklen Bergkeller wollte er das gespenstische Ungeheuer besiegen . . . oder . . . oder selbst besiegt werden.
Als er wieder ins Zimmer trat, war der Tisch gedeckt. Frau Babi wartete unterwürfig neben seinem Stuhl, um ihn ihm unterzuschieben, wenn er sich setzte.
»Nun schön!« rief er in einem nochmaligen Anlauf, sich in frohe Laune zu bringen. »Da wollen wir mal in Gottes Namen den Schinken vertilgen!«
»Der Herr darf nicht böse sein«, stammelte die kleine Frau schuldbewußt, »aber 's ist hier halt schlecht bestellt mit dem frischen Fleisch.«
Ganz Trines Stimme! dachte Per. »Nehmen Sie es nicht so ernst«, erwiderte er jetzt ganz sanft. »Ich bin ein bißchen überreizt in letzter Zeit. Aber mir ist etwas verquer gegangen.«
»Ich hab es mir allweil schon denken können. Die letzten Tag hat der Herr ja auch ganz elend ausgesehen.«
»So«, bemerkte er und fühlte sich sofort weniger wohl. Nach kurzer Zeit räusperte er sich und stellte fest, daß sein Hals rauh war. Es steckte wohl immer noch die Erkältung von Berlin in seinen Gliedern. Gewiß war er gezwungen, einen Arzt zu konsultieren und seine Lunge untersuchen zu lassen.
Im selben Augenblick wurde unten an die Haustür geklopft, und Frau Babi ging hinunter, um zu öffnen. Kurz darauf kehrte sie mit glühenden Wangen zurück und berichtete, unten stehe eine Dame, die mit dem Herrn sprechen wolle.
»Eine Dame?« fragte Per und ließ die Gabel sinken. »Das muß ein Irrtum sein, ich kenne niemanden hier.«
»Es ist auch eine fremde. Sie ist gewiß mit dem Zug gekommen.«
». . . mit dem Zug gekommen«, wiederholte Per betroffen und sah sie unsicher an.
Draußen auf der Treppe hörte man jetzt Schritte. Einen Augenblick später stand lächelnd eine brünette Dame im Reisekostüm in der Tür. Ein kostbarer Pelzmantel hing lose von ihren Schultern herab.
»Ich habe deine Stimme gehört«, sagte sie. »Guten Abend! Erschrick nur nicht!«
Per war aufgesprungen. »Aber . . . Jakobe!«
»Ja, ich bin es wirklich!« fuhr sie scheinbar seelenruhig fort – mit erkünstelter Selbstbeherrschung, wie es ihre zarten Nerven bei starken Gemütsbewegungen erforderten.
»Aber – was – wieso?«
»Ja, ich hätte natürlich telegrafieren sollen; aber ich hatte auf der ganzen Fahrt nicht an einer einzigen Stelle Gelegenheit dazu. Und dann dachte ich auch, vielleicht ist es recht nett, dich zu überraschen. Ich nahm an, daß ich dich zu Hause treffen würde. – Aber so hilf mir doch endlich aus meinem Mantel! Du bist wirklich wenig galant!«
Erst als sie den weiten Reisemantel abgelegt, den Hut abgesetzt und das Haar etwas geordnet hatte, ließ sie sich von dem völlig verwirrten Per, der zögernd die Arme ausstreckte, umfangen. Obgleich sie vor Ungeduld zitterte, sich ihm an die Brust zu werfen, begnügte sie sich damit, seinen Kopf zwischen beide Hände zu nehmen und ihn kameradschaftlich auf die Stirn zu küssen. »Willkommen, sagt man ja wohl. Oder bist du nicht ein bißchen froh, mich zu sehen?«
Anfangs war sich Per gar nicht darüber im klaren, was für ein Gefühl es war, das ihn bei ihrem Anblick so mächtig erfaßte. Sein erster Gedanke – den ihm sein böses Gewissen eingab – war gewesen, daß sie gekommen sei, um zu spionieren. Doch nun, da er sie in seinen Armen hielt und ihre großen dunklen Augen im Opfermut der Liebe strahlen sah, verstand er plötzlich alles. Es war, als zerspränge in diesem Augenblick ein eiserner Ring, der seine Brust zusammengepreßt hatte. Zum ersten Mal seit seiner allerersten naiven Verliebtheit in die Sattlerstochter aus Kjerteminde erfaßte ihn eine Rührung, die ihm die Augen naß werden ließ.
