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Theater-Anekdoten

1. Ein junger, vorlauter Halbgelehrter fragte spöttisch in Gegenwart einer zahlreichen Tischgesellschaft einen würdigen Schauspieler um den Unterschied zwischen einem Trauer-, Schau- und Lustspiel. Dieser erwiderte: die Antwort liegt in Ihrer Frage; denn daß Sie den nicht wissen, ist für mich ein Lustspiel, für Sie ein Trauerspiel, und für die resp. sämmtliche Tischgesellschaft ein Schauspiel.

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2. Der berühmte Schauspieler Opitz mischte sich in die verschiedenartigsten Gesellschaften, um Menschen zu beobachten und zu copiren. In Gohlis, einem Dorfe bei Leipzig, geht er mit einer Gesellschaft in den Gasthof. Ein Bauer sitzt an einem Tische neben seinem Bierkruge. Opitz neckt ihn, um zu sehen, wie er sich nehmen wird. Der Bauer verhält sich ganz ruhig, Opitz läßt nun auch von seinen Neckereien ab, und geht zu seinen Begleitern. Der Bauer trinkt sein Bier aus, steht auf, kommt zu Opitz, klopft ihn auf die Schulter und spricht ganz ruhig: Weiß Er was, mein lieber Herr, ich bin sein Narr nicht! Aber Morgen komme ich nach Leipzig und gebe einen halben Gulden, da ist Er meiner! Daß Opitz tüchtig ausgelacht wurde, daran darf wohl kaum erinnert werden.

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3. Der Kapellmeister Himmel gab einst der Sängerin Demoiselle Schmalz, als sie von Berlin nach Dresden reiste, ein Schreiben an den dortigen Kapellmeister Neumann mit, das nur die nachstehenden wenigen Worte enthielt:

»Hier schickt Ihnen der Himmel einen Engel.«

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4. Eine herumziehende Schauspielertruppe gab in einer kleinen Residenz unter mehreren andern Vorstellungen auch die des alten Singspiels: »die Jagd.« Der Sänger, welcher die Worte zu singen hatte: »Es lebe der König, mein Mädchen und ich! der König für Alle, mein Mädchen für mich!« änderte in Abwesenheit des regierenden Fürsten, und der anwesenden jungen Fürstin zu Ehren, jene Stelle treuherzig also ab: » Es lebe die Fürstin, mein Mädchen und ich, die Fürstin für Alle, mein Mädchen für mich

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5. In ??? wurde im Theater kurz zuvor, ehe die Vorstellung begann, indem die bestimmte Zeit zum Anfang, laut der Bekanntmachung, längst verflossen, auf dem obersten Range der Gallerie ein gewaltig großer Lärm und Unfug gemacht. Hierüber schrie Jemand vom Parterre aus, voll Zorn und Wuth, nach oben hinaus: »Seid ruhig, Ihr Ochsen!« Eine Stimme von oben antwortete hierauf: »Verzeihen Ihro Gnaden, hier oben ist der Heuboden, der Stall ist unten.«

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Nachahmung.

6. Der Vicomte von S. besaß ein großes Talent für die Nachahmung, und es gelang ihm, besonders Ludwig XVI, in seinem Gange, seinen Manieren, seinen Reden, seiner Art zu lachen, u. s. w., zu copiren. Eines Abends gab er im Theater zu Versaille, mit Leichtigkeit den Bitten einiger Damen nach, indem er den König mit großer Wahrheit repräsentirte. Der Monarch befand sich, ohne daß es Jemand wußte, in einer Nebenloge und ward Augenzeuge des Ganzen. Endlich, als der Vicomte sich plötzlich wandte, erblickte er den König, der ihn kalt und ernst betrachtete. Die ganze Gesellschaft glaubte sich verloren. Der Monarch aber, nachdem er sich eine Weile an dem Schrecken des Vicomte ergötzt hatte, brach plötzlich in ein lautes Gelächter aus: »Gut gemacht, mein Aeffchen!« rief er, »das muß meine Frau sehen,« worauf er zur Königin ging und ihr berichtete, daß sie jetzt eine Copie von ihm sehen solle, wie er sie für jetzt nie für möglich geglaubt habe. Am folgenden Tage ward der Vicomte wirklich auf's Schloß gerufen, wo er, trotz seines Widerstrebens und Flehens, die Scene vom vorigen Abend wiederholen mußte. Dies war die einzige Rache, welche der gute Ludwig nahm, er fuhr fort, den Vicomte mit der bisherigen Güte zu behandeln.

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Die Ausgleichung.

