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Das unvernünftige Thier ist noch immer, wie es aus den Händen der Natur kam. Es behält seine Bedürfnisse, ohne sie zu vervielfältigen, oder auf grössere Bequemlichkeit zu sinnen. Die Schwalbe baut noch immer ihr Nest, wie sie solches vor ungefähr 5000 JahrenMir als Geistlichen ist es nicht erlaubt eine längere Existenz der Welt anzunehmen. mag gebaut haben, und dem Löwen ist es noch nicht eingefallen, wo anders als in seiner Höhle zu wohnen, oder sich aus den Häuten der von ihm 107 erwürgten Nebenthiere ein Kleid zu verfertigen.
Das vernünftige Tier der Mensch hingegen ist ganz von seinerVerschiedene Philosophen behaupten, die wahre Bestimmung des Menschen sey, gleich den Thieren im Kleid der Natur in Wäldern herum zu laufen, oder nach der Meynung eines sonst sehr vernünftigen Mannes, wohl gar auf allen Vieren herum zu kriechen. Nun läßt sich zwar nicht läugnen, daß, ohne alles Licht des Glaubens, und auch ohne Kleidung, von den Seefahrern mehr als eine Völkerschaft entdecket worden, die zwar nicht auf allen Vieren kroch, aber doch im Uebrigen gleich dem lieben Vieh lebte; allein seitdem die gelehrten Herren Jesuiten und andere verdienstvolle Missionaren ihnen die Erkenntniß vom Guten und Bösen beygebracht haben, hat der größte Theil von ihnen, nebst dem Kleid der Seele, nämlich dem Glauben: auch die Blösse des Körpers mit Kleidung bedeckt, so daß nun die meisten Erdebewohner, oder richtiger gesagt, die meisten Menschen unter geistlichen und weltlichen Gesetzen leben, woraus aber zu erhellen scheint, daß sie mit den freyen unvernünftigen Thieren unmöglich eine gleiche Bestimmung haben können. Bestimmung, oder wenigstens von seiner ersten Lebensart abgewichen. Er war nicht zufrieden mit den Bedürfnissen, die ihm 108 die Natur zutheilte, sondern schuf sich noch eine gute Anzahl neuer hinzu.
Mir, als einem unbedeutenden Exkapuziner geziemet es nicht zu entscheiden, ob er durch die Vervielfältigung seiner Bedürfnisse seinen Zustand verbessert oder verschlimmert habe; aber so viel scheint mir, daß gerade in diesem Hang zur Bequemlichkeit, oder welches eins ist, in diesem Hang zu neuen Bedürfnissen, vorzüglich das Kennzeichen liege, das den Menschen von dem unvernünftigen Tiere unterscheidet; denn ohne diesen Hang würden alle Vollkommenheiten, die die Natur gewiß nicht umsonst in seine Seele gelegt hat, unentwickelt geblieben seyn.
Ich für meinen Theil bin also nicht unwillig darüber, daß der Mensch, oder wie ihn einige neuere Philosophen zu nennen belieben, das Menschthier statt Wäldern und Klüften, in bequemen Häusern wohne, daß es sein Kleid der Natur mit einem andern von Seide oder 109 Wolle einhülle, und sich überhaupt alles herbeyschaffe, was Bequemlichkeit und Verschönerung zum Endzweck hat.
Wenn ich aber sehe, daß der Mensch, um eine Bequemlichkeit zu erhalten, sich eine Menge Unbequemlichkeiten zuzieht, oder wenn die vermeinte Bequemlichkeit selbst eine Unbequemlichkeit ist, so kann ich nicht umhin es laut zu sagen, daß das vernunftige Thier in solchen Fällen sehr unvernunftig handle.
Ich könnte solche Fälle in die Menge anführen, will aber für dieses Mal nur bey der Kleidertracht stehen bleiben.
Es hat dem boshaften Herrn Obermayr beliebt, über dem Eingang seiner Bildergalerie das Bild eines Kapuziners aufzuhängen, und einen Nachkömmling hinzustellen, der sich beym Anblick dieser lächerlichen Figur den Bauch vor Lachen hält.
Was die Bequemlichkeit unsers heiligen Ordenshabit betrift, davon ist weder Herr Obermayer, noch ein anderer 110 Laye zu urtheilen im Stande; in Ansehung des Verschönerungpunktes hingegen will ich gerne zugeben, daß das Kleid eines Kapuziners eben nicht am vortheilhaftesten dazu sey; und da ich mir einmal die Wahrheit zur Pflicht gemacht, so gesteh ich so gar ein, daß mir seit meiner Reforme diese Tracht nun selbst äusserst auffalle, und daß ich es gern den Layen verzeihe, wenn sie solche komisch finden.
