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Der Mensch hat sich nun einmal die Grille in den Kopf gesezt, daß er der Herr der Welt sey, und daß alle übrigen GeschöpfeWenn eine gewisse Klasse von Insekten (die Kapuziner werden errathen, welche ich meine) Verstand hätte, so würde sie über die menschliche Grille von Oberherrschaft herzlich lachen müssen. blos zu seinem Besten von dem lieben Gott wären auf die Welt gesetzt worden. Es haben zwar verschiedene Thiere wider diese von dem Menschen an sich gerissene Oberherrschaft protestirt; es hat wohl auch mancher aufrührische Bär oder Wolf, wenn er gerade mit so einem Herrn der Welt an einem schicklichen Ort von 138 Angesicht zu Angesicht zusammentraf, handgreiflich das Gegentheil bewiesen; indessen hat doch der Mensch noch bis diese Stunde bald durch List, und bald durch Gewalt sein Souverenitätsrecht zu behaupten gewußt.
Dem zu Folge spannt er den Ochsen vor den Pflug, und ißt ihn dann zur Dankbarkeit; daher legt er dem Esel die größten Lasten auf, und macht zur Vergeltung welsche Salamien aus seinem Fleisch; so muß auch der Wolf seine Haut zu Wildschuren hergeben, und der falsche Fuchs die aufrichtigen Damen mit seinem Balg bedecken helfen, und so ist nichts natürlicher, als daß der Mensch auch dasZweyfüssige edle Thiere giebt es sehr viele, aber unter den vierfüssigen Thieren ist das einzige Pferd bis itzt für adelich angegeben worden; denn man nennt es das edle Pferd, und vielleicht hat auch wirklich hie und da ein Pferd mehr Verdienst um den Staat, als mancher Landjunker, den es zieht. edle Pferd seinem Willen unterjochet habe. 139
Es muß ihm Länder erobern, und Schlachten gewinnen; unzähliche Bedürfnisse aus fernen Ländern herbeyschaffen, und die eignen Landesproduckten hinausführen, seine Leidenschaft zur Jagd unterstützen; kurz es muß ihm zur Bequemlichkeit, zum Vergnügen und zum Nutzen dienen.
Die Belohnung ist freylich nicht die beste, und es ist gar nichts seltnes, so ein edles Pferd, das seinem Herrn die redlichste Dienste geleistet, und ihm wohl auch in der blutigen Schlacht das Leben gerettet hatte, in seinen alten Tagen an einem Fiackerwagen ziehen zu sehen.
Indessen ist meine Absicht gar nicht, diese dienstfertige Geschöpfe wider den Herrn der Welt in Schutz zu nehmen; denn erstens finde ich es selbst noch viel zu bequem, besonders auf Reisen, mich von diesen edeln Tieren tragen oder fahren zu lassen, und dann würden mir die Bauern vielleicht für diese 140 Pferdprotecktion wenig Dank wissen, weil es wohl manchem Landjunker, Falls die Pferde den Prozeß gewännen, einfallen könnte, statt ihrer die Bauern an seinen Pflug oder Wagen zu spannen.
Der Mensch mag also noch ferners seine Oberherrschaft über diese Mitgeschöpfe ausüben, nur soll er sich ihrer so bedienen, daß er damit seinen eignen Mitbürgern nicht zur Last falle.
Unsre Vorfahrer besassen freylich die grossen Kenntnisse nicht, die wir besitzen; dafür aber wußten sie auch von mancher Thorheit nichts, die uns eigen ist.
So hätten sie es vielleicht für eine Satire gehalten, wenn ihnen jemand zumuthete, daß sie bey gesunden Leib zur Kirche fahren, oder ihren Freund, der mit ihnen in einer und eben der Gasse wohnte, im Wagen besuchen sollten. Schon blos die vielen engen Gässen sind ein Beweis, daß sie ihre Städte für Menschen, und nicht für Pferde gebauet 141 haben. Dann hatten die französischen Köche ihr Fußgestell noch nicht so sehr verderbt, daß sie nöthig gehabt hätten, sich der Pferdfüsse bey Besuchen oder Promenaden zu bedienen, endlich liebten sie auch ihre Kinder zu sehr, um ihnen durch Pferde das Brod wegfressen zu lassen.
Um so grösser müßte also ihr Erstaunen seyn, wenn sie wieder zur Welt kommen und sehen sollten, daß nun ihre Nachkömmlinge bald mit einem Zug von Viern und Sechsen in der Stadt herum Post fahren, bald in einer Pirutsche im gestreckten Lauf durch die engsten Gässen hinrollen, und mit den armen Fußgehern eine Parforce-jagd anstellen.