»Deswegen hast du also nicht geschrieben!«
»Und das hast du nicht verstanden?«
Beim Anblick von Pers feuchten Augen brachen die Tränen in ihren eigenen hervor. Als sie hörte, wie sich die Tür hinter Frau Babi schloß, die endlich begriffen hatte, daß sie überflüssig war, konnte sie sich nicht länger beherrschen. Leidenschaftlich schlang sie die Arme um seinen Hals.
»Du hast dich doch ein bißchen nach mir gesehnt! . . . Und jetzt bin ich bei dir! Endlich ist es wahr! Und nicht länger nur Traum!« Mit geschlossenen Augen schmiegte sie sich an seine Brust. »Nein, es ist kein Traum! Ich höre wieder, wie dein starkes Herz pocht. Ach, Per, mein Liebster. Mein Geliebter! Tausendmal mein Geliebter!«
Lange standen sie so, eng umschlungen. Schweigend strich Per mit der Hand über ihr Haar. Noch immer konnte er keine Worte finden, so überwältigt war er und so viele Fragen gingen ihm im Kopf herum. Endlich faßte er sich, so daß sie beginnen konnten, Fragen zu stellen und in geordneten Sätzen Antwort zu geben.
»Warum ich dir nicht geschrieben habe, daß ich komme?« begann Jakobe, als sie schließlich nebeneinander auf einer Holzbank zwischen den Fenstern Platz gefunden hatten. Hand in Hand saßen sie hier und unterbrachen jeden Augenblick ihr Gespräch, um sich zu küssen. »Nein, das konnte ich nicht, Liebster! Denk dir, bis zuallerletzt wußte ich ja gar nicht, ob es gelingen würde. Ich hatte zwar den Plan seit langem gefaßt, denn ich fühlte, daß ich hierher mußte, ehe du noch weiter wegfahren würdest . . . Ich spürte, du warst mir fremd geworden in diesem langen Winter; du hast so wenig von dir selbst geschrieben. Am Ende wußte ich gar nicht mehr, was ich von dir glauben sollte, Per! . . . Da sagte ich zu Vater und Mutter, ich möchte Klara Hertz in Breslau besuchen; du weißt, ich habe dort eine Jugendfreundin. Das fanden sie nur natürlich; aber trotzdem getraute ich mich nicht, dir davon zu schreiben . . . Ich hatte einfach nicht den Mut dazu; es konnten mir noch hunderterlei Dinge dazwischenkommen. Und – stell dir meinen Schrecken vor – im allerletzten Augenblick verfiel Ivan sogar auf die Idee, mich zu begleiten. Das habe ich ihm jedoch ausreden können. Und nun hast du mich hier!«
Bei ihrer Erzählung hatte Per mehrfach die Augen niedergeschlagen. Er kannte ihre große Wahrheitsliebe und verstand gut – und etwas in ihrem Ton verriet es unfreiwillig –, welche Überwindung es sie gekostet hatte, sich bei Eltern und Geschwistern in so viel Ausflüchte zu verwickeln. Und all das hatte sie geopfert, all diese Ängste hatte sie ausgestanden, so vielen Gefahren und Vorurteilen hatte sie getrotzt – einzig und allein, weil sie empfunden hatte, daß er sie brauchte!