Da ich aber so aufrichtig bin, so wird mir auch Herr Obermayer bekennen müssen, daß ein Frauenzimmer mit einem Chodron über den Kopf, und in einer großen Buffante gewiß trotz einem Kapuziner eine lächerliche Figur mache. Allein nicht blos bey den Buffants, sondern auch bey einem guten Theil der übrigen Trachten scheint mir der Hauptendzweck, Bequemlichkeit und Verschönerung, ausser Acht gelassen. 111
Eine bequeme Tracht nenne ich, die die Bewegung des Körpers nicht hindert, und uns nach den Umständen der Witterung vor Hitze oder Kälte schützet; eine verschönernde Tracht aber, die den Körper in schönes Ebenmaß bringt; denn ohne Ebenmaß ist keine Schönheit.
Die sogenannte Schnürbrüste, durch die der Leib eines Weibs (wie sich ein Dichter ausdrückt) zum Leib einer Ameise zusammen gepresset wird: die Kinderschuhe für erwachsene Damen; die Lustgärten auf ihren Köpfen, die sie zu keiner Thüre hineinlassen, und wegen denen sie im Wagen auf dem Boden sitzen müssen; die Bouquets an ihren Busen, die sie in die Nase stechen, so oft sie sich bücken wollen; die entblößte Brust, bey Frost und Schneegestöber; ihre von Flor überzogene Sommerhüte wider den brennenden Sonnenstral, und endlich ihre Reifröcke, durch die sie sich 112 selbst, und allen Umherstehenden beschwerlich fallen, nebst noch vielen andern weiblichen Kleidungsstücken, die ein Kapuziner unmöglich alle nennen und wissen kann, sind ja klare Beweise, daß sie wenigstens den ersten Hauptendzweck die Bequemlichkeit verfehlet haben.
Der Beweis für den zweyten Punkt soll mir eben so wenig schwer werden.
Ein Kopf, der durch Haarlocken und Vogelfedern zur Ellenlänge ausgedehnet wird, kann unmöglich mit den übrigen Theilen des Körpers im Verhältniß stehen – und also schon blos aus diesem Grunde zur Verschönerung etwas beytragen. Eben so wenig die durch Bleygewichte verlängerte Taille des Kleids, oder das durch hohe Absätze erhöhte Untergestell.
Doch ich kann mir wirklich die Mühe ersparen, in die einzelne Theile ihrer entstellenden Kleidertracht hineinzugehen; 113 denn schon blos der Umstand, daß sie ohne Auswahl, und ohne zu bedenken, ob sie für jeden Wuchs passe, jedwede französche Mode annehmen und mitmachen, ist mir ein hinlänglicher Beweis, daß das so genannte schöne Geschlecht nicht immer Gefühl vom wahrenIch sagte doch: nicht immer, aber ein grosser deutscher Philosoph behauptete einst gegen mich, daß die Weiber gar kein Gefühl für das wahre Schöne hätten, und daß Verstand und Harmonie, welche eigentlich dieses Gefühl ausmachen, nur ein Antheil der Männer sey. Er glaubt dieses dadurch zu beweisen, daß nicht einmal die Weibchen der Thiere harmonisch wären, und daß der göttliche Gesang der Nachtigall, der rührende der Grasmücke, und so durch alle Gattungen von Vögeln, nur immer vom Männchen komme. Ein Gelehrter Abbate, der eben mit an der Tafel war, setzte ihm die Stimme einer welschen Sängerinn entgegen. Mein Philosoph aber vertheidigte seinen Satz durch die Behauptung, daß die schönste Weiberstimme nur das Ohr kizeln könne, Männerstimme aber die Seele erschüttere. Er verglich dabey die Weiberstimme mit der Violin, die ohne Begleitung andrer Instrumente, auch von Meisterhand gespielt, unerträglich wird, die Männerstimme aber mit einem blasenden Instrument, das auch ohne Begleitung seine Wirkung thut. Man muß doch gestehen, daß Philosophen zu Zeiten ganz besondere Einfälle haben. Schönen habe. 114
Bringt die Pariser-Puppe eine hohe Frisur mit nach Deutschland, so tragen die Deutschen ebenfalls hohe Frisuren, und so im Gegentheile kleine Kraus- oder wohl gar geschorne Kinderköpfe, wenn diese gerade die herrschende Mode sind.
So geht es mit den langen und kurzen Taillen, mit engen und weiten Kleidern, so mit ihren Reiffröcken, Buffanten, Anhängsäcken, und wie diese nothhelfende Maschinen alle heissen mögen; daher kann sich dann ein ehrlicher Mann unmöglich des Lachens enthalten, wenn er einen Riesenkopf auf dem Leib eines Zwerges erblickt, oder eine Dame, die das Maß eines Grenadiers hätte, mit 115 einem nach Kinderart geschornen Kopf eintreten sieht; aber am allerlächerlichsten kömmt es ihm vor, wenn Damen, denen die eigensinnige Natur einen sichelförmigen Wuchs zugetheilt, diesem Fehler durch anliegende Kleider abzuhelfen suchen, oder sich wohl gar einbilden man sehe den Buckel unter der angloise nicht.