Aber wie würde nicht ihr Erstaunen zunehmen, wenn sie hörten, daß viele dieser fahrenden Nachkömmlinge aus Müssiggängern bestehen; daß die meisten aus ihnen den vis à vis, den Solitaire, das Cabriolet den 142 Pot de chambreEine gewisse Art französcher Wägen, in denen die Pariser und auch Fremde, die bey Hofe etwas zu suchen haben, nach Versailles fahren., oder den Gallawagen, in welchem sie Figur machen, noch nicht bezahlt haben; daß der schnurbärtige Kutscher und die Riesen von Bedienten Bauernbursche seyen, die der Hang zur Faulheit in die Stadt gezogen; daß man die müssige Bettelmönche einzuschränken suche, der Troß vom noch müssigern Lackeyvolke aber zum Nachtheil des AckerbauesIn einem Band des Herrn Hanns Rousseau, den ich, wie zu vermuthen, nicht in unsrer Klosterbibliothecke gefunden habe, wird mit sehr wahrscheinlichen Gründen bewiesen, daß der Luxus in Hauptstädten schon blos deswegen verdammlich sey, weil er dem Ackerbau so viele nothwendige Hände entziehe; aber kurz darauf las ich in einem ebenfalls aus dem Französchen übersetzten Buche, daß gerade dieser vom Herrn Rousseau so sehr verschriene Luxus der wahre Grundstein der Nationalglückseligkeit sey, weil er tausend Nahrungswege eröffnet, die Industrie erwecket, und das Kommerz (die Seele der allgemeinen Wohlfahrt, das Mark der Staaten) blühend erhält. Man weiß am Ende wirklich nicht, was man glauben soll; inzwischen halte ich es mit unserem lieben Pater Sonntagprediger, der zwar nicht der zeitlichen (denn was bekümmert uns Kapuziner die zeitliche Wohlfahrt der Menschen?), sondern der ewigen Glückseligkeit wegen den Luxus gänzlich verwirft, weil er der Hofart, der Wollust, der Eitelkeit, der Freygeisterey und allen übrigen teuflischen Lastern Thüre und Thore öffnet, und seine Anhänger in einer höllischen Equipage der ewigen Verdammung zuführt. immer anwachse; daß in 143 mancher Hauptstadt nun bald so viele Pferde als Menschen wohnen, und daß man beynahe anfange, das Fußgehen für eine Infamie zu halten; daß die Advokaten ihre Parteyen, die Aerzte ihre PazientenWie mir mein Freund erzählt, soll in der Hauptstadt der Mittelmark Brandenburg ein Büchergericht existiren, vor dem allen deutschen Autoren das Urtheil gesprochen wird, ob sie recht geschrieben haben. Weil aber das Sprichwort sagt: tot capita tot sententiæ, so soll es auch hier öffters sehr komische Urtheile geben, und einer und eben der Autor, nachdem er nämlich einem Refferenten in die Hände fällt, bald auf den Altar und bald an den Pranger gestellt werden. So lang indessen die Beysitzer dieses Hochgerichts noch immer nach ihrem eigenen Caput entschieden, soll sich dieses Tribunal bey der deutschen Autorwelt so ziemlich in Ansehen erhalten haben, weil es auch einige gute Capita unter ihnen gab; seit dem sie aber nicht mehr nach ihrem eignen Caput, sondern nach dem Caput ihres Präsidenten, der ein grosser Buchhändler, tüchtiger Theolog, und noch stärkerer Reisebeschreiber ist, entscheiden und richten müssen, soll die Autorität dieses Hirntribunals sehr herabgesunken seyn; denn, wie mein Freund hinzusetzte, wird nun nicht mehr auf die causa, sondern blos auf die Person gesehen, daher soll man auch in den meisten Konklusen selten ein Urtheil über den Werth oder Unwerth eines Buches, wohl aber immer einen Ausspruch über den moralischen Karackter des Autors (der nach meiner Meinung nie vor ein Litteraturgericht gehörte) mit allen nur möglichen wahren und falschen Privataneckdoten aufgeputzt antrefen. Ferners sollen sie, wenn doch vom Buche die Rede ist, weder die Absicht des Autors, noch den Plan seines Werkes durchforschen, dafür aber um so länger bey den Fehlern (ohne zu bedenken, ob sie nicht durch Schönheiten aufgewogen werden.) verweilen, manchmal auch einen dicken Band mit einem blossen Bonmot abfertigen. Weil es sich nun fügen könnte, daß mein Werk von diesen gelehrten Herren zur Inquisition gezogen würde, und sie sich leicht an dem Wort: Pazienten stossen möchten, so habe ich hiemit erklären wollen, daß ich blos jene Art von Pazienten meine, die bey ihrer Krankheit eben nicht Bett und Haus hüten dürfen, sondern ihren Geschäften nachgehen, und meinetwegen auch mit ihren kranken Köpfen über gesunde Bücher Rezensionen schreiben; denn wenn ich gleich ein unbedeutender Exkapuziner bin, so weiß ich doch, daß unmöglich ein Pazient, der zu Bette liegt, von seinem Medikus könne mit Koth bespritzet werden., die Wirthe ihre Gäste, und die 144 Kaufleute ihre Kundschaften mit Koth besprizen; daß wider das starke Fahren die 145 weisesten Verordnungen ergangen, und daß keine befolgt werde?
Wenn man den guten Vorfahren alles dies sagte, und sie endlich mit ihren eignen Augen unsre Kavaliere und Damen als Kutscher erblickten, und sehen sollten, wie unsre Kaufmannsherren, die durch die Woche Häringe, Stockfische und andere Spezereywaren nach Haus geführet haben, mit eben denselben Pferden (aber freylich nicht auf einem Leiterwagen.) ihre theure Ehehälften zur Kirche führen, würden sie nicht in ihrem Erstaunen ausrufen?
O tempora! o mores! 146
Erklärung des allegorischen Kupfers.