Vor Scham über das, was er noch vor sehr kurzer Zeit hier über sie gedacht hatte, wagte er es nicht, sie anzusehen. »Und jetzt?« fragte er unsicher. »Jetzt bleibst du hier?«
»Für zwei Tage, ja. Länger möchte ich sie zu Hause nicht ohne Brief lassen. Dann reise ich nach Breslau. – Hier im Ort gibt es doch sicher ein Gasthaus, wo ich ein Zimmer bekommen kann?«
»Nein, da sollst du nicht wohnen, da ist es zu häßlich. Du bleibst hier, und ich ziehe solange ins Hotel. Vorhin hast du ja meine Wirtin gesehen. Sie ist eine brave Frau, die für dich gut sorgen wird.«
»Ja, wie du willst. – Doch jetzt, Liebster«, sagte sie und strich ihm mütterlich mit der Hand über das Haar, wobei sie ihm in die Augen zu sehen versuchte, »bist du an der Reihe, mir alles zu erzählen. Wie geht es dir? . . . Nicht besonders? . . . Du siehst ein bißchen überanstrengt aus.«
Per wurde unruhig und schaute zur Seite, um ihrem Blick auszuweichen. »Ach, es ging mir eigentlich recht gut. Natürlich – sehr lustig ist es hier nicht gewesen. Doch die Gegend ist in gewisser Hinsicht großartig . . . und die Arbeit war tatsächlich interessant und lehrreich.«
Langsam hatte ihm Jakobe ihre Hand entzogen, und einige Augenblicke herrschte Schweigen. Dann wandte sie sich ihm wieder zu und legte den Arm um seinen Nacken. »Per«, drang sie in ihn, »warum hast du zu mir kein Vertrauen? Meinst du wirklich, du kannst dich vor mir verstecken? . . . Nein, nein, du sollst dich nicht entschuldigen! Aber sei aufrichtig zu mir! Warum sollten wir beide nicht offen über alles reden können? Auch wenn ich es vielleicht nicht ganz verstehe, weiß ich genau, daß ihr christlich erzogenen Menschen – ob ihr nun gläubig seid oder nicht – nie frei seid von Anfechtungen. Ich war darauf vorbereitet, daß auch du nicht verschont bliebst davon . . . Doch ich war gleichzeitig fest davon überzeugt, daß du es überwindest.«
»Du hast recht«, entgegnete er, dunkelrot vor Scham, und machte sich von ihr los, um sich zu erheben. »Ich war in der Tat noch nicht endgültig ins reine gekommen mit mir.« Er ging durch das Zimmer. »Es ist lächerlich! Einfach lächerlich, natürlich! Aber die Einsamkeit war wohl daran schuld . . . und dann mein verdammtes Pfarrerblut, die ganze Sippe meiner beffchentragenden Vorfahren, die plötzlich in mir zu spuken begannen. Doch das ist jetzt überwunden! Ich versichere dir . . . ich bin wieder ganz ich selbst!«
Eine Zeitlang saß Jakobe schweigend und gedankenvoll auf der Bank. Dann stand sie auf und trat zu ihm. Statt einer Antwort streichelte sie ihm die Wange und erwiderte: »Darüber wollen wir heute abend nicht mehr sprechen, Liebster! . . . Aber höre, Per! Ich sehe, ich habe dich beim Abendbrot überrascht! Das ist wunderbar, denn jetzt entdecke ich, daß ich schrecklich ausgehungert bin. Ich habe auf der langen Fahrt fast nichts gegessen. Du wirst dein Abendessen mit mir teilen müssen!«
»Ja, Liebling!« rief Per, der glücklich war, dem Gesprächsthema entgangen zu sein. »Ich rufe jetzt meine Wirtin. Bestimmt wird sie noch etwas Gutes für dich beschaffen.«
»Das ist völlig egal. Wenn ich so richtig Heißhunger habe, geht es mir wie dem Feuer und dem Ferkel – die verzehren alles! Sprich mit der Frau, dann richte ich mich unterdessen ein bißchen her. Holst du mir meine kleine Handtasche? Ich habe sie vorhin unten an der Treppe hingestellt.«
Während Per den Tisch neu decken ließ und die kleine Frau Babi ganz verwirrte mit all seinen Wünschen, hielt sich Jakobe nebenan im Schlafzimmer auf. Und als sie wieder herauskam, hatte sie ihre Löckchen an den Schläfen geordnet und ihr dunkelgraues Reisekostüm mit einem hohen breiten Kragen, einer schwarzen Spitzengarnitur und einem lila Seidenband geschmückt. Sie löste einen Veilchenstrauß aus dem Gürtel und steckte ihn Per ins Knopfloch, und nachdem sie abermals seinen Kopf mit beiden Händen umfaßt und ihm viele heiße, stürmische Küsse gegeben hatte, setzten sie sich zu Tisch.
Obwohl Per aufrichtig erfreut und dankbar über ihr Kommen war, empfand er noch immer ihr gegenüber etwas Gezwungenes und Zurückhaltendes. Er fühlte sich bedrückt durch das Mißverhältnis zwischen ihrer großen aufopferungsvollen, jeglicher Rücksicht trotzenden Liebe und seinen eigenen Gefühlen, über deren Art er sich nie Einbildungen hingegeben hatte. In jeder Entwicklungsphase ihres Verhältnisses war er sich völlig darüber klar gewesen, was und wieviel sie für ihn bedeutete. Hatte sie auch hin und wieder einmal eine Ahnung von den paradiesischen Freuden der Liebe bei ihm zu wecken vermocht, so konnte sie mit ihrem krankhaft-zarten, muskelarmen Körper und ihrem fremdartigen Äußeren nur wenig Anziehungskraft auf seine Sinne ausüben. Und die leidenschaftliche Innigkeit, mit der sie in dem Verhältnis aufging, hatte sogar eher abkühlend als anspornend auf ihn gewirkt.
Jetzt, da sie beide am Tisch saßen, der den armseligen Bedingungen entsprechend festlich gedeckt war und mit einem leuchtend reinen Tuch und einem Paar alten dreiarmigen Kupferleuchtern, erregte sie zum ersten Mal seine volle sinnliche Begierde, obwohl der große Kragen sie eigentlich nicht kleidete. Seit langer Zeit war er einer jungen Frau nicht mehr so nahe gewesen. In seinem Steingefängnis hatte er gelebt wie ein Mönch im Kloster, eingeschlossen in die Schattenwelt seiner Gedanken. Jetzt erwachte die Lebensgier wieder in seinem Blut; Mut und Kraft strömten zurück in sein Herz und ließen es schwellen.
Von dem starken Landwein leerte er ein Glas nach dem anderen. Auch Jakobes Wangen bekamen immer mehr Farbe, und trotz ihres Hungers vergaß sie oft sogar das Essen vor lauter Anstoßen und Zutrinken, Küssen und Umarmen.
Als sie sich endlich vom Tisch erhoben, rief Per: »Aber du hast ja noch nicht mal gesehen, wie ich hause. Komm, ich zeige dir meine Aussicht!«
Er legte ihr den Mantel um und führte sie hinaus auf die Galerie. Im Ort waren fast alle Lichter erloschen, ebenso am Bahnhof. Doch droben am Himmel hatte sich das Sternenfeld vergrößert. Die Wolken waren von den Bergrücken herabgeglitten in die Täler, um sich für die Nacht zur Ruhe zu legen. Nur über den Schneeflächen des Hohen Goll schwebte dunkler, bräunlicher Rauch.
Per erzählte, hier habe er manche Nacht gestanden und gelauscht, wie die Natur durch das dumpfe Rauschen des Flusses zu ihm sprach – und er sei sich vorgekommen wie das letzte lebende Wesen auf einem ausgestorbenen Planeten. Jakobe jedoch hörte nicht mehr auf seine Worte. Sie hatte sich an seine Brust geschmiegt und unterbrach ihn jeden Augenblick, indem sie ihm schweigend die Lippen hinhielt. Da wurde auch er schließlich still, und lange standen sie nun da und wiegten einander in den Armen. Sie sprachen nur mit Blicken, die sie mit langen, langen Küssen bekräftigten.
Auf einmal tönte ein langgezogener Donner von Lawinen vom Hohen Goll herab. Per hob den Kopf und lauschte; doch Jakobe regte sich nicht. Selbst als er sie auf das Grollen aufmerksam machte, das sich kurz darauf wiederholte, antwortete sie nicht. Sie vernahm in der ganzen weiten Welt nichts als ihren und seinen Herzschlag.
Als sie ins Zimmer zurückkehrten, sagte Per, es sei schon spät und sicher brauche sie jetzt Ruhe. Hierzu erwiderte sie nichts. Etwas unschlüssig begab er sich darauf ins Schlafzimmer, um seine Toilettensachen und ein paar andere Kleinigkeiten zu holen. Als er zurückkam, stand sie an einem der Fenster, den Rücken dem Zimmer zugewandt.
»Ja, dann gehe ich also ins Gasthaus hinüber«, meinte er und trat auf sie zu, um ihr gute Nacht zu sagen. Sie drehte sich nicht um, und er küßte sie zweimal auf die Wange, ohne daß sie seine Liebkosungen erwiderte. Doch als er sich zurückziehen wollte, hielt sie ihn an der Hand zurück – still, aber entschlossen.
Er sah sie fragend an.
Da zeigte sie mit dem Kopf zu der großen Holzbank und bemerkte: »Du könntest eigentlich auch da schlafen. So hätte ich dich in der Nähe und könnte auf dich aufpassen. Vom Wirtshausleben halte ich nichts.«
Per beugte sich über sie. Noch immer nicht ganz sicher, ob er sie richtig verstanden habe, wollte er ihr in die Augen sehen. Da lehnte sie sich an ihn und drückte seine Hand gegen ihr Herz.
Am nächsten Morgen weckte sie die Sonne, die durch die Fensterläden zu ihr hereinschien. Sie stützte die Ellenbogen auf und blickte mit verwunderten, weit geöffneten Augen um sich. Die Tür zum Nebenzimmer war nur angelehnt, und als sie jemanden leise sich bewegen hörte, lächelte sie. »Per!« rief sie munter.
Als sie seine Schritte vernahm, schoß ihr das Blut sekundenlang in die Wangen. Doch noch bevor er die Tür öffnete, hatte sie ihren Arm nach ihm ausgestreckt.
Leise trat er ein und kniete vor dem Bett nieder. »Wie gut du geschlafen hast!« sagte er und faßte ihre Hände.
»Ja, kannst du das begreifen? Das letzte halbe Jahr habe ich keine Nacht geschlafen, ohne mein Amylen zu nehmen. Und jetzt habe ich fast nichts von mir gewußt, von dem Augenblick an, als du mich verließest . . . Aber du? Du bist angezogen und warst schon draußen. Dein Haar duftet so morgenfrisch.«
»Ich bin bloß ein bißchen auf der Galerie auf und ab gegangen. Weiter wollte ich mich nicht von dir entfernen.«
»Ach, dann verstehe ich! – Da sind es deine Schritte gewesen, die ich die ganze Zeit über in meinen Träumen hörte. Dann mußt du ja schon lange draußen gewesen sein. Hast du nicht geschlafen? Nicht? . . . Gar nicht? Du Armer! So ist dir die Bank doch zu hart gewesen. Ich hatte dir ja davon abgeraten!«
»Nein, das war es nicht. Aber – Jakobe!«
»Was hast du, Liebster?« Erst jetzt sah sie, wie erregt, ja aufgelöst er war, und sie bekam Angst. »Was ist geschehen?«
»Jakobe – ich muß dir beichten. Ich finde keine Ruhe, ehe ich es dir nicht gestanden habe . . . dir gesagt habe, daß . . .«
Sie legte die Hand auf seinen Mund. »Ich weiß alles, was du sagen willst. Aber ich will nichts hören. Was gewesen ist, das ist jetzt vergessen, Per!«
»Und kannst du mir verzeihen? Willst du vergessen, daß ich zu dir von Liebe sprach, dein Herz gewann und deine Küsse erwiderte, noch bevor ich wußte, was Liebe ist? Denn es ist wahr – ich muß es dir bekennen. Erst jetzt, in dieser Nacht, habe ich es gelernt. Und mit Beschämung sehe ich, wie erbärmlich ich mich benommen habe und wie wenig ich vom Leben verstand. Kannst du mir all das vergeben?«
»Ach, Liebster!« erwiderte sie und zog mit einem ein wenig schwermütigen Gesicht seinen Kopf an ihre Brust, »das habe ich schon lange, lange getan.«
Es war einige Tage danach. Jakobe und Per stiegen einen steilen Pfad hinauf, der in Windungen an einem teils kahlen, teils mit Gebüsch bewachsenen Berghang emporführte. Es war um die Mittagszeit. Auf die rotgrauen Felsen brannte die Sonne, und rings um sie her roch es nach Frühling. Ein starker, berauschender Harzduft von Tannen und Föhren lag in der Luft.
Sie waren in den Laugenbergen am Südabhang der Alpen. Gleich einen Tag nach Jakobes Auftauchen in Dresack waren sie von dort aufgebrochen, um dem Sommer näher zu kommen. Jetzt streiften sie schon seit acht Tagen auf beiden Seiten des Etschtals umher wie zwei lustige Vagabunden, hatten in Alpenhütten geschlafen, Brot und Eier in den Dörfern gekauft, ihren Durst an den Waldquellen gestillt. Am dritten Tag der Reise hatte Jakobe an die Mutter geschrieben und ihr offen mitgeteilt, wo sie war. Sie erklärte ihr, sie habe der Versuchung nicht widerstehen können, den Frühling willkommen zu heißen, und deshalb habe sie auf ihrem Weg nach Breslau einen Umweg über die Alpen gemacht. Ohne Per direkt zu nennen, hatte sie geschrieben, die Mutter solle sich ihretwegen nicht ängstigen, denn sie habe sich »gute Reisegesellschaft gesichert«.
Nun bewegte sie sich langsam und unsicher auf dem holprigen Weg bergauf, einen langen Alpenstock in der Hand, das Kleid aufgeschürzt. Per ging mit sicheren Schritten hinter ihr. Auf dem Rücken trug er einen einfachen grünen Beutel, der ihr ganzes Gepäck enthielt. Oft blieb Jakobe stehen und drehte sich um, fing ihn mit ihren Armen ein und gab ihm einen Kuß. Beide waren von der Frühlingssonne gebräunt, und Jakobes sonst so korrekt geordnete Schläfenlöckchen flatterten ihr auf Zigeunerart aufgelöst um die Ohren. Ihre Augen strahlten, und ihr Mund glühte vor Liebesglück.
Im übrigen hatte sie sich nicht als tüchtige Bergsteigerin erwiesen. Jede halbe Stunde mußten sie rasten, und Per hatte sie über Quellbäche tragen und bei allen steilen Abstiegen stützen müssen. Doch war er weit davon entfernt, sich darüber zu beklagen. Sie war leicht wie ein Vogel, und er hatte es gern, sie in seinen Armen zu fühlen. Die vielen Pausen unterwegs, in Wäldern und Bergklüften, waren zudem willkommene Anlässe zu idyllischen oder ausgelassenen Liebesszenen, an die sich beide in der Regel an deutlichsten erinnerten, wenn die lange Wanderung des Tages zu Ende war.
Für Per bedeuteten diese Tage eine Wiedergeburt, eine neue Taufe. Das Leben hatte sich plötzlich in seiner ganzen Fülle und Schönheit offenbart, wie er es sich nie hätte träumen lassen. Wie in einem Offenbarungsrausch war er umhergegangen, so als habe er völlig neue Sinne bekommen. Was er bisher vom Glück verlangt hatte, kam ihm jetzt gleichgültig und klein vor im Vergleich zu der Summe an Genuß, die in einem einzigen Kuß enthalten war. Jakobe war wie verwandelt für ihn. Nun liebte er sie wie eine Frau, die ihm ein neues Leben geschenkt, die Grenzen seiner Welt erweitert hatte. In ihren Armen fand er die Zauberformel, die den Schatten des Todes von seinem Wege verbannte.
Nun aber waren die glücklichen Tage für diesmal vorbei. Wegen der Eltern wagte Jakobe den gefürchteten Augenblick des Abschiednehmens nicht länger hinauszuschieben. Sie hatten beschlossen, noch vor dem Abend in Bozen zu sein. Von hier aus sollte Jakobe mit dem Nachtzug nach Norden fahren, während Per nach Dresack zurückkehrte, um seine Angelegenheiten zu ordnen, damit er dann nach dem einmal festgelegten Plan seine Reise in die Welt fortsetzen konnte.
Daher waren beide heute viel stiller. Wenn sich ihre Blicke trafen, versuchte Jakobe zwar noch zu lächeln; doch in ihren Zärtlichkeiten lag etwas Unbeherrschtes, das die schmerzliche Unruhe des Gemüts verriet. Zuletzt wollte sie ihn gar nicht mehr loslassen. Sie schritt langsam neben ihm her; sein Arm lag um ihre Taille, ihr Kopf lehnte an seiner Schulter. Wenn sie stehenblieben, um sich zu küssen, schloß sie die Augen, um mit ganzer Seele den glücklichen Augenblick zu erfassen und tief in ihr Gedächtnis einzuprägen.
Wieder waren sie an einer Stelle angelangt, wo der Pfad eine Biegung machte. Da standen ein paar kleine Kastanienbäume, die etwas Schatten auf den Felsboden warfen, und sie beschlossen, hier zu rasten. Per breitete eine Decke für Jakobe aus, die müde war und sich sofort hinsetzte. Auf einmal fiel ihnen ein, daß sie versäumt hatten, ihr Frühstück zu essen, das im Rucksack lag. Darüber mußten sie lachen, und eine Zeitlang vergaßen sie ihren Kummer.
Per schnallte den Beutel aus grünem Segeltuch vom Rücken und begann, die Eßwaren auszupacken. Im selben Augenblick erblickte er ein Kreuz, das auf der anderen Wegseite zwischen Steinen aufgepflanzt war. Es war eines der vielen hier üblichen zwei bis drei Ellen hohen Holzkreuze mit einem groben, unheimlich gemalten Bildnis des Gekreuzigten.
»Pfui Teufel noch mal!« rief er. »Sollen wir dies Gespenst hier vor Augen haben? – Laß uns lieber weitergehen.«
»Ach, komm, wir bleiben!« bat Jakobe. »Jetzt kann ich wirklich nicht mehr, ich muß erst etwas essen.«
»Na schön! Wir können ihm ja den Rücken kehren . . . Oh, sieh doch, Jakobe, wie herrlich es hier ist!«
Dem Tal zugewandt, das voller Sonnennebel war und sich tief unter ihnen hinabsenkte, aßen sie ihr einfaches Mahl, einige Scheiben trockenes Brot, etwas Käse und ein paar Eier. Per hatte sich neben Jakobe auf einen kahlen Felsstein gesetzt. Als sie gegessen und er sich eine Zigarette angezündet hatte, hielten sie sich plaudernd bei der Hand und schauten hinein in den goldenen Nebel.
Plötzlich hob Per den Kopf und lauschte. »Hörst du?« fragte er.
»Was?«
»Hörst du nicht? . . . Eine Kirchenglocke!«
»Wo denn?«
»Sicher irgendwo im Tal.«
»Nein . . . Ja – doch, ich glaube . . . daß du das vernehmen kannst!«
»Klingt es nicht widerlich? . . . Sogar hier oben im Märchenreich verfolgt einen dieses Gespenstergebimmel!«
»Du hast ein merkwürdig scharfes Ohr für Kirchenglocken!« erwiderte Jakobe lächelnd.
Und Per erzählte, schon als Junge habe er diesen Ton gehaßt und gefürchtet. Überall auf seinen verbotenen Wegen habe ihn der Klang eingeholt und ihm wie eine beschwörende Drohung in den Ohren gegellt. Da drückte ihm Jakobe zärtlich die Hand und sagte, auch für sie habe dieses ewige Glockengeläute stets wie eine triumphierende Herausforderung geklungen. Sie erinnere sich noch, wie sie sich als kleines Mädchen sonntags versteckte, sobald die Glocken zu läuten begannen, damit keiner sehen sollte, daß sie vor Ärger weinte; und als sie älter geworden war, habe sie auf dem Nachhauseweg von der Schule oft zu den Glocken der Garnisonskirche frech und herausfordernd hinaufgeblickt. In der Kirche hätten nämlich zwei Klassengefährtinnen feste Familienplätze gehabt und sich darauf immer so viel eingebildet.
»Stell dir vor, Per! So früh hatten wir schon die gleichen Gedanken und Empfindungen. Ist es da verwunderlich, daß wir uns gefunden haben?«
Er legte den Arm um ihren Leib, und sie redeten weiter miteinander über die Zukunft, phantasierten über das kommende Jahrhundert, das den Menschen endlich die Geistesfreiheit zurückgeben, Tatkraft und Abenteuerdrang wiedererwecken und Altäre der Kraft und der großen Tat auf den Ruinen der Kirchen errichten würde.
»Weißt du«, sagte Per, »in letzter Zeit habe ich oft an eine Geschichte denken müssen, die mir einst daheim im Pfarrhaus unser altes einäugiges Kindermädchen erzählte. Sie handelte von einem Bauernjungen, der Freischütz werden wollte. Du kennst sie möglicherweise?«
»Freischütz? Was ist das?«
»Du weißt es nicht? Das ist ein Mensch, der mit Zauberkugeln schießt und alles trifft, wonach er zielt, wie hoch es auch über seinem Kopf schweben mag. Doch um diese Fähigkeit zu erwerben, muß er sich in einer mondhellen Nacht an einem Kreuzweg aufstellen und eine Kugel durch ein Christusbild schießen – mitten durch das Herz!«
»Aha – die Oper ›Der Freischütz‹.«
»Richtig! Aber als es soweit war, verlor der Bursche in der Geschichte den Mut. Jedesmal wenn er die Büchse hob und auf das Kruzifix zu zielen versuchte, zitterte ihm die Hand, und sobald er abdrücken wollte, erlahmte sein Arm. Er blieb sein Lebtag nur ein Sonntagsjäger. Mir scheint, die Geschichte ist ein Gleichnis und zeigt die Ohnmacht der ganzen Menschheit den Gespenstern des Aberglaubens gegenüber. Niemals hatte man den Mut, den Götzenbildern endgültig vor die Stirn zu schlagen. Wie zum Teufel geht es bloß zu . . . im letzten Moment kamen jedesmal die Anfechtungen.«
Er drehte sich nach dem Christusbildnis hinter ihnen um und fuhr in wachsender Erregung fort: »Sieh dir den bleichen Herrn an, der da hängt! Wann hätten wir je den Mut gehabt, ihm unseren Ekel ins Gesicht zu speien? Sieh ihn dir richtig an, Jakobe! Welch freche Demut! Welch erbärmliche Zurschaustellung seiner Jämmerlichkeit! . . . Seine Zeit ist bald zu Ende! Freischützen wollen wir sein! Mit Hexenkugeln wird jetzt geschossen! . . . Schau her!«
Übermütig sprang er auf und zog einen schweren Trommelrevolver aus dem Lederfutteral, das er hinten unter der Jacke trug. Bevor Jakobe es verhindern konnte, hatte er den Hahn gespannt. Mit dem Ruf: »Jetzt schieße ich das neue Jahrhundert ein!« sandte er einen Schuß nach dem Kruzifix hinüber, das in die Seite getroffen wurde, so daß ein paar Holzsplitter in die Luft flogen.
Im selben Augenblick ging es wie ein Seufzer durch die Natur. Vom Tal herauf erscholl dumpfes Dröhnen. Es nahm schnell an Stärke zu und wurde zwischen den Bergwänden hin und her geworfen, daß es wie ein langgezogener unterirdischer Donner klang.
Per hatte sich umgedreht. Einen Augenblick lang war er leichenblaß geworden. Doch als ihm klar wurde, was es war, brach er in schallendes Gelächter aus. Nun erinnerte er sich auch, daß er beim Aufstieg an mehreren Stellen neben dem Weg einen Anschlag gesehen hatte mit der Aufschrift in drei Sprachen: »Man beachte das Echo!«
»Ja – knurrt nur, Gespenster!« schrie er ausgelassen, hob abermals den Revolver und schoß die übrigen Kugeln steil in die Luft empor. Ein neuerliches und verstärktes Getöse und Brüllen erfüllte das Tal, als seien wirklich ganze Heerscharen von Berggeistern losgelassen.
»Aber Per, wie wild du bist!« rief Jakobe, jetzt ebenfalls auf den Beinen, und warf sich halb unwillig, halb hingerissen ihm um den Hals. »Was hast du nur auf einmal?«
»Ich habe bloß einen Schatten von meinem Weg verjagt! Doch nun komm! Wir müssen weiter! Die Zeit ist kostbar. In zwei Stunden wollen wir den Postwagen erreichen. Und in fünf Stunden – Jakobe! – sind wir voneinander getrennt.«
»O Per, daran wollen wir nicht denken«, sagte sie, lehnte ihren Kopf an seine Schulter und schloß die Augen.
Dann gingen sie Arm in Arm langsam weiter, stiegen aufwärts im flammenden Sonnenschein, umwogt vom starken und wilden Duft des Frühlings.