Die Tracht der Bürgersfrauen und Bürgerstöchter hätte in vorigen Zeiten wohl ein eignes Kapitel verdient, da aber aus den meisten Bürgersfrauen Damen, und aus ihren Töchtern Fräuleins geworden, so mögen sie sich auch das Ihrige aus dem herausklauben, was ich über die Tracht der Damen angemerkt habe.
Die Tracht der sogenannten Stubenmädchen ist wenigstens im Punkte der Verschönerung untadelhaft, und wenn sie doch ihre Unbequemlichkeiten haben mag, so sind sie wenigstens nicht so auffallend als an den Trachten der Damen. 116
Der Mann ist bald schön genug: sagt das Sprichwort, und das mag die Ursache seyn, daß diejenigen, die wirklich unter die Männer gehören, so ziemlich von der lächerlichen Modesucht befreyet sind.
Die junge Herren, die in Schnee und Regen den Hut unter dem Arm herum gehen – bald kaum zwo Ellen Tuch auf dem Leibe tragen – bald sich in einen ungeheuern Bruderschaftmantel einwickeln – im Koth weisse Strimpfe, und bey trocknen Wetter Stiefel anhaben – ihren kleinen Kopf sammt ihrem kleinen Verstand in einem Sturmhut verbergen – ungeheure Pferdschnallen an ihren Menschenfuß schnüren, und gleich darauf wieder ihre Schuhe mit Bändern zusammen ziehen – statt einer mässigen Binde, Hand- oder wohl gar ganze Tischtücher um ihren Hals winden, kurz alle diejenigen Männer, die durch ihre Tracht beweisen, daß sie weder Gefühl für 117 Bequemlichkeit noch Schönheit haben, mögen es mir verzeihen, wenn ich sie einstweilen unter das weibliche Geschlecht zähle, und sie, was die Nutzanwendung dieses Kapitels betrift, an die Rubricke der Damentracht weise.
Ich sagte vorhin, daß sich viele, um eine Bequemlichkeit zu geniessen, viele Unbequemlichkeiten aufladen. Dies geschieht in Ansehung der Tracht, (denn nur von dieser ist hier die Rede) wenn eine Burgersfrau mit Mann und Kindern zu Haus halb erfriert, um auf der Gasse mit einem Modepelz erscheinen zu können; oder wenn sich eine Dame Seidenstofe aus Paris verschreibt, die sie dann mit ihren Juwelen bezahlen muß; oder wenn sich statt der Hemden eine Bürgerstochter einen langen Mantel anschaft; Niemand aber ist grössern Unbequemlichkeiten ausgesetzt, als ein Kammermädchen, das bey einer rechtmässigen Revenüe von dreyßig oder 40 Gulden gleich 118 einer Dame ihre SaisonkleiderDie Berechnung dieser Unbequemlichkeiten mag unsern lieben Pater Sonntagprediger veranlasset haben die Tracht der Stubenmädchen die Teufelstracht zu nennen. haben will. Und hier scheint mir eigentlich die Gränzlinie zu seyn, wo der sonst so löbliche und nützliche Hang zur Bequemlichkeit in Luxus ausartet.
Es giebt freylich noch manch andere Trachten in meiner Gegend, über die sich ein und anders sagen ließ. Unter diese gehörten vorzüglich die grossen Perücken der Rathsherrn in Reichsstädten, die rathsherrnmässige Tracht einiger Professoren an mancher Universität, und wohl selbst die feyerliche Kleidung der FakultätsgliederAls Sr. päbstliche Heiligkeit Pius der 6te in einer grossen Hauptstadt Deutschlandes pontificirten, steckten sich so gar einige berühmte Kaufmänner in die Kleidung der Universitätspedelle, um dieser Ceremonie ungestört zu sehen zu können. ohne der halb geistlich- halb weltlichen Tracht der so genannten 119 Konducktansager oderIn Bayern und auch in verschiedenen andern Städten des deutschen Reichs sagen Weiber zur Leiche an, die man Seelennonnen nennt. Sie gehen aber nicht die Treppe hinauf, sondern ziehen vorher an der Glocke, und machen dann ihre Einladung von der Gasse. Seelennonnen zu gedenken.
Allein ich machte mich nicht anheischig, alles über alles zusagen, sondern wollte Herrn Obermayer nur beweisen, daß es ausser den Kapuzinern noch mehr lächerliche Figuren in der Welt gebe. 120
Erklärung des allegorischen Kupfers.