7. Der Schauspieler Zahn in Würzburg hatte bei seinem Benefiz zwei Gulden über die Kosten eingenommen; gerufen ward er aber und sprach:

»Die Kasse geht in einen hohlen Zahn –
»Zwei Gulden nur, danach kräht wohl kein Hahn!
»Doch bring' ich auch kein Geld nach Haus,
»Ihr Beifall gleicht mir Alles aus!«

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Die Herausrufung.

8. Ein Reisender bestellt in einer ziemlich großen Stadt einen Anzug, macht aber dem Schneider zur Bedingung, er müsse über Nacht fertig werden. Der Schneider erklärte sehr de- und wehmüthig, daß er sonst wohl dergleichen Schnell-Fabrikate oft und gut liefere, was ihm aber für heute unmöglich sei, da Gehülfen und Lehrlinge mit Theater-Billets versehen, um – den Direktor heraus zu rufen.

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Der glückliche Einfall.

9. Zwei Zuschauer in einem Pariser Theater, welche sich bereits eine geraume Zeit hindurch bemühet hatten, ihre sich schnurstracks entgegenstehende Meinung auszudrücken, waren Beide, der Eine von wüthendem Applaudiren, der Andere vom Pfeifen ermüdet, im Begriff, den Kampfplatz zu verlassen, als dem Bequer ein herrlicher Einfall kam. Er sagte zu seinem Antagonisten: »Hören Sie, ich kann nicht mehr applaudiren! sehen Sie nur, wie meine Hände geschwollen sind; Ihnen dagegen ist der Athem ausgegangen. – Lassen sie uns daher die Rolle tauschen. Sie applaudiren für mich und ich pfeife für Sie. Der Künstler verliert gar nichts dabei; denn Sie sind der Dolmetscher meiner Absicht, und der Vertreter der Ihrigen.« Der Vorschlag wurde bereitwillig angenommen, und Klatschen und Pfeifen ging von Neuem los.

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Die Benefizvorstellung.

10. In einer Benefizvorstellung Beckmanns in Berlin war unter den Mitwirkenden auch der berühmte Magier Bosco auf dem Zettel angekündigt. Der Vorhang rauscht auf. Ein Mann, ganz wie Bosco gekleidet, in täuschender Maske, tritt vor; er öffnet den Mund zum Sprechen und »Beckmann« tönt's von aller Munde. Ja, es war Beckmann, der Benefiziant in tausend Aengsten. Jeder kennt die Benefizialien-Schicksale, Bosco hatte zugesagt, war aber vermißt. Der Benefiziant hat sich entschlossen, selbst einige Kunststücke zu machen. Er beginnt das Becherspiel. Das ganze Publikum bricht in Lachen aus. Die Kunststücke verschwinden dem Komiker unter der Hand; er thut nur Wunder durch die Kunst seiner Komik. Da erblickt er Bosco's Zauberstab. Nun ist Beckmann aus aller Verlegenheit; er zaubert damit Herrn Bosco herbei, der nun aus der Unterwelt heraufsteigt. Der Meister fällt dem Meister in die Arme. Das Publikum applaudirt und der wirkliche Bosco beginnt im schwarzen Frack seine Vorstellung mit seiner gewohnten Meisterschaft.

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Gewinnreiche Vorstellung.

11. Der bekannte italienische Buffo Ruggiero hatte in Paris ein Concert veranstaltet, worin Rubini, aus Gefälligkeit für seinen Landsmann, nicht nur mitzuwirken versprach, sondern auch noch an dem Vorabende der Produktion die Mitwirkung der Dlle. E. Grisi und anderer beliebten Künstler bewirkte.

Einige Minuten vor dem Anfange des Concertes tritt Rubini, wie gewöhnlich heiterer Miene, in das Vorzimmer des Concertsaales und erkundigt sich bei Ruggiero über den Zuspruch des Publikums.

»Das Concert wird schlecht besucht,« erwiderte dieser, indem er die Saalthür zur Hälfte öffnete und dem Künstler die vielen leeren Stühle wies.

»Wohlan!« rief Rubini, »was übrig geblieben ist, nehme ich!« schrieb sodann auf eine Menge Zettel das Wort Loûé (gemiethet), welche der Billeteur auf die übrigen Plätze befestigen mußte.

Dlle. Grisi hatte eben ihre große Arie, unter Applaus der Anwesenden, geendigt, als zwei ernst aussehende Engländer, jeder ein Doppelperspectiv fest unter dem Hirnbein, eintraten und sich überall nach einem gesperrten Sitz umsahen, aber auf allen Stühlen nichts als Loûé und wieder Loûé erblickten.

Als Herr Ruggiero in diesem Augenblick durch den Saal ging, wurde er von einem der Engländer um zwei Sitze angesprochen. »Ich will Sie zu dem reichen und berühmten Herrn führen,« sagte Ruggiero, »der sie alle bestellt hat,« und führte hierauf die Fremden in's Fagon zu Rubini.

»Meine Herren,« sprach Rubini zu den Engländern, »Ich habe um 1000 Franks Sitze gekauft, um den Benefizianten einen Freundesdienst zu erweisen; beliebt es ihnen, diese beiden Plätze um diese Summe zu nehmen, so stehen Sie zu Ihren Diensten.«

Der etwas satyrische Ton pikirte die ehrgeizigen Britten, der Eine von Ihnen zog ganz gelassen einen Bon über diesen Betrag aus seiner Brieftasche, und nachdem er ihn dem Künstler übergeben, nahm er mit seinem Begleiter die beiden Plätze ein.

Beide kannten Rubini nicht, als er aber bald darauf erschien und zu der berühmten Arie Limaro – fas: » Pria che spunti« Alles zur Begeisterung hinriß, da stimmten auch die beiden Inselsöhne jubelnd in den Applaus und erklärten, daß sie das Vergnügen, Rubini gesprochen und singen gehört zu haben, keineswegs zu theuer erkauft hätten.

Abgekürzte Vorstellung.

12. In Elbing ward zum Benefiz der sehr braven Schauspielerin B., Steffens Langer oder der holländische Kamin von G. Pfeiffer gegeben. Ein schönes Wetter lockte das Elbinger Publikum ins Freie, und somit blieben Thaliens Kunsthallen am Abende leer. Der Direktor, seinem Grundsatze getreu bleibend, schloß den Tempel nicht, und ließ ruhig die angekündigte Vorstellung geben. Daß die Künstler vor einem solchen Publikum zu spielen, keine große Lust empfanden, kann man ihnen nicht verdenken; aber, o Wunder! in 1 ¼ Stunde war das vieraktige Schauspiel abgespielt. Trat Jemand auf und hatte eine kurze oder lange Erzählung zu machen, so wurden nämlich ein paar Worte gesagt und dann mit »nun, Sie werden die Geschichte schon kennen« oder kommen Sie nach Hause, ich werde Ihnen das Uebrige schon mittheilen, schnell geendigt. So wurde an jenem Abende den wenigen Zuschauern das Schauspiel in dramatischen Räthseln vorgeführt, das der armen Benefiziantin aber keine Lösung brachte.

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13. Als der große Schauspieler Devrient nach der Vorstellung des Franz Moor herausgerufen wurde, sagte er zum Publikum: »Vorhin drückte ich aus, was ich nicht fühlte, jetzt fühle ich, was ich nicht ausdrücken kann.«

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Das merkwürdige Schauspiel.

14. Als der russische Feldmarschall Kutusow, nach der Flucht der Franzosen, als Sieger in Wilna einzog, kam auch der Director der dortigen polnischen Schauspieler-Gesellschaft zu ihm mit der Bitte, ein Stück zur Feier des Tages aufführen zu dürfen. Kutusow lehnte dies ab, verlangte aber, daß das Stück auf die Bühne gebracht werden sollte, welches er an dem Tage des Einzugs der französischen Truppen hatte aufführen lassen; voll bitterer Anspielungen auf die Russen und voll kriechender Lobhudeleien Napoleons. Der Direktor machte demüthige Gegenvorstellungen, aber ohne Erfolg, er mußte gehorchen. Am Abend fand sich Kutusow, in Begleitung seines ganzen Generalstabes, im Theater ein, um durch seine Gegenwart allen Tumult zu verhindern, und bei jeder Lobeserhebung auf Napoleon, die mit seiner Flucht im schneidendsten Contrast stand, klatschte er den Schauspielern und Schauspielerinnen Beifall zu. Alle Zuschauer folgten diesem Beispiel, und nie hat wohl eine Schauspieler-Gesellschaft einen ihnen gezollten Beifall so empfunden, wie die Wilnasche an jenem Abende. Angstschweiß trat den sämmtlichen spielenden Personen auf die Stirn bei jedem Worte, das sie deklamirten, und doch wagten sie nicht, nur das Mindeste zu ändern oder auszulassen, aus Furcht, daß solches als ein Ungehorsam strenge geahndet werden möchte.

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Ein Impromptu.

15. Vor längerer Zeit begegnete es dem Komiker Larrange in Danzig, als er den Schloßhauptmann in der Pretiosa gab, daß ihm die eine Hälfte des Schnurbartes herunterfiel. Ein schallendes Gelächter ertönte durch das Haus. Doch der Schauspieler, sich schnell fassend, hebt den Bart auf, und ihn wehmüthig betrachtend, sagte:

»– Schade, Schade.
Seit der großen Retirade,
Wo ich mich zuletzt barbiert,
Ist mir so was nicht passiert.« –

Ein donnerndes Applaus folgte diesem Impromptu. –

